Protocol of the Session on January 25, 2006

Landtagsbeschluss vom 11. November 2005 Drucksache 16/338

Mündlicher Bericht der Landesregierung

Ich erteile das Wort der Ministerin für Bildung und Frauen, Frau Ute Erdsiek-Rave.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist in Deutschland immer noch so, dass fast ausschließlich die Frauen mit dem Problem konfrontiert sind, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren.

(Unruhe)

Frau Ministerin, darf ich Sie kurz unterbrechen? Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben sich darauf geeinigt, diesen Tagesordnungspunkt vorzuziehen. Ich bitte um Aufmerksamkeit.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Ich wiederhole den Satz, auch damit sich viele ihn wirklich einprägen und das auch verinnerlichen. Damit richte ich mich gar nicht unbedingt an die Männer, sondern an uns alle als Politikerinnen und Politiker. Es ist in Deutschland so, dass immer noch überwiegend die

(Anke Spoorendonk)

Frauen mit dem Problem konfrontiert sind, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren. Ich bin wirklich froh, dass die große Koalition in Berlin dieses Problem ganz oben auf ihre Agenda gesetzt hat. Ein familienfreundliches Deutschland umfasst eben auch dieses Problem von Familie und Beruf, Kinderbetreuung, Ausbau der Kinderbetreuung und Verbesserung der Bedingungen auch steuerlicher Art. Ich hoffe, dass damit die richtigen Weichen gestellt werden, um Beruf und Familie zu vereinbaren.

Aber es ist klar, auch in Zukunft werden wir spezielle Angebote für Frauen brauchen, etwa durch die Beratungsstelle FRAU & BERUF, um gerade Frauen bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz oder Arbeitsplatz zu beraten und zu unterstützen, vor allem dann, wenn es um den Wiedereinstieg nach einer Familienphase geht, wenn es um Fort- und Weiterbildung der beruflichen Fähigkeiten und Kenntnisse für einen Arbeitsmarkt geht, der sich ja immer schneller verändert. Je länger die Pause ist, desto schwieriger ist auch der Wiedereinstieg.

Auf Initiative des damaligen Frauenministeriums wurden seit 1989 flächendeckende Angebote in Schleswig-Holstein geschaffen, ein Netz FRAUEN & BERUF. Das wird zu zwei Dritteln aus dem ASH-Programm vom Land und zu einem Drittel von der Europäischen Union finanziert. Im vergangenen Jahr haben die zwölf Beratungsstellen mehr als 10.000 Frauen in Schleswig-Holstein beraten und unterstützt.

Aber Haushaltskonsolidierung und Einsparvorgaben machen natürlich vor fast nichts Halt. Deswegen mussten von uns bei der Förderung der Beratungsstellen 100.000 € eingespart werden. Diese Summe konnte natürlich unmöglich von allen Beratungsstellen gleichermaßen erbracht werden. Dann wäre deren Arbeitsfähigkeit grundsätzlich infrage gestellt worden. Deshalb haben wir einen Alternativvorschlag erarbeitet, mit den Betroffenen erörtert. Mit folgender Lösung können sowohl das Einsparziel erreicht als auch gleichzeitig das Beratungsangebot in anderer Form aufrechterhalten werden.

Erstens. Die Beratungsstelle FRAU & BERUF, die für die Landeshauptstadt Kiel und den Kreis Plön zuständig war, wird in neuer Trägerschaft und mit einem reduzierten Zuschuss neu aufgebaut. Statt der GEFAS in Rendsburg, der Gesellschaft für Arbeitsmarkt und Strukturpolitik, übernimmt das Frauennetzwerk als Träger die Beratungsstelle und erhält dafür einen Landeszuschuss von insgesamt 75.000 €. Das Frauennetzwerk ist bereits Träger der gleichen Einrichtung für die Stadt Lübeck. Damit

wird ein anerkannter, qualifizierter Träger die Arbeit für Kiel und Plön fortsetzen, der auch schon andere Arbeitsmarktprojekte in der Region erfolgreich organisiert.

