Bevor wir in der Haushaltsdebatte zu der wunderbaren Frage kommen, worin die Alternative besteht, Herr Hentschel, Herr Neugebauer, sage ich - damit das aufhört - vorweg: Die beste Alternative ist, wir wechseln die Plätze. Wir übernehmen die Regierungsverantwortung, Sie die Opposition; dann zeigen wir Ihnen, dass wir das gut organisieren können.
Es ist albern, in der ersten Lesung bei der Gesamtabrechnung immer in Details hineingehen zu sollen. Ich habe mir auch überlegt, ob wir mit dieser Regierung abrechnen sollen. Aber auch das ist angesichts der allgemeinen Weltlage vergleichsweise komisch und vielleicht ganz profan angesichts der Tatsache, dass ich heute gelernt habe, dass der Finanzminister 3 Millionen € 20-mal umschichtet und 60 Millionen € ausgeben kann.
Mich bedrückt, mit welcher unglaublichen Geschwindigkeit wir in unseren Gedanken und Äußerungen militarisiert werden und selbst militarisieren,
Mich bedrückt und beschäftigt, dass offensichtlich der Eindruck vermittelt wird, als werde die parlamentari
Wenn man den Bundesverteidigungsminister hört, der erklärt, man müsse sich darauf einstellen, dass ein Militäreinsatz vollzogen werde und das Parlament solle danach damit beschäftigt werden, mag man darüber nachdenken, ob das gesamte Parlament vorher eine Entschließung treffen muss. Für mich war es bislang unvorstellbar, dass die Bundesregierung deutsche Soldaten in einen Kampfeinsatz schickt, ohne dass zumindest die entsprechenden parlamentarischen Gremien, seien es nun die Fraktionsvorsitzenden oder der Verteidigungsausschuss, unterrichtet und konsultiert werden.
Mich bedrückt, dass ich nach den Beschlüssen des Kabinetts von gestern zur inneren Sicherheit, auf die ich noch einmal zurückkommen will, lesen muss, die von Ihnen oder uns getragene Regierung beabsichtige, bestimmte Maßnahmen bereits zu ergreifen, bevor die gesetzlichen Grundlagen geschaffen worden sind. Kollege Hay, ich bin mir nicht ganz sicher, ob wir nach außen glaubhaft und glaubwürdig vertreten können, dass das, was wir bisher gemeinsam abgelehnt haben, urplötzlich das Gelbe vom Ei sein soll. Wer dies hier als Parlamentarier zulässt, muss sich nicht wundern, dass andere auf die Idee kommen, man brauchte das Parlament vielleicht gar nicht mehr und die Regierung könne machen, was sie wolle. Das wäre der Beginn der Willkür.
Ich sage auch hier in allem Ernst: Man kann über viele Maßnahmen nachdenken und sie diskutieren. Man kann sich auch fragen, ob wir vielleicht in der Vergangenheit in dem einen oder anderen Fall nicht auf dem richtigen Trip gewesen sind. Aber bestimmte Dinge kann und sollte man nicht machen, wenn man verhindern will, dass man die politischen Repräsentanten insgesamt - egal woher sie kommen - der öffentlichen Lächerlichkeit preisgibt.
Am Sonntag habe ich von Claudia Roth, ihres Zeichens Bundesvorsitzende der Grünen, lesen dürfen, sie, Claudia Roth, warne die Sozialdemokratie davor, die Atmosphäre nach den Attentaten vom 11. September 2001 zu nutzen, um weiter demokratische Grundrechte abzubauen.
Nun gibt es ja einige, die immer schon vermutet haben, dass Sozialdemokraten per se demokratische Grundrechte abbauen, dass man sie hindern muss, so etwas zu tun - insbesondere die Grünen. Darüber kann man ja nachdenken.
Ich hatte mich eigentlich darauf eingerichtet, dass heute Herr Hentschel oder andere skandieren: „Schily, Schill und Schlie - schon ist der Rechtsstaat hie!“
- Ja, bei aller Lustigkeit: Statt dessen zog es mir gestern wirklich die Schuhe aus, als ich in die laufende Fraktionssitzung bei uns hinein die Mitteilung bekam, die grüne Fraktion hätte sich entschieden, und zwar uneingeschränkt, ohne irgendeine kritische Anmerkung, die Beschlüsse des Kabinetts mit zu tragen, sodass wir heute skandieren können: „Schily, Schill und Schlie sind die Rechtsstaatsgarantie!“
Gucken Sie sich einmal an, was teilweise darin steht darüber will ich wirklich einmal debattieren -: Rasterfahndung soll nun urplötzlich zur Terrorismusbekämpfung taugen. Warum eigentlich nur zur Terrorismusbekämpfung?
Schleierfahndung - wir meinen jetzt die richtige Schleierfahndung, nicht die Fahndung nach den Schleiern - soll urplötzlich auch effizient sein, nachdem wir vorher festgestellt haben - gemeinsam! -, sie bringt nichts.
Die Regierung erklärt - das steht darin -, die Visaerteilung - ich habe es hier vorliegen; ich kann es dir gleich vorlesen, Kollege Astrup - soll restriktiv gehandhabt werden, so als hätte die Besuchsvisaerteilung bisher irgendetwas damit zu tun, dass sich hier bei uns „Schläfer“ eingenistet haben.
Übrigens, Lothar Hay, bin Laden ist kein armer Mann. Die Terroristen kommen nicht aus armen Familien; die haben nicht unter Hunger und Verfolgung und sonst etwas gelitten. Insofern sollten wir mit kurzfristigen Erklärungen dieser Art, das habe möglicherweise etwas damit zu tun, dass Hunger und Not in der Dritten Welt herrschen, zumindest vorsichtig sein.
