Protocol of the Session on January 30, 2019

punkt gerade einmal 65.000 Euro veranschlagt. Wissen Sie, was 65.000 Euro auf die 2.500 Kitas und 160.000 KitaKinder in Rheinland-Pfalz umgerechnet bedeuten?

Das sind 40 Cent pro Kind im Jahr. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist wieder ein Pilotprojekt, das gut klingt, aber in der Praxis wenig bewirken wird und von den vielen Kernproblemen der Kindertagesstätten ablenkt.

(Beifall der CDU)

Aus einer Studie des Berliner Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen geht hervor, dass Schüler in Rheinland-Pfalz in den Bereichen Zuhören, Rechtschreibung und Lesekompetenz Defizite aufweisen und im Bundesdurchschnitt schlecht abschneiden. Jedes fünfte Kind verlässt die Grundschule ohne ausreichende Lese- und Schreibkenntnisse, was bedeutet: Es versteht nicht, welche Inhalte Sätze und Texte haben.

Damit – das ist mein eindringlicher Appell – dürfen Sie sich, Frau Ministerin Hubig, darf sich die Landesregierung, Frau Ministerpräsidentin, nicht zufriedengeben.

(Beifall der CDU)

„Wer nichts weiß, muss alles glauben“, so Marie von EbnerEschenbach. Wer nicht lesen und verstehen kann, der kann sich nur sehr schwer eine begründete Meinung bilden, Argumente hören, sich auch Zeit für einen zweiten und dritten Gedanken nehmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Bildung ist der Schlüssel für das Heranwachsen kritischer, mündiger Bürger.

(Beifall des Abg. Michael Frisch, AfD)

Deshalb ist eine solide Bildungspolitik – von der ersten Grundschulklasse an – das Fundament für unsere demokratische Gesellschaft. Doch genau hier versagt die Landesregierung.

„Herrscht an Grundschulen im Land der Notstand?“ titelte heute Morgen die Rhein-Zeitung. Unterbesetzte Sekretariate, fehlender Unterricht, zu wenige und zu überforderte Lehrer, zusammengelegte Gruppen – Realität in vielen Klassenzimmern. Derweil Sie, Frau Ministerin Hubig, Zahlen schönrechnen.

(Ministerpräsidentin Malu Dreyer: Das ist unverschämt!)

Ich zitiere: „Die 100-prozentige Unterrichtsversorgung ist nur ein Luftschloss der Ministerin“, so der Verband Bildung und Erziehung.

(Beifall der CDU – Ministerpräsidentin Malu Dreyer: Ist das jetzt ein Beweis?)

Der Verband Bildung und Erziehung stellt fest – Sie können das sehr gerne richtigstellen, Frau Ministerpräsidentin,

(Ministerpräsidentin Malu Dreyer: Das kann die Bildungsministerin machen!)

nur ist es einfach Fakt an den Schulen –: Der Unterricht fällt aus.

Das ist ein für Kinder wie Eltern, aber auch für unsere Gesellschaft unhaltbarer Zustand – so meine ich –, wenn es genau dort schiefläuft, wo es um die Grundlagen geht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Europa ist unsere Zukunft und unsere Friedensgarantie. Der Blick zurück zeigt, dass es die europäische Einigung vermocht hat, aus Feindschaft diesseits und jenseits des Rheins eine enge deutsch-französische Freundschaft wachsen zu lassen.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Umgekehrt!)

Auf der anderen Seite ermöglicht Europa Freiheiten: Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Freizügigkeit für Personen, Waren, Kapital, sich in benachbarten Ländern problemlos niederzulassen oder Arbeit in Luxemburg, Frankreich, Belgien oder den Niederlanden anzunehmen. Ein Vorteil, den viele Tausende jeden Tag nutzen und vor dem sich viele Engländer im Moment fürchten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Vorteile des gemeinsamen Europas müssen wir für die Bürger sichtbar machen. Hier sollte Schule ansetzen. Es geht nicht nur darum, das europäische Miteinander zu lernen. Es geht darum, dass Kinder und Jugendliche dieses Miteinander spüren und erleben dürfen.

(Beifall der CDU)

Deshalb ist es so wichtig, Gelegenheiten der europäischen Begegnung und damit die Voraussetzung für eine Verständigung im wahrsten Sinne des Wortes zu schaffen.

Da ist es kein gutes Zeichen, dass sowohl in Deutschland als auch in Frankreich die Sprachfähigkeit in der Sprache des Nachbarn tendenziell sinkt.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Oh je, das habe ich auch schon einmal gehört!)

Da ist es kein gutes Signal, wenn die FDP-Fraktion im Land Spanisch als zweite Fremdsprache stärken will, was automatisch nur auf Kosten des Französischen gehen kann.

(Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP: Ach ja!)

Und ich frage: Ist es nicht an der Zeit, die Schulen wieder stärker zu motivieren, den europäischen Austausch zu fördern, damit noch mehr junge Menschen Begegnungen mit Gleichaltrigen aus anderen Ländern erleben?

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Spanien gehört doch auch zu Europa!)

Seit 1993 hat sich hier in Rheinland-Pfalz kaum etwas bewegt. Die Zeiten haben sich zwar erheblich verändert, aber die Verwaltungsvorschrift und die Bezuschussung des Schüleraustausches sind 25 Jahre alt, stammen also noch aus dem letzten Jahrtausend.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Das tun wir alle, die allermeisten von uns stammen aus dem letzten Jahrtausend!)

Wie ambitionslos die Landesregierung in den vergangenen Jahren war, zeigt ein Blick in den Haushalt: 2009 waren für den Schüleraustausch 250.000 Euro veranschlagt. 2019, also zehn Jahre später – mit allen damit verbundenen Kostensteigerungen für einen Schüleraustausch –, sind für denselben Posten nur noch 156.800 Euro eingeplant, trotz Rekordsteuereinnahmen. Eine Kürzung von fast 40 %! Frau Ministerin Hubig, wie erklären Sie diese Zahlen?

Noch etwas ist nicht transparent: Sie verkünden heute endlich, dass Sie die Mittel für Schüleraustausche erhöhen wollen – was wir ausdrücklich begrüßen –, aber warum nennen Sie uns in Ihrer Regierungserklärung keine konkreten Zahlen?

(Beifall der CDU)

Das druckfrische Haushaltsgesetz, das erst vor wenigen Wochen verabschiedet wurde, sieht lediglich eine Fortschreibung der Mittel vor.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Antrag der CDU-Fraktion „Die Zukunft Europas gestalten – Europa im Leben der Menschen erfahrbar machen – Die Sprache des Nachbarn lernen“ steckt seit fast einem geschlagenen Jahr im Ausschuss fest.

(Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Weil Ihr ihn vergessen habt!)

In dem Antrag setzen wir uns dafür ein, die europäische Freundschaft gerade junger Menschen zu unterstützen. Wir fordern, den Aufbau einer grenzüberschreitenden Schule für Rheinland-Pfalz nach dem Vorbild des Schengen-Lyzeums in Perl gemeinsam mit unseren europäischen Nachbarn voranzutreiben.

Baden-Württemberg und das Saarland haben es vorgemacht. Sie haben bereits binationale Schulen in ihren Grenzregionen eingerichtet. Es ist ein starkes Zeichen für Europa, wenn Schüler von beiden Seiten der Grenze gemeinsam in einer Schule lernen. Rheinland-Pfalz ist das bisher nicht gelungen.

(Beifall der CDU)

Frau Ministerin, erklären Sie doch heute, ob Sie ein solches Projekt einer grenzüberschreitenden Schule angehen wollen! Bisher bleiben Sie bei diesem Thema erstaunlich leise. Wenn Ihnen die Stärkung der europäischen Verbundenheit für unsere Schüler wirklich wichtig ist, werte Mitglieder der Landesregierung, dann fordere ich Sie auf, stimmen Sie unserem Antrag zur Stärkung der europäischen Bildung zu!

(Beifall der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Frau Ministerin Hubig, gerade haben Sie gesagt: „Wir müssen verdeutlichen und erfahrbar machen, welchen Wert unsere Demokratie darstellt und welche Errungenschaft sie ist.“ Genau, Frau Ministerin. Deshalb sind Personen, die demokratische Grundsätze in Frage stellen, nicht preiswürdig.

(Beifall und Zuruf des Abg. Joachim Paul, AfD: Genau richtig!)

Ich glaube leidenschaftlich an die Zukunft der europäischen Idee, aber sie manifestiert sich nicht im Abgesang auf die Nationen. Die europäische Integration, die EU als Staatenverbund, ist ein großer Segen für uns,

(Zuruf des Abg. Michael Frisch, AfD)

ein Gewinn, den wir nicht hoch genug halten und wertschätzen können. Wir dürfen diese Errungenschaften gerade in Zeiten, in denen Europa, unser Miteinander, an vielen Stellen und von vielen Seiten unter Druck gerät, nicht gefährden.

Europa – dieses kurze Wort ist eine große Antwort auf vielfältige Fragen der Zukunft. Kein europäischer Nationalstaat kann für sich die großen Schwierigkeiten der Gegenwart und Zukunft allein lösen, die wirtschaftlichen Herausforderungen durch China, Russland, Indien, die USA, Brasilien und viele mehr bestehen. Und kein Land allein kann die enormen ökologischen Probleme, den Klimawandel, bewältigen. All das schaffen wir nur gemeinsam.

(Beifall der CDU)

Dort, wo Nationalstaaten wirkungsvoller und bürgernäher agieren können, muss sich Europa zurücknehmen, um dort umso kraftvoller auftreten zu können, wo nur der Kontinent als Ganzes zu einer vernünftigen Lösung in der Lage ist.