Protocol of the Session on July 23, 2009

Als Aufsichtsratsmitglied der SPD ist er auch gebeten worden, die Kabinettsmitglieder aus der SPD und den Fraktionsvorsitzenden der SPD zu unterrichten. Er hat dies auch getan beziehungsweise tun lassen. Das können Sie in seiner persönlichen Erklärung hier im Landtag nachlesen. Da kann die SPD doch nicht so tun, als sei sie nicht informiert gewesen.

Neben Lothar Hay sind außerdem informiert worden die finanzpolitische Sprecherin der SPD, die Abgeordnete Herdejürgen, und der Vorsitzende des Finanzausschusses, der Abgeordnete Neugebauer, beide SPD.

Beide sind noch vor der kleinen Runde des Koalitionsausschusses am 30. Juni

(Günter Neugebauer [SPD]: Sie sollen bei der Wahrheit bleiben!)

auch vor der Entscheidung

(Zuruf von der SPD)

- natürlich! - informiert worden. Die Zustimmung des sozialdemokratischen Innenministers Lothar Hay lag also vor. Bis zum Ende der kleinen Runde des Koalitionsausschusses am 30. Juni hätte der SPD-Fraktionsvorsitzende ein klares Veto einlegen können. Er war damals anwesend. Ein Veto ist nicht eingelegt worden.

(Jürgen Feddersen [CDU]: Das glaube ich jetzt nicht!)

Die SPD tut Tage später so, als habe sie von nichts gewusst. - Das kann doch wohl nicht angehen, meine Damen und Herren!

(Beifall bei CDU und FDP)

Wie oft habe ich das erlebt? Zwei Partner treffen schwierige Entscheidungen, und im nächsten Augenblick flüchtet sich einer von beiden aus der Verantwortung. So geht das nicht.

(Zuruf von der SPD)

Unabhängig davon: Herr Nonnenmacher mag zwar einen vertraglichen Anspruch auf die Zahlungen haben, aber moralisch sind die Zahlungen nicht zu rechtfertigen. Deshalb habe ich den Vorstandsvorsitzenden der HSH Nordbank auch persönlich aufgefordert, dem Rechnung zu tragen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich habe großes Interesse an der Aufklärung der Gesamtumstände um die HSH Nordbank. Deshalb werden wir einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss in der nächsten Legislaturperiode bei seiner Arbeit wieder unterstützen.

(Zuruf von der SPD: Nach der Wahl! - Zuruf von der CDU: Vielleicht arbeitet der auch weiter!)

Meine Damen und Herren, Politik ist nicht Schauspiel, ist nicht Theater. Es gibt Leute hier im Saal, die das anders sehen. Aber das ist nicht mein Verständnis von Politik. Ich stehe bei den Bürgerinnen und Bürgern im Wort, und sie haben einen berechtigten Anspruch auf Seriosität und Verlässlichkeit. Ich spiele ihnen nichts vor, und ich spiele auch nicht mit ihren Interessen.

(Zuruf von der SPD)

Das, was ich tue, tue ich aus Überzeugung und mit guten Gewissen. Ich muss bei meinen Partnern in der Regierung sicher sein können, dass das, was ich heute mit ihnen verabredet habe, auch morgen noch Bestand hat.

Ich stelle die Vertrauensfrage, weil ich mir nicht sicher sein kann, dass die Maßnahmen, die wir gemeinsam im Koalitionsausschuss und im Kabinett beschlossen haben, nicht nachträglich vom Vorsitzenden der Landes-SPD und der SPD-Fraktion attackiert und hintertrieben werden.

Ich stelle die Vertrauensfrage, weil ich mir nicht sicher sein kann, dass ich künftig für die gemeinsam beschlossenen Maßnahmen die parlamentarischen Mehrheiten erhalten werde. Meine Handlungsfähigkeit als Ministerpräsident ist damit stark eingeschränkt.

(Ministerpräsident Peter Harry Carstensen)

Meine Damen und Herren, für das Stellen der Vertrauensfrage gibt es für mich noch einen weiteren Grund. Natürlich fiel es beiden Koalitionspartnern von Beginn an nicht leicht, sich im Interesse unseres Landes auf politische Konzepte zu verständigen. Aber es ist uns in der ersten Phase der Legislaturperiode in einer ganzen Reihe von Politikfeldern gelungen - und das trotz der dargestellten Abwärtsbewegung.

