Protocol of the Session on October 17, 2001

(Glocke der Präsidentin)

Herr Minister, ich muss Sie trotzdem bitten, langsam zum Schluss zu kommen!

Es stellt sich allerdings die Frage, ob wir uns - bei den Aufgaben, die aktuell unsere Polizei und der Bundesgrenzschutz wahrnehmen müssen - im November einen Polizeieinsatz in Gorleben in dem Umfang, wie das bisher erforderlich war, wirklich leisten können.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD] - Zurufe der Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU] und Wolfgang Kubicki [FDP])

Es sollte wirklich ernsthaft geprüft werden, ob der Transport für unsere Polizei in der derzeitigen Situation zu verkraften ist.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: An wen stellen Sie die Frage?)

- An den Bund und die Betreiber. Die Genehmigungsbehörde für den Transport ist der Bund.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Der Bund hat auch die Verantwortung für den Bundesgrenzschutz und muss auf die Möglichkeiten unserer Polizei Rücksicht nehmen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist der grüne Trittin! - Weitere Zurufe von der CDU)

Zur Kostenerstattung! Es ist nicht einzusehen, dass hier das Gleiche wie für Polizeieinsätze bei großen Sportveranstaltungen gelten soll, dass nämlich das

Land Niedersachsen allein auf den Kosten für diesen großen Einsatz sitzen bleiben soll.

(Martin Kayenburg [CDU]: Bei Ihrer Fi- nanznot kommen Sie auf Ideen, das ist un- glaublich! - Beifall der Abgeordneten Konrad Nabel [SPD], Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Von uns sind weitere anlagenspezifische Untersuchungen eingeleitet worden. Die RSK und der zuständige Bundesumweltminister müssen die grundlegenden Fragen klären, gegebenenfalls gesetzgeberische Änderungen einleiten.

Wir werden Sie, sobald unsere Untersuchungsergebnisse vorliegen und sobald die RSK zu weiteren Erkenntnissen gekommen ist, unverzüglich über die Ergebnisse unterrichten.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Minister, bei allem Verständnis für Sie, möchte ich doch darum bitten, dass die Regierung in Zukunft im Ältestenrat realistische Redezeiten anmeldet.

(Beifall bei CDU und FDP - Martin Kayen- burg [CDU]: Vielleicht gibt es nicht nur da einen Realitätsverlust!)

Auf der Besuchertribüne begrüße ich jetzt die Besuchergruppe des Männerchores Bad Bramstedt.

(Beifall)

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Hentschel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Frage des Atomausstiegs ist auch eine Frage der inneren Sicherheit.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nach der Diskussion, die wir zurzeit führen, kann das niemand bestreiten.

(Martin Kayenburg [CDU]: Das ganze Leben ist eine Frage der inneren Sicherheit, Herr Kollege!)

Atomkraftwerke sind nicht sicher. Das ist der zweite Punkt, über den wir uns hier verständigen müssen. Das

(Karl-Martin Hentschel)

ist meines Erachtens auch die Grundlage für alles, was weiter getan werden muss.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Sind Atomkraftwerke sicher? Können Sie es ausschließen, dass Atomkraftwerke ein hohes Sicherheitsrisiko sind? Beinhalten Atomkraftwerke ein Gefährdungspotenzial oder nicht? - Das sind doch die Fragen, über die wir uns hier unterhalten müssen.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Und jeder, der sagt, wir machen einfach so weiter wie bisher, ignoriert genau diese Fragen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Wolfgang Kubicki [FDP]: Aber Sie machen doch so weiter wie bisher!)

Die Terroranschläge haben uns auf grausame Weise gezeigt, dass vieles, was wir bisher immer für sicher gehalten haben, nicht mehr sicher ist. Sie haben uns bestätigt, dass die schlimmsten Szenarien, die wir uns in der Antiatomkraftbewegung ausgemalt haben, keineswegs an den Haaren herbeigezogen waren.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das gilt auch für Hochhäuser!)

