Protocol of the Session on December 11, 2003

Erstens. Wir haben weder jetzt noch in 2004 ein angemessenes Wirtschaftswachstum und einen ausreichenden Beschäftigungsgrad. Das gilt für die Bundesrepublik insgesamt und auch für Schleswig-Holstein.

Zweitens. Wir verwenden die erhöhte Kreditaufnahme zur Beseitigung der Störung, indem wir - wie es im Fachterminus heißt - Konsumschocks und Entlassungen vermeiden - ich meine jetzt zum Beispiel Entlassungen à la Carstensen.

Drittens. Wir verbessern das Wachstumsklima durch das Zukunftsinvestitionsprogramm, durch erhöhte Mittel im Bildungsbereich und durch gestärkte Kommunen.

Und viertens. Wir beweisen unseren Konsolidierungswillen auf Bundesebene durch Subventionsabbau, die Reform der Sozialsysteme, die Reform des Arbeitsmarktes und der Gemeindefinanzen. Wir beweisen unseren Konsolidierungswillen auf Landesebene durch eine mittelfristig sinkende Nettokreditaufnahme, durch strukturelle Optimierungen und durch Einsparungen beim Personal und bei Förderprogrammen. Diese Passage, die ich gerade vorgetragen habe - da muss ich Sie um Geduld bitten -, werde ich heute Abend noch einmal vortragen müssen, wenn ich nachher hier den Nachtragshaushalt zu begründen habe.

Ich möchte aber gern etwas zu Ihren Rechenkünsten sagen, was die Investitionsquote angeht, weil ich das doch sehr spannend fand. Ich habe da etwas gehört von PISA und „weniger ist mehr“ und was Sie da sonst noch alles vorgetragen haben. Ich darf Ihnen einmal vortragen, wie das mit der Investitionsquote ist. 2002 lag sie in der Tat leider bei 8,8 %, 2003 ist sie auf 10,1 % gestiegen, 2004 liegt sie bei 10,9 %. Das sind 741,5 Millionen € in diesem Jahr und 793,2 Millionen € im nächsten Jahr - das ist nach meinen Rechenkünsten wirklich ein Plus, muss ich Ihnen ehrlich sagen. Ich kann nicht darauf kommen, wie Sie dazu kommen zu sagen, das sei weniger.

(Zuruf des Abgeordneten Rainer Wiegard [CDU])

Wahrscheinlich rechnen Sie die Flutopferhilfe sozusagen dazu, dann kommen Sie auf Ihre merkwürdigen Analogien. Mit den Zahlen, die ich jetzt vorgetragen habe, kommen Sie jedenfalls nicht auf diese.

Die Hauptursache für die gegenwärtige Stagnation der Wirtschaft ist leider die hohe Arbeitslosigkeit,

die zu einer zu geringen Binnennachfrage und zu überhöhten sozialen Transferleistungen führt. Die öffentlichen Haushalte und die Sozialkassen sind auf eine Arbeitslosigkeit diesen Ausmaßes genauso wenig eingestellt wie auf die demographischen Entwicklungen, derer wir noch nicht Herr geworden sind. Deswegen habe ich hier die Zusammenhänge dargestellt, als wir den Doppelhaushalt eingebracht haben. Nun tun Sie doch nicht so, als ob das „durchgepeitscht“ würde. Wir haben das hier im September diskutiert, allerdings mit sehr dürftigen Beitragen von der rechten Seite dieses Hauses.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD - Zurufe von CDU und FDP)

- Ich meine nicht das Protokoll, sondern schon die Abgeordneten auf der rechten Seite.

Alle Maßnahmen des Staates müssen deshalb darauf ausgerichtet sein, über ein höheres Wirtschaftswachstum Beschäftigung aufzubauen. Ein ausreichendes gesamtwirtschaftliches Wachstum, das geeignet ist, Beschäftigung aufzubauen, ist aber nur erreichbar, wenn die bestehende Investitionsschwäche überwunden wird und der private Verbrauch zunimmt. Eine - und im Augenblick die wichtigste - Maßnahme hierzu ist das Vorziehen der Steuersenkung aus der dritten Stufe der Steuerreform. Und da sage ich Ihnen eins: Sie mögen mäkeln, machen und tun - sie wird kommen. Und das weiß der Herr Stoiber, das weiß die Frau Merkel, das wissen die alle. Sie mögen das nur noch nicht so direkt sagen, weil das eine Idee ist, die sie nicht selber gehabt haben.

