Protocol of the Session on April 29, 2002

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ladys first!)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich rede selbstverständlich gern vor der FDP. Ich mache es auch kurz. Ich freue mich auf die Mitarbeit im parlamentarischen Untersuchungsausschuss.

(Holger Astrup [SPD]: Ach, du bist das!)

Ich schätze den zukünftigen Vorsitzen Thomas Stritzl.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Was? - Weitere Zurufe)

Ich werde mich im Interesse der Gesellschaft und des Landes natürlich dafür einsetzen, dass wir alle gemeinsam zur notwendigen Aufklärung beitragen. Ich habe ein hohes Interesse an einer zügigen Abarbeitung und Aufarbeitung.

Sollte die CDU im parlamentarischen Untersuchungsausschuss die Sacharbeit vor die Selbstdarstellung stellen, so wäre das ein Novum in Schleswig-Holstein.

(Monika Heinold)

Ich lasse mich überraschen und ich hoffe, dass wir nicht unter allzu vielen Abgeordneten leiden, die als vorderstes Interesse die Selbstdarstellung haben. Ich gehe aber davon aus, dass wir erst nach dem 14. Mai richtig mit der Arbeit im Untersuchungsausschuss anfangen und dass das dann auch etwas wird. In dem Sinn warten wir auf die Arbeit. Ein Urteil gebe ich erst nach den Sitzungen des Ausschusses, wenn ich die Sache insgesamt beurteilen kann, ab.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abgeordneten Kubicki.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe von mir sehr geschätzte Frau Kollegin Heinold, der tiefere Sinn Ihrer Ausführungen hat sich mir bedauerlicherweise nicht ganz erschlossen. Aber das muss möglicherweise auch nicht sein. Sie waren wahrscheinlich überrascht davon, dass Sie vor mir reden mussten.

(Heiterkeit)

Das hat Sie dann zu der Erkenntnis gebracht, dass Sie doch eine herzliche Beziehung zum Kollegen Stritzl haben.

Aber ich muss einfach noch einige Sachen

(Zuruf des Abgeordneten Thomas Stritzl [CDU])

- ich bin da gar nicht neidisch

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Finde ich auch! Das ist nötig!)

klar- und richtigstellen, weil ich denke, dass Sie in der Debatte nicht einfach so unbeantwortet bleiben dürfen; denn sonst wird man später wieder dafür in Haft genommen, dass man es nicht richtiggestellt hat.

Frau Ministerpräsidentin, es ist immer gut, die FDP zu zitieren, vor allen Dingen auch, sie dafür in Anspruch zu nehmen, dass man sich selbst auf einem guten Weg befindet. Aber ich lege doch großen Wert darauf, dass wir dann vollständig zitiert werden. Da ich weiß, dass Sie das nicht selbst nachgelesen haben, sondern haben nachlesen lassen, untermauert das, was ich gleich sagen werde, meine Kritik an Ihrer Staatskanzlei. Sie ist schlicht und ergreifend grottenschlecht, weil sie Sie mit Informationen versorgt, die nicht zutreffend sind.

In der Plenardebatte am 12. Dezember 1996 hat die FDP mitnichten erklärt, Frau Ministerpräsidentin, dass

das Drehbuch EXPO ein hervorragendes sei und Sie über einen herausragenden Regisseur verfügten, sondern wir haben unter der Überschrift - das gebe ich noch einmal mit - „Beteiligung an EXPO 2000 ja, aber nicht als Modellkomposthaufen“

(Beifall bei der FDP)

einen Satz geprägt, der vollständig zitiert deutlich macht, dass wir damals das genaue Gegenteil von dem gesagt haben, was Sie uns heute hier zu suggerieren versucht haben. Der Satz lautet:

„Denn es reicht nicht aus, ein spannendes Drehbuch zu verfassen und einen guten Regisseur mit der brillanten Umsetzung zu beauftragen, wenn das Dargestellte am Ende mit der Realität gar nichts zu tun hat.“

Das ist das vollständige Zitat. Vielleicht ist das ein Teil des Problems, Frau Ministerpräsidentin, dass Ihnen die Wirklichkeit immer nur noch selektiv zur Verfügung gestellt wird.

(Beifall bei der FDP)

Sie haben in Ihrer für mich durchaus bemerkenswerten Rede bei einer Sachverhaltsdarstellung nach wie vor die Frage unbeantwortet gelassen, wie Sie eigentlich mit Mitarbeitern umgehen, die Sie über wesentliche Dinge, die in Ihrem unmittelbar Verantwortungsbereich geschehen, nicht unterrichten.

Ich will Ihnen das kurz sagen. Wenn einer meiner Mitarbeiter der FDP-Landtagsfraktion irgendwo hinfahren würde und ohne mein Wissen, ohne Vollmacht der Fraktion, im Namen der FDP-Landtagsfraktion was auch immer für Erklärungen abgeben würde - das weiß bei uns jeder, deshalb tut es gar keiner -, würden wir ihn rausschmeißen. Jemand, der sich etwas anmaßt, was ihm nicht zusteht, ist als Mitarbeiter nicht mehr zu tragen.

