Protocol of the Session on November 10, 2004

reden, ob die Kreditwirtschaft in unserem Lande hinreichend funktioniert.

Was die Privatkunden angeht, gibt der Bericht Entwarnung. Trotz zurückgehender Zahl der Filialen ist sichergestellt, dass fast alle Menschen in SchleswigHolstein die Möglichkeit haben, ein Girokonto zu eröffnen. Im Zweifelsfall helfen die Schuldnerberatungs- und die Schlichterstellen, welche im Jahr 2003 in nur vier Fällen tätig werden mussten. Das System funktioniert also. Ich möchte jedoch betonen - das steht auch im Bericht -: Es funktioniert deswegen, weil wir Sparkassen haben.

Problematischer sieht es bei der Kreditversorgung von kleinen Unternehmen aus. Während große und meist auch mittlere Unternehmen meist keine Schwierigkeiten mit veränderten Bedingungen haben, bereitet dies kleinen Betrieben, insbesondere dem viel gelobten Handwerk, aber auch dem Handel und der Gastronomie erhebliche Probleme. 49 % aller Unternehmen mit bis zu 1 Million € Umsatz haben Probleme. 7 % aller Firmen wurde im Jahr 2003 das Geschäftskonto gekündigt; weiteren 6 % wurde es angedroht.

Es ist keineswegs so, dass die Sparkassen dabei nur die Guten sind; da bin ich mit Ihnen völlig einig, denn die Regeln der Europäischen Union haben gerade die Sparkassen gezwungen, sich neu auf dem Markt auszurichten. Es ist jedoch festzustellen: Auch heute noch tragen die Sparkassen und die Genossenschaften die Hauptlast bei der Finanzierung von kleinen Unternehmen vor Ort. Wenn kleine Unternehmen Kredite bekommen, dann überwiegend von ihnen, weil sie die örtliche Wirtschaft kennen und auch dann in der Lage sind, Kredite zu vergeben, wenn eine Firma keine umfangreichen Pläne für die nächsten fünf Jahre und Statistiken, wie sie Großfirmen liefern, vorlegen kann.

(Veronika Kolb [FDP]: Nein, das stimmt nicht!)

An dieser Stelle möchte ich betonen: Ich klage im Gegensatz zu mancher Rede, die im Land gehalten wird, nicht über Basel II. Basel II wurde vereinbart, damit das internationale Bankensystem nicht durch leichtfertige Kreditpolitik in eine internationale Krise gerät, wie wir es zuletzt mit der Ostasien-Krise erlebt haben. Deswegen ist es richtig, dass solche internationalen Regeln vereinbart wurden. Deshalb führt auch nichts daran vorbei, dass sich unsere einheimischen Betriebe auf neue Bedingungen einstellen müssen. Insbesondere die geringe Eigenkapitalquote ist ein großes Problem. Deutsche kleinere und mittlere Unternehmen haben eine durchschnittliche Eigenkapital

(Karl-Martin Hentschel)

quote von 7,5 %. In Frankreich liegt sie bei 34 %, in den USA bei 45 %, also um ein Vielfaches höher. Hier muss auch die Politik Konsequenzen ziehen und stärkere steuerliche Anreize zur Eigenkapitalbildung schaffen.

Wir müssen im Land tun, was möglich ist. Wer den Bericht gelesen hat, stellt fest, dass er an einer Vielzahl von Punkten aufzeigt, wie die Institute des Landes - die Investitionsbank, die Mittelstandsbeteiligungsgesellschaft, die Bürgschaftsbank - und natürlich auch die verschiedenen Programme der Ministerien helfen, dass gerade kleine und mittlere Unternehmen Kredite bekommen und so weiter.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Da ist viel geschehen. Das wird von der mittelständischen Wirtschaft auch positiv gesehen - im Gegensatz zu einigen Leuten von der Opposition.

Die zentrale Frage, mit der Sie sich, meine Damen und Herren, heute beschäftigen, lautet jedoch: Wie weiter mit den Sparkassen? Diesbezüglich bin ich allerdings, Frau Schmitz-Hübsch, von Ihrem Beitrag sehr enttäuscht gewesen. Wenn Sie es als größte Oppositionspartei mit einem Antrag auf Ihrem Parteitag schaffen, die gesamte mittelständische Wirtschaft Schleswig-Holsteins gegen sich aufzubringen - und das drei Monate vor der Wahl -, ist das schon eine tolle Leistung für eine Partei, die glaubt, sie hätte die Wirtschaftskompetenz gefressen.

