Protocol of the Session on June 19, 2018

Weiterhin begrüße ich Schülerinnen und Schüler der 10. Klasse des Stefan-George-Gymnasiums in Bingen. Herzlich willkommen bei uns!

(Beifall im Hause)

Ich sehe keine Zusatzfrage, damit ist die Mündliche Anfrage beantwortet, vielen Dank.

Herr Präsident, es war mir ein besonderes Anliegen, die Abgeordneten auf die Risiken des Benutzens der U-Bahn und S-Bahn in München und Hamburg hinzuweisen.

(Beifall der FDP, der SPD, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU – Zuruf aus dem Hause: Das gab’s noch nie!)

Ich rufe nun die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Andreas Hartenfels und Pia Schellhammer (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN), Feinstaub und Stickoxide: Diskussion um die Grenzwerte – Nummer 5 der Drucksache 17/8218 – betreffend, auf. Herr Hartenfels trägt die Fragen vor.

Vielen Dank, Herr Präsident.

Ich frage die Landesregierung:

1. Auf welcher Grundlage sind die aktuell für die Bundesrepublik geltenden Grenzwerte für Nox- und Feinstaubkonzentrationen in der Außenluft entstanden?

2. Wie verhalten sich die in Deutschland bestehenden Nox-Grenzwerte im Vergleich zu anderen Staaten?

3. Würden aus umweltpolitischer Sicht die Grenzwerte eingehalten, wenn die Hersteller sich an die gesetzlichen Vorgaben gehalten hätten?

Für die Landesregierung antwortet Frau Staatsministerin Höfken.

Verehrte Kollegen und Kolleginnen, verehrte Gäste, meine Damen und Herren! Ich fühle mich ein bisschen an die Nichtraucherschutzdebatte im Deutschen Bundestag erinnert, die ich auch führen musste.

Ich möchte noch einmal auf das Vorsorgeprinzip verweisen. Artikel 191 der Vertrags von Lissabon ist eine der wichtigsten Errungenschaften der Europäischen Union. Es macht viel von unserer Attraktivität und Lebensqualität in Europa aus, dass wir im Bereich des Umwelt- und Verbraucherrechts das Vorsorgeprinzip anwenden, und – ehrlich gesagt – ich möchte beispielsweise nicht in China wohnen, wo die Luftverschmutzung eines der Probleme Nummer 1 für die menschliche Gesundheit geworden ist.

Natürlich werden Grenzwerte immer wieder überprüft, und sie werden auch wieder geändert. Aber das passiert eben nicht durch Briefe oder Twitter-Nachrichten und aus dem Bauch heraus oder sonst wie, sondern es passiert auf einer breiten wissenschaftlichen Grundlage und mit sehr klar geregelten Verfahren. Dazu gehören natürlich Grenzwerte, und dazu gehören auch Messstationen.

Das ist geltendes Recht, und es ist unsere Aufgabe, dieses Recht auch umzusetzen, und hierbei ist das Argument der Rechtsstaatlichkeit schon ein ziemlich wichtiges. – Also, die Geschichte der Luftreinhaltung ist schon älter. Die geltenden Grenzwerte wurden 1999 auf Vorschlag der EU-Kommission von den EU-Mitgliedstaaten beschlossen und dann, im Jahr 2010, beispielsweise in

nationales Recht durch die BImSchV umgesetzt, übrigens unter Schwarz-Gelb. Viele europäischen Metropolen wie Paris, Rom, Madrid, Brüssel, Kopenhagen und Oslo haben bereits Umweltzonen, Regelungen, Citymautmodelle, Einfahrbeschränkungen und Fahrverbote für ältere Fahrzeuge in der Umsetzung dieses Rechts beschlossen.

Wie gesagt, die Grundlage ist eine Vielzahl von wissenschaftlichen Untersuchungen. Ich habe aufgehört, sie zu zählen, ich glaube, es sind etwa 70.000, die auch die WHO-Untersuchungen mit einbeziehen und empfindliche Bevölkerungsgruppen berücksichtigen. Kinder sind nun einmal keine Arbeitnehmer. 10 % der Kinder und 5 % der Erwachsenen in Deutschland leiden unter Asthma, Tendenz weiter steigend. Solche Grenzwerte berücksichtigen genau diese Notwendigkeit der Vorsorge, auch im Verkehr. Die Grenzwerte berücksichtigen auch, dass NO2 als Indikator für ein ganzes Luftschadstoff-Gemisch dient. Auch deswegen gibt es an der wissenschaftlichen Einschätzung, ob es sich nun um Stickoxide oder Feinstaub handelt, überhaupt keine Änderung.

Wir müssen auch sagen, es gibt eine Vielzahl von Reaktionen auf diese Initiative der Lungenärzte; aber es ist doch ganz klar nicht die Aufgabe eines Bundesministers – im vorliegenden Fall von Herrn Bundesminister Scheuer –, geltendes Recht infrage zu stellen – das bleibt der Wissenschaft überlassen –, sondern er hat dieses Recht schlichtweg zu erfüllen.

Aber was natürlich in dieser ganzen Debatte eine nicht unwichtige Rolle spielt: Die Gründe für die Diskussion sind doch einigermaßen durchsichtig. Wir werfen Herrn Bundesminister Scheuer vor, dass er mit seiner Untätigkeit letztendlich dazu beigetragen hat, dass die Autofahrer und Autofahrerinnen im Stich gelassen werden.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr gut! – Abg. Michael Billen, CDU: Kann die Ministerin einmal die Fragen beantworten? – Zurufe von der CDU: Beantworten Sie die Fragen!)

Das war nicht unsere Intention und auch nicht die der Grenzwerte,

(Zurufe von der CDU)

sondern er könnte mit dem, was die Bundesländer im Bundesrat beschlossen haben, mit einer Hardware-Umrüstung auf Kosten der Hersteller,

(Glocke des Präsidenten)

die Fahrzeuge wieder in Wert setzen und reparieren lassen und natürlich auch die Luftreinhaltungsprobleme lösen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP – Abg. Michael Billen, CDU: Beantworten Sie die Fragen! – Glocke des Präsidenten!)

Es ist nicht Ihre Aufgabe, dies zu beurteilen.

(Zuruf von der CDU: Wenn Sie es nicht machen!)

Die Landesregierung beantwortet die Mündliche Anfrage nach eigenem Ermessen, und Sie haben anschließend die Möglichkeit, Fragen zu stellen. So lautet die Geschäftsordnung. – Bitte, Sie haben das Wort, Frau Höfken.

Ja, und es ist auch nicht redlich, Politikverdrossenheit zu schüren; denn auch diese Bundesregierung kann und will diese Grenzwerte gar nicht ändern.

Hätten sich die Automobilhersteller an Recht und Gesetz gehalten, hätten wir diese Diskussion überhaupt nicht. Niemand möchte in dieser Landesregierung Fahrverbote, übrigens auch nicht in den Kommunen. Von daher sind wir auch immer daran interessiert, dass wir so schnell wie möglich Lösungen bekommen, und wir sind übrigens auf einem sehr guten Weg.

Ich komme zu Frage 1: Der gültige NO2-Jahresmittelwert für die Außenluft von 40 µg/m3 – das ist der Langzeitwert – wurde, wie ich schon gesagt habe, 1999 von den EU-Mitgliedstaaten beschlossen und 2008 noch einmal bestätigt und im Jahr 2010 in nationales Recht umgesetzt. Auch das habe ich gesagt. Er wurde im Jahr 2013 weiter überprüft, und die WHO wurde in diesen Prozess einbezogen.

Die WHO stellte übrigens fest, dass eine Vielzahl von epidemiologischen Studien, die in der Zwischenzeit veröffentlicht worden waren, Zusammenhänge zwischen der NO2-Kurzzeitbelastung und der Mortalität, Krankenhausaufenthalten und Atemwegssymptomen aufgezeigt haben.

Darüber hinaus hat die WHO noch einmal aktuelle Studien, Bevölkerungsstudien aus Europa, herangezogen, auch um den Zusammenhang zwischen Mortalität, also Todesfällen von Erwachsenen, in einem Konzentrationsbereich von unter 40 µg/m3 im Jahresmittel zu untersuchen. Sie kam zu dem Schluss, dass gesundheitsrelevante Wirkungen von NO2 ab einer langfristigen durchschnittlichen Exposition von 20 µg/m3 kalkuliert werden müssen. – Letztendlich kam man zu dem Wert von 40, aber ich sage auch einmal in Klammern, uns Grünen sind viele dieser Werte zu niedrig. Auch das hat sich in der Vergangenheit bestätigt. Aber dieser geltende Wert ist jetzt der Maßstab und auch die gesamten wissenschaftlichen Untersuchungen darum herum, und er ist verbindlich.

Zu den Feinstäuben kann ich sagen, dass die vorgenannten WHO-Guidelines auch Studien zur Bewertung der Effekte von Feinstäuben berücksichtigen und daraus Grenzwerte abgeleitet haben. Das waren die Feinstaubfraktionen PM10 und PM2,5. Für PM10 beträgt der Jahresmittelwert 40 µg/m3 und der Tagesmittelwert – das ist der Kurzzeitwert – 50 µg/m3. Es gibt 35 erlaubte Überschreitungen pro Jahr.

Bei PM2,5 existiert nur ein Jahresmittelgrenzwert. Der Langzeitwert beträgt 25 µg/m3, dieser Wert gilt seit 2015, und es ist ein großer Erfolg, dass durch die entsprechenden Maßnahmen diese Werte in Rheinland-Pfalz sicher eingehalten werden.

Zu Frage 2: In der EU und Deutschland unterscheiden sich die Regelungen zu Nicht-EU-Ländern, beispielsweise zur Schweiz. Dort sind sie restriktiver. Allerdings gibt es dort keinen Rechtsrahmen für Fahrverbote.

Sie unterscheiden sich auch zu den USA, die ich nicht im Detail alle nennen will. Sie sind dort höher. Sie müssen sehen, in den USA gilt nicht das Vorsorgeprinzip, sondern das Nachsorgeprinzip. Darum gibt es dort einen anderen Rechtsrahmen.

Zu Frage 3: Würden die Grenzwerte eingehalten, wenn die Hersteller sich an die gesetzlichen Vorgaben gehalten hätten? – Ja, nach den Berechnungen des ifeu (Institut für Energie- und Umweltforschung) wäre dies unter Annahme von konsequenter Umsetzung weiterer Maßnahmen aus den Luftreinhalteplänen, die die Kommunen aufgestellt haben, der Fall.

Danke schön.

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Ahnemüller.

Haben Sie Kenntnis darüber, ob in den Messstationen möglicherweise andere Konzentrationen als Stickoxide und Feinstaub gemessen und registriert und somit die Messwerte eventuell beeinflusst werden?

(Zuruf von der SPD)

Das ist ein anderes Thema.

Ich kann Ihnen sagen, dass all unsere Stationen untersucht und überprüft worden sind. Alle arbeiten und stehen richtlinienkonform.

(Abg. Joachim Paul, AfD: Das ist falsch! – Weitere Zurufe von der AfD)

Nein, das ist nicht falsch.

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Billen.

Frau Ministerin, wer hat 1999 als Umweltminister die Werte, die von 100 Lungenärzten als falsch bezeichnet werden, in Brüssel beschlossen?

(Zurufe von der SPD)