Protocol of the Session on September 28, 2001

Der Weg zur Sicherung der Pflegequalität ist steil. Wir haben dabei schwere Lasten zu schultern. Wir sollten also ganz konkrete Schritte unternehmen, das heißt schnell umsetzbare Einzelmaßnahmen beschließen, um unserem Ziel, Sicherung der Pflegequalität, bald näher zu kommen.

Die CDU-Fraktion hat daher einen Ergänzungsantrag mit vier konkreten Maßnahmen vorgelegt. Ich glaube, er ist noch nicht verteilt; aber er müsste demnächst kommen. Im Übrigen werden wir dem Antrag der Regierungsfraktionen in den Punkten eins bis drei sowie fünf und sechs zustimmen. Der Punkt vier im Entschließungsantrag von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN steht im Widerspruch zu Punkt vier unseres Ergänzungsantrags. Dem werden wir nicht zustimmen.

Frau Ministerin, Sie haben zu Beginn gesagt: Qualität entsteht nicht durch Kontrollen. Aber: Durch fehlende Kontrollen entwickeln sich Missstände.

(Beifall bei CDU, FDP und des Abgeordneten Peter Eichstädt [SPD])

Das haben wir nun leider gelernt.

Zur Heimaufsicht! Das ist Punkt eins unseres Ergänzungsantrages. Wir bedauern außerordentlich, dass die Regierungsfraktionen nicht die politische Kraft aufgebracht haben, ein klares Wort zu den Versäumnissen bei den Heimaufsichtsbehörden und den dadurch notwendig gewordenen Neuregelungen im Bereich der Fachaufsicht zu sagen. Hier wäre eine eigenständige Haltung insbesondere der SPD-Fraktion nicht nur wünschenswert, sondern im Interesse der pflegebedürftigen Menschen notwendig gewesen.

(Beifall bei der CDU)

(Helga Kleiner)

Die Regierungsfraktionen haben dazu geschwiegen. Bei diesem Schweigen handelt es sich ganz offensichtlich um das, was man ein beredtes Schweigen nennt. Denn auch den Landtagsabgeordneten von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kann nicht verborgen geblieben sein, dass gerade die älteren Menschen in unserem Land besorgt, aber auch nachdrücklich fragen: Warum haben die Heimaufsichtsbehörden in den letzten Jahren nicht sorgfältiger geprüft? Warum ist die Sozialministerin nicht gegen diese unzulänglichen Prüfungen vorgegangen? Sie hat doch die Fachaufsicht über die Heimaufsichtsbehörden.

(Dr. Johann Wadephul [CDU]: Sehr richtig!)

Diesen Fragen kann nicht ausgewichen werden. Wir können es doch nicht verschweigen und wegdiskutieren. Die Sozialministerin hat ihre Fachaufsicht über die bei den Landräten und den Bürgermeistern der kreisfreien Städte eingerichteten Heimaufsichtsbehörden seit Jahren nicht ordnungsgemäß ausgeübt.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Seit 1995 sind sowohl die Heimaufsichtsbehörden als auch der Medizinische Dienst der Krankenversicherung für die Prüfung der Pflegequalität in den stationären Einrichtungen zuständig. Der Gesetzgeber hat damit eine Situation verursacht, die in der Begründung zum Pflege-Qualitätssicherungsgesetz völlig zu Recht als eine schwierige und streitanfällige Gemengelage bezeichnet worden ist. Die schlimme Folge war, dass die Heimaufsichtsbehörden ab 1995 die Prüfung der Pflegequalität in unseren Pflegeheimen mehr und mehr allein dem MDK überlassen haben. Ich trage dies so breit vor, weil es mir darauf ankommt, den Rückzug der Heimaufsichtsbehörden aus der Prüfung der Pflegequalität zu erklären, nicht um ihn zu entschuldigen.

(Beifall bei der CDU)

Diese ungute Entwicklung hat dazu geführt, dass bei den 15 Heimaufsichtsbehörden unseres Landes am 1. April 2001 insgesamt nur 29 Personen in der Heimaufsicht tätig waren. Von diesen 29 Personen waren 18 Personen auch noch mit anderen Aufgaben befasst, und das bei 575 stationären Pflegeeinrichtungen mit circa 31.000 Pflegebedürftigen.