Sie haben nicht erklärt, warum das mit Herrn Pröhl nicht geschehen ist, warum nicht mindestens eine arbeitsrechtliche Abmahnung erfolgt ist. Das wäre doch das Mindeste bei jemanden gewesen, der nach draußen etwas tut, was Sie so nicht wollen, was Sie so nicht erlaubt haben.

Sie haben nach wie vor keine Erklärung dafür abgegeben, warum beispielsweise Herr Dr. Büchmann am 5. Juli 2001 - am 5. Juli 2001! - nach eigener Erklärung mit Herrn Dr. Pröhl Diskussionen darüber führt, dass er anschließend in die Privatwirtschaft gehen will, zu einem Hamburger Unternehmen. Nun kann man sagen: Das ist nicht weiter wichtig. Aber wenn ausgerechnet dieses Unternehmen, um das es geht, doch nicht um Peanuts, sondern um eines der wesentlichen Objekte, die wir veräußern, nämlich das Schloss in

(Wolfgang Kubicki)

Kiel mit seiner wirklich massiven Bedeutung, mit dem Land verhandelt, dann muss doch die Frage erlaubt sein: Was müssen Sie eigentlich von Mitarbeitern halten, die möglicherweise nicht den Mumm oder nicht das Bewusstsein haben, sich mit diesem Problem, das zu einem politischen Problem werden kann, an Sie zu wenden, um mit Ihnen darüber zu reden, dass hier ein politisches Problem entstehen kann? Ich erwarte von Mitarbeitern der Staatskanzlei schlicht und ergreifend, die ja alle mit 130 Punkten und mehr bewertet worden sind, dass sie jedenfalls so viel Sensibilität aufweisen, dass sie Sie nicht im Regen stehen lassen oder des Risikos aussetzen, sich jetzt mit Situationen konfrontiert zu sehen, die vermeidbar gewesen wären, wenn damals anders entschieden worden wäre.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der regierungstragenden Fraktion, ich habe heute Morgen sehr wohl von der parlamentarischen Bedeutung gehört, von dem Rechtsstaat, von der Notwendigkeit der Sachaufklärung. Wann denn sonst, Kollege Neugebauer, wann denn sonst, Kollege Hay, wenn nicht in solchen Situationen soll ein parlamentarischer Ausschuss eingesetzt werden?

Wir würden uns doch der Möglichkeiten, die wir haben, der Verantwortung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern gerecht zu werden, berauben und das nicht ernst nehmen, wenn wir angesichts der Tatsache, dass die Spitze der Regierung massiven Vorwürfen ausgesetzt ist, denen parlamentarisch nicht nachgehen und einfach sagen, das ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft, des Dienstherrn und so weiter. Es ist unsere Aufgabe, die Frage zu stellen, wie es eigentlich möglich sein konnte - ich glaube der Ministerpräsidentin ausdrücklich; niemand von uns hat jemals gesagt, dass wir sie krimineller Taten verdächtigen -, dass über drei Jahre hinweg Persönlichkeiten, die sie heute, um es freundlich zu formulieren, als schillernd bezeichnet sie hat deutlichere Worte gebraucht -, so in ihre unmittelbare Nähe kommen konnten.

Ich sage noch einmal: Wenn es den 28. Februar 2002, Kollege Neugebauer, nicht gegeben hätte, hätten wir möglicherweise das Schloss in Kiel an diese Personengruppe veräußert und jetzt ein großes Problem, von dem wir uns möglicherweise als Parlament nicht mehr erholen würden. Es muss also unsere Aufgabe sein, dies zu tun.

(Beifall bei FDP und CDU)

Dass parlamentarische Untersuchungsausschüsse auch politische Kampfinstrumente sein sollen und sind, versteht sich von selbst. Das ist der Sinn ihrer Einrichtung. Frau Kollegin Heinold, ich wäre sehr zufrieden, wenn alle mit der Sachlichkeit an die Sache herangehen würden wie ihr Kollege Ströbele im Berliner

Untersuchungsausschuss. Wir dürfen aber auch nicht blauäugiger sein, als wir alle sind. Selbstverständlich wird die Opposition versuchen, der Regierung ans Zeug zu flicken. Das ist ihre Aufgabe. Selbstverständlich werden die regierungstragenden Fraktionen versuchen, die Regierung zu verteidigen. Das ist ihre Aufgabe.

