Protocol of the Session on May 4, 2006

Der Ausschuss empfiehlt dem Landtag, den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 16/264, abzulehnen und den Antrag der Koalitionsfraktionen, Drucksache 16/284, anzunehmen.

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Gibt es Wortmeldungen zum Bericht? - Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die Aussprache und gebe für die antragstellende Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute über die Anträge zur Neuordnung der Lehrerbildung in zweiter Lesung; es sind mittlerweile drei. Warum?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das fragen wir uns auch!)

Bundesweit steht die Neuordnung der Lehrerbildung an. Damit werden die Weichen für die Entwicklung der Schule auf viele Jahre hin gestellt; denn die Lehrerinnen und Lehrer, die wir heute aus

(Lars Harms)

bilden, werden noch im Jahre 2050 unterrichten. Deswegen ist es mir unbegreiflich, dass die beiden Regierungsfraktionen es abgelehnt haben, über das Thema im Bildungsausschuss ausführlich zu diskutieren.

Nachdem wir eine schriftliche Anhörung durchgeführt haben, hatte ich vorgeschlagen, dass sich der Ausschuss die unterschiedlichen Konzepte in einer mündlichen Anhörung vorstellen lässt und darüber berät. Ich bin der Auffassung, dass es die Aufgabe des Landtages ist, sich nicht nur intensiv damit zu beschäftigen, sondern auch bezüglich der zukünftigen Struktur der Lehrerbildung Entscheidungen zu treffen. Andere Landtage haben übrigens nicht nur dieses getan, sondern auch Lehrerbildungsgesetze verabschiedet, um die einschlägigen Fragen sogar gesetzlich zu regeln. Der Landtag SchleswigHolstein hält es bei einer der wesentlichen Strukturfragen der Lehrerbildung der Zukunft nicht für nötig, sich damit intensiv zu beschäftigen.

Angesichts der Kürze der Zeit will ich nur ein paar Punkte nennen, um die es geht. Wie sollen Praxis und Theorie verknüpft werden? Wollen wir das Bielefelder Assistant-Teacher-Modell übernehmen, bei dem ein Praxisjahr eingeschoben wird? Wollen wir das Referendariat zu einem Teil des Studiums machen? Welches ist unser Bild von einer zukünftigen Lehrerin beziehungsweise einem zukünftigen Lehrer? Sollen Lehrerinnen und Lehrer mehr Fachleute oder mehr als bisher Spezialistinnen und Spezialisten für Lernprozesse und Persönlichkeitsentwicklung sein? Sollen Grundschullehrerinnen und lehrer weiterhin Fachlehrerinnen und -lehrer sein oder wollen wir ein fachübergreifendes Studium, was der Praxis in den Schulen entspricht, denn Grundschullehrer müssen ja bekanntlich alle Fächer unterrichten?

Schließlich stellt sich als Kernfrage in der gegenwärtigen Diskussion diese Frage: Wollen wir Lehrerinnen und Lehrer in Zukunft nach den Altersstufen der Kinder oder wie bisher nach Schulformen spezialisieren? Überall in der Welt unterscheidet man Lehrerinnen und Lehrer für Kitas und Grundschulen und Fachlehrerinnen und -lehrer mit dem Schwerpunkt Pädagogik für die Sekundarstufe I und Sekundarstufe II. In den Bundesländern Berlin, Thüringen und Rheinland-Pfalz gibt es bereits erste Bachelor-Studiengänge für Stufenlehrerinnen und lehrer. In Schleswig-Holstein weigert sich der Landtag aber, darüber überhaupt zu diskutieren.

Meine Damen und Herren, Bildungspolitik ist das Kernstück der Landespolitik. Andere Länder - ich hatte es schon erwähnt - haben Lehrerbildungsgesetze verabschiedet, beispielsweise Bayern, Berlin,

Thüringen, Hessen und Bremen. Sie haben die Lehrerbildung damit zur Sache des Parlaments gemacht. Deshalb vertrete ich die Auffassung, dass die von mir genannten Fragen im Bildungsausschuss und hier im Parlament behandelt und auch zur Entscheidung geführt werden müssen. Ich beantrage deshalb die Rückverweisung aller Anträge an den Bildungsausschuss. Das Parlament darf nicht dulden, dass der Bildungsausschuss sich vor der Erledigung seiner Aufgaben drückt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der CDU erteile ich Herrn Abgeordneten Niclas Herbst das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will nicht den Eindruck erwecken, als hätte ich eine Rede vorbereitet. Ich sage deswegen gleich vorweg, dass ich hier die verhinderte und entschuldigte Frau Kollegin Herold vertrete und ihren Redebeitrag vortragen werde.

(Beifall des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Sie wissen also, dass der Applaus, der jetzt von der FDP kommt, Frau Herold und nicht mir gilt.

Meine Damen und Herren, es geht nun in die nächste Runde: Nachdem ein Austausch der Standpunkte über die Grundsätze der Neuordnung der Lehrerbildung hier im Plenum im September stattgefunden hat, ist es mir - das sage ich wiederum im Namen von Frau Herold - nach einer öffentlichen Diskussion mit begleitenden schriftlichen Stellungnahmen, die sich angeschlossen hat, eine große Freude, auf Wunsch der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN über den gleichen Antrag zur Strukturierung des Bachelor-/Master-Studiengangs erneut zu sprechen. - Ich vermute, dies ist, obwohl es nicht ausdrücklich vermerkt ist, ironisch gemeint.

Vom Verfahren her sind wir eigentlich schon einen ganzen Schritt weiter, als es der Antrag der Grünen hergibt. Grundsätzliche Überlegungen sind bereits in konkrete Modelle eingeflossen. Das Wissenschaftsministerium wird dem Bildungsausschuss eine Synopse über mögliche Konstruktionen des Bachelor-/Master-Studiengangs vorlegen, die zurzeit auf Kultusministerebene diskutiert werden. Diese gilt es dann eingehend zu beraten und abzustimmen, vor allem natürlich mit unseren norddeutschen Nachbarländern.

(Karl-Martin Hentschel)

Lassen Sie mich, damit auch der Letzte der noch Anwesenden es nachvollziehen kann - das hat meine Kollegin sehr vorausschauend formuliert - noch einmal zusammenfassen:

Alle Fraktionen haben sich - das nicht erst in dieser Legislaturperiode - zum Bologna-Prozess bekannt. Wir sind uns einig, dass der Praxisanteil der Lehrerausbildung insgesamt erhöht werden muss. Wir wissen um das Problem der Integration der zweiten Lehrerausbildungsphase in das Masterstudium. Es ist auch deutlich geworden, dass es nicht praktikabel ist, alle Abschlüsse „über den Markt“ zu gestalten.

Uneinig sind wir uns - das wird sich sicherlich auch inhaltlich nicht ändern - über den von den Grünen geforderten Stufenlehrer. Der Koalitionsvertrag schreibt das gegliederte Schulwesen als das Schulsystem der 16. Legislaturperiode fest. Die CDUFraktion wird sich auch weiterhin dafür stark machen, dass schleswig-holsteinische Lehrkräfte nach den Anforderungen der jeweiligen Schulform ausgebildet werden.

Ich will, weil Herr Hentschel im Folgenden angesprochen ist, diesen Punkt einmal überspringen, um die Diskussion nicht ohne Not zu strapazieren. Aber die CDU steht für eine bessere Grundlagenbildung unserer Schülerinnen und Schüler, für ausbildungs- und studierfähige junge Menschen, die auch in die Lage versetzt werden, ein Studium oder eine Berufsausbildung erfolgreich abzuschließen.

(Beifall der Abgeordneten Frauke Tengler [CDU])

Dafür ist es zuallererst notwendig, den Stellenwert der Bildung insgesamt in den Mittelpunkt zu rücken und weiterhin gut qualifizierte Lehrkräfte auszubilden, die der Garant für ein hohes Bildungsniveau sein müssen.

Meine Damen und Herren, geben wir den angehenden Lehramtsstudenten mit einer gelungenen Reform der Lehrerbildung die Möglichkeit, dieses hoch gesteckte Ziel umzusetzen.

Jetzt kommt der freie Teil der Rede, der sich mit Herrn Dr. Klug und seinem Änderungsantrag beschäftigen wird. - Herr Dr. Klug, Sie gehören ja zusammen mit einigen Vertretern der Grünen sozusagen zu den heiligen Gralshütern des Parlamentarismus.

(Anke Spoorendonk [SSW]: Na, na!)

Ich finde es auch sehr lobenswert, dass Sie gegen das dunkle Imperium der großen Koalition ankämpfen. Aber dass Sie in der Mittagspause einen so

weit gehenden Änderungsantrag vorlegen, in dem Sie eben einmal die Abkehr vom Bachelor-/Masterstudiengang fordern, hat aus meiner Sicht auch etwas mit mangelndem Respekt gegenüber dem Bildungsausschuss zu tun.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Wir haben das im September gemacht! Wenn Sie damals im Landtag aufgepasst hätten, wüssten Sie es!)

Ich finde, wir sollten uns auf dieser Ebene nicht unterhalten.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Zurück zur großen Koalition!)

- Beim Thema Koalition sind Sie, Herr Kubicki, wirklich ein schlechter Ansprechpartner. - Davon abgesehen finde ich es nicht richtig, dass wir ein so weit gehendes Problem einfach in der Mittagspause vorgelegt bekommen und weit reichende Entscheidungen fällen sollen. Das können wir an dieser Stelle natürlich nicht.

Herr Dr. Klug, ich will gar nicht sagen, dass alles, was Sie dort schreiben, falsch ist. Aber ich hätte es richtiger gefunden, wenn Sie den üblichen parlamentarischen Weg gewählt hätten.

