Protocol of the Session on June 16, 2004

Ich erteile zunächst der Berichterstatterin des Innen- und Rechtsausschusses, der Frau Abgeordneten Schwalm, das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Landtag hat dem Innen- und Rechtsausschuss den Gesetzentwurf der Landesregierung zum Entwurf eines Gesetzes über die Sonn- und Feiertage durch Plenarbeschluss vom 29. August 2003 zur Beratung überwiesen.

Der Ausschuss hat sich mit dem Gesetzentwurf in mehreren Sitzungen, zuletzt in seiner Sitzung am 9. Juni 2004, befasst und eine schriftliche sowie mündliche Anhörung durchgeführt.

Die Fraktion der CDU konnte sich in den Ausschussberatungen mit dem Anliegen, von der im Gesetzentwurf von den Kirchen so gesehenen und von ihnen in der Anhörung auch bemängelten so genannten Umkehrung der Beweislast abzusehen, nicht durchsetzen. Der Vertreter des Innenministeriums kündigte jedoch im Ausschuss an, das Ministerium werde in einem Begleiterlass zum Gesetz gegenüber den Ordnungsbehörden zur Verdeutlichung noch einmal darauf hinweisen, dass die Kirchen keinesfalls verpflichtet seien, eine konkrete Gefährdung oder Beeinträchtigung der Sonn- und Feiertagsruhe im Einzelfall nachzuweisen, sondern dass die Behörden objektiv abzuwägen und zu entscheiden hätten.

Mit den Stimmen von SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Enthaltung der Stimmen der

CDU empfiehlt der Ausschuss somit dem Landtag, den Gesetzentwurf in der Fassung der rechten Spalte der in der Drucksache 15/3444 enthaltenen Gegenüberstellung anzunehmen.

Ich danke der Frau Berichterstatterin. Gibt es Wortmeldungen zum Bericht? - Das ist nicht der Fall.

Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Eichstädt.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir heute das Gesetz über Sonn- und Feiertage verabschieden, kann am Fuße der örtlichen Kirche in Hasselberg nahe Gelting der beliebte Martinsmarkt wieder stattfinden.

Die Veranstaltung war nach jahrelanger stiller Duldung untersagt worden, weil ein Bürger die Tatsache, dass sie am Totensonntag stattfand, zum Anlass nahm, auf ein Verbot zu bestehen. Das kann er nun nicht mehr, es sei denn, er macht glaubhaft, dass von diesem friedlichen Treiben eine konkrete Störung ausgehen wird.

Für die Menschen ist der Sonn- und Feiertag neben der Gelegenheit zur inneren Einkehr und Besinnung ein Tag geworden, an dem sie soziale Kontakte in und außerhalb der Familie erleben, gemeinsam die Freizeit gestalten, Feste und Veranstaltungen organisieren. In vielen Fällen gerieten sie damit in Konflikt mit dem alten Sonn- und Feiertagsgesetz. Der Innenminister hat dem Parlament ein neues Gesetz vorgelegt, das diesen gesellschaftlichen Wandel berücksichtigen soll.

Welche Änderungen bringt das Gesetz? - Erstens. Das Ziel des Gesetzes wird ganz eindeutig definiert: Öffentlich bemerkbare Handlungen, die dem Wesen der Sonn- und Feiertage widersprechen, sind verboten. An dieser Zielvorstellung ist die Zulässigkeit einer Handlung an diesen Tagen zu messen.

Zweitens. Zukünftig besteht ein generelles Verbot für Betätigungen am Sonntag und an Feiertagen nicht mehr schon dann, wenn eine abstrakte Störung besteht, sondern nur, wenn von einer konkreten Störung auszugehen ist.

Drittens. Die Entscheidungskompetenz über erlaubte und verbotene Handlungen an Sonn- und Feiertagen wird auf die Ebene der örtlichen Ordnungsbehörden verlagert.

(Peter Eichstädt)

Viertens. Die stillen Feiertage bleiben ohne Wenn und Aber geschützt. Das betrifft den Karfreitag, den Volkstrauertag und den Totensonntag.

