Protocol of the Session on September 20, 2018

Sie können die Begründung in die Aussprache mit hineinpacken.

Wir machen das zeiteffizient.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten den gemeinsamen Antrag „Wertschätzung regionaler Lebensmittel als Chance für heimische Erzeugung nutzen“.

Unsere heimische Landwirtschaft produziert erstklassige Lebensmittel und trägt damit sprichwörtlich den ländlichen Raum und die Wertschöpfung vor Ort. Die Regionalität gewinnt bei Verbrauchern an Bedeutung. Die Herkunft ihrer Nahrungsmittel wird für die Konsumenten immer wichtiger. Ob konventionell oder biologisch erzeugt unsere heimische Landwirtschaft Produkte auf hohem Niveau und genießt ein hohes Maß an Vertrauen.

Durch die Dominanz des Lebensmitteleinzelhandels steht die Branche jedoch unter einem besonderen Druck. Das hat dazu geführt, fraktionsübergreifend aus SPD, CDU, FDP und Grüne diesem für unser Land sehr wichtigen Thema und der wichtigen Branche einen gemeinsamen Antrag zu widmen, abzustimmen und zu großen Schnittmengen zu kommen.

Ich möchte etwas weiter ausholen. Der Antrag, die Schlussfolgerungen bzw. die Aufträge an die Landesregierung haben sicher verschiedene Baustellen, die wir betrachten müssen.

Zunächst möchte ich die anstehende Diskussion um die gemeinsame Agrarpolitik nach 2020 ansprechen. Diese Diskussion ist für uns wesentlich, weil sie eine starke Landwirtschaft garantieren muss, zum anderen eine Grundlage für starke ländliche Räume ist. Damit setzt sie in vielen Punkten, zum Beispiel in der einzelbetrieblichen Investitionsförderung, im Wegebau, in der Umsetzung der Digitalisierung, in der Unterstützung der Regionalvermarktung

und vielem mehr, entsprechende Akzente, die der Branche praktische Hilfestellungen geben.

Wir brauchen darüber hinaus – das ist ein anderes Kapitel – ein besonderes Bewusstsein für unsere heimischen Produkte und damit für ein nachhaltiges Wirtschaften; denn klar ist, jedes heimisch erzeugt Stück Fleisch und jedes heimisch produzierte Stück Obst hat nicht nur einen hohen Qualitätsstandard, sondern reduziert auch lange Transportwege, hohe CO2-Emission, somit Kosten, bzw. vor Ort entsteht die regionale Wertschöpfung.

Dies erreichen wir, indem wir zum Beispiel in unserem Schulobst- und Milchprogramm hohe Quoten an heimischen Produkten in unsere Schulen und Kindergärten bringen. Wir haben vorhin sehr ausführlich über Tourismus gesprochen. Unsere Gastronomie dazu anzuhalten, das wäre vielleicht eine Anregung für die Enquete-Kommission, damit es heimische Speisekarten gibt. Warum muss auf der Karte immer – ich provoziere jetzt ein bisschen – das argentinische Rumpsteak stehen, wo wir doch ein Eifeler Steak oder eines aus anderen heimischen Regionen mit mindestens genauso hohen Qualitätsstandards vermarkten und genießen können? Das ist etwas, was mir, wenn ich Speisekarten lese, ein wenig negativ ins Auge fällt.

(Beifall bei der AfD – Abg. Joachim Paul, AfD: Sehr gut! Das fiel uns auch ins Auge!)

Das gilt auch für unsere eigenen offiziellen Anlässe, ob es im Parlament, in der Regierung oder dort ist, wo auch immer wir tätig sind. Ich glaube, es ist nicht zu viel verlangt, wenn wir unsere heimischen Produkte an die erste Stelle stellen. Dafür brauchen wir praktische Unterstützung.

(Beifall der AfD)

Wir brauchen Unterstützung der Landwirtschaft, aber auch durch regulatorisch einfachere Möglichkeiten, die nicht nur die Landwirtschaft, sondern insbesondere auch das Lebensmittelhandwerk einbeziehen. Ich nenne hier unsere Bäcker und Metzger, die wir brauchen, um die Produkte zu verarbeiten, zu veredeln und zu vermarkten. Deswegen ist es ein großer Wunsch, dass wir bei den Fleischschaugebühren – die Landesregierung hat den runden Tisch angesprochen bzw. initiiert – dazu kommen, dass die großen Unterschiede, die im Land herrschen, gemeinsam mit den Kommunen abgeflacht und möglicherweise die Tarife etwas attraktiver gestaltet werden.

Ich nenne nur ein Beispiel. Damit kann man die Kleinstproduzenten pragmatisch von der Fleischbeschau, beim Veterinärwesen bis hin zu Vermarktungsmöglichkeiten unterstützen; denn man muss wissen, dass ein Kleinsttierhalter bei einem Schlachtvorgang von beispielsweise nur zwei oder drei Stück oft höhere Kosten bezüglich des Veterinärs, der Schlachtung und Entsorgung hat, als ein Schaf oder eine Ziege – wenn man Kleintierhaltung ansieht – in der Vermarktung wert ist. Das kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein.

Meine Redezeit ist abgelaufen. Zum Schluss ist für uns ganz wichtig, dass wir klare regionale Qualitäts- bzw. Kennzeichnungsstandards bekommen, um es dem Verbraucher

zu dokumentieren und gewährleisten zu können, dass das, was draufsteht, auch drin ist.

(Glocke des Präsidenten)

Damit können wir unsere Produkte ein Stück weit hervorheben.

Vielen Dank für die gute Zusammenarbeit und die Abstimmung dieses Antrags.

(Beifall bei SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Ich erteile nun Herrn Abgeordneten Zehfuß von der Fraktion der CDU das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Als Initiator dieses Antrags freut es die CDU-Fraktion besonders, dass er eine breite parlamentarische Basis gefunden hat,

(Beifall der CDU und bei der SPD)

auch wenn wir an der einen oder anderen Stelle vielleicht eine andere Ausformulierung gewählt hätten, wenn wir es allein gemacht hätten.

Es ist schon eine paradoxe Situation: Einerseits verfügen wir über ein vielfältiges, scheinbar nicht endendes Angebot an qualitativ hochwertigen Lebensmitteln, die im Verhältnis der vergangenen Jahre verglichen mit der dafür notwendigen Arbeitszeit immer günstiger wurden. Wenn wir die Zahlen von 1950 nehmen, musste damals ein mit einem mittleren Monatsgehalt ausgestatteter Konsument für 1 kg Mischbrot 27 Minuten arbeiten, im Jahr 2009 erledigt er das in 11 Minuten.

Noch deutlicher wird es bei Eiern. Im Jahr 1950 mussten 2 Stunden Arbeitslohn aufgewendet werden, um zehn Eier zu kaufen, im Jahr 2009 waren es nur noch 8 Minuten. Ganz dramatisch ist es bei Fleisch. Für 1 kg Schweinefleisch waren 1950 fast 4 Stunden Arbeitszeit erforderlich, 2009 nur noch eine gute halbe Stunde.

Nahrungsmittel sind immer günstiger zu haben, wie wir gerade sahen, aber im gleichen Maße geht uns die Wertschätzung dafür verloren. Wir treten sie zum Teil wortwörtlich in die Tonne. Der Kontakt und die Verbindung mit der landwirtschaftlichen Urproduktion gehen zusehends verloren, die „Geiz ist geil“-Mentalität treibt besonders im Lebensmitteleinzelhandel üppige Blüten.

Im Schnitt geben wir nur noch 10 bis 12 % unseres Einkommens für Lebensmittel aus. Diesen Preisdruck bekommen landwirtschaftliche Betriebe eins zu eins zu spüren.

(Abg. Christine Schneider, CDU: So ist es!)

Betrug der Anteil des Endverkaufspreises im Jahr 2005 im Schnitt für den Erzeuger noch 30 %, also knapp ein Drittel,

so ist dieser Anteil im Jahr 2015 auf 20 % gesunken. Die Folge davon ist, dass die Landwirtschaft auf staatliche Alimentierung angewiesen ist, um Lebensmittel zu erzeugen. Wir bringen es nicht fertig, unsere Lebensmittel an der Ladentheke zu bezahlen, sondern lassen sie über Steuermittel kofinanzieren.

(Beifall der CDU)

Die Mittelgebirgsregionen sind prädestiniert für eine Viehhaltung, die dem Verbraucherwunsch am nächsten kommt: übersichtliche Familienbetriebe, ausgewogenes Tier-Flächen-Verhältnis, nur um einige Stichworte zu nennen. Doch genau diese Betriebe unterliegen einem beschleunigten Strukturwandel; die Infrastruktur derselben dünnt sich aus.

Trotz großer Regionalitätswerbung des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) mit Heimatlabeln oder Sprüchen wie „Wir lieben Lebensmittel“ zieht man sich von regionalen Schlachtstätten zurück – in jüngster Vergangenheit z. B. in Mannheim –, was wiederum längere Tiertransporte zur Folge hat. – So viel zu Dichtung und Wahrheit der Werbebotschaften unseres LEH.

(Beifall der CDU und vereinzelt bei SPD, FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Fleischbeschaugebühren im Land – es wurde gerade angesprochen –, die sich bis zum Faktor 14 unterscheiden, tragen auch zu diesem Ausdünnungseffekt bei. Ein besonderes Augenmerk müssen wir auf die unterschiedlichen Produktionsstandards in unserem globalen Markt richten. Unabhängige Untersuchungen der Rhein-Ruhr-Universität Bochum bestätigen einen erheblichen Wettbewerbsnachteil der deutschen Landwirtschaft mit einem rechnerischen Wert von 4,6 Milliarden Euro. So betragen die standardund auflagenbezogenen Kosten von Rinderhaltern in der südlichen Hemisphäre nur 16 % dessen, was in Deutschland an analogen Kosten anfällt.

Betrachtet man sich nur einmal das Verhältnis der Anzahl der QS-Prüflabore zum Beispiel zwischen Deutschland und der Türkei, zwischen Deutschland und Polen oder Österreich, so beträgt es 30 : 1 – eine aussagekräftige Zahl über den Prüfdruck in den einzelnen Ländern.

Ähnliche Missverhältnisse gibt es bei den Zertifizierungen im QS GLOBAL GAP-System. Füllt bei deutschen Erzeugern eine einzelbetriebliche Zertifizierung mehrere Regalmeter, so werden mit demselben Label zum Beispiel in Italien bei sogenannten Gruppenzertifizierungen 500 Betriebe einer Vermarktungsorganisation auf einmal durch einen Auditorenbesuch zertifiziert.

Völlig unverständlich ist es für deutsche Landwirte, dass verschiedene LEH nur von deutschen Landwirten höhere Standards verlangen mit der Begründung, nur deutsche Landwirte können das. Das heißt, deutsche Landwirte werden aktiv benachteiligt, weil sie in der Lage sind, auf höchstem Niveau zu produzieren, sich dies aber in keiner Weise am Point of Sale, also an der Einkaufstheke, weder in der Listung noch am Entgelt abbildet.

(Beifall der CDU – Abg. Christine Schneider, CDU: So ist es!)

In diesem Zusammenhang sind wir bei der Achillesferse der deutschen Lebensmittelproduktion. Die „Geiz ist geil“Mentalität habe ich als eine Ursache der Misere schon beschrieben. Unterstützt wird diese Entwicklung durch die Strukturen des deutschen Lebensmittelhandels: Gerade noch eine Handvoll marktrelevanter Einkäufer, die 85 % der Lebensmittel in Deutschland verkaufen, stehen 269.800 Produzenten von Lebensmitteln gegenüber. Ein Verhandeln aus marktpolitischer Sicht ist hier nicht möglich.

Die Landwirte sind einem ruinösen Markt- und Preisdiktat ausgesetzt, das seinen finalen Ausfluss in einem sich immer schneller entwickelnden Strukturwandel findet, haben doch seit 1950 elf von zwölf Betrieben ihre Hoftore für immer geschlossen.

Die Einkaufsmacht des LEH konzentriert sich immer weiter. Das Einkaufsmonopol wird durch sogenannte europaweite Einkaufsplattformen noch weiter verdichtet. Welche Marktmacht da entsteht, können wir in dem Handelsstreit zwischen Edeka und Nestlé und dessen Ausgang genau beobachten.

Es gilt, die anstehende Novellierung des Kartellrechts entsprechend zu gestalten. Es war höchste Zeit für eine entsprechende Initiative der EU zu Richtlinien über unlautere Handelspraktiken.

(Beifall der CDU)

Wenn uns die bäuerliche Landwirtschaft in Rheinland-Pfalz wie auch in ganz Deutschland wirklich am Herzen liegt, so muss die gesamte Politik überparteilich auch im Sinne der Verbraucher bei jeder sich bietenden Gelegenheit verbal die Werbetrommel rühren, um die Verbraucherdemenz zu durchbrechen. Zur Erklärung: „Verbraucherdemenz“ heißt, vor dem Einkauf Ware mit hohen Standards und regionaler Herkunft verbal zu favorisieren und zu fordern und dies am Point of Sale, beim Einkauf, schlagartig zu vergessen

(Glocke des Präsidenten)

ich komme gleich zum Schluss – und, wie die GFKForschung und die Statistik zeigen, bei der physischen Kaufentscheidung in der überwiegenden Mehrzahl zu dem günstig ausgelobten Produkt zu greifen, um es dann in Richtung Kasse zu bewegen. Deshalb lautet mein dringender Appell an alle gesellschaftlichen Kräfte, argumentativ – weil staatliche Alimentationen die entstehenden Finanzlücken in Betrieben nie ersetzen können – dafür zu sorgen, dass dieser Teufelskreis aus Sicht der landwirtschaftlichen Erzeuger durchbrochen wird.

(Beifall der CDU)

Es gilt auch hier die altbekannte Weisheit: Reden ist Silber, Handeln ist Gold.