Protocol of the Session on November 29, 2006

(Beifall bei der FDP)

Frau Ministerin, warum soll der Gesundheitsfonds für eine bessere Finanzausstattung der schleswigholsteinischen Kassen sorgen, obwohl alle Kassen künftig für jeden Versicherten den gleichen Betrag aus dem Fonds erhalten? - Auch der von Ihnen hoch gelobte morbiditätsbezogene Risikostrukturausgleich kann dabei keine Rettung sein. Von daher frage ich: Was ist das eigentlich für ein Politikansatz, dass wir einen komplizierten Finanzausgleichsmechanismus in der gesetzlichen Krankenversicherung mittlerweile als globalen Rettungsanker für eine durch und durch verkorkste Reform anpreisen? Wo bleibt da der Politikansatz, dieses Gesundheitswesen grundsätzlich wettbewerbsfähig zu machen?

(Beifall bei der FDP)

Es geht nicht nur darum, dieses Gesundheitswesen dahin gehend wettbewerbsfähig zu machen, dass alle am medizinisch-technischen Fortschritt partizipieren können, sondern dass dies ein echter Wachstumsmarkt in Schleswig-Holstein bleibt.

Frau Ministerin, die Einführung von Regionalfaktoren und Transferobergrenzen im Rahmen einer Übergangsregelung werden dazu führen, dass Ver

sicherten, die in einem risikogünstigeren Bundesland mit Transferbegrenzungen wohnen, mehr Fördermittel zugewiesen werden, als zu deren Versorgung benötigt werden. Die Versicherten in diesen Bundesländern können deshalb mit einer Prämienausschüttung rechnen. Umgekehrt werden in risikoungünstigeren Bundesländern die Mittel nicht in ausreichender Höhe zugewiesen, die für die Versorgung aber notwendig wäre. Dazu gehört nach Ihrer eigenen Darstellung auch Schleswig-Holstein.

Das bedeutet dann nichts anderes, als dass die Kassen in Schleswig-Holstein mit den zugewiesenen Mitteln nicht auskommen werden.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Hört, hört!)

Ich möchte Sie geradezu dazu treiben, auch diesen Punkt in Berlin zur Sprache zu bringen, damit Schleswig-Holstein nicht hinten runterfällt.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn wenn wir an dieser Stelle nicht nachbessern, liebe Kollegin, dann werden viele interessante Zusatzprogramme - ich möchte an der Stelle nur „QuaMaDi“ nennen - gefährdet sein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gäbe noch viel zu diesem wunderbaren Gesetzentwurf zu sagen, aber bedauerlicherweise hat man uns nur fünf Minuten Redezeit eingeräumt.

(Beifall bei der FDP)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg und erteile das Wort für die CDU-Fraktion der Frau Abgeordneten Ursula Sassen.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch beim Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung muss das Wohl der Patientinnen und Patienten im Vordergrund stehen. Es darf nicht geschehen, dass Kranke ausgegrenzt werden und aufgrund eingeschränkter Kassenleistungen nicht am medizinischen Fortschritt partizipieren.

Die Zahl der Menschen, die ohne Absicherung im Krankheitsfall sind, hat in den letzten Jahren zugenommen. Auch viele kleine Selbstständige, die irgendwann ihren Beitrag nicht mehr zahlen konnten und ihren Versicherungsschutz verloren haben, sind betroffen. Deshalb soll ab 1. April 2007 eine Rückkehr in die Versicherung möglich sein, und zwar sowohl in die gesetzliche wie auch in die private.

(Dr. Heiner Garg)

Dies, das wissen wir alle, kann natürlich auch hier und da zu Missbrauch führen, aber es ist ein Angebot, das wir als Sozialstaat machen müssen.

Die Gesundheitsreform setzt neue Akzente. Für die Behandlung bestimmter Krankheiten wie Krebs, Mukoviszidose oder AIDS sind spezialisierte Krankenhäuser oft besser gerüstet als eine Arztpraxis. Deshalb wird den von bestimmten schweren oder seltenen Krankheiten betroffenen Patienten der Zugang zur ambulanten Behandlung künftig erleichtert. Im Rahmen der integrierten Versorgung können Verträge mit Krankenhäusern zur ambulanten Behandlung dieser Patienten auch ohne die Einbindung eines niedergelassenen Vertragsarztes mit entsprechendem Zulassungsstatus geschlossen werden. Für ältere Menschen wird die geriatrische Rehabilitation verbessert. Wichtige Impfungen müssen künftig von den Krankenkassen bezahlt werden. Alle von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlenen Schutzimpfungen werden in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen aufgenommen.

