Abg. Christof Reichert, CDU; Katharina Binz, Ministerin für Familie, Frauen, Kultur und Integration, Katrin Eder, Ministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität; Fabian Kirsch, Staatssekretär
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie zur heutigen Plenarsitzung.
Bevor wir beginnen, möchte ich an einen Jahrestag erinnern, der sich in das Gedächtnis der Menschheit eingebrannt hat: an den Völkermord in unserem Partnerland Ruanda vor 30 Jahren.
Was in den frühen Morgenstunden des 7. April 1994 begann und drei Monate später mit fast 1 Million ermordeten Frauen, Männer und Kindern enden sollte, ist bis heute eines der erschütterndsten Zeugnisse dafür, was sich Menschen gegenseitig antun können. Heute wissen wir, dass dieses Morden nicht aus dem Nichts kam. Wir wissen auch, dass es in diesem ungeheuerlichen Ausmaß überhaupt nur geschehen konnte, weil die internationale Gemeinschaft Ruanda und seine Menschen in höchster Not im Stich ließ, trotz deutlicher Hinweise und Informationen.
Wir wissen, was folgte: Tausende unschuldiger Tutsi und gemäßigter Hutu wurden erschlagen, erschossen, ertränkt, ihre Leichen den Hunden überlassen, zusammengekarrt, verscharrt, verbrannt, vernichtet, fast 1 Million Menschen, 25 % der Bevölkerung. Nach diesen schrecklichen Gewaltexzessen erinnert sich eine Überlebende: „Es herrschte eine völlige Leere in den Menschen. Die ganze Gesellschaft, alle Werte waren zerstört worden.“
30 Jahre sind seither vergangen, eine Generation. Aus dem Land im Abgrund ist ein Land im Aufbruch geworden. Vorangegangene Woche habe ich gemeinsam mit der Ministerpräsidentin anlässlich der zentralen Gedenkfeier das Land besucht. Wir haben ein Land erlebt, das sich seines schweren Erbes schmerzlich bewusst ist und nicht nur moralisch, sondern auch juristisch Verantwortung übernimmt.
Ich habe ein Land erlebt, in dem die Erinnerung an den Genozid fest verankert ist. Davon zeugen allein schon die mehr als 200 Gedenkstätten, die über das ganze Land verteilt sind. Ich habe einige von ihnen besucht und muss sagen, das fasst einen emotional an und lässt einen so schnell nicht mehr los.
Wenn man bedenkt, wie viele Jahrzehnte länger es in Deutschland gedauert hat, bis eine ernstzunehmende Auseinandersetzung mit den Verbrechen der NS-Zeit einsetzte, dann beeindruckt die Konsequenz, mit der in Ruanda Erinnerungs- und Versöhnungsarbeit geleistet wird, umso mehr.
Dennoch sind die Traumafolgen immer noch überall im Land zu spüren. Besonders bewegt hat mich in diesem Zusammenhang die Organisation AVEGA, eine Vereinigung der Witwen des Genozids. Die Organisation mit
12.000 Mitgliedern unterstützt Witwen und andere Überlebende medizinisch, therapeutisch und juristisch. 30 Jahre nach den traumatischen Ereignissen werden diese Angebote weiterhin stark nachgefragt und sind ein Grund dafür, dass sich der Landtag von Rheinland-Pfalz an der Stelle besonders engagieren will.
Aber auch das habe ich bei meiner Reise nach Ruanda erlebt: eine Nation, die mit unglaublichem Elan vorangeht. Wir haben eine Nation erlebt, die neue visionäre Wege der Versöhnungsarbeit sucht und zugleich das Fundament für eine bessere Zukunft bereitet, politisch, wirtschaftlich, kulturell, ökologisch. Vergessen wir nicht: Dieses Land hat im Sommer des Jahres 1994 nicht nur bei null angefangen, es hat bei minus null angefangen und weit darüber hinaus.
Wo steht das Land jetzt? – Trotz oft unterschiedlicher Wertvorstellungen – sie spiegeln sich nicht zuletzt in der Art und Intensität des öfentlichen Gedenkens – müssen wir der insgesamt positiven Entwicklung Ruandas Respekt zollen. Diese Entwicklung ist eine gute Basis für die Intensivierung unserer Kontakte auf parlamentarischer Ebene, wie wir sie für die Zukunft unserer Länder anstreben.
Meine Damen und Herren, verehrte Kollegen, man reist nach Ruanda nicht mit vorgefassten Meinungen und fertigen Antworten im Gepäck. Nach Ruanda reist man am besten mit einem leeren Kofer, damit umso mehr Platz bleibt für die vielen Eindrücke und Impulse, die man von dort mitbringt. All jene unter uns, die sich in der jahrzehntelangen Partnerschaft zwischen Ruanda und Rheinland-Pfalz engagieren, wissen das aus eigener Erfahrung.