Fünftens. Das Verbot von Tanzveranstaltungen am Vorabend des Karfreitags, am Ostersamstag bis 18 Uhr sowie am Heiligabend wird zukünftig entfallen.

Sechstens. Private Verkaufsmärkte, so zum Beispiel Flohmärkte ohne die Beteiligung gewerblicher Anbieter, sind zukünftig genehmigungsfähig.

Siebtens. Videotheken können an Sonn- und Feiertagen ohne zeitliche Begrenzung öffnen.

Achtens. Automatische Waschanlagen und Selbstwaschanlagen für Kfz dürfen betrieben werden. Münz- und Selbstbedienungswaschsalons ebenso wie Saunen, Fitness- und Bräunungsstudios können an diesen Tagen betrieben werden.

(Zurufe)

Es gab in der Anhörung auch Bedenken vonseiten der evangelischen Kirche. Ich will im Wesentlichen auf ein Bedenken eingehen, weil damit gleich unsere Auffassung zum vorliegenden Änderungsantrag der CDU erläutert wird. Es wurde die Besorgnis geäußert, dass die Kirche, wenn durch ein anderes Ereignis zum Beispiel ein Gottesdienst gestört würde, erst bei Auftreten dieser Störung den Abbruch dieser Veranstaltung fordern könne, weil vorher ja nicht der konkrete Störcharakter zu beweisen sei. Außerdem würde eine solche Regelung der Kirche die undankbare Rolle des „Spielverderbers" zuweisen, wenn sie auf den Abbruch solcher Veranstaltungen dringen würde.

Dies trifft aber so nicht zu. Vielmehr wird es so sein, dass die unteren Ordnungsbehörden von sich aus vorab einschätzen, ob aufgrund der Lage zum Beispiel des Festplatzes und der Uhrzeit eine Beeinträchtigung, in diesem Fall des Gottesdienstes, zu befürchten ist. Wenn dies gegeben ist, kann die Veranstaltung nicht genehmigt werden.

Wir glauben, dass dies ein sehr bürgernahes Verfahren ist, da es auf den Dialog der ortskundigen Ordnungsbehörde und der möglicherweise Betroffenen abstellt. Damit ist auch die Hauptzielrichtung des CDU-Änderungsantrages erledigt; wir werden ihn deshalb auch ablehnen.

Geändert gegenüber der Gesetzesvorlage des Innenministers wurde mit der Mehrheit des Ausschusses § 3, in dessen ursprünglicher Fassung festgelegt wurde, dass die Sonn- und Feiertage der Erholung, der Festigung zwischenmenschlicher Beziehungen und der Besinnung auf die Grundwerte einer humanen

und demokratischen Gesellschaft dienen sollen. Dies alles wollen wir nicht ausschließen, halten es aber für entbehrlich, die Menschen in unserem Land hierauf ausdrücklich zu verpflichten.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir setzen insoweit auf Freiwilligkeit.

Es hat etwas gedauert, aber das neue Gesetz ist gut und praktikabel. Es schützt den Sonntag und die Feiertage, wo es notwendig ist, lässt den Menschen aber Möglichkeiten, diesen Tag selbst bestimmt zu gestalten, solange andere in ihrer Ruhe nicht gestört werden.

(Beifall der Abgeordneten Christel Aschmo- neit-Lücke [FDP])

Möglicherweise Strittiges wird vor Ort geregelt. Sie sollten diesem Gesetz Ihre Zustimmung geben.

(Beifall bei SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort hat Herr Abgeordneter de Jager.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Ladenschluss wird die Debatte um die Öffnungszeiten im Einzelhandel und die Frage der Liberalisierung auf der einen Seite und Regulierung auf der anderen Seite mehrfach auch noch den Landtag beschäftigen, weil die Zuständigkeit dafür den Ländern zugewiesen worden ist. Unserer Auffassung nach soll es so sein, dass die Öffnungszeiten während der Woche tatsächlich möglichst weitgehend freigegeben werden.

(Beifall bei der CDU)

Heute haben wir es aber nicht mit Regulierungen und Öffnungszeiten während der Woche zu tun, sondern heute haben wir es mit dem Schutz von Sonn- und Feiertagen zu tun. Auch hier geht es um die Frage, wieweit und was der Staat an Betätigung wirtschaftlicher und freizeitmäßiger Art regulieren soll.