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Nein, später.

Im Gegensatz zu vielen anderen Gesundheitsreformen der letzten Jahre sieht das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz im Bereich der Zuzahlungen der Patientinnen und Patienten für in Anspruch genommene Leistungen keinerlei Erhöhungen vor. Das ist zunächst ein positiver Aspekt.

Ein wesentliches Ziel des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes ist jedoch der Abbau von Bürokratie.

(Lachen bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Daher werden die Verbandsstrukturen der Krankenkassen gestrafft. Ein einheitlicher Spitzenverband, der „Spitzenverband Bund der Krankenkassen“, wird die bestehenden sieben Krankenkassenverbände auf Bundesebene ablösen. So ist es geplant. Er soll die Belange der gesetzlichen Krankenversicherung vertreten und Rahmenbedingungen für einen intensiven Wettbewerb um Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung regeln. Die Landesverbände der Krankenkassen bleiben zur Erfüllung der regionalen Aufgaben erhalten. Damit sind natürlich nicht alle glücklich. Mit der Einrichtung eines Spit

zenverbandes fürchten einige Kassen um Ihre Existenz und auch Eigenständigkeit.

Für alle niedergelassenen Ärzte wünsche ich mir natürlich noch viel weniger Bürokratismus, damit mehr Zeit für die Patientinnen und Patienten ist. Einsparungen im Gesundheitswesen und Budgetierungen dürfen nicht dazu führen, dass eine wohnortnahe ärztliche und fachärztliche Versorgung gefährdet wird. Es kann auch nicht darum gehen, Kliniken auf Kosten der Fachärzte zu stärken oder umgekehrt Fachärzte auf Kosten der Kliniken, schon gar nicht auf Kosten der freien Arztwahl für die Patientinnen und Patienten. Die Politik muss Rahmenbedingungen schaffen, damit der Arztberuf wieder attraktiver wird und eine flächendeckende ärztliche Versorgung gewährleistet ist.

Den Apotheken mutet man mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz viel zu. Neben den zu leistenden 500 Millionen € findet eine Wettbewerbsverzerrung zulasten kleiner Apotheken statt, die bei den beabsichtigten Verträgen eine schlechtere Verhandlungsposition haben.

Es gäbe noch sehr viel mehr dazu zu sagen. Die Frau Ministerin hat die Benachteiligung der Krankenhäuser, die in unserem Land schon große Einsparungen erbracht haben, erwähnt. In Anbetracht der Zeit möchte ich nur noch darauf hinweisen, dass ich es begrüße, dass sich nach der letzten Anhörung zur Gesundheitsreform im Gesundheitsausschuss des Bundestages nach der geballten Kritik die Ausschussmitglieder mehr Zeit für die Beratung nehmen wollen, sodass der Bundestag erst im Januar 2007 abstimmen wird.

Auch die CDU-Landtagsfraktion hat Anfang November eine Anhörung von Gesundheitsexperten durchgeführt. Ich kann nur sagen, je tiefer ich in die Diskussion einsteige, desto mehr Fragen müssen noch beantwortet werden. Wir werden unsere Anhörung auswerten und über politische Konsequenzen beraten. Nach meinem Kenntnisstand gibt es bereits 210 Anträge zum GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz, und es ist durchaus möglich, dass aus Schleswig-Holstein noch der eine oder andere Antrag hinzukommt.