Zweitens. Die landesweit tätige Beratungsstelle „Perspektiven für Bäuerinnen“ in Trägerschaft der Landwirtschaftskammer wurde zum Jahresende 2005 geschlossen. Deren spezifisches Beratungsangebot wird zum einen durch vier Stellen aus der landwirtschaftlichen Erwerbs- und Einkommensberatung in der Landwirtschaftskammer aufgefangen. Das kann sie sehr gut; dessen haben wir uns versichert. Das Landwirtschaftsministerium stellt der Landwirtschaftskammer dafür zusätzlich 20.000 € zur Verfügung. Wir danken für die kollegiale Hilfe an dieser Stelle.

(Beifall bei SPD und CDU)

- Das muss ja auch einmal gesagt sein. - Zum anderen bieten die elf Beratungsstellen FRAU & BERUF in den Flächenkreisen zukünftig für diese Klientel dezentral spezielle Unterstützung an.

Was diese Reorganisation angeht, können wir mit gutem Gewissen sagen: Trotz der Einsparungen wird die inhaltliche Arbeit durch die Beratung vor Ort sogar noch verstärkt, insbesondere für die eben genannte Zielgruppe.

Liebe Kollegin Lütkes, zu den beiden weiteren Fragen, die im Berichtsantrag gestellt worden sind, kann ich Ihnen heute natürlich nur eine Zwischeninformation geben. Denn die Landesregierung ist derzeit erst dabei, die Konsequenzen aus den EUFinanzbeschlüssen, deren Schicksal Sie kennen, und der daraus notwendig werdenden Neuausrichtung der Förderprogramme in Schleswig-Holstein zu beraten. Ich sage Ihnen aber heute schon zu, dass ich im zuständigen Ausschuss natürlich über unsere weiteren Planungen informieren werde.

Ein langfristiges Konzept für die Förderung der Beratungsstellen FRAU & BERUF lässt sich eben leider auch erst dann erarbeiten. Es muss sich in die Neukonzeption der Arbeitsmarktförderung auf der Grundlage der Fördergelder aus dem Europäischen Sozialfonds integrieren. Zum jetzigen Zeitpunkt gehen wir davon aus, dass wir mit weniger EU-Mitteln im Vergleich zur laufenden Förderperiode rechnen müssen. Es zeichnet sich ebenfalls ab, dass bessere berufliche Chancen von Frauen und deren erhöhte Erwerbsbeteiligung kein eigenständiger Schwerpunkt im Europäischen Sozialfonds mehr sein werden. Künftig sollen alle Förderprogramme diese Ziele berücksichtigen.

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

Diesen Querschnittsansatz kann man aus arbeitsmarktpolitischer Sicht sinnvoll finden. Er entspricht auch dem Prinzip des Gender Mainstreaming. Wir brauchen also auch in Zukunft den Sachverstand der Beratungsstellen FRAU & BERUF, um Frauen erfolgreich in Arbeit und Ausbildung zu vermitteln.

Das Wissen und die Erfahrung der Mitarbeiter in den Beratungsstellen muss und wird auch in Zukunft die Arbeit für bessere Perspektiven von Frauen im Arbeitsmarkt leiten und Grundlage dafür sein. Das ist für uns die Linie bei den anstehenden Planungen, über die ich Sie im kommenden Verfahren der nächsten Wochen und Monate gern informieren und mit Ihnen im Gespräch bleiben möchte. Es tut mir Leid, dass ich Sie heute sozusagen nur vor dem Hintergrund der noch nicht abgeschlossenen Beratung in Brüssel und in Straßburg, was die Zukunft der EU-Finanzen angeht, informieren kann.

(Beifall)

Ich danke der Frau Ministerin und eröffne hiermit die Aussprache. Ich erteile der Frau Abgeordneten Anne Lütkes für die antragstellende Fraktion das Wort.

(Klaus Klinckhamer [CDU]: Mach jetzt kei- nen Wahlkampf!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin, obwohl es sich nur um einen rudimentären Bericht handelt, sage ich trotzdem vielen Dank. Ich möchte deutlich machen, dass ich meine, der Berichtsantrag ist noch nicht ganz erfüllt. Wir haben bewusst - vielleicht etwas ungewöhnlich - keinen schriftlichen Bericht beantragt, weil unserer Fraktion und wohl auch dem ganzen Haus bekannt ist, dass sich die Dinge zu entwickeln haben, Sie sicherlich sehr intensive konzeptionelle Gedanken hegen und Gespräche dazu führen. Sinn und Zweck unseres Berichtsantrages war, auf die Problematik hinzuweisen.