(Thomas Stritzl [CDU]: Wichtiger Unter- schied!)

Der Sonn- und Feiertagsschutz ist aber nicht nur eine Angelegenheit der Verwaltungsvereinfachung. Hierbei geht es auch um die Frage, welchen Rhythmus wir als Gesetzgeber dem öffentlichen Leben noch geben wollen.

(Jost de Jager)

Zugleich gilt es einem gesellschaftlichen Wandel Rechnung zu tragen, der sich nicht nur in einem geänderten Freizeitverhalten widerspiegelt, sondern vor allem in mehr Ansprüchen an die Freizeitgestaltung insgesamt. Diese Ansprüche sind abzuwägen gegen eine verfassungsmäßig vorgegebene Schutzwürdigkeit von Feiertagen, die sich im Fall der kirchlichen Feiertage nicht aus der Zahl der aktiven Christen herleiten lässt, sondern aus einer über die Jahrhunderte gewachsenen Feiertagskultur.

(Beifall bei der CDU)

Der Sonn- und Feiertagsschutz ist mehr als nur ein Minderheitenschutz für Kirchgänger.

(Beifall bei der CDU)

Im Wesentlichen ging es bei der Novellierung des Gesetzes um zwei Punkte, einmal um die Ausweitung der Öffnungszeiten. Die CDU-Fraktion trägt die Öffnung von Autowaschanlagen und die Verlängerung der Öffnungszeiten für Videotheken, Fitness- und Bräunungsstudios sowie Saunen an Sonntagen mit. Wir tun das nicht nur, weil wir einen gesellschaftlichen Wandel in diesem Fall anerkennen, sondern weil wir die derzeitige Konstruktion der Öffnungszeiten für nicht dauerhaft tragbar halten. Die Lebenswirklichkeit in diesen Feldern ist so, wie sie ist, und der derzeitige Formelkompromiss im Gesetz lässt sich argumentativ nicht dauerhaft halten.

Der zweite große Punkt, auch bei der Anhörung, war die Frage der Umstellung des Sonntagsschutzes auf die konkrete Störung. Das Kernstück des Gesetzentwurfs ist tatsächlich die Umstellung des Sonntagsschutzes von der abstrakten Störung, wie wir es im gegenwärtigen Gesetz haben, hin zu einer konkreten Störung mit der Begründung, dass der Erholungscharakter der Sonn- und Feiertage gesellschaftlich an Bedeutung gewonnen hätte.

Die CDU-Fraktion hält an einem konsequenten Sonntagsschutz fest und will den Charakter der Sonn- und Feiertage erhalten wissen. Zu dem Charakter der Sonn- und Feiertage gehört, dass sie einen allgemeinen und einheitlichen Schutz genießen. Wir glauben, dass die alten Bestimmungen des bestehenden Gesetzes dieser allgemeinen und einheitlichen Schutzwürdigkeit besser Geltung verschaffen.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb stellen wir die bisherige Fassung des § 5 des Sonn- und Feiertagsgesetzes noch einmal zur Abstimmung.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Wir glauben, dass das neue Gesetz diesem Anspruch nicht gerecht wird. Weil das neue Gesetz auf die konkrete Beeinträchtigung abhebt, gilt der Schutz der Sonn- und Feiertage nicht mehr allgemein und einheitlich, sondern von Fall zu Fall. Die Kirchen haben während der Anhörung deshalb zu Recht darauf hingewiesen, dass mit § 3 Abs. 2 faktisch eine Umkehrung der Beweispflicht vorgenommen werden soll, wenn laut Begründung künftig auf die konkrete Störung abgestellt wird. Eine solche konkrete Störung muss nämlich von denen, die sich gestört fühlen, nachgewiesen werden, und nicht von denen, die sie verursachen.

Im Ausschuss haben wir gehört, dass das Ministerium begleitend zu dem Gesetz per Erlass die richtige Auslegung des Gesetzes regeln will. Dies ist ein Zeichen dafür, dass das Ministerium die Uneindeutigkeit selber erkannt hat.