Protocol of the Session on August 27, 2003

Ist Herr Koch eigentlich in der CDU? Ist Herr Merz eigentlich in der CDU? Ist Herr Stoiber in der CSU? Oder sind die bei uns? Der eine will die Mehrwertsteuer erhöhen. Die andere möchte die Gewerbesteuer abschaffen, aber dafür den Kommunen noch ein bisschen mehr zukommen lassen, nämlich 6 Milliarden. Der Nächste möchte die Gewerbesteuer überhaupt nicht haben.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist bei Ihnen genauso, Frau Simonis!)

- Aber wir sind wenigstens ehrlich

(Veronika Kolb [FDP]: Das sind Sie nicht!)

und tun nicht so, als seien wir die Allwissenden.

(Lachen bei CDU und FDP - Dr. Heiner Garg [FDP]: Sie und Ehrlichkeit! Das ist der größte Hohn!)

Sie treten mit diesem Durcheinander vor die Bevölkerung und sagen, das sei ein Konzept. Ich muss Ihnen sagen: Es ist kein Konzept, wenn man den Menschen verspricht, dass es für die Kommunen 6 Milliarden € gibt, keine Gewerbesteuer, dass sie also abgeschafft werden soll, und obendrein noch eine Umverteilung von Einkommensteuer und Umsatzsteuer machen will, die niemandem wehtut. Das ist wie die familienpolitischen Versprechungen vor der Wahl, die Sie den Familien der Bundesrepublik gemacht haben.

(Werner Kalinka [CDU]: Was haben Sie denn vor der Wahl versprochen?)

Wir werden eine Steuerreform bekommen, eine vorgezogene dritte Stufe, der die Landesregierung zähneknirschend, aber dennoch zugestimmt hat, weil uns einleuchtet, dass das jetzt als ein psychologisch wichtiges Signal zur Belebung der Wirtschaft betrachtet werden kann. Das bedeutet allerdings, dass es in unseren Haushalt richtig reinknallen wird.

Deshalb sagen wir, dass wir bei anderen Reformvorschlägen gern wissen wollen, wie die Gegenfinanzierung aussieht. Dazu gehört natürlich auch der Abbau von Steuersubventionen. 90 % der Subventionen sind Steuersubventionen. Wenn man wie Sie am Sonntag auf dem roten Kissen den Abbau von Subventionen vor sich herträgt, frage ich, wieso Sie da

(Ministerpräsidentin Heide Simonis)

gegen sind, dass Sie ausgerechnet bei den Steuern hingehen und das Ganze als eine Steuererhöhung beklagen. Jedes Streichen einer Steuersubvention ist natürlich per se und logischerweise eine Erhöhung der Steuerlast für denjenigen, der die ganze Zeit das Privileg der Steuersenkung gehabt hat. Wenn man das will, muss man es sagen. Wenn man das nicht will, soll man ehrlich sein.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

An dieser Stelle muscheln Sie sich ein bisschen mit raus und wollen einer Diskussion möglichst aus dem Wege gehen.

(Rainer Wiegard [CDU]: Was war die Aus- sage Ihrer Rede? - Zuruf von der SPD: Sie muscheln sich heraus!)

- Dass Sie das nicht verstanden haben, wundert mich überhaupt nicht.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf von der CDU: Sie weiß es selber nicht! - Veronika Kolb [FDP]: Es fehlt die Antwort!)

Das habe ich heute Morgen schon an den Zwischenrufen gemerkt.

Ein wichtiger Punkt ist die Gemeindefinanzreform. Hier muss ich Ihnen ganz offen sagen: Das, was in Berlin vorgeschlagen wurde - -

(Zuruf: Beitrag zum Haushalt!)

- Ich weiß nicht, wieso Sie über Gott und die Welt reden dürfen und Sie dann, wenn man Ihnen antwortet, fragen: Können Sie nicht einmal etwas von Land und Dorf erzählen?

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zurufe von der CDU)

Nein, ich möchte Ihnen nichts von Land und Dorf erzählen. Ich möchte Ihnen etwas über die Rahmenbedingungen unseres wirtschaftlichen Verhaltens erzählen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Es ist sowieso egal, was Sie erzählen!)

Das, was die Bundesregierung zur Gemeindefinanzreform vorgeschlagen hat, ist aus Sicht der Landesregierung noch nicht zufrieden stellend. Wir sind nicht sicher, dass sich die Einnahmegarantien, die gegeben worden sind, wirklich ab dem Jahr 2005 durchhalten lassen werden. Vor allem merken wir, dass, je mehr wir nachrechnen, es vor allem die Länder sind, die einen großen Anteil dessen bezahlen sollen, was die

Kommunen bekommen. Das führt dazu, dass sich unsere Haushaltssituation noch einmal verschlechtert oder aber - das wollen wir nicht - dass wir im Finanzausgleich den Kommunen das wegnehmen, was uns der Bund weggenommen hat, um es den Kommunen zu geben. Diese Operation können wir uns sparen. Die wollen wir nicht. Wir wollen an dieser Stelle auch nicht den Ärger. Da bin ich ganz ehrlich.

(Zuruf von der CDU: Das hat Herr Stegner heute anders gesagt!)

- Nur nicht aufregen, Frau Schwarz. Das kommt alles noch. Wir werden in den Bundesrat gehen. Ich werde Ihnen dann gern erzählen, was ich dort gesagt habe.