Sie wissen auch, Ruanda und Rheinland-Pfalz verbindet nicht nur das schreckliche Wissen darum, zu welchen Grausamkeiten Menschen fähig sind, sondern uns verbindet auch der Wille, den Weg der Erinnerungen und des Gedenkens gemeinsam weiterzugehen.
Genozide verjähren nicht. Sie bleiben im kollektiven Gedächtnis und verlangen Aufklärung und Urteile. Sie verpflichten die nachfolgenden Generationen aber auch, es gemeinsam anders, es besser zu machen. Sie verpflichten uns, füreinander Verantwortung zu übernehmen, und zwar über Grenzen und Kulturen hinweg; denn wie mahnte uns die Holocaustüberlebende Margot Friedländer: „Wir sind alle gleich [...]. Wir sind Menschen, nichts anderes.“
Sehr verehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Herren und Damen Abgeordnete! 30 Jahre nach dem schrecklichen Völkermord in Ruanda bin
ich sehr, sehr dankbar dafür, dass wir diesen Moment des Gedenkens und Trauerns mit den Überlebenden und um die Opfer haben.
Sie alle sind allerbestens vertraut mit der Geschichte unseres fast 42-jährigen Partnerschaftslands. Sie wissen um die Gräueltaten des Genozids, um das unfassbare Leid und die Zerstörung. Unter dem Eindruck der Reise will ich heute nochmals sagen, wie gut und wie wichtig es war, dass sich die Menschen in Rheinland-Pfalz, die Parlamente, die Landesregierungen parteiübergreifend seit 1994 nicht von ihrem Partnerland abgewandt, sondern ihrem Partnerland zugewandt haben.
Es war mir, dem Landtagspräsidenten, dem Präsidenten des Partnerschaftsvereins und der Bildungsministerin ein Anliegen, unseren Freunden und Freundinnen in Ruanda in der Trauerzeit Kwibuka 30 – was so viel heißt wie „Erinnern“ – zu zeigen: Wir stehen an Eurer Seite.
Vordergründig erlebten wir die pulsierenden Straßen, den Fortschritt Ruandas, aber natürlich auch die Mühen des ruandischen Alltags. Was man in diesen Tagen nicht sehen, aber überall fühlen konnte, das ist ein tiefer Schmerz, den die Menschen still ertragen. Ihre Erinnerung an Verfolgung, Angst und Leid, an die Schreie der Opfer spürt man in den Gesprächen. Wir haben mit Überlebenden gesprochen, mit Hochbetagten, die als einzige ihrer Familie überlebt haben, mit Frauen, die ihre Kinder verloren haben, die brutal vergewaltigt wurden und sich nach dem Morden gegenseitig Mut gemacht und Hilfe geschenkt haben.
Viele Staatschefs und -chefinnen sowie hochrangige Vertretungen aus Afrika, Asien, den USA und aus Europa waren zum nationalen Gedenkakt gekommen, um Anteilnahme und Solidarität zu zeigen. Mich persönlich haben die Worte von Präsident Paul Kagame berührt, als er sagte, sein Land stehe in der Schuld der Überlebenden, weil sie das Unmögliche leisten müssten, nämlich Versöhnung mit den Tätern, damit Ruanda wieder als geeinte Nation auferstehen könne. Sie tragen und trügen die Bürde der Versöhnung.
Von den Ungeheuerlichkeiten dieser Zumutung und dem gleichzeitigen Elan, mit dem die Nation vorangeht, hat der Landtagspräsident gerade eben gesprochen. Ich habe vor den Überlebenden – viele leben wieder mit Tätern, oft im selben Dorf – unermesslichen Respekt und Bewunderung. Für mich war es die wohl emotionalste Reise nach Ruanda, die ich jemals gemacht habe.
Meine sehr verehrten Herren und Damen Abgeordnete, bewusst habe ich die Friedensakademie Rheinland-Pfalz in meine Delegation eingeladen. Wir haben uns in Ruanda intensiv mit dem Thema „Präventions-, Friedens- und Konfliktforschung“ befasst. Wann wird aus Hassrede und Propaganda brutale Gewalt, und was kann man tun, um Konflikte frühzeitig zu erkennen? Aus den Begegnungen werden neue Kooperationen in der Friedens- und Konfliktforschung entstehen. Von der Geschichte Ruandas und aus unserer eigenen zu lernen, heißt eben auch zu begreifen, wie wichtig es ist, sich jeder Form
„Gedenken – Vereinen – Erneuern“ war die ofzielle Überschrift der Trauerzeit. Ruanda ist ein junges Land. 75 % seiner Bevölkerung sind unter 35. Für die Post-Genozid-Generation soll es keine ethnische Trennung mehr geben. Die junge Generation wird das neue, ein geeintes Ruanda nach Kräften wieder aufbauen. Bildung bleibt deshalb eines der wichtigsten Themen für Ruanda. Bildung ist das Herz unserer Jumelage. 194 aktive Schulpartnerschaften und 700 Schulen, die mit rheinland-pfälzischer Unterstützung entstanden sind, zeigen das deutlich. Der Partnerschaftsverein hat im Februar das Partnerschaftsabkommen erneuert, und auf unserer Reise haben wir Verabredungen zur Fachkräftegewinnung sowie zur Lehrerfortbildung getrofen und weitere Uni-Kooperationen angestoßen.