(Zurufe von der CDU)

Dann erzählen Sie uns, wir müssten das aber gegenfinanzieren. - Das finde ich toll. Sie haben uns immer die Theorie aufgetischt, Steuerreformen finanzierten sich selber. Das war nicht meine Auffassung, ich halte sie auch für grundsätzlich falsch. Sie haben das aber immer behauptet. Jetzt sagen Sie aber, das müsse alles gegenfinanziert werden - damit man dem Bürger das, was man ihm in die rechte Tasche stopft, gleich wieder aus der linken herausnimmt. Wo soll denn da der Impuls herkommen? So kann man nur reden, wenn man nicht möchte, dass es einen konjunkturellen Impuls gibt und dass wir vorankommen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Henning Höppner [SPD])

Und die Gegenfinanzierung - das weiß jeder, selbst jemand, der sich nur an der Volkshochschule mit Volkswirtschaft beschäftigen mag,

(Dr. Heiner Garg [FDP]: So wie Sie!)

(Minister Dr. Ralf Stegner)

jeder kann kapieren, dass das so nicht geht. Die Entlastung und die Gegenfinanzierung brauchen wir für die strukturellen Einsparungen. Das ist allerdings ein Punkt, wo Sie wieder jedes Mal Nein sagen. Eine Gegenfinanzierung fordern und bei jedem konkreten Schritt Nein sagen, das passt zusammen, das ist Ihre Logik, die wir ständig erhöhen. - Pardon, ich meine natürlich: ständig hören.

(Beifall der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD] und Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Zuruf des Abgeordne- ten Dr. Heiner Garg [FDP])

- Nein, erhöhen kann man das nicht, was Sie sagen. Das müsste man kräftig erhöhen, sozusagen vom argumentativen Niveau her, um zu einem Punkt zu kommen, wo man mit Ihnen einmal einer Meinung sein könnte.

(Lachen bei CDU und FDP)

Nein, ich sage Ihnen, wenn wir das täten, was Sie uns vorschlagen, dann müssten wir in der Tat beim Land Menschen entlassen oder bei den Zuwendungsempfängerinnen und Zuwendungsempfängern sparen. Das würde die Arbeitslosigkeit erhöhen und das würde das Wachstum dämpfen. Das, was Sie uns hier vorschlagen, ist das allerletzte, was wir brauchen können.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Deswegen unterstützen wir die Bundesregierung bei ihren Plänen, die dritte Stufe der Steuerreform vorzuziehen und nicht nur die Kaufkraft real zu erhöhen, sondern vor allem das Verbrauchervertrauen zu stärken.

In der Lage, in der die Republik über diese Fragen diskutiert und wir wirklich ganz schwierige Themen miteinander zu lösen haben, da führen Sie auf, was Sie hier heute Morgen aufgeführt haben. Herr Oppositionsführer, Sie wissen ja, dass ich Sie persönlich sehr schätze. Aber wie muss es in Ihrer Fraktion zugehen, dass sie Sie dazu zwingt, hier so eine Nummer abzuziehen und sich an dem zu orientieren, was wir ansonsten nur von Ihren rechten Nachbarn in der letzten Zeit leider kennen. Wenn Sie so weitermachen, dann haben wir hier bald Hamburger Verhältnisse, das will ich Ihnen ganz deutlich sagen. Das sollten wir alle miteinander doch nicht wirklich wollen, denn das verdrießt die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Und der liebe Wirtschaftsminister, mein sehr geschätzter Kollege Professor Dr. Rohwer, der jetzt seit heute Mittag hier sitzen darf und aus Magdeburg zurückgekommen ist -

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

dass Sie ihn so gern hier haben wollen, das kann ich ja verstehen, denn schließlich hat Herr Professor Driftmann gesagt, Herr Rohwer sei als Wirtschaftsminister ein Glücksfall für dieses Land. Das finde ich auch.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Insofern ist es schön, wenn er hier ist. Aber dazu passt nicht, dass Sie ihn ständig in Ihrer Rede beschimpft haben, Herr Kayenburg. Sie müssen wissen, was Sie wollen. Also, irgendwie passt das nicht so richtig zusammen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Alle anderen Einnahmeausfälle, außer die aus dem Vorziehen der Steuerreform resultierenden, haben wir mit der Nachschiebeliste aufgefangen. Wir werden aber etwa in Höhe der durch das Vorziehen der dritten Stufe der Steuerreform entstehenden Mindereinnahmen die Höhe der in Artikel 53 Landesverfassung beschriebenen Investitionen überschreiten. Dies durch Einsparungen an anderer Stelle gegenzufinanzieren, wäre ökonomischer Unsinn. Fiskalische oder konjunkturpolitische Argumentationen muss man auseinander halten können, jedenfalls wenn man sich Mühe gibt.

Zur Stärkung von Wachstum und Beschäftigung unterstützen wir die Reformen am Arbeitsmarkt, für eine bessere Vermittelung von Arbeitssuchenden und flexiblere Beschäftigungsmöglichkeiten.