(Zurufe von der CDU)

- Ich weiß gar nicht, warum Sie sich so aufregen. Das Wetter ist doch nicht heiß. Man kann doch in Ruhe zuhören.

Wir werden im Bundesrat jedenfalls entsprechende Gegenanträge stellen, damit klar ist, dass sich die Situation der Kommunen bessert, dass das aber nicht auf Kosten der Länder geht.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Die Landesregierung hat immer klargemacht, dass ihr das skandinavische Modell des Zusammenlegens von Arbeitslosengeld und Sozialhilfe besonders gut gefällt, weil damit die Verschiebebahnhöfe endgültig dichtgemacht werden. Dass die Bundesregierung nun Arbeitslosengeld und Sozialhilfe zusammenlegt, so wie Hartz es vorschlägt, ist in Ordnung. Dass sie das aber ausgerechnet auf die Bundesanstalt für Arbeit überträgt, dass ist nun alles andere als in Ordnung.

(Zurufe von der CDU)

- Ich muss ja nicht alles toll finden, was „meine“ Bundesregierung sagt. Mein Gott, wie soll man sich der Bevölkerung gegenüber parteipolitisch in einer Diskussion eigentlich darstellen, wenn von Ihnen als Zwischenruf immer nur kommt: „Das ist doch die Bundesregierung, die von Ihnen gestellt wird“?

(Zuruf der Abgeordneten Herlich Marie Tod- sen-Reese [CDU])

- Ich weiß es. Ich nehme es zur Kenntnis. Ich habe den Mut und nehme mir das Recht heraus, Vorschläge der Bundesregierung, auch wenn sie meiner Partei angehört, zu kritisieren, wenn ich finde, dass das nicht vollständig ist, was sie vorschlägt, oder das verbessert werden kann.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW - Zurufe)

(Ministerpräsidentin Heide Simonis)

Ich glaube, dass die Lösung der Zusammenlegung von Arbeitslosengeld und Sozialhilfe im Grundsatz richtig ist, dass aber das Übertragen auf die Bundesanstalt für Arbeit mehr als nur ein Fragezeichen übrig lässt. Die Frage ist, ob wir uns mit anderen Kollegen zusammentun und darüber reden können. Mit einem Kollegen wie von Beust kann man unter Umständen darüber reden, dass es für ihn genauso unangenehm werden wird wie für uns, wenn wir beispielsweise die Sozialarbeiter behalten müssen, die sich auskennen, und die Bundesanstalt für Arbeit 11.000 neue Leute sucht, die sie ausbilden muss, aber eh schon 90.000 hat; damit ist sie viel zu groß. Dies werden wir vortragen.

(Beifall im ganzen Haus)

Kommt dann noch hinzu, dass durch das Zusammenlegen das Wohngeld in Höhe von rund 15 Millionen € beziehungsweise 24 Millionen € ab dem Jahr 2005 auf den Landeshaushalt durchschlägt, kann dieser tolle Gedanke so toll nicht sein. Wir werden uns dagegen wehren müssen.

(Zuruf von der SPD: Sehr gut!)

Sie haben noch nicht ganz ernst genommen, vielleicht auch noch nicht wahrgenommen - jedenfalls nicht die Oppositionsseite -, dass die Kommunen in der Zwischenzeit einen sehr ausführlichen und intensiven Diskussionsprozess mit der Staatskanzlei, mit dem Innenministerium, mit dem Finanzministerium

(Zurufe von der CDU: Oh, oh!)

über Verwaltungs- und Strukturreformen führen. Sobald die Türen zu sind und man am runden Tisch sitzt, ist das ganz vernünftig. Da werden Vorschläge daraufhin abgeklopft, ob sie das bringen, was man gern haben möchte, ob man es so oder anders machen kann. Die Hauptziele der Funktionalreform werden in der Zwischenzeit und Gott sei Dank von uns allen geteilt. Die Frage ist nur: Kriegen wir eine so saubere Teilung hin, dass das, was die Kommunen besser können, preiswerter können, effizienter können und bürgernäher können, auch wirklich bei ihnen ankommt und wir die anderen Aufgaben machenm oder wird es eventuell Schnittstellen geben, die wir alle nicht wollen, weil es eine zu große Schnittmenge ist, die wir an dieser Stelle haben?

Ich bin nach wie vor dafür, dass wir die Aufgaben auf zwei Ebenen und nicht auf drei oder mehr Ebenen machen - Ausnahmen müssen wirklich die absolute Ausnahme bleiben -, dass die Kommunen das machen, was sie besser tun können, dass allerdings auch klar sein muss, dass es Kontrollmechanismen geben muss, dass Kommune A eine Sache nicht anders aus

legt als Kommune B oder C. Das kann dem Bürger nicht zugemutet werden.

(Zurufe von der CDU)

Heute Morgen ist zum wiederholten Mal missverstanden worden, was wir uns mit der Kita-Finanzierung vorgestellt haben. Deshalb sage ich Folgendes. Wir geben für die Kindertagesstätten den Betrag, den die Kommunen von uns haben wollten, plus noch etwas drauf, nämlich statt 56 Millionen € 60 Millionen € zweimal, gleich 120 Millionen €, Landesgeld vorweg in den Finanzausgleich.