Protocol of the Session on September 11, 2002

Zur FDP: Ihr Glaube an die Macht einzelstaatlicher Maßnahmen verwundert doch etwas.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Es ist deshalb nur folgerichtig, für den Wiederaufbau nach den Unwettern und der Flut die Steuerreform 2003 zu verschieben. Wir brauchen eine ehrliche Lösung, die den Leuten nicht vorgaukelt, Hilfen in dem Umfang seien aus der Portokasse zu finanzieren.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Die Verschiebung der zweiten Stufe der Steuerreform und die Erhöhung der Körperschaftsteuer würdigt die vorhandene Solidarität und gewährleistet eine faire Beteiligung aller an dieser nationalen Herausforderung. Daher unterstützt die Landesregierung Schleswig-Holstein, dass die Bundesregierung nicht den Weg in höhere Schulden gegangen ist.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, jede Bundesregierung wird sich nach dem 22. September Gedanken darüber machen müssen, wie bei Realisierung der nach wie vor geplanten Steuersenkung 2004 und 2005 die Steuereinnahmen aller Gebietskörperschaften stabilisiert werden können. Hierzu gehört natürlich auch die Entwicklung der Körperschaftsteuer.

(Beifall bei der SPD)

Anders ist ein „closed to balance“ weder 2004 noch 2006, noch eine Nettoneuverschuldung von null in Schleswig-Holstein im Jahre 2008 erreichbar.

(Günter Neugebauer [SPD]: Sehr richtig!)

(Minister Claus Möller)

Bei geringem Wirtschaftswachstum, die Steuern zu senken, die Ausgaben zu begrenzen, die Nettokreditaufnahme zu senken und gleichzeitig mehr für Bildung, innere Sicherheit und Familien auszugeben, ist eine vernünftige politische Forderung, aber sie gleicht nahezu einer Quadratur des Kreises. Deshalb mussten wir im Haushaltsplanentwurf 2003 alle Politikbereiche erneut überprüfen.

Eine noch stärkere Konzentration auf die politischen Schwerpunkte Arbeit, Bildung, Innovation und innere Sicherheit führt dazu, dass mehr als 50 % der Nettoausgaben auf diese Politikfelder entfallen. Die Nettoausgaben steigen nur um 1 %, was den Vorgaben des Finanzplanungsrates entspricht. Die Kreditaufnahme liegt, wenn auch ganz knapp, unter dem Vorjahreswert. Die Investitionen bleiben etwa stabil. Die Quote sinkt leider leicht. Die Zinsausgabenquote bleibt nahezu konstant. Dennoch müssen wir 11,7 % der Nettoausgaben - das sind 911 Millionen € - für Zinsen ausgeben. Dies ist ein geerbter struktureller Nachteil, den wir nur schwer kompensieren können. Ohne die überproportionale Zinsbelastung brauchten wir keine Nettoneuverschuldung.

(Zuruf von der CDU: Das ist richtig!)

Meine Damen und Herren, die Personalausgaben steigen trotz zusätzlicher Lehrer, zusätzlicher Richter, zusätzlicher Polizisten und Steuerbeamten und trotz der bekannten Steigerung bei den Pensionen und den Beihilfen nur geringfügig.

(Zuruf von der CDU)

Unsere Personalkostenquote liegt mit 38,6 % deutlich unter dem Durchschnitt der westdeutschen Länder. Länder wie Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen und Bayern haben eine Personalkostenquote von mehr als 40 %. Es gibt zur Fortsetzung der Konsolidierung keine Alternative.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben dort gekürzt, wo es noch vertretbar war. Alle müssen verzichten, damit Geld für die wichtigen Aufgaben vorhanden ist. Das trifft die Sportvereine bei Einschnitten in deren institutionelle Förderung genauso wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landes. Frauenpolitische Modellvorhaben müssen wir ebenso einschränken wie die Landesmittel beim Straußenbau, für die Technologieförderung, die Zuweisungen an die Landwirtschaftskammer oder an die Tierkörperbeseitigungsanstalten. Leider konnten wir auch die Hochschulen nicht ganz von den Kürzungen ausnehmen.

(Martin Kayenburg [CDU]: Das ist Ihre Bil- dungspolitik!)

Wenn die Einnahmen in dieser Höhe zurückgehen, kann man nicht kürzen, ohne jemanden zu treffen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

„Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“, meine Damen und Herren von der Opposition, dieses Motto hilft uns auch in diesem Jahr nicht weiter.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Martin Kayenburg [CDU]: Sie haben doch gar keinen Pelz!)

Frau Simonis hat im Frühjahr gesagt, die Ausgaben der Daseinsvorsorge können nicht nach Kassenlage erfüllt werden.