Als um die Wende 1998/1999 Missstände in einzelnen Pflegeheimen bekannt wurden, wusste die Sozialministerin, dass die ihrer Fachaufsicht unterstehenden Heimaufsichtsbehörden seit Jahren damit begonnen hatten, sich aus der Prüfung der Pflegequalität zurückzuziehen. Und wenn sie es nicht wusste, wäre es ihre Pflicht gewesen, sich über diesen Sachverhalt schnell und umfassend zu informieren. Sie hätte spätestens zu diesem Zeitpunkt im Erlasswege den Heimaufsichts

behörden verbindliche Weisungen zur Prüfung auch der Pflegequalität erteilen müssen. Sie hätte ebenfalls den Heimaufsichtsbehörden mit verbindlicher Weisung eine regelmäßige Berichtspflicht über die von ihnen durchgeführten Prüfungen auferlegen müssen. Beides hat sie nicht getan, sondern sich darauf beschränkt, Rundbriefe ohne Weisungen an die Landräte und Bürgermeister der kreisfreien Städte zu schicken und unverbindliche Gespräche mit ihnen zu führen. Ich will es auf den Punkt bringen und sage deshalb zu Ihnen, Frau Ministerin Moser: Runde Tische sind in einem geordneten Staatswesen nur sehr begrenzt als Instrument der Verwaltung brauchbar.

(Beifall bei der CDU)

Und ferner: Regieren ist mehr als moderieren.

(Beifall bei der CDU - Zurufe von der SPD: Oh, oh!)

Die Sozialministerin hat sich in den vergangenen Monaten immer wieder aus ihrer persönlichen Verantwortung für eine sachgerechte Fachaufsicht herauszureden versucht. So hat sie zum Beispiel in einem „LN“-Interview vom 25. August 2001 erklärt, sie könne als Fachaufsichtsministerin bei den Heimaufsichtsbehörden nur dann eingreifen, „wenn nicht rechtmäßiges Verhalten vorliege“. Und noch in ihrem heute zur Diskussion stehenden Bericht vom 12. September 2001 hat sie auf Seite 17 erklärt, sie habe auch wegen einer fehlenden Rechtsgrundlage - bisher keine Veranlassung gesehen, von den Landräten und Bürgermeistern der kreisfreien Städte regelmäßige Berichte zu verlangen.

Meine Damen und Herren, mir liegt ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Schleswig-Holsteinischen Landtages vom 4. Mai 2001 vor. Daraus ergibt sich Folgendes: Die Fachaufsicht erstreckt sich auf die rechtmäßige und zweckmäßige Wahrnehmung der Heimaufsicht durch die Landräte und die Bürgermeister der kreisfreien Städte. Die Sozialministerin kann durch Runderlasse, Verwaltungsvorschriften oder Einzelweisungen den Umfang der von den Heimaufsichtsbehörden durchzuführenden Heimkontrollen in zeitlicher oder sachlicher Hinsicht festlegen. Die Sozialministerin ist berechtigt, von den ihrer Fachaufsicht unterstehenden Heimaufsichtsbehörden Berichterstattung und Vorlage der Akten zu verlangen, Prüfungen vorzunehmen und Weisungen zu erteilen.

Die Fachaufsicht ist also nicht - wie die Sozialministerin in der letzten Sozialausschusssitzung erklärt hat - ein zahnloser Tiger, sondern ein verfassungsrechtliches Instrument, das - richtig eingesetzt - durchaus

(Helga Kleiner)

geeignet ist, Fehlentwicklungen wirkungsvoll zu korrigieren.

(Beifall bei der CDU)

Nun soll im Rahmen einer „Arbeitsgruppe“ und „unter Beteiligung des Sozialministeriums“ ein den Anforderungen des novellierten Heimgesetzes entsprechendes „Prüfschema“ für künftige Überwachungsmaßnahmen der Heimaufsichtsbehörden erarbeitet werden.

Wir sagen dazu mit Nachdruck: Es reicht nicht aus, ein solches „Prüfschema“ zu erarbeiten. Die Sozialministerin muss vielmehr zur Einführung dieses „Prüfschemas“ den Heimaufsichtsbehörden im Erlasswege verbindliche Weisungen erteilen. Auch sollten die Heimaufsichtsbehörden ebenfalls im Erlasswege verbindlich angewiesen werden, der Sozialministerin in bestimmten zeitlichen Abständen schriftlich zu berichten, welche Pflegeheime sie überprüft haben, wann dies geschehen ist, wer an diesen Prüfungen teilgenommen hat, was diese Prüfungen ergeben haben und gegebenenfalls was die Heimaufsichtsbehörden veranlasst haben. Und schließlich wollen wir, dass die Sozialministerin einmal im Jahr dem Landtag hierüber einen zusammengefassten Bericht erstattet. Soweit zur Heimaufsicht!

In den Punkten 2 bis 4 unseres Ergänzungsantrages geht es um das Verfahren PLAISIR - Pflegedokumentation und Pflegeberatung.

(Glocke der Präsidentin)

Dazu brauche ich nichts weiter auszuführen. Ich muss zum Schluss kommen. Eine ausreichende Begründung für diesen Antrag ergibt sich aus dem Text des Ergänzungsantrages. Das Problem der Sicherung der Pflegequalität, nicht nur in Pflegeheimen, sondern auch bei der ambulanten Pflege wird uns noch Jahre beschäftigen. Diese Diskussion über die notwendige Reform der Pflegeversicherung befindet sich noch ganz am Anfang. Parlamentarische Auseinandersetzungen sind notwendig; die gehören zum Wesen der Demokratie. Sorgen wir aber dafür, alle zusammen, dass am Ende ein möglichst breiter Konsens steht. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten dies von uns.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat jetzt der Herr Abgeordnete Beran.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist etwas schwierig, auf einen gerade erst verteilten Antrag zu reagieren, wenn man gleichzeitig gern den Worten der Rednerinnen und Redner zuhören möchte.