Es ist oft genug gesagt worden, dass man mit Flugzeugabstürzen auf Atomkraftwerke nicht rechnen muss. Das ist immer bestritten worden. Die Genehmigungsbehörden haben immer gesagt, dass das jenseits jeder menschlichen Erfahrung sei und deshalb bei der Genehmigung von Atomkraftwerken nicht berücksichtigt werden müsse. Das ist immer noch der juristische Stand, von dem ausgegangen wird und über den wir zu reden haben.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Wir müssen uns fragen, ob das noch gelten kann. Allerdings müssen wir uns auch die Frage stellen - deshalb war es sehr interessant, was der Minister berichtet hat -, wie sich ähnliche Angriffe auf Atomkraftwerke hier in Deutschland auswirken würden. Sind sie eventuelle Ziele? - Dazu ist nichts gesagt worden, darüber muss aber auch nachgedacht werden.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Mein Gott, ist das peinlich, was Sie hier liefern!)

Es muss weiter gefragt werden, welche Konsequenzen wir daraus ziehen.

Auf Bundesebene wird bereits diskutiert, ob man Atomkraftwerke nicht mit Flugabwehrraketen sichern sollte. Ich stelle mir das einmal bildlich vor:

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Lieber nicht!)

Stellen Sie sich vor, Sie stationieren auf unseren Atomkraftwerken in Schleswig-Holstein Flugabwehrraketen. Jetzt startet in Hamburg ein Flugzeug und kommt vom Weg ab. Was macht dann der liebe Kommandant, wer soll da entscheiden? Wer soll entscheiden, dass ein Verkehrsflugzeug mit vielleicht 200 Passagieren, das in der Luft ist und vom Weg abgekommen ist, jetzt mit Flugabwehrraketen abgeschossen werden soll und möglicherweise auf Itzehoe stürzt? Wer soll solche politischen Entscheidungen treffen?

(Zurufe von CDU und FDP)

- Das wurde nicht von den Grünen vorgeschlagen, sondern das ist auf Bundesebene von der CDU diskutiert worden! Man muss deutlich sagen: So geht es nicht!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten Konrad Nabel [SPD] und Lars Harms [SSW] - Zuruf von der CDU: Schreien Sie nicht so! - Weitere Zurufe von CDU und FDP)

Es stellt sich die Frage, ob die Betreibergenehmigungen auf anderen Risikoeinschätzungen und Szenarien beruhen als auf solchen, von denen wir aufgrund der Terroranschläge in den USA jetzt ausgehen müssen. Das bedeutet auch, dass wir uns die Frage stellen müssen, ob Nachrüstungen möglich und notwendig sind. Nachrüsten kann zum Beispiel heißen, dass die Mäntel um die Atomkraftwerke anders gestaltet werden müssen, um höhere Belastungen aushalten zu können. Ist das möglich? - Darauf haben wir noch keine Antwort. Weiter haben wir auch keine Antwort darauf, was das kosten würde und welche Konsequenzen das mit sich bringen würde.

(Martin Kayenburg [CDU]: Haben Sie schon einmal etwas von Statik gehört?)

Im Zusammenhang mit der Nachrüstung ist auch die Frage zu stellen, was mit den Gebäuden geschieht, die zur Sicherheit der Atomkraftwerke notwendig sind und außerhalb des festen Mantels stehen. Sie wissen, dass die ganzen Kühlanlagen, die unsere Atomkraftwerke haben, außerhalb des geschlossenen Mantels stehen. Das heißt, wenn ein Flugzeug abstürzt, können die Kühlanlagen ausfallen, obwohl der Kern des Atomkraftwerkes selbst nicht betroffen ist. Auch das ist ein Punkt, der geprüft werden muss. Welche Konsequenzen müssen daraus gezogen werden?

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

(Karl-Martin Hentschel)