Protocol of the Session on April 2, 2003

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Herrn Kubicki.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrter Herr Kayenburg, ich bedanke mich für Ihre wohlmeinenden Worte, was meine Aktivitäten im Innen- und Rechtsausschuss des Landtags angeht. Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ich bin immer bereit, wenn es notwendig ist, Sie vor gesetzgeberischem Murks zu bewahren und Nachhilfe zu erteilen.

(Zuruf des Abgeordneten Claus Ehlers [CDU])

Dass das gelegentlich notwendig ist, sehen Sie, Kollege Ehlers, daran, dass Sie allein für die Vorlage der Verfassungsänderung drei verschiedene Anträge brauchten, und das für nur zweieinhalb Sätze. Das zeigt die Solidität Ihrer Vorbereitungen bei dieser Aktion.

Ich bin auch ganz sicher, dass alle CDU-Abgeordneten in den vielfältigen Diskussionen in der Fraktion und den Arbeitskreisen genau wissen, was in dem Gesetzgebungswerk steht, das verabschiedet werden soll.

Ich will Ihnen jetzt kurz begründen, warum meine Fraktion diesem Vorhaben nicht zustimmen kann ungeachtet dessen, dass wir - darin waren wir uns alle einig - eine Diätenstrukturreform und eine Neuregelung der Altersversorgung für notwendig erachten.

(Zuruf des Abgeordneten Claus Ehlers [CDU])

- Hören Sie sich doch einmal die Argumente an! Herr Kollege Ehlers, ob Sie es wahrhaben wollen oder nicht - vielleicht sind Sie ja auch noch von dem Wahlerfolg bei der Kommunalwahl beseelt -, die Verfassung kennt keine Unterschiede zwischen Ihnen und mir als Abgeordnete dieses Landtags. Was Sie gerufen haben, zeigt mir Ihr demokratisches Grundverständnis. Es zeigt mir, dass Sie in der Fraktion, in der Sie sind, richtig aufgehoben sind, nicht bei uns oder anderen.

Als Erstes nenne ich die mangelnde Sensibilität bei der Behandlung dieser Frage in der Öffentlichkeit und die Tatsache, dass mit Erklärungen hart an der Grenze

(Wolfgang Kubicki)

der Wahrheit operiert wird, auf die ich noch zurückkomme. Das hat weder der Landtag noch die Öffentlichkeit verdient. Denn ich glaube, dass Veränderungen in diesem Bereich, wenn sie begründbar sind, mit völlig offenem Visier durchgefochten werden können. Ich will das an zwei Beispielen deutlich machen.

Heute flatterte uns ein Papier auf den Tisch. Es trägt die Überschrift „Soziale Ausgewogenheit ist notwendig“ von Günther Neugebauer und Monika Heinold. An einem Tag, an dem wir - wahrscheinlich heute - beschließen werden, was ins Werk gesetzt wird, zu erklären, dass bei der Kürzung der Beamtenbesoldung im Rahmen des Weihnachtsgeldes soziale Ausgewogenheit notwendig ist, zeugt von mangelnder Sensibilität bei der Behandlung dieser Frage und führt nicht dazu, dass wir stärker und besser gehört werden, als es notwendig wäre.

(Beifall bei der FDP)

Ich komme zu dem zweiten Beispiel. Da zitiere ich einmal:

„Auf Diätenerhöhung verzichten, Sterbegeld abschaffen, Altersversorgung neu regeln - wir sehen hierin ein wichtiges demonstratives Zeichen, dass alle gesellschaftlichen Gruppen, eben auch der öffentliche Bereich und die Abgeordneten, zu notwendigen Begrenzungen von Ansprüchen an den Staat und die öffentlichen Finanzen einen Beitrag zu leisten haben.“

Die Namen der Verfasser dieser Zeilen zur Nullrunde bei der Abgeordnetenentschädigung sind Franz Thönnes und Dr. Ernst-Dieter Rossmann, beide Bundestagsabgeordnete der SPD. Der Tag der Veröffentlichung dieses Textes war der 25. März 2003, der Tag, an dem SPD und CDU ihre Neuregelungen zur Abgeordnetenentschädigung in Schleswig-Holstein vorgestellt haben.

Es gibt drei Gründe, für die es einer Erklärung bedarf, die bisher nicht gegeben worden ist.