Ich empfinde das fast als einen schlechten Stil, uns so kurzfristig mit einem Antrag zu konfrontieren.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Außerdem habe ich den Eindruck, dass mit der Rede von Frau Kleiner eher eine Verlagerung des Problems angesprochen wurde, anstatt auch einmal ganz klar über die Rahmenbedingungen zu sprechen und über das, was wir in der Pflege vorfinden.

Gegenstand unserer Beratung sind zurzeit der Antrag „Qualität in der Pflege“ und damit verbunden der Bericht des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen, der für viel Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit gesorgt hat, sowie der Bericht der Landesregierung über die Heimaufsicht in Schleswig-Holstein.

Vor allem im Hinblick auf das Ergebnis des Prüfberichts des Medizinischen Dienstes über die Pflegezustände in den stationären Pflegeeinrichtungen soll hier heute nichts beschönigt werden. Beide Berichte zeigen uns, dass es Handlungsbedarf gibt.

Bevor ich näher darauf eingehe, lassen Sie mich einen Dank sagen: Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des MDK, die ein Jahr extrem erhöhten Arbeitseinsatz hatten, Dank an die Ministerin für ihre Initiative, die dazu geführt hat, dass es zu dieser umfassenden, bundesweit einmaligen Prüfung gekommen ist, und Dank ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für den vorliegenden Bericht über die Heimaufsicht. Vor allem möchte ich den Menschen danken, die trotz einer Serie von negativen Berichterstattungen mit größtmöglichem Engagement weiterhin ihrem Pflegeberuf nachgehen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich bin der festen Ansicht, dass in einem großen Teil unserer Pflegeeinrichtungen eine vorzügliche Arbeit geleistet wird.

Von einigen wird versucht, die Situation in den stationären Pflegeeinrichtungen zu beschönigen, indem die Vorgehensweise beziehungsweise die Methodik des MDK infrage gestellt wird. Ich sage Ihnen, wenn nur die Hälfte des Berichtes zutreffend ist, müssen wir dennoch handeln. Die Vorgehensweise und die Fragestellungen waren im Landespflegeausschuss abgestimmt. Dem Landespflegeausschuss gehören alle relevanten Gruppen an, auch die Einrichtungsträger, sodass ich von einer Seriosität des Vorgehens des MDK ausgehe.

Als sehr kritisch betrachte ich, dass es nicht gelungen war, die Heimaufsichten, die in der Verantwortung der Kreise arbeiten, zu einer gemeinsamen, zeitglei

(Andreas Beran)

chen Vorgehensweise zu bewegen. Zur Abrundung einer Beurteilung hätte es auch gehört, nicht nur über die Prozessqualität informiert zu sein, sondern auch über die Strukturqualität. Dies ist ein Hinweis auf Defizite, die wir bei den Heimaufsichten haben.

Der Prüfbericht des MDK macht einige erschreckende Aussagen, die ich hier in Kurzform nennen möchte.

Jede fünfte Einrichtung hat kein Pflegekonzept. In über einem Drittel der Einrichtungen ist für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Pflegeablauf nicht nachvollziehbar. Drei Viertel aller Einrichtungen hatten zum Stichtag kein Hygienekonzept. Bei zwei Dritteln der Einrichtungen werden Pflegemaßnahmen nicht aktualisiert. Bei über der Hälfte der Einrichtungen wurden Maßnahmen gegen Dekubitusgefährdung nicht durchgeführt. Bei über 80 % waren die pflegerischen Maßnahmen nicht geeignet, das gesetzte Pflegeziel zu erreichen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei den von mir genannten Defiziten stellt sich für mich die Frage: Werden die Pflegekräfte vor Ort bei der Umsetzung aller theoretischen Pflegeansätze in die Praxis allein gelassen? Sie erfahren nicht die Unterstützung, um sich die nötige Fort- und Weiterbildung zu holen. Denn eines möchte ich hier heute feststellen: Die theoretischen Instrumente, die Gesetze und Verordnungen oder aber die Pflegequalitätsoffensive des Landes wären mehr als ausreichend vorhanden, wenn Länder wie Bayern endlich ihren Widerstand gegen das bundeseinheitliche Altenpflege-Ausbildungsgesetz aufgeben würden.

(Beifall bei der SPD)

Woran es hapert - da stimme ich mit dem MDK überein -, ist die Umsetzung in die Praxis. Hierfür bedarf es einer qualitativen Aufwertung der Ausbildung von Pflegefachkräften und den entsprechenden Führungskräften.