Protocol of the Session on April 29, 2004

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Ein Zweites, Herr Kollege Kubicki. Die FDP möchte weniger Abgeordnete im Richterwahlausschuss. Aus unserer Sicht garantiert gerade die Beteiligung des Parlaments, des obersten vom Volk gewählten Staatsorgans, der Volksvertretung, dass auch die dritte Staatsgewalt demokratisch legitimiert ist.

(Beifall bei der SPD)

Die Abgeordnetenmehrheit im Richterwahlausschuss ist das personelle Fundament einer demokratischen Justiz, und das soll, jedenfalls nach unserer Auffassung, auch so bleiben.

Drittens. Der Verfahrensvorschlag der FDP, den Richterwahlausschuss künftig statt mit Zweidrittelmehrheit nur noch mit einfacher Mehrheit entschei

den zu lassen, ist in Bezug auf das vorgebliche Ziel, eine bessere Qualifikation zu erreichen, geradezu kontraproduktiv. Einfache Mehrheiten, Herr Kubicki, bergen für ganze Legislaturperioden das Risiko der parteipolitisch oder koalitionspolitisch einseitigen Besetzung sämtlicher Positionen. Das ist genau der Punkt, den die FDP zu verhindern vorgibt.

Gerade die derzeit praktizierte Zweidrittelmehrheit im Richterwahlausschuss garantiert demgegenüber die doch hoffentlich von uns allen gewollte und anzustrebende Bestenauslese - und dies auch und im Besonderen in Fällen gleicher fachlicher Qualifikation mehrerer Bewerber, weil in diesen Fällen Einigungszwang für die unterschiedlichen politischen Lager mit dem sicheren Ergebnis besteht, dass die freie zu besetzende Richterposition mit einer von mehreren gleich gut qualifizierten Richterpersönlichkeiten auch besetzt wird.

Über die unerquickliche Verquickung von Verhandlungen über die Besetzung richterlicher und nicht richterlicher Ämter in Schleswig-Holstein ist aus gegebenem Anlass an anderer Stelle für alle Abteilungen des Richterwahlausschusses das Erforderliche gesagt worden.

Die SPD-Landtagsfraktion ist entschlossen, an dem bewährten Verfahren der Richterwahl in SchleswigHolstein festzuhalten. Wir werden den Gesetzentwurf der FDP auch im Fachausschuss und in zweiter Lesung hier im Parlament zurückweisen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Geißler das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir erleben heute eine Neuauflage einer Debatte, die wir schon einmal am 28. September 1995 geführt haben. Damals gab es einen fast identischen Gesetzesantrag der FDP-Fraktion.

(Klaus Schlie [CDU]: So ist es!)

Der Innen- und Rechtsausschuss hat damals eine Anhörung dazu durchgeführt. Diese Anhörung kam überwiegend zu dem Ergebnis, dass sich das geltende Richterwahlverfahren bewährt hat. Folgerichtig haben dann SPD und CDU in der Dezember-Tagung 1995 den Gesetzentwurf der FDP abgelehnt.

Ich habe in der damaligen Debatte darauf hingewiesen, dass es meine Fraktion war, die Wert darauf

(Thorsten Geißler)

legte, das Verfahren der Richterwahl in der Verfassung zu regeln, um es dem Zugriff der einfachen Mehrheit des Parlaments zu entziehen.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das gilt gleichermaßen auch für die Richterwahl. Wir brauchen Sicherungsinstrumente dagegen, dass eine einseitige vornehmlich nach parteipolitischen Gesichtspunkten ausgerichtete Zusammensetzung der Richterschaft durchgeführt werden kann. Genau dafür brauchen wir die Zweidrittelmehrheit im Ausschuss. Sie hat sich bewährt und wir wollen an ihr festhalten.