Ich bedanke mich dennoch, weil Ihre klaren Worte anerkennen, dass die Beratungsstruktur im Land zu erhalten ist und die Beratungskompetenz von FRAU & BERUF für dieses Land und für Frauen, die in das Erwerbsleben zurückzukehren wünschen, aus Ihrer Sicht zu erhalten ist. Das ist eine Botschaft, eine klare Aussage, die hier in diesem hohen Haus Gehör finden sollte.

In der Vergangenheit haben wir uns mehrfach mit dem Thema Vereinbarkeit von Familienarbeit und Erwerbsarbeit unterhalten und sind im hohen Haus - davon gehe ich weiter aus - in der Grundanalyse einig. Allerdings muss, wenn man in die Zukunft hineinschaut, deutlich gemacht werden, dass die Beratungsstrukturen, die über lange Zeit im Land gewachsen sind, erhalten bleiben. Wir wissen, dass der Europäische Sozialfonds mit Ende des laufenden Jahres abgeschlossen sein wird. Ab 1. Januar 2007 wird es für den Strukturfonds neue Planungsrunden geben. Die EU lässt verlauten, dass in der zukünftigen ESF-Förderung noch deutlicher als bisher auf die Gleichheit der Geschlechter hingewirkt wird. Dazu könnte der Europaminister vielleicht etwas sagen. Denn gerade die Erwerbsbeteiligung von Frauen steht nach wie vor auf der europäischen Agenda. Das wären gute Voraussetzungen gerade für die Frauenförderung hier in SchleswigHolstein.

Deshalb war unser Berichtsantrag davon bestimmt, dass wir gern möchten - Sie haben deutlich gemacht, dass Sie auf dem Weg sind -, dass die Regierung diese Chance nutzt, dass rechtzeitige Zielsetzungen und Zielvorgaben des neuen Programmes klargemacht und mit der Beratungsstruktur hier in Schleswig-Holstein in Einklang gebracht werden, damit nicht nur keine Fristen, sondern auch keine Chancen vertan werden.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Darüber hinaus wissen wir alle, dass das SGB II umgangssprachlich Hartz IV - neue organisierte Beratungsangebote geschaffen hat. Auch hier ist die frauenspezifische Beratung zu stützen. Auch hier könnte es Möglichkeiten geben, die Erfahrungen und die Potenziale von FRAU & BERUF stärker bei einer Neuorganisation im Jahr 2007 zu berücksichtigen und für die kompetente Beratung von Frauen, die nach wie vor diejenigen sind, die Familienarbeit und Erwerbsarbeit unter einen Hut bringen sollen, die aber auch so beraten werden müssen, dass sie neue, andere Formen der Berufs- und Erwerbsarbeit leben können, zu erhalten.

Wir wissen, dass die Arbeitsagentur Frauen nach wie vor im Sinne der herkömmlichen frauenspezifischen Berufswahl berät. Es bedarf nach wie vor des parteilichen frauenspezifischen Beratungsblickes. Er mag in der großen Erfahrung, der langen Erkenntnis von FRAU & BERUF angesiedelt sein. Ich wäre dankbar, wenn Sie uns möglichst bald das geht sicherlich nicht von heute auf morgen darüber berichten könnten, wie die Neuorganisation ab 2007 aussehen soll, wie die Möglichkeiten gege