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Das stimmt doch nicht! - Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Wenn dann die wirtschaftspolitische Sprecherin im Landtag auftritt und in zwölf Minuten nicht einen einzigen Satz zur Begründung sagt, warum Sie diesen Parteitagsbeschluss gefasst haben, ist das der Gipfel der Krönung!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Die FDP hat vorgeschlagen: Wir sollen alles privatisieren. - Das ist der übliche Spruch.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist auch Quatsch! - Veronika Kolb [FDP]: Sie müs- sen richtig lesen!)

Ich habe nichts dagegen, dass die HaSpa Aktiengesellschaft ist, bloß: Die HaSpa befindet sich zu 100 % in staatlicher Hand. Das ist etwas völlig anderes. Was Sie wollen, ist die Eröffnung des Ausverkaufs der Sparkassen, die dann von privaten Banken oder Externen aufgekauft werden.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Völliger Un- sinn!)

Ich komme gleich darauf zu sprechen, was das bedeutet.

Die CDU hofft offensichtlich immer noch, dass unser Querulant Kubicki wenigstens einmal nett zu Carstensen ist. Deswegen ist er vielleicht hinterher getrotet.

(Veronika Kolb [FDP]: Kümmern Sie sich um Ihre eigenen Sorgen!)

Sie haben auch nicht die Frage beantwortet, Frau Schmitz-Hübsch, wie es mit der EU-Konformität Ihres Vorschlages aussieht.

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Ich habe zur Anfrage gesprochen!)

- Sie haben es nicht gesagt. Auf die an Herrn Carstensen gerichtete Frage eines Journalisten, wie das, was er vorgeschlagen hat, EU-rechtlich gehen solle, antwortete dieser: Wir haben schließlich ein Programm und keinen Gesetzentwurf geschrieben. - Das ist schon eine erstaunliche Aussage für jemanden, der Ministerpräsident werden will.

(Lachen bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ich habe noch in Erinnerung, dass er gesagt hat: Unser Programm ist regierungsfähig. Unser Programm ist keine Floskel, sondern etwas, was auch umgesetzt werden kann. - Und dann so etwas!

(Widerspruch bei CDU und FDP - Veronika Kolb [FDP]: Zum Thema, Herr Hentschel!)

Meine Damen und Herren, manchmal ist es auch klug, über die Grenzen hinaus, nämlich dorthin zu schauen, wo es keine Sparkassen gibt. Bezüglich des schon vom Minister zitierten Beispiels Großbritannien möchte auch ich noch einmal auf den berühmten Cruickshank-Bericht eingehen. Ergebnis: Die hohen Marktanteile der vier größten Geschäftsbanken schlagen sich in unverhältnismäßig hohen Preisen und Gebühren sowie in schlechten Produkt- und Dienstleistungsangeboten für Privatkunden und mittelständische Unternehmen nieder. - Das ist nicht meine Aussage, sondern Ergebnis eines Berichts der britischen Regierung.

Ein vom britischen Finanzministerium 1999 veröffentlichter Bericht stellt sogar fest, dass Financial Exclusing - das heißt finanzwirtschaftliche Versorgungslücken - ein weit verbreitetes Phänomen in wirtschaftsschwachen Kommunen und Regionen Großbritanniens ist. Über ein Viertel aller Bankfilia

(Karl-Martin Hentschel)

len wurde in den letzten zehn Jahren geschlossen. In Großbritannien haben 3,5 Millionen Menschen - 9 % der Bevölkerung - kein Konto mehr. Zahlreiche Unternehmen in strukturschwachen Gebieten haben laut Bericht der Regierungskommission keinen Zugang zu Krediten. Angesichts dieser finanzwirtschaftlichen Versorgungsineffizienzen wird in Großbritannien eine grundlegende Reform des Bankensektors gefordert.