Es hat immer wieder haltlose Spekulationsberichterstattung über eine angebliche Verknüpfungen gegeben. Wären sie gerechtfertigt, wäre die letzte Sitzung des Richterwahlausschusses anders ausgegangen. Wir sollten solche Spekulationen nicht nähren und streuen, sondern ihnen entgegentreten.

(Beifall bei CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Kubicki, Sie haben es eben auch eingeräumt: Selbstverständlich gelten die Kriterien Eignung, Befähigung und Leistung. Für mich und meine Kolleginnen und Kollegen ist dies eine Selbstverständlichkeit.

(Beifall bei der CDU)

Sie sagen selbst, es sei ein Irrglaube, nur die besten Parteigänger würden Karriere machen. Sie haben Recht: Es ist ein Irrglaube. Aber, meine Damen und Herren, wenn so etwas verbreitet wird, muss man ihm entgegentreten. Dann darf man es doch nicht nähren und den Eindruck erwecken, das sei die Realität.

(Beifall bei der CDU)

Das gegenwärtige Richterwahlverfahren stellt sicher, dass diejenigen, die die Qualifikation der Bewerberinnen und Bewerber beurteilen können, auch maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidung des Richterwahlausschusses haben. Die Beurteilungen der Gerichtspräsidenten sind Grundlage für jede Stellenbesetzung. Würde sich der Richterwahlausschuss einfach darüber hinwegsetzen, so wäre die erfolgreiche Konkurrentenklage prognostiziert.

Im Übrigen, meine Damen und Herren: Dass die Entscheidungen des Richterwahlausschusses auf Akzeptanz stoßen, sieht man an der geringen Anzahl von Konkurrentenklagen und an der noch geringeren Anzahl erfolgreicher Konkurrentenklagen. Es wird sorgfältig gearbeitet.

(Beifall bei CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bereits heute nehmen die Gerichtspräsidenten eine starke Stellung ein. Sie noch weiter zu stärken wäre falsch. Gerade die richterlichen Mitglieder im Richterwahlausschuss nehmen die Beurteilung sehr ernst, aber sie verwahren sich gegen eine weitergehende Einflussnahme von Gerichtspräsidenten auf die Wahl des Richterwahlausschuss.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, es wäre systemwidrig, sie auch noch im Ausschuss mit einem Sitz zu versehen.

Kollege Puls hat es anklingen lassen: Unser jetziges geltendes Richterwahlverfahren ist ohne jeden Zweifel verfassungsgemäß. Alle Mitglieder des Richterwahlausschusses sind durch die Wahl durch ein seinerseits frei gewähltes Parlament demokratisch legitimiert.

Das gilt nicht für die Zusammensetzung des Richterwahlausschusses, den der Gesetzentwurf der FDP vorsieht. Zwar sollen nach dem Willen der FDP die zwei ständigen richterlichen Mitglieder des Richterwahlausschusses auch weiterhin vom Landtag gewählt werden, zwei Mitglieder sollen dem Ausschuss jedoch kraft Amtes angehören. Wo ist die demokratische Legitimation für die Zugehörigkeit zu diesem Ausschuss, wenn man eine Mitgliedschaft kraft Amtes vorsieht?

Die gleiche Frage stellt sich im Hinblick auf das anwaltliche Mitglied, das durch die Mitgliederversammlung der Rechtsanwaltskammer gewählt werden soll, und auch auf die Vertreter der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die von den Unternehmensverbänden im kommunalen Arbeitgeberverband beziehungsweise vom Deutschen Gewerkschaftsbund und von ver.di benannt werden sollen. Meine Damen und Herren, wo ist da die demokratische Legitimation?

Ich kann nur auf die umfangreichen Anhörungen und Debatten aus den Jahren 1989 und 1990 verweisen, in denen von kompetenter Seite darauf verwiesen wurde, dass alle Mitglieder des Richterwahlausschusses demokratisch legitimiert sein müssen und dass eine solche demokratische Legitimation nur durch unmittelbare Volkswahl - das halte ich in diesem Fall für unpraktikabel - oder durch die Wahl durch ein frei gewähltes Parlament zu erzielen ist. Dem wird der Gesetzentwurf der FDP leider nicht gerecht.