Einer dpa-Meldung zufolge haben SPD und Union bereits bekannt gewordene Änderungspläne im Ausschuss angekündigt. Ein Antrag zur Entschärfung der geplanten Insolvenzregelung für Krankenkassen könnte bereits in der nächsten Sitzungswoche, also Mitte Dezember, beraten werden. Unionsländer wollen erreichen, dass die künftig als Aufgabe des Bundes vorgesehene Festlegung der Krankenversicherungsbeiträge der Länderzustimmung

(Ursula Sassen)

bedarf. Es ist also Bewegung in der Gesundheitsreform. Schauen wir einmal, was dabei herauskommt.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ich danke der Frau Abgeordneten Ursula Sassen und erteile das Wort für die SPD-Fraktion der Frau Abgeordneten Jutta Schümann.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der Gesundheitsreform 2006 wird das deutsche Gesundheitswesen zukunftsweisend umgestaltet: in den Strukturen, in der Organisation, in den Finanzen und auch im Bereich der privaten Krankenversicherung. Wenn das nicht so wäre, würden nicht so viele aufschreiben. Alle Maßnahmen haben das Ziel, die Qualität der Versorgung zu verbessern, Wahl- und Entscheidungsmöglichkeiten der Versicherten zu erhöhen. Es soll durch mehr Wirtschaftlichkeit, höhere Transparenz, stärkeren Wettbewerb und systematischen Bürokratieabbau die finanzielle Stabilität der gesundheitlichen Versorgung der Bürgerinnen und Bürger abgesichert werden. Ich denke, in so einem Ziel können wir uns durchaus einig sein.

Für die Versicherten zählt allein ihre Gesundheit und die hierfür notwendige medizinische Versorgung heute und für die Zukunft. Die Grundpositionen von Union und SPD zur Gesundheitsreform lagen weit auseinander und das Ergebnis ist nicht ein gesundheitspolitischer, sondern ein koalitionspolitischer Kompromiss, über den man sich natürlich nicht freuen kann, der aber dringend erforderlich ist. Das ist im parlamentarischen Raum so notwendig. Es wird nie eine liberale Grundposition geben, die 1:1 umgesetzt wird, und das gilt für andere genauso.

(Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Es ist unsere Verpflichtung, Herr Kayenburg - hören Sie bitte auch einmal zu, seien Sie nicht immer so ungeduldig -, das Mögliche auszuhandeln. Das geschieht zurzeit. Im Vorfeld dies alles madig zu machen, ist nach meiner Meinung verantwortungslos.

Trotz massiver lautstarker Proteste ist im Augenblick davon auszugehen, dass es ein Wettbewerbsstärkungsgesetz geben wird. Allerdings nicht in der Form wie der allererste Entwurf.

(Zurufe des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

- Frau Präsidentin, könnten Sie einmal den Präsidenten bitten, die Zwischenrufe ein bisschen einzuschränken, ich würde gern meine Ausführungen zu Ende bringen.

(Heiterkeit und Beifall)

Es wird allerdings nicht in der Form geschehen, wie der allererste Entwurf war.

Liebe Frau Kollegin Schümann, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kayenburg?

Ich würde gern meine Ausführungen zu Ende bringen; vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt. Ich vermute, Sie werden sich zu Wort melden, Sie sind ja in Rage genug. Dann kann ich darauf antworten.

Diverse Änderungsanträge werden zurzeit beraten und insofern ist der Antrag der FDP seriös und differenziert gar nicht zu beantworten. Sich an dieser Stelle auf Spekulationen einzulassen, wäre genauso verantwortungslos gegenüber den Beteiligten wie die Angstmacherei einiger Verbände gegenüber ihren Versicherten Patienten und so weiter. Wir halten es zum jetzigen Zeitpunkt für dringend erforderlich, die Diskussion mit allen Beteiligten weiterzuführen, und wir bieten diesen Dialog auch weiterhin denjenigen an, die bereits jetzt im laufenden Verfahren eine Totalverweigerungshaltung eingenommen haben. Wir bieten auch Ihnen, Herr Kollege Kayenburg, diesen Dialog an.

(Lachen bei CDU und FDP)

Zum jetzigen Zeitpunkt muss es darum gehen, möglichst viele Änderungswünsche nicht nur anzumelden, sondern durchzusetzen. Dafür brauchen wir Bündnispartner in den anderen Bundesländern, aber auch in Schleswig-Holstein. Es muss darum gehen, spezielle schleswig-holsteinische Risiken zu minimieren und auszuschalten, zum Beispiel für unsere Krankenhäuser oder Krankenkassen. Insofern war der Bericht über die Entscheidungen sehr positiv. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir auch an anderen Stellen bei den Stellschrauben nachbessern können.

Es muss darum gehen, landesspezifische modellhafte Versorgungsangebote zu erhalten. Es muss darum gehen, die neuen Möglichkeiten für die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum für ambu

(Ursula Sassen)