Kommen wir zu den USA; dort ist es noch interessanter. Dort wurde 1977 der Community Real Investment Act verabschiedet, nachdem zuvor ganze Landstriche von den Banken geräumt zu werden drohten. Heute haben ausgerechnet die USA, Herr Kubicki, ein hoch reguliertes Bankensystem. Dort kontrolliert die Regierungsbehörde OCC alle regionalen Aktivitäten der Banken und vergibt so genannte RCA-Ratings mit den Noten „ausgezeichnet“, „genügend“, „verbesserungswürdig“ und „ungenügend“.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Was wollen Sie damit sagen?)

Dazu wird Folgendes getestet: die Kreditvergabe, die Finanzierung von Investitionen, die regionale Versorgung mit finanziellen Dienstleistungen, das Engagement für die kommunale Entwicklung! Zum Beispiel wird die Verteilung von Konten nach Rassenzugehörigkeit - Schwarze, Hispanics, Weiße - überprüft. Dort wird geprüft bezüglich Einkommensgruppen, Verteilung der Konten, Engagements der Banken im sozialen Wohnungsbau, der Vergabe von Kommunalkrediten in finanzschwachen Kommunen, der Zahl der Filialen in Stadtteilen, die als sozial schwach eingestuft werden, und so weiter. All das überprüft eine Regierungsbehörde und gibt auf Grundlage dieser Daten regelmäßig Ratings für Banken heraus. Die Banken müssen mindestens ein „Genügend“ erreichen, um von der Bankenaufsicht nicht mit Restriktionen bedacht zu werden.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Und?)

98 % aller Banken erhalten ein „Genügend“.

Ist das die Form von Deregulierung, die Sie, meine Damen und Herren, sich wünschen? Wollen Sie solche Zustände oder lieber britische Zustände? Ich glaube, manchmal lohnt sich der Blick über den Tellerrand hinaus, damit man nicht in der eigenen Suppe untergeht.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das muss man auch verstehen!)

- Als Kasper ist auch nahe liegend, darüber nachzudenken, in welcher Suppe man untergeht.

Diese Übung kann ich der FDP und der CDU in Schleswig-Holstein nur wärmstens empfehlen. Natürlich müssen wir uns Sorgen um die Sparkassen machen. Deswegen müssen wir sie jedoch nicht totschlagen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wer will sie denn totschlagen?)

Wir Grünen wollen die Sparkassen als öffentliche Einrichtungen erhalten, weil zu befürchten ist, dass ein Verkauf der Sparkassen dazu führen wird, dass sie den Charakter, den sie haben, nämlich Hauptkreditgeber der regionalen Wirtschaft zu sein, nicht behalten werden, wenn sie verkauft, wenn sie von Großbanken aufgekauft werden.

An diesem Punkt haben Sie nichts dazu beigetragen, dieses Problem aufzulösen. Es ist eine gute Einrichtung, dass wir in Deutschland unterschiedlich strukturierte Banken haben, die unterschiedliche Aufgaben haben. Es macht Sinn, dass man solche Strukturen hat. Die Beispiele aus Großbritannien und den USA zeigen das. Man kann - wie in den USA - auch andere Strukturen haben, aber man muss sich Gedanken über diese Strukturen machen. Herr Kubicki, zu glauben, man könnte alles privatisieren und alles würde allein laufen, funktioniert offensichtlich so nicht.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das glaubt auch keiner außer Ihnen!)

Aus diesen Gründen bin ich der Auffassung, dass der Vorschlag der Opposition, angesichts aktueller Probleme das wichtigste Finanzierungsinstrument unserer mittelständischen Wirtschaft kurz einmal zu zerschlagen, kein guter Vorschlag ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Das ist keine Wirtschaftspolitik, das ist der Generalangriff auf die mittelständische Wirtschaft in Schleswig-Holstein.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ich will Ihnen etwas sagen: Sie schaffen es, alle - von der Handwerkskammer über die Vertreter der Unternehmensverbände bis hin zu den Sparkassenverbänden - gegen sich aufzubringen. Alle sagen, das ist wirtschaftspolitischer Unsinn. Nur Sie sind natürlich der Weltmeister der Wirtschaftskompetenz. Sie sitzen hier wie üblich, machen Ihre Sprüche und glauben, Sie hätten die Weisheit gefressen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Völliger Un- sinn!)