Ich gebe zu, dass die Bewältigung des Nahostkonfliktes auch dazu beitragen könnte, zumindest das Umfeld oder die atmosphärische Stimmung oder die psychische Unterstützung zu beseitigen.
Darin steht - wie gesagt -, Visaerteilung soll restriktiv gehandhabt werden. Es ist ja nichts dagegen einzuwenden, dass möglicherweise die, die hier einreisen wollen, namentlich erfasst werden, registriert werden, dass man auch die Besucher namentlich erfasst und registriert. Aber was heißt „restriktive Erteilung“? Welche Botschaft ist das nach außen? - Das ist die
Botschaft nach außen, dass wir von denen, die zu uns kommen wollen, Gefahr zu befürchten haben. Nichts anderes ist es - undifferenziert!
Ich hätte mir wenigstens gewünscht, man hätte dazu eine Erklärung abgegeben. Das alles ist nicht geschehen. Deshalb denke ich, wir sollten noch sehr intensiv, bevor man jetzt sehr schnell glaubt, mit diesem Aktionismus etwas tun zu müssen, darüber nachdenken, ob das der richtige Weg ist.
Das gilt übrigens auch bei der Frage, diejenigen, die eingebürgert werden wollen, einer Regelüberprüfung durch den Verfassungsschutz zu unterziehen. Ich habe über den Verfassungsschutz unseres Landes und aller Länder so meine eigenen Vorstellungen und Meinungen, weil ich gelegentlich - das darf ich sagen, ohne aus den PKK-Sitzungen, die wir immer haben, zu plaudern - den Eindruck habe, als seien die eher erfreut, darüber von uns etwas zu erfahren, als umgekehrt.
Aber so etwas zu fordern, ohne gleichzeitig den Personalbestand aufzustocken, in der Erkenntnis, dass wir beispielsweise bei IV/7 nicht einen Einzigen haben, der arabisch spricht, der dann aber irgendetwas überprüfen soll, ist doch Sand in die Augen der Bevölkerung zu streuen. Wenn wir es ernst meinen, dann müsst ihr, dann müssen Sie heute unserem Antrag zustimmen, zehn neue Planstellen zumindest für Personen zu schaffen, die arabisch sprechen, und dann müssen Sie, dann müsst ihr dem Antrag zustimmen, den Überstundenpool bei den Polizeibeamten zu erhöhen, die doch bereits jetzt ihre Überstunden leisten und nicht erst im nächsten Jahr - jetzt!
Ich möchte mich wirklich mit einigen Themen des Haushalts beschäftigen. Ich werde das kürzen, weil viele der sonst von mir sehr nett und charmant gemeinten Sätze, die auch weltweit zitierfähig sind, angesichts dessen, was uns bevorsteht, und zwar in absehbarer Zeit bevorsteht, wirklich keine große Bedeutung mehr haben. Aber wir haben 13 Jahre SPD in der Regierungsverantwortung und fünf Jahre die Grünen dabei. Das Ergebnis ist - politisch wie wirtschaftlich aus heutiger Sicht ein verschenktes Jahrzehnt für Schleswig-Holstein.
Ich will das begründen. Das Land Schleswig-Holstein ist pleite und der Konkurs wird nur noch durch die Ländersozialhilfe namens Finanzausgleich hinausgezögert.
Die Landesregierung nimmt neue Schulden nur noch auf, um die Zinsen bezahlen zu können. Gleichzeitig
sind die Menschen unseres Landes mit der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung aller westlichen Bundesländer gestraft.
Die Investitionsquote liegt deutlich unter 10 % und wird weiter sinken. Gleichzeitig vergammelt unsere Infrastruktur und wichtige Projekte werden auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben.
Die Landesregierung hat unser Bildungssystem schon so weit heruntergewirtschaftet, dass es den heutigen Anforderungen nicht mehr gewachsen ist - von den kommenden Herausforderungen ganz zu schweigen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, erinnern wir uns angesichts dieser Tatsachen an die Worte eines profunden Kenners unseres Landes und der rot-grünen Politik in Schleswig-Holstein, der Worte Peer Steinbrücks, ehemals Wirtschaftsminister im Kabinett Simonis und jetzt Finanzminister in NordrheinWestfalen.
„Mit der Investitionsquote von nur noch 11,1 % ist die Schmerzgrenze bereits überschritten. Die starke Zunahme der Arbeitslosigkeit im Norden hat auch mit dem Rückgang bei den öffentlichen Investitionen zu tun. Die öffentlichen Haushalte dürfen zwar nicht weiter aus dem Ruder laufen, aber das kann nicht zulasten der Investitionen gehen.“
Wie sehen die Investitionsplanungen heute aus, vier Jahre danach? - Im Entwurf für den Nachtrag beträgt die geplante Investitionsquote 9,9 %, im Entwurf für 2002 9,3 %. Die Quote der originären Investitionen des Landes beträgt für 2001 7,6 % und für 2002 noch ganze 6,9 %. Und im Vollzug - das wissen wir - sinken diese Quoten immer um einen Prozentpunkt.
Ich behaupte, dass die Unterlassungssünden der vergangenen Jahre bei den Investitionen unser Land Zehntausende Arbeitsplätze gekostet haben, Zehntausende Arbeitsplätze, die hätten entstehen können, aber nicht geschaffen wurden, weil die Regierung Simonis ihrer Pflicht zum Ausbau der entwicklungsnotwendigen Infrastruktur nicht nachgekommen ist.
Angesichts dieser Zahlen sind die erhofften, vermeintlichen und tatsächlichen Erfolge aller Varianten des Programms ASH Peanuts.
In der Finanzwissenschaft gilt der Haushalt als einer der wenigen ernst zu nehmenden Belege für die tatsächlichen Absichten einer Regierung - im Gegensatz zu den üblichen Sonntagsreden.