Wir können im zuständigen Fachausschuss gern über manche Details reden. Vom Grundsatz her hat sich das gegenwärtige Richterwahlverfahren bewährt und daher wird meine Fraktion einer Verfassungsände

(Thorsten Geißler)

rung nicht zustimmen. Wir sehen auch keine Notwendigkeit für umfangreiche einfachgesetzliche Änderungen. - Dem Antrag auf Ausschussüberweisung stimmen wir selbstverständlich zu.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Fröhlich.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Für mehr Bestenauslese und weniger Parteienproporz“ betitelte die FDP ihre Presseerklärung, mit der sie den vorliegenden Antrag vorstellte. Dies soll unter anderem dadurch erreicht werden, dass im Richterwahlausschuss mit einfacher Mehrheit entschieden wird.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: So ist es!)

Als ich das gelesen habe, dachte ich, das musste nach der Berichterstattung über den Richterwahlausschuss und verschiedentlich etwas ätzenden Kommentaren so kommen. Nach der heutigen und gestrigen Sitzung habe ich gedacht: Wenn die CDU Zeitung liest, gibt es einen Dringlichkeitsantrag, und wenn die FDP Zeitung liest, gibt es einen Gesetzentwurf.

Aber gut, ich will nicht nur lästern, sondern mich ernsthaft damit auseinander setzen, weil etwas, das gut ist, immer noch verbessert werden kann. Dass die FDP im Richterwahlausschuss nicht vertreten ist, ist - auch wenn wir von demokratischer Legitimation sprechen - ein Manko beziehungsweise bitter für die Vertreterinnen und Vertreter in der FDP. Das kann ich verstehen.

(Beifall des Abgeordneten Detlef Matthies- sen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Herr Kubicki, wir halten Ihren Vorschlag für den falschen Weg. Die Auswahl der Richterinnen und Richter als dritte Gewalt muss sich auf eine möglichst breite gesellschaftliche Mehrheit stützen. Denn sicherlich wird mit dem vorliegenden Vorschlag der Einfluss der gewählten Volksvertreterinnen und -vertreter geschwächt; das sehen Sie sicherlich auch so.

Allerdings sind diese von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt und als solche demokratisch legitimiert. Eine Schwächung des Einflusses der Politik bedeutet also eine Schwächung der demokratischen Legitimation.

Zur Wahl der Vizepräsidenten durch den Landtag: Es lässt sich darüber reden, ob neben den Präsidentinnen und Präsidenten der oberen Landesgerichte auch die

Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten vom Landtag gewählt werden sollen. Es mögen gute Gründe dafür sprechen. Allerdings widersprechen Sie mit diesem Vorschlag Ihrem selbst formulierten Ziel, die parteipolitische Einflussnahme auf die Richterwahl zurückzunehmen.

Ich denke, die Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten stehen nicht an einer derart öffentlich exponierten Stelle wie die Präsidentinnen und Präsidenten. Daher ist deren Wahl im Richterwahlausschuss durchaus vertretbar.

Die Einbeziehung der Richterinnen und Richter auf Probe in das Richterwahlverfahren bietet sicherlich ein Mehr an demokratischer Legitimation, aber ich fürchte, diese zusätzliche Aufgabe würde der Richterwahlausschuss mit seinem ja auch begrenzten Zeitbudget nicht verkraften. Ich möchte nicht riskieren, dass Stellen länger unbesetzt bleiben, weil der Richterwahlausschuss mit der Auswahl des Nachwuchses nicht hinterherkommt. Nach meiner persönlichen Rückfrage im Justizministerium ist mir versichert worden, dass bei der Ernennung der Richter auf Probe der Hauptrichterrat und selbstverständlich die Gleichstellungsbeauftragte eine Rolle spielen