Protocol of the Session on May 10, 2000

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Diskussion, die uns hier beschäftigt, hat sich, Herr Minister, an Ihrer Person und an Ihrer Berufung zum Umweltminister des Landes festgemacht. Das ist nicht Ihre Schuld; das ist vollkommen klar. Deshalb begrüße ich ganz ausdrücklich Ihre Präsenz hier im hohen Haus, während ansonsten der Platz der Regierungschefin und die Regierungsbänke bei einer Diskussion über das Landesministergesetz nicht gerade üppig gefüllt sind.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Die guten Leute sind da! - Friedrich-Carl Wodarz [SPD]: Was sagt uns das jetzt?)

(Dr. Johann Wadephul)

- Die guten Leute sind da, Herr Kubicki, das mag sein.

Ich bin dafür, dass wir an dieser Stelle miteinander eine sachliche Debatte führen. Herr Kollege Neugebauer, wer so häufig das Wort Populismus in den Mund nimmt wie Sie, hat - glaube ich - auch ein bisschen ein schlechtes Gewissen.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Das gehört ihm schon! - Heiterkeit)

Dieses Haus sollte sich darauf besinnen, wie es denn zu dieser Debatte gekommen ist. Ich finde es schon bedauerlich, dass wir eine gesetzliche Regelung haben - ich werde im Einzelnen gleich noch etwas dazu sagen; es besteht ja große Einigkeit darin, dass es sich im Grunde um eine Überversorgung handelt -, über die sich das Parlament nicht selber Gedanken gemacht hat und mit der es sich nicht selbst befasst hat, sondern auf die erst die Presse aufmerksam machen musste. Erst in der Öffentlichkeit begann eine kritische Debatte, die dem Ansehen der Politik in SchleswigHolstein sicherlich nicht genutzt hat. Es wäre gut gewesen, wir wären selber früher darauf gekommen.

(Beifall bei CDU, F.D.P. und SSW)

Herr Kollege Neugebauer, Sie diskutieren jetzt darüber, ob die Freien Demokraten populistisch waren, indem sie den Antrag gestellt haben. Sie wollten ja sowieso gut vorbereitet und seriös später kommen. Diese Diskussion um das Huhn und das Ei würde ich an dieser Stelle allerdings nicht führen. Wir sollten in aller Sachlichkeit darüber diskutieren: Was müssen wir machen?

Wir haben einen Fall eklatanter Überversorgung. Auch wenn es jedermann Minister Müller gönnen würde und keiner glaubt, dass er sich gleich danach in die Rente begeben würde:

(Minister Klaus Müller: Keine Chance!)

9.000 DM im Monat! Bei einer 75-jährigen Lebenserwartung, die ich ihm ohne Weiteres unterstelle, sind das 4,7 Millionen DM. Das ist nun wirklich zu viel des Guten.

(Zuruf von Minister Klaus Müller)

Wenn wir das umrechnen, stellen Sie fest, dass es sich dabei um einen Barwert - vergleichen Sie das einmal mit Daten von Versicherungsgesellschaften in der freien Wirtschaft - von 2,5 Millionen DM handelt, den sich das wahrlich nicht größte Bundesland Deutschlands, Schleswig-Holstein, leistet. Andere Bundesländer leisten sich eine Ministerversorgung, die einen Barwert zwischen 1 Millionen und 1,5 Millionen DM hat. Wir müssen schon feststellen: Schleswig-Holstein leistet sich an dieser Stelle besonders viel.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Er kann nichts für seine Jugend!)

Angesichts der Tatsache, dass die Bürgerinnen und Bürger sowieso viele Vorurteile in der Richtung haben, dass es in der Politik Überversorgung und Selbstbedienung gibt, haben wir die Aufgabe, im Interesse der Glaubwürdigkeit über die Vertretbarkeit von Versorgung in der Politik miteinander zu reden und schnell zu einer angemessenen neuen Regelung zu kommen.

Dabei will ich ausdrücklich Folgendes sagen. Der Kollege Puls - in der vorangegangenen Debatte - und der Kollege Neugebauer haben völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass jemand, der wirklich Geld verdienen will, schlecht beraten ist, in die Politik zu gehen.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Das stimmt!)

Wir alle müssen uns, wenn es um die Ministerversorgung geht - die Abgeordnetendiäten und die Diskussion darüber hängen damit zusammen - kritisch fragen, warum Leute, die in der freien Wirtschaft viel Geld verdienen können, überhaupt keine Neigung verspüren, ins Parlament zu gehen.

Warum haben wir hier fast keine erfolgreichen selbstständigen Handwerksmeister, warum haben wir beispielsweise keine Ärzte, warum haben wir keine leitenden Angestellten in diesem Parlament? - Das hängt auch damit zusammen, dass sie unter anderem befürchten müssten, dass sie sich wirtschaftlich deutlich verschlechtern würden.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Mein Umsatz- träger ist auch schon weg!)

Wenn wir darüber eine offene Debatte führen wollen auch in diesem Parlament -, müssen wir zuvor Missstände und Überversorgung abbauen. Dann müssen wir zu einer Transparenz kommen, wie es sie bisher in Schleswig-Holstein nicht gegeben hat.

Ich stimme Herrn Kollegen Neugebauer ausdrücklich zu: Ein Blick auf andere Bundesländer zeigt, dass ein Ruhegehalt vor Erreichen des 55. Lebensjahres absolut ungewöhnlich ist. Deshalb ist es auch für Schleswig-Holstein an der Zeit, eine entsprechende Regelung zu treffen.

Wir wollen auch über die Höhe des Ruhegehaltes reden. Wir wollen über die Frage des Anwachsens im Laufe der Zeit reden. Wir wollen über eine Anrechenbarkeit auf andere Einkünfte reden. Wir wollen dies alles tun, ohne das Kind mit dem Bade auszuschütten, ohne die Berufung - ich sage nicht „Beruf“ - zum Mitglied einer Landesregierung zu entwerten.

Es gibt keinen Anlass zu irgendwelchen Schnellschüssen. Aber es gibt Anlass zu einer sachlichen Debatte

(Dr. Johann Wadephul)

und zu einer konsequenten und schnellen und für die Bürger nachvollziehbaren neuen Gesetzgebung nach ausführlicher Beratung im Ausschuss.

(Beifall bei CDU, SPD, F.D.P. und SSW)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Heinold.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Politikerinnen und Politiker verjüngen sich - vor allem, seit die Grünen dabei sind. Aber je jünger die Ministerinnen und Minister, desto deutlicher wird die Überversorgung durch das jetzige Landesministergesetz in Schleswig-Holstein.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Das wäre bei Staatssekretären ähnlich!)

Andere Länder haben ihre Gesetze in den letzten Jahren bereits geändert. Schleswig-Holstein muss nun zügig nachziehen. Wir alle sind Schuld daran, dass es noch so ist, wie es ist. Wir brauchen da die Bälle gar nicht hin und her zu schlagen. Deshalb begrüßen wir die Gesetzesinitiative der F.D.P. mit der klaren Aussage: Altersversorgung erst im Alter.

Es ist niemandem zu vermitteln, dass eine Ministerin oder ein Minister in Schleswig-Holstein schon nach fünf Amtsjahren einen sofortigen und lebenslangen Pensionsanspruch von mindestens 9.000 DM im Monat erworben hat. Diese Tatsache lässt die Wogen im Land zu Recht hoch schlagen - der Steuerzahlerbund hat es oft genug thematisiert, die Medien auch -, sind doch viele Bürgerinnen und Bürger auch von den Sparmaßnahmen im Land und im Bund immer wieder betroffen.

Die Höhe der Gehälter und Versorgungsansprüche von Abgeordneten und Ministerinnen und Ministern hat schon oft genug zur Politikverdrossenheit in unserer Gesellschaft beigetragen - auch wenn ich die hier vorgetragene Argumentation teile, dass gute Arbeit vernünftig bezahlt werden muss und auch ein Vergleich mit der Wirtschaft möglich sein muss. Trotzdem hat es oft genug zu Politikverdrossenheit geführt. Allein die Tatsache, dass wir bei den Abgeordneten und den Ministerinnen und Ministern in eigener Sache beschließen, macht misstrauisch.

Deshalb weist das Bundesverfassungsgericht in seinem 40. Band darauf hin, dass bei den Versorgungsgesetzen Transparenz zu gewährleisten ist. Und transparent ist unser Ministergesetz nicht. Im Gegenteil. Es ist ja besonders pfiffig, denn allein durch das

Weglassen des kleinen Wortes „weitere“ an einer Stelle erhöht sich die Mindestpension - ganz unmerklich - um weitere zehn Prozentpunkte. In § 11 steht nämlich: Das Ruhegehalt beträgt mindestens 35 % und steigt mit jedem vollen Jahr der Amtszeit um 2 %.