Jetzt aber stehen wir vor sehr großen Herausforderungen. Sie sind noch größer als vor vier Jahren, als diese Regierung an den Start gegangen ist. Das konnten wir nicht beeinflussen. Es ist ein weltweites Phänomen, und wir können uns dem nicht entziehen. Zu brutal ist der Einbruch der Wirtschaft. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt wird um 6 % sinken, sagen die Experten. Das hat dramatische Folgen in den Unternehmen, auf dem Arbeitsmarkt und im Landeshaushalt.

Die globale Wirtschaftskrise wird mit voller Wucht auf den Landeshaushalt durchschlagen. Allein in den letzten beiden Quartalen dieses Jahres werden im Vergleich zum Vorjahreszeitraum Steuereinnahmen in einer Größenordnung von mehr als 600 Millionen € wegbrechen. Das ist ein bislang einmaliger Vorgang. Schon heute ist jede Bürgerin und jeder Bürger im Land mit 9.000 € verschuldet allein durch die Defizite in den öffentlichen Kassen Schleswig-Holsteins. Das Land zahlt jedes Jahr 1 Milliarde € Zinsen bei über 23 Milliarden € Schulden. Es ist Zeit zur Umkehr.

Diese Aufgabe muss eine Landesregierung im engen Schulterschluss der Partner bewältigen. Sie muss Stabilität und Handlungsfähigkeit beweisen ganz gemäß der Vorgabe: zuerst das Land, dann die Koalition.

Ich weiß, die gewaltigen Herausforderungen allein rechtfertigen eine Vertrauensfrage nicht. Entscheidender ist: Eine Regierung braucht stetige Unterstützung, erst recht in Zeiten der Krise. Die Wirtschafts- und Finanzkrise wird sich auch in der Politikgestaltung widerspiegeln müssen. Der gemeinsame Nenner, auf den CDU und SPD vor rund vier Jahren gekommen sind, reicht für eine erfolgreiche Bewältigung der Wirtschafts- und Finanzkrise heute nicht mehr aus.

Ich sehe keine ausreichende Grundlage mehr, um die weitergehenden Maßnahmen zu ergreifen, die nach meiner Überzeugung notwendig und unverzichtbar sind. Wir müssen den Haushalt jedes Jahr um dreistellige Millionenbeträge entlasten, um im Jahre 2020 einen ausgeglichenen Haushalt zu errei

chen. Dazu verpflichtet uns das Grundgesetz. Deshalb hat das Kabinett mit dem Entwurf zum Nachtragshaushalt von jedem Ressort strukturell wirkende Maßnahmen und Vorschläge eingefordert, die gesetzliche und nicht gesetzliche Leistungen reduzieren. Diese sollten bis zum 3. Juli dem Finanzministerium geliefert werden.

Ich kann es kurz machen: Die Lieferung war nicht akzeptabel. Ich kann Ihnen sagen, welcher Art die Vorschläge waren. Das Innenministerium will zum Beispiel die persönliche Präsenz von Mitgliedern der Landesregierung bei Ehrenämtlern herunterschrauben oder die Durchführung der Abschiebehaft aus dem Einzelplan 04 des Innenministeriums in den Einzelplan 09 des Justizministeriums verlagern. Sind das etwa Ihre Vorstellungen von strukturellen Einsparungen?

Auch das, was nicht geliefert wurde, ist interessant. Das Bildungsministerium kann nicht eine Maßnahme benennen, wie wir Lehrerinnen und Lehrer von Verwaltungsaufgaben entlasten können. Wenn das Auskunft gibt über die Reformbereitschaft, um zu einem verfassungsgemäßen und dann ausgeglichenen Haushalt zu kommen, dann wird mir wirklich Angst und Bange.

(Zuruf des Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD])

Bereits im vergangenen Jahr haben wir erlebt, wie wenig ernst die mittelfristige Finanzplanung insbesondere auf der SPD-Seite genommen wird. Die Lücken haben wir noch gemeinsam festgestellt. Das war aber schon das Ende aller Gemeinsamkeiten, denn die Lücken schließen wollte man nicht. Wie erst soll dann die Zusage gegenüber dem Parlament eingehalten werden, im Dezember eine neue solide mittelfristige Finanzplanung für die Jahre 2009 bis 2014 vorzulegen? Nach meiner Überzeugung wird uns das mit diesem Koalitionspartner nicht gelingen. Die Neuverschuldung des Landes wird weiter in die Höhe schießen. Dabei hängen uns Schulden und Zinszahlungen ohnehin schon wie ein Mühlstein um den Hals.