Darüber hinaus gibt es aber einige wesentliche Gemeinsamkeiten - darauf lege ich großen Wert -, von denen ich glaube, dass sie sich auch im Untersuchungsverfahren bewähren werden. Der Kollege Neugebauer hat eines angesprochen. Das ist gar nicht so üblich. Herr Kollege Neugebauer, ich möchte dich nach langer Parlamentszugehörigkeit persönlich ansprechen, weil ich das wirklich glaube. Ich kenne dich gut genug. Selbstverständlich haben wir festgestellt, und zwar unisono - das will ich gar nicht weiter werten -, dass gegen das Vergaberecht, gegen das Haushaltsrecht durch das Finanzministerium verstoßen wurde. Wir haben dafür aber 14 Tage gebraucht, weil diese Regierung, die ihr bedauerlicherweise verteidigt, und zwar aus Gründen, die mir nicht nachvollziehbar sind, über Wochen hinweg erklärt hat, es sei alles in Ordnung, es sei alles mit rechten Dingen zugegangen. Das heißt, dieses ganzen Aufwandes im parlamentarischen Raum hätte es gar nicht bedurft, wenn der Finanzminister den Mut gehabt hätte, zu sagen: Leute, so ist es. Ich führe die Akte nicht, aber ich sehe auch, was das für eine Schlamperei ist. Das wird nicht wieder passieren.

Aber das Gegenteil ist der Fall gewesen. Es ist uns erklärt worden, es sei alles in Ordnung. Das Kabinett sei vollständig unterrichtet worden. Der Vergabebericht liege ja in Form einer Kabinettsvorlage vor. Wir wissen heute, dass es genau dies war, was bei uns Misstrauen erzeugt hat und was zu Ermittlungen geführt hat, die vermeidbar gewesen wären. Ich würde mir wünschen - aber ich glaube nicht mehr daran, weil von den Beteiligten schon viel zu viele öffentliche Erklärungen abgegeben worden sind, die nicht mehr rückholbar sind -, wir würden am Ende des Untersucherungsausschussverfahrens feststellen, dass tatsächlich einige Behörden, Ministerien und die Staatskanzlei in bestimmten Bereichen schlampig gearbeitet haben.

Aber ich befürchte - das sage ich ausdrücklich -, dass ausgerechnet diejenigen, über deren Unschuldsvermutung wird heute geredet haben, die jedoch bei einigen Debattenbeiträgen aus den Regierungslagern nicht mehr galt, uns eines Besseren belehren werden. Denn eines muss uns klar sein, Herr Kollege Neugebauer: Wenn es stimmt, was wir vermuten, dass sich hier möglicherweise Leute mit einer Energie, von der Herr Hay und ich wahrscheinlich gemeinschaftlich sagen

(Wolfgang Kubicki)

würden, sie sei kriminell, über Jahre hinweg an die Ministerpräsidentin herangerobbt haben, dann haben Sie ausreichend Munition an der Hand, um damit Politik zu betreiben und damit das Ansinnen der parlamentarischen Demokratie weiter zu beschädigen. Darüber müssen die Regierungsfraktionen und wir alle insgesamt nachdenken.

Ich sage für meine Fraktion ausdrücklich zu, dass wir sehr behutsam und sehr sorgfältig mit all den Dingen, die zur Sprache kommen, umgehen werden. Das gilt für die Betroffenen und für die, die im politischen Raum tätig sind, weil wir wissen - hier unterstreiche ich das, was der Fraktionsvorsitzende der SPD heute Morgen gesagt hat -, dass wir in der Gefahr stehen, das parlamentarische System insgesamt zu beschädigen, wenn wir nur aufeinander einschlagen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich erteile Herrn Minister Möller das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist heute Morgen wiederholt gesagt worden: Untersuchungsausschüsse sollten weniger eine Bühne für Wahlkampf und Selbstdarsteller sein, als vielmehr die Möglichkeit bieten, jenseits des Tagesgeschäftes sachgerecht, sorgfältig, ausführlich und trotzdem zügig verschiedene Sachverhalte zu klären, Zusammenhänge zu erkennen und vielleicht sogar einer gemeinsamen Bewertung zuzuführen. Ich hoffe, dass es in diesem Fall so sein wird.

Für das Finanzministerium, für mich sage ich zu, wie in den drei Sitzungen des Finanzausschusses, die wir gehabt haben, auch im Untersuchungsausschuss alles zu tun, was die Aufklärungsarbeit erfordert. Herr Kubicki, ich wäre Ihnen allerdings dankbar gewesen, wenn wir schon bei der Redlichkeit sind, wenn Sie heute Morgen nicht den Eindruck erweckt hätten, mein Staatssekretär Döring hätte am 13. Oktober die Zeitung nicht gelesen. Sie wissen genauso gut wie ich, dass Herr Döring am 7. März ausführlich dazu Stellung genommen hat. Ich verweise auf das Protokoll über die nichtöffentliche Sitzung des Finanzausschusses.

Was die Aufklärung angeht, gibt es natürlich die Einschränkung, dass gegen den ehemaligen Staatssekretär Herrn Dr. Lohmann sowohl dienstrechtliche Schritte als auch staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren eingeleitet sind. Solange Letzteres nicht abgeschlossen ist, ist das Disziplinarverfahren ausgesetzt. Den Ergebnissen will und kann ich nicht vorgreifen. Das

schließt natürlich die Aufklärung in der Sache nicht aus. Aber ich freue mich, dass hier wiederholt gesagt worden ist, dass, zumindest was den Korruptionsvorwurf angeht, auch für Herrn Lohmann die Unschuldsvermutung gilt, solange das Verfahren nicht abgeschlossen ist.