Meine sehr verehrten Herren und Damen, Zukunft kann man nur mit dem Verständnis für die Vergangenheit aufbauen. Wenn wir heute sehen, wie das Bemühen um eine friedliche und versöhnliche Zukunft für die Menschen in Ruanda Schritt für Schritt Erfolg hat, dann ist das ein Ansporn, unsere Graswurzelpartnerschaft intensiv weiterzuentwickeln. Mein Dank geht also vor allem an Sie alle, die Parlamentarier, die Kollegen und Kolleginnen, die Kommunalen, die Bürger und die Bürgerinnen, die diese einzigartige Partnerschaft ausfüllen, auf Augenhöhe, in gegenseitigem Respekt und in Anerkennung.
Wir alle haben eine besondere Verpflichtung, uns für Frieden, Freiheit und Demokratie einzusetzen und alles daran zu setzen, dass extremistische Kräfte nie wieder die Oberhand gewinnen können, um unsere Gesellschaft mit ihrem Hass zu vergiften, zu spalten und Unheil auf die Welt zu bringen.
Schriftführende Abgeordnete sind Lisett Stuppy und Ralf Schönborn, der auch die Redeliste führt. Entschuldigt haben sich heute Abgeordneter Christof Reichert und bis 15.00 Uhr Abgeordneter Marco Weber, seitens der Landesregierung Staatsministerin Katharina Binz und Staatsministerin Katrin Eder sowie Staatssekretär Fabian Kirsch.
Dann dürfen wir Josef Winkler gratulieren. Er wurde am 5. April 50 Jahre alt. Herzlichen Glückwunsch!
Willkommenskultur für Unternehmen fördern – Mit erfolgreichen Ansiedlungen zu mehr Wachstum und Wohlstand auf Antrag der Fraktion der FDP – Drucksache 18/9343 –
Verehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit einer erfolgreichen Ansiedlung erreichen wir mehr Wachstum, und das Wachstum von heute ist der Wohlstand von morgen.
Für die Zukunft sind die Ansiedlung, aber auch das Halten der Old Economy wichtig für Rheinland-Pfalz. Um ordentliche Wirtschaftspolitik zu machen, bedarf es immer wieder der Bewertung der Situation und der Beurteilung der Bedarfe in unserem Land. Die Opposition wird wahrscheinlich sagen – wir greifen das morgen in einer Aktuellen Debatte auf –, dass Rheinland-Pfalz Platz 16 von 16 ist, alles schlecht ist, keine Maßnahmen ergrifen werden und es mehr Geld braucht.
Fakt ist – so das Statistikamt –, das Bruttoinlandsprodukt ist stärker als im Bundesdurchschnitt zurückgegangen. Das ist richtig. Zur Wahrheit gehört ein gewisser Sonderefekt aus der Vergangenheit heraus, bei dem RheinlandPfalz dreimal so hoch stieg wie der Bundesdurchschnitt. Somit haben wir in sehr großen Teilen eine Relativierung dieser statistischen Werte, für die immer Vorjahre miteinander verglichen werden.
Ich möchte heute nicht sagen, dass es keine Herausforderungen gibt. Die Wirtschaftsministerin weiß das und kümmert sich darum. Wir betrachten das Big Picture der Wirtschaft. Die Internationalisierung mit ihren globalen Krisen hat einen Dämpfer bei der Nachfrage bewirkt und somit unseren Export unter Spannung gestellt.
Attraktive Standorte und Investoren fordern dies immer; benötigt werden die Schlagpunkte wie Bürokratieabbau, Digitalisierung, Transformation und nachhaltige Energie. Dazu kommen die weltweit restriktive Geldpolitik und die Inflation.
Wenn man das auf Rheinland-Pfalz herunterbricht, dann haben wir Herausforderungen, das ist klar. Der größte Teil der Wirtschaft in unserem Land ist bisher noch die Industrie. Sie kämpft mit diesen Problemen oder spricht mit
uns über Infrastruktur und Fachkräfte. Letztendlich möchte ich sagen, für die Bewältigung dieser Herausforderungen braucht es eine ideologiefreie Wirtschaftspolitik, die in die Zukunft gerichtet ist.
Diese und viele weitere Punkte steigern die Attraktivität unseres Standortes für Arbeitnehmer, Unternehmen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie geben ihnen Planungssicherheit für die Zukunft. Da setzt Rheinland-Pfalz in vielen Punkten an. Im Gegensatz zum Bund, in dem in den letzten 20 Jahren keine wesentliche Strukturreform erfolgt ist, zeigen wir in Rheinland-Pfalz gerade jetzt mit Eli Lilly, dass Rheinland-Pfalz attraktiv ist.