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

benenfalls auch der europäischen Förderung aussehen. Ich rege deshalb an, dass wir diesen mündlichen Bericht an den zuständigen Ausschuss überweisen und er dort weiter beraten wird. Sollte das hohe Haus anderer Auffassung sein, werden wir zügig - nicht im Sinne von detailliert, sondern bald, wie wir heute gelernt haben - einen neuen Antrag stellen müssen. Aber ich glaube, das wird nicht nötig sein.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Ich danke der Frau Abgeordneten Lütkes. Bevor ich der Frau Kollegin Todsen-Reese das Wort erteile, erlauben Sie mir, Besucher auf der Tribüne zu begrüßen. Ich freue mich besonders, den CDU-Bezirksverband Eggebek mit dem Bürgermeister Reinhard Breidenbach wie auch den SPD-Ortsverein Jevenstedt begrüßen zu dürfen. - Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich erteile jetzt der Frau Abgeordneten Herlich Marie Todsen-Reese für die CDU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es eben schon gehört: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist eines der wichtigsten Handlungsfelder unserer zukünftigen Familien- und Frauenpolitik. Anders als im skandinavischen Raum gehen bei uns die Wünsche der Frau und die Realität in Bezug auf die Vereinbarkeit von Familiengründung und Berufs- und Karriereplanung immer noch weit auseinander. Eine Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung aus dem Jahr 2005 zeigt, dass bundesweit 54 % der Frauen Familie und Beruf in Form von Teilzeitarbeit und 19 % in Form von Vollzeitarbeit vereinbaren möchten und sich nur 22 % für eine vorübergehende Unterbrechung der Erwerbstätigkeit entscheiden würden. Anhand der tatsächlichen Zahlen zeigt sich, wie weit Wunsch und Wirklichkeit auseinander klaffen.

Eine Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung zeigt auf, dass zurzeit zwei Drittel aller Frauen mit der Familiengründung den Beruf vorübergehend aufgeben. Mit zunehmendem Alter der Kinder wollen dann circa 75 % aller Mütter wieder in den Beruf zurückkehren. Die meisten Frauen arbeiten dann nach der Geburt des Kindes jahrelang in Teilzeitstellen. Dadurch ist eine berufliche Weiterentwick

lung aber oft nicht mehr möglich, da hierfür ein Stundenumfang von mindestens 75 % einer Vollzeitstelle notwendig wäre.

Kurz gesagt: Wir alle wissen, wie schwierig es für Frauen ist, wieder in einen Beruf einzusteigen. Das gilt in besonderer Weise für Frauen, die über 50 sind. Durch die genannten Zahlen in aller Kürze und die geschilderte Situation wird deutlich, wie wichtig die Unterstützung von Frauen ist, die Familie und Beruf unter einen Hut bringen möchten.

Diesem Ziel hat sich FRAU & BERUF verschrieben. Seit 1989 wurde ein flächendeckendes Netzwerk von Anlaufstellen in ganz Schleswig-Holstein eingerichtet. Dies machte FRAU & BERUF so erfolgreich, dass sie im Jahr 2003 durch die Stiftung Warentest für das flächendeckende Beratungsangebot in Schleswig-Holstein lobend hervorgehoben wurde.

(Beifall)

Diesem Lob möchte ich mich ausdrücklich anschließen und herzlichen Dank aussprechen. Dieser Dank richtet sich auch an die, die FRAU & BERUF mit initiiert haben.

Die Aufgaben und Ziele von FRAU & BERUF haben sich seit 1989 kontinuierlich weiterentwickelt. Während es ursprünglich reine Weiterbildungsberatungsstellen für Berufsrückkehrerinnen waren, arbeiten die Beratungsstellen seit 1996 mit einer erweiterten Konzeption. Grundlagen des Konzepts sind im Wesentlichen drei Aufgaben: die arbeitsmarktorientierte Beratung von Frauen, die Abstimmung des regionalen Weiterbildungsangebots auf die Situation von Frauen und die strukturpolitischen Aktivitäten zur Verbesserung der Arbeitsmarktsituation von Frauen.

Neben der Weiterbildungsberatung gehören hierzu die Unterstützung bei der Erstellung von Bewerbungen, die Beratung bei Existenzgründungen, die Hilfe bei der beruflichen Orientierung, die Bewältigung von Konflikten am Arbeitsplatz sowie die Beratung bei der Kinderbetreuung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, FRAU & BERUF ist eine wichtige Einrichtung im Land. Trotzdem mussten wir aufgrund der katastrophalen finanziellen Lage des Landes Schleswig-Holstein bei den Haushaltsberatungen für den Haushalt 2006 auch an diesen Bereich heran. Es gab eigentlich keinen Bereich im Landeshaushalt, der nicht von Sparmaßnahmen betroffen war.

Dies galt leider auch für die Zuschüsse an Träger von Beratungsstellen FRAU & BERUF. Betroffen hiervon ist die für die Landeshauptstadt Kiel und