Erster Grund. Als wir im Dezember eine Abgeordnetenentschädigungserhöhung um 5,7 % diskutierten, die von uns beiden vorgeschlagen worden war, sind wir von der deutschen Öffentlichkeit gebrandmarkt worden, das sei Abzocke ohne Ende.

Als wir gemeinsam - übrigens gemeinsam mit der Union - im Juni letzten Jahres den ersten Antrag zur Abgeordnetenentschädigung eingebracht haben, brach ein Sturm der Entrüstung los. Jetzt soll ins Werk gesetzt werden, dass die Abgeordnetenentschädigung im Einzelfall zwischen 10 und 45 % angehoben wird - und dies ist dann ein Beitrag zur Konsoli

dierung des Landeshaushalts Schleswig-Holstein und der Angemessenheit.

Das, was also im Juni und im Dezember letzten Jahres - dazu standen wir - unmöglich war und abgelehnt worden ist, wird nun urplötzlich ins Werk gesetzt. Ich und meine Fraktion halten nach wie vor - Monika Heinold und Anke Spoorendonk werden dies vermutlich noch sagen - die zeitgleiche In-Gang-Setzung für wesentlich sinnvoller. Ich wäre nach wie vor bereit, wie im Dezember vorgesehen und vom Präsidenten vorgeschlagen, einer 5,7-prozentigen Anhebung der Diäten jetzt bis zum Ende der Legislaturperiode zuzustimmen, um dann in der neuen Legislaturperiode das neue Recht ins Werk zu setzen.

(Beifall bei der FDP)

Zweiter Punkt. Dafür gibt es für mich bisher überhaupt keine logische Begründung. Ich will das wiederholen. Wir hatten in dem Ursprungsgesetzentwurf bei der Bemessungsgrundlage für die Altersvorsorge der Abgeordneten eine Grenze von 4.100 und soundso viel € eingezogen, das heißt 3.900 € Iststand plus 5-prozentige Anhebung über die Legislaturperiode für alle Abgeordneten. Mit der jetzt ins Werk gesetzten Regelung bekommen wir eine Zwei-KlassenAbgeordneten-Gesellschaft bereits für die Vergangenheit und für die laufende Legislaturperiode. Auf das, was künftig sein wird, gehe ich noch ein.

Jetzt haben wir eine Bemessungsgrundlage von 4.900 € für die in dieser Legislaturperiode im Parlament befindlichen Abgeordneten. Das ist gegenüber dem Istzustand eine 25-prozentige Erhöhung für die, die am Ende dieser Legislaturperiode ausscheiden. Wir haben eine Deckelung für die Abgeordneten, die dieser Legislaturperiode nicht angehört haben, aber in der letzten Wahlperiode ausgeschieden sind. Woraus ergibt sich eine Veränderung der Bemessungsgrundlage für die jetzt im Parlament befindlichen Abgeordneten gegenüber den vorherigen? Keine Anrechnung, keine Verrechnung, kein Gar-Nichts. Es ist eine deutliche Besserstellung der jetzigen und eine relative Verschlechterung der vorangegangenen Abgeordneten, ohne dass es dafür eine logische Begründung gibt.

Dritter Punkt. Wir haben für die jetzt laufende Legislaturperiode in der Übergangsregelung eine Formulierung enthalten, die darauf hinausläuft, dass diejenigen, die dem Schleswig-Holsteinischen Landtag nur fünf Jahre angehören, ein Wahlrecht bekommen, ein Wahlrecht dahin gehend, sich den Betrag der Nachversicherung auszahlen zu lassen oder aber einen eigenständigen Rentenanspruch mit dem 65. Lebensjahr zu erwerben, obwohl das bisher nicht möglich

(Wolfgang Kubicki)

war. Bisher brauchten wir acht Jahre, länger als eine Legislaturperiode, um einen Anspruch in Höhe von 35 % zu erwerben. Ein Achtel von 35 % mal fünf bedeutet etwas mehr als 20 % oder, bei der Bemessungsgrundlage von 4.900 €, etwas mehr als 1.000 € Anspruch auf Altersversorgung ab dem 65. Lebensjahr. Worin liegt hier die Begründung?

Der nächste Punkt. Das ist die Regelung, die die neue Altersversorgung beinhaltet. Nur ganz kurz. Die vielfältigen Probleme, die dabei auftauchen, sind dabei überhaupt nicht untersucht worden. Es stimmt - nach der bisherigen Regelung - nicht, dass diejenigen, die dem Parlament bereits mehr als 18 Jahre angehören, bei der künftigen Altersversorgung eine Anrechnung erfahren. Denn bisher war nach 18 Jahren bei 75 % Schluss. Jetzt kommt auf die 75 % von 4.900 € noch einmal drauf, was in der nächsten Legislaturperiode angespart werden kann, mit der Möglichkeit, sich das auszahlen zu lassen. Das ist ein Plus.

Was ist mit den Leuten aus dem öffentlichen Dienst, beispielsweise von Bundesbehörden, die ihre Altersversorgungsansprüche als Beamte nicht verlieren und deren Zeiten in diesem Parlament auf ihre Altersversorgungsansprüche angerechnet werden, weil das Bundesgesetz ist, die ihrerseits einen eigenen Versorgungsanspruch erhalten, den sie sich auszahlen lassen können? Das heißt, die jetzige Regelung führt dazu - Kollege Astrup, schüttel nicht den Kopf; das haben wir in der einen Woche, die wir das haben, sehr gründlich analysiert -, dass diejenigen, die aus dem öffentlichen Dienst kommen, geradezu mit einem Run auf die Abgeordnetenmandate zukommen müssen, weil sie gegenüber der bisherigen Versorgung eine Besserstellung erfahren. Es gibt keine Verrechnung.

Was passiert mit denjenigen, die nach fünf Jahren Angehörigkeit im Schleswig-Holsteinischen Landtag in den Deutschen Bundestag gehen und dort eigenständige Altersversorgungsansprüche erwerben, weil die Parlamentszeiten zusammengerechnet werden, gleichwohl aber einen Anspruch auf Auszahlung des Kapitalbetrages erhalten, den sie in den nächsten Jahren einzahlen? Keine Verrechnung, kein GarNichts. Hin und her. Diese Fragen sind nicht geklärt

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

oder in einer Art und Weise geklärt, dass wir dem nicht zustimmen können.

Die von mir vorgetragenen Begründungselemente sind es, die dazu führen, dass wir diesem Paket gegenwärtig nicht zustimmen.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Heinold das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kayenburg, eines an den Anfang gestellt: Meine Begeisterung für Politik hängt nicht von der Höhe der Diät ab. Das sage ich, weil Sie eben einen automatischen Zusammenhang dargestellt haben.

(Widerspruch bei der CDU - Zuruf des Ab- geordneten Martin Kayenburg [CDU])

Ein Zweites, Herr Kayenburg. Sie haben gesagt, es habe eine gewissenhafte Beratung gegeben. Ich frage Sie: Mit einer Tischvorlage im Innen- und Rechtsausschuss,

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ohne Finanzaus- schuss!)

ist denn das eine ordentliche Beratung, ohne eine Beratung im Finanzausschuss?

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Wissen Sie denn, welche Kosten wir heute beschließen? Wenn Sie es wissen: Warum haben Sie es dem Parlament nicht zur Kenntnis gegeben?

Ich bemühe nicht immer die Verfassung, aber heute will ich es tun. Artikel 54 der Landesverfassung schreibt uns vor:

„Beschließt der Landtag Maßnahmen, die Kosten verursachen, so ist gleichzeitig für die nötige Deckung zu sorgen.“

Nun frage ich Sie, Herr Kayenburg: Wie wollen wir heute beschließen? Die Verfassung lässt es nicht zu, denn eine Deckung liegt nicht vor. Ich bitte Sie ganz herzlich, darüber noch einmal nachzudenken.

(Thorsten Geißler [CDU]: Das ist Quatsch! Das ist doch Unsinn! - Martin Kayenburg [CDU]: Völliger Blödsinn! - Weitere Zurufe von der CDU)

Wie breit die Diskussion auch innerhalb der CDU und der SPD ist, zeigt ein Interwievauszug des Landesvorsitzenden der SPD, Herrn Thönnes, der sagt:

„Ich hätte es besser gefunden, die gesamte Diätenstrukturreform 2005 zu realisieren. Angesichts der Probleme im Landeshaushalt

(Monika Heinold)

ist das Vorziehen des Diätenteils aus der Reform schwer vermittelbar.“