In diesem Sinne wird uns das Thema der Lehrerausbildung weiterhin begleiten. Die letzte Messe ist noch nicht gelesen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Für die Fraktion der SPD erteile ich dem Herrn Abgeordneten Jürgen Weber das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist mitnichten so, dass wir die Frage der Lehrerausbildung nicht intensiv und ausführlich hier in diesem Parlament beraten hätten und berieten. Kollege Hentschel, ich kann mich entsinnen, dass wir in den letzten drei Jahren im Parlament intensivst über die Neugestaltung der zweiten Phase der Lehrerausbildung und über das IQSH beraten und diese Dinge in einer Reihe von Anhörungen und Ähnlichem ausführlich diskutiert haben. Wir haben natürlich auch die Frage der Neuordnung der ersten Phase der Lehrerausbildung, also den Teil, der in den Hochschulen absolviert wird, intensiv diskutiert. Wir haben eine Beratung im Parlament gehabt, wir haben eine Ausschussberatung gehabt und eine schriftliche Anhörung durchgeführt. Wir haben viele Meinungen dazu gehört und haben uns dazu auch ausgetauscht.

(Niclas Herbst)

Es wird Sie nicht überraschen, wenn ich für die SPD-Fraktion sage, dass wir den Antrag, den wir gemeinsam mit der CDU erarbeitet haben, zur Zustimmung empfehlen wollen. Aber ich will noch einige Worte der Begründung dazu sagen.

Uns ist klar und bewusst, dass gerade bei der Umsetzung des Bologna-Prozesses, also bei der Einführung gestufter Studiengänge auch in der Lehrerbildung, sehr viele Probleme aufgetreten sind, wahrscheinlich mehr als viele am Beginn des Prozesses gedacht haben. Das muss man konzedieren. Deswegen haben wir in unserem Antrag auch die Prinzipien, die Grundsätze festgelegt, die wir in dieser Legislaturperiode bei der Umsetzung des Bologna-Prozesses in der Lehrerausbildung für wichtig und wesentlich halten: Verbesserung des Praxisbezuges, Verknüpfung der Elemente, die die Universität beisteuert, mit den Elementen, die nachher in der zweiten Phase die Lehrerfortbildungsinstitutionen, IQSH, beitragen, die Frage, wie wir die Integration des Master-Teils mit dem Vorbereitungsdienst, mit dem Referendariat, organisieren können.

Das sind Fragen, die wir im Parlament nicht zum Abschluss gebracht haben, obgleich wir schon erwarten können und auch erwarten - an diesem Punkt befinden wir uns zum jetzigen Zeitpunkt immer noch nicht -, dass die Landesregierung auch in Abstimmung mit dem, was auf Ebene der Kultusministerkonferenz diskutiert wird, noch präzisere Vorstellungen vorlegt, als sie bisher auf dem Tisch liegen.

Aber die Grundlagen liegen auf dem Tisch. Sie sind nicht neu. Sie heißen: Die Neuordnung darf nicht zu einer Verlängerung des Studiums führen. Neuordnung heißt, dass wir auch innerhalb der Bachelor-Phase so viel Polyvalenz organisieren müssen, dass diejenigen, die den Lehrerberuf nicht anstreben und schließlich nicht ergreifen wollen, die Möglichkeit haben, in der Master-Phase andere erziehungswissenschaftliche oder entsprechende Studienschritte zu unternehmen.

Natürlich gibt es auch Punkte, die offen gestaltet sind und um die es politischen Streit gibt. Kollege Hentschel, ich stehe nicht an zuzugestehen, dass ich Ihrer Auffassung in der Sache durchaus nahe bin zu sagen, dass wir uns in der Perspektive von einer lehramts- oder schulartspezifischen Ausbildung als wesentlichem Merkmal von Lehrerausbildung entfernen und zu einer tatsächlich an den Problemen orientierten, auch sehr stark vom Alter und damit auch von Schulstufen abhängigen Lehrerausbildung kommen müssen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will auch deutlich sagen: Die Frage der Weiterentwicklung beginnt sozusagen nicht mit der Neugestaltung der Lehrerausbildung, sondern mit der Weiterentwicklung von Schule. Zum Zweiten haben wir eine Vereinbarung für diese Legislaturperiode mit unserem Koalitionspartner. Diese sieht vor, dass wir dem, was Sie beantragen, schlichtweg nicht zustimmen können und deswegen auch nicht zustimmen werden. Ich denke, das ist eine Entwicklung, die man abwarten muss.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist wenigstens ehrlich!)

- Kollege Hentschel, einen Satz will ich noch sagen, wenn ich es finde; denn ich habe keine vorbereitete Rede, sondern mir liegen nur die Anträge vor. - Sie haben geschrieben, dass Sie den Stufenlehrer in der Ausbildung im Kern wollen. Wir haben deutlich gemacht, dass wir die unterschiedlichen Anforderungen an die Schularten weiterhin berücksichtigen wollen. Dialektisch betrachtet, sage ich einmal: Da die konkreten tatsächlichen Anforderungen in ihrer Unterschiedlichkeit in den Schularten Stück um Stück in den Hintergrund treten werden, wird es irgendwann einen synthetischen Prozess geben, sodass wir diese reflexartige Diskussion im Hinblick auf Schularten gar nicht mehr führen werden. Mit Blick auf andere europäische Länder und auf andere Länder in dieser Republik sage ich voraus, dass es diesen grundsätzlichen ideologischen Streit irgendwann auch in SchleswigHolstein nicht mehr geben wird.