Jeder Mensch, der das liest, versteht, dass man bei fünf Jahren Amtszeit 35 % der Ministerbezüge bekommt. Das ist aber keineswegs so: Man bekommt 45 %, da schon die ersten fünf Jahre mit einem Bonus von je 2 % berechnet werden. Andere Länder haben dieses Verfahren inzwischen geändert und das Wort „weitere“ eingefügt. Wir sollten das schleunigst tun.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Für Beamtinnen und Beamte kann die Ministerpension nach fünf Jahren sogar schon 55 % betragen, da ihre frühere Tätigkeit angerechnet wird. Hier müssen wir eine Regelung finden, welche zum einen Beamtinnen und Beamte nicht bevorzugt, zum anderen aber auch berücksichtigt, dass sie durch ihre bisherige Tätigkeit keinen eigenen Rentenanspruch erworben haben.

Das ganze Ministergesetz - das macht die Sache auch schwierig - ist in seinen Grundzügen auf Beamtinnen und Beamte abgestellt. Ihre Versorgung ist geregelt. Selbstständige und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben hingegen ein großes Problem, wenn sie weniger als fünf Jahre Ministerin oder Minister gewesen sind. Dann erwerben sie nämlich überhaupt keine Altersabsicherung.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Nachversi- chern!)

Die Amtszeit mutiert in diesem Fall zu einer privaten Auszeit, weil man auch nachträglich nicht in die Rentenversicherung einzahlen kann - wogegen bei Beamtinnen und Beamten selbstverständlich die Ministerzeit, unabhängig von ihrer Länge, auf die Dienstzeit aufgeschlagen wird.

Da wir aber gerade den Austausch zwischen Wirtschaft und Politik wollen - da sind wir uns ja einig -, brauchen wir auch für so genannte Kurzzeitministerinnen und Kurzzeitminister die Möglichkeit, sich einen Rentenanspruch oder eine Versorgungsabfindung erwerben zu können, sodass es attraktiv ist, einmal drei, vier Jahre aus der Wirtschaft in die Politik zu gehen und dann wieder zurück.

Die Grünen haben noch weitere Vorschläge zu diesem Gesetz. Wir haben sie in einer Pressekonferenz vorgestellt und werden über sie miteinander diskutieren.

Wir wollen verschiedene Sonderregelungen abschaffen. Wir teilen nicht die Meinung von Herrn

(Monika Heinold)

Hildebrand, dass es eine Begründung für die Sonderregelung für Landtagspräsidentinnen oder Landtagspräsidenten und Fraktionsvorsitzende gibt. Das ist das muss man sagen, wenn man den Ländervergleich heranzieht - in Schleswig-Holstein spitze. Das haben andere Länder auch schon abgeschafft. Auch hier sollten wir folgen.

Den Vorschlag der F.D.P., den Pensionsanspruch pro Jahr von 2 % auf 4 % zu verdoppeln, lehnen wir ab. Auch wenn die 4 % mit dem Abgeordnetengesetz übereinstimmen - ich gehe einmal davon aus, dass Sie sich daran orientiert haben -, kann das nach unserer Meinung kein Maßstab sein. Angesichts der Höhe der Ministergehälter im Vergleich zur Grunddiät - und nur diese ist Grundlage der Versorgung - würden 4 % bei der Ministerversorgung zu einem unverhältnismäßig hohen Anstieg führen. Wir werden mit der F.D.P.Fraktion sicherlich darüber noch einmal sprechen, denn so, wie Ihr Antrag formuliert ist, hätte man als Beamter nach fünf Jahren einen Anspruch von 65 % erworben. Ich glaube nicht, dass das Ihr Interesse war, als Sie Ihren Antrag stellten, denn das ist eindeutig zu viel.

Ich komme zum Schluss. Ziel aller Fraktionen muss es sein, ein Gesetz zu verabschieden, das klar und transparent ist und die Pensionsbezüge angemessen und ausgewogen gestaltet. Politikverdrossene Bürgerinnen und Bürger werden wir durch die Änderung des Ministergesetzes im Schleswig-Holsteinischen Landtag nicht wieder zurückholen, aber wir beugen damit neuen Berichterstattungen über goldene Spazierstöcke und damit neuen Argumenten für Politikverdrossenheit vor. Dies sollten wir möglichst gemeinsam tun.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)