Wer letztlich die Vermittlung übernimmt, ist nicht entscheidend, solange sie gut gemacht wird. Wer aber meint, mit einem Rückfall in frühindustrielle Verhältnisse eine hoch entwickelte Industrienation einstellen zu können, der irrt. Die Tarifautonomie hat bei uns in der Bundesrepublik Deutschland Verfassungsrang!

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das ist auch gut so und es ist völlig absurd, in einem Land, in dem wir im Osten teilweise gar keine tarifgebundenen Bedingungen haben, wo das alles bestens mit betrieblichen Bündnissen funktioniert, zu meinen, man könne das mit Gesetzen besser machen als die Tarifpartner. Das hätten Sie wohl gern, indem Sie das

(Minister Dr. Ralf Stegner)

sachlich miteinander verknüpfen. Wir sollten der Tarifautonomie eine Chance geben und mein Wirken im Vermittlungsausschuss ist auch darauf gerichtet, dass das passiert.

(Beifall bei der SPD - Zuruf des Abgeordne- ten Thomas Stritzl [CDU])

- Ja, das ist eben Ihr Problem, Herr Stritzl, dass Sie den Zusammenhang leider nicht verstehen. Das tut mir ja Leid. Sie wissen ja, Sie schätze ich auch, aber wir kommen trotzdem bei solchen Punkten nicht zusammen. Man muss schon verstehen, dass das, worüber wir hier reden, sehr stark mit den Grundbedingungen unseres Wirtschaftens und Arbeitens in diesem Lande zu tun hat.

(Zuruf des Abgeordneten Thomas Stritzl [CDU])

Die schleswig-holsteinische Landesregierung setzt sich dafür ein, dass wir dazu kommen - Sie reden doch immer von der Verschuldungssituation -, unseren Haushalt dauerhaft entlasten. Also treten wir zum Beispiel für einen konsequenten Subventionsabbau ein, weil erst dieser die öffentlichen Haushalte strukturell entlasten und Raum schaffen kann für weitere Entlastungen und ein einfacheres Steuersystem. Dabei lege ich auf die Reihenfolge Wert: Nicht umgekehrt! Ich meine auch nicht die Steuersysteme, die sich konservative Professoren ausdenken, sondern solche, von denen Arbeitnehmer auch etwas haben, und nicht nur die, die für die Besserverdienenden sind.

(Beifall bei SPD und SSW)

Wer so, wie die Union, den Gutverdienenden in unserer Gesellschaft Geldgeschenke in zweistelliger Milliardenhöhe verspricht, indem sie den Spitzensteuersatz um über 25 % senken und die einkommensunabhängige Kopfpauschale einführen will und dabei die Quellen des ungeahnten öffentlichen Reichtums im Dunkeln lässt, wer also ohne solide Gegenfinanzierung bei der jetzt anstehenden Steuerentlastung auf der anderen Seite eine komplette Gegenfinanzierung verlangt, der ist nicht nur sozial ungerecht, sondern der ist auch völlig unglaubwürdig. Worin wollen Sie uns denn raten, wenn Sie schon bei solchen Punkten Milliarden zusätzliche Schulden anhäufen würden mit den Punkten, die Sie vorschlagen?

Subventionsabbau findet nicht im luftleeren Raum statt. Man muss auch einmal bereit sein, Partikularinteressen zurückzustellen und eine regional ausgewogene Lösung zu suchen. Mit der schleswigholsteinischen Zustimmung - ich stehe hier dazu - zu Einschnitten bei der Eigenheimzulage, bei der Pend

lerpauschale, bei Bewirtungsaufwendungen, bei Freibeträgen, in der Land- und Forstwirtschaft haben wir ehrlich gesagt, wir brauchen Einsparungen überall. Wasch mir den Pelz und mach mich nicht nass, geht nicht. Wir werden das an allen Stellen tun müssen, allerdings - so sage ich - gerecht. Das heißt, dann wirklich bei allen. Bei Ihnen ist das natürlich ganz anders. Immer dann, wenn es konkret wird, lehnen Sie ab, zünden Nebelkerzen. Das gilt in SchleswigHolstein genauso wie in Berlin.

Ihr Parteifreund, Herr Austermann, ist dafür ein ganz besonders trauriges Beispiel.

(Beifall des Abgeordneten Bernd Schröder [SPD] - Holger Astrup [SPD]: Wohl wahr!)

Nun ist der ja nicht im Vermittlungsausschuss. Ihre Parteifreunde werden schon wissen, warum sie ihn dorthin nicht entsenden. Aber er ist in dieser Arbeitsgruppe gewesen. Er wirft mir vor, die Interessen des Landes nicht zu vertreten, weil ich mir vorstellen kann, dass bei einem ausgewogenen Leistungsabbau auch Mittel beim Straßenbau oder bei anderen Punkten gekürzt werden. Soll das wieder wie in der Ära Kohl sein, dass nur die Beschäftigten alles zu tragen haben, oder wie stellen Sie sich das eigentlich vor?