Meine Damen und Herren, wir müssen die Finanzplanung auf die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse ausrichten. Der SPD-Fraktionsvorsitzende hält jedoch die Schuldenbremse für eine Zukunftsbremse. Rituelle Selbstfesselung nennt er es. Ja, mehr noch: Anstatt unser Land handlungsfähig halten zu wollen, sieht er in der Schuldenbremse ein Verarmungsprogramm für unser Land.

Deshalb hat sich die SPD im Landtag am Mittwoch vor einer Woche inhaltlich und formal nicht festge

(Ministerpräsident Peter Harry Carstensen)

legt. Sie will die eindeutigen Regeln des Grundgesetzes und die notwendigen Einsparungen, die sich daraus ergeben, einfach nicht akzeptieren.

(Andreas Beran [SPD]: Noch eine Unwahr- heit!)

Doch damit führen Sie das Land in die finanzielle Sackgasse. Was ist das für eine Haltung? Eine seriöse Finanzplanung wird ein Höchstmaß an Geschlossenheit, gegenseitigem Vertrauen und Verlässlichkeit erfordern. Das ist in dieser Koalition nach meiner festen Überzeugung nicht mehr machbar.

(Peter Eichstädt [SPD]: Haben Sie schon ge- sagt!)

Es gibt zwischen CDU und SPD gravierende konzeptionelle Differenzen in der Finanzpolitik. Die CDU bekennt sich zu einer soliden Finanzpolitik, weil sie die beste Voraussetzung für die Zukunftssicherung unserer Gesellschaft und unserer Kinder ist. Die SPD dagegen neigt dazu, noch mehr Leistungen zu versprechen und so noch mehr Hypotheken für die Zukunft aufzunehmen. Wir sehen das bei den beitragsfreien Kita-Jahren, wir sehen das bei den Sonderzuwendungen.

Wir müssen auch an die kommunale Ebene denken. Die aktuelle Finanzsituation und der notwendige Eingriff in den kommunalen Finanzausgleich erfordern eine nachhaltige und strukturelle Aufgabenentlastung. Zu Beschlüssen sind wir mehrmals gekommen, zu einer wirksamen Kosten- und Aufgabenreduzierung nicht. Auch für die Zukunft verhindern ideologische Blockaden eine dringend notwendige Entlastung der Kommunen. Dadurch wird die kommunale Selbstverwaltung weiter erheblich eingeschränkt. Das ist nicht länger hinnehmbar.

(Zurufe von der SPD)

Was für die Kommunen gilt, gilt auch für das Land. Denn wir müssen auch in zentralen Bereichen des Landes Ernst machen mit der Aufgabe von Aufgaben. Wir haben eine ausführliche Aufgabenkritik vorgenommen, aber alle Vorschläge sind blockiert worden.

(Andreas Beran [SPD]: Ja, genau!)

Damit bleibt es auch für die Zukunft ganz oben auf der Agenda.

Wir brauchen einschneidende strukturelle Veränderungen, die so schnell wie möglich wirksam werden. Auch hier können wir uns keinen Stillstand mehr erlauben.

Meine Damen und Herren, wir müssen weitere richtungweisende Entscheidungen treffen. Wir werden die Interessen des Landes bei der HSH Nordbank zu wahren und unsere Vermögenswerte zu schützen haben. Wir müssen eine Kreditklemme für unsere Unternehmen verhindern. All das können wir nur erreichen, wenn die Regierung mit einer Stimme spricht. Wir müssen die Landesbanken neu strukturieren und die Sparkassen durch Beteiligungen aus dem öffentlichen Bereich stärken. Das darf nicht weiter auf die lange Bank geschoben werden. Wir müssen auf einen Energiemix setzen, der sauber, sicher und bezahlbar ist. Wer das infrage stellt, der gefährdet den Wirtschaftsstandort im Norden und schadet den kleinen Leuten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Wir müssen das Rückgrat unserer mittelständischen Wirtschaft stärken. Dazu brauchen wir auch die einzelbetriebliche Förderung. Sie ist Motor für Investitionen, Innovation und Beschäftigung. Sie trägt auch dazu bei, Wettbewerbsverzerrungen der Förderung im Vergleich mit anderen Ländern auszugleichen. Wer das vergisst, handelt gegen die Interessen der Beschäftigten.

(Zurufe von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)