(Lothar Hay [SPD]: Richtig!)

Wir haben Kernaufgaben in den Bereichen Bildung und innere Sicherheit, und die müssen wir finanzieren.

(Beifall bei der SPD - Martin Kayenburg [CDU]: Die kürzen Sie doch auch schon!)

Deshalb sind die Steuerausfälle in dieser Höhe nicht nur „wegzusparen“ und deshalb wollen wir durch Teilverkäufe von Lotto und LEG im kommenden Jahr Einnahmen in Höhe von 80 Millionen € erzielen. Dieser Weg fällt uns nicht leicht.

Aber nicht nur in Schleswig-Holstein wird das Tafelsilber knapp, längst geht es nicht mehr um ideologische Sehnsucht nach Privatisierung. Die blanke Haushaltsnot treibt die Kommunen, die Länder und den Bund zum Verkauf von Wohnungen, Stadtwerken, Hafengesellschaften, Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern.

(Zurufe von der CDU)

Um künftig Politik gestalten zu können, müssen wir deshalb die Talfahrt der Einnahmen - so will ich es einmal nennen - stabilisieren.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Die Talfahrt sta- bilisieren? - Heiterkeit der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Ich nenne die Revitalisierung der Gewerbesteuer und ich meine, dass dazu auch eine verfassungskonforme Besteuerung von Immobilien im Erbschaftsteuerrecht gehört.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf von der SPD: Sehr wohl!)

Eine nachhaltige Haushaltsstruktur braucht die Modernisierung der Verwaltung und strukturelle Veränderungen, um den Mitteleinsatz und die Aufgabenerfüllung zu optimieren. Mit der Einführung der de

(Minister Claus Möller)

zentralen Mittelbewirtschaftung, der Kosten- und Leistungsrechnung und in Teilbereichen der doppelten Buchführung haben wir die Grundlagen für Zielvereinbarungen, effektive Kosten- und Leistungskontrollen und eine outputorientierte Budgetierung gelegt.

(Zuruf des Abgeordneten Peter Jensen- Nissen [CDU])

Meine Damen und Herren, ich sage auch hier vor dem Landtag noch einmal: Setzen wir uns zusammen: Betroffene sind der Haushaltsgesetzgeber, die Exekutive und der Landesrechnungshof. Wir müssen uns über die Spielregeln, was das für wen bedeutet, verständigen. Ich bitte schon seit langem um ein solches Gespräch.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zurufe von der CDU)

Wir können auch bei einem Doppelhaushalt, der die Zeit von Abgeordneten und Mitarbeitern spart und die benötigten Handlungsspielräume ermöglicht, die notwendige Transparenz und die Kontroll- und Steuerungsmöglichkeiten für das Parlament garantieren.

(Anhaltende Zurufe von CDU und FDP - Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist Ihre Angst, den Bankrott offenbaren zu müssen!)

Was in Bayern seit 33 Jahren und in BadenWürttemberg seit 25 Jahren und in acht weiteren Bundesländern richtig ist, kann in Schleswig-Holstein so falsch nicht sein.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In einem kontinuierlichen Reformprozess verbessern wir die Verwaltungsstrukturen im Land. Auch im nächsten Jahr werden einige wichtige Felder neu geordnet. Ich nenne die Fusion der Universitätskliniken sowie die der Fachkliniken Heiligenhafen und Neustadt und die Fusion der Fachklinik Schleswig mit dem Martin-Luther-Krankenhaus. Dies wird die Kosten senken und die Wettbewerbsfähigkeit sichern.

Effizienzgewinne sind auch von der Zusammenführung des Lebensmittel- und Veterinäruntersuchungsamtes und der Laborbereiche des Landesamtes für Natur und Umwelt zu erwarten.

Die Auflösung der Oberfinanzdirektion und die damit verbundene Zweistufigkeit - es geht also! - wird zu einer schlankeren und effizienteren Steuerverwaltung führen.

(Unruhe bei der CDU)

Wir werden die Aufgaben teilweise im Ministerium konzentrieren, aber vor allem die Verantwortung in die Finanzämter vor Ort legen.

Ein großes Potential erschließt die Zusammenarbeit mit Hamburg, wobei wir Kosten einsparen, ohne Steuerungsmöglichkeiten und Leistungen für Schleswig-Holstein aufzugeben. Ich nenne die geplante Fusion der Datenzentralen, der Eichämter, der Statistischen Landesämter und ich freue mich, dass in der nächsten Woche auf Staatssekretärsebene eine erweiterte neue Runde stattfindet, um weitere Synergien auszuloten.