Wir können gern darüber diskutieren. Fakt ist, laut der aktuellen Kinder-Medien-Studie 2018, die am 3. August dieses Jahres, also brandneu, vorgestellt worden ist, besitzen 90 % aller Kinder zwischen 4 und 13 Jahren ein Smartphone. Über die Hälfte der Kinder hat schon einen Computer oder ein Tablet.
Damit steht also fest – das müssen wir in der Realität einmal zur Kenntnis nehmen –, die Smartphone-Benutzer werden immer jünger. Das Smartphone ist Alltagsgegenstand unserer Kinder geworden. Die Digitalisierung ist längst in unseren Kinderzimmern angekommen, ob uns das gefällt oder nicht.
Jetzt stellt sich die Frage, wie wir als Gesellschaft mit diesem neuen Alltagsbegleiter nicht nur von uns, sondern auch von den Kindern in deren Lebenswelten umgehen. In der Tat, die Smartphones können neben ihren vielen positiven Informations-, Kommunikations-, Forschungs- und Arbeitsmittelnutzungsmöglichkeiten ohne Frage für negative Zwecke verwendet werden: in der Schule zur Störung des Unterrichts, zur Ablenkung während des Unterrichts oder bis hin zum Mobbing auf dem Schulhof.
Smartphones können für Kinder wie für uns Zeitfresser sein, das Verlangen erwecken, pausenlos in sozialen Netzwerken oder bei YouTube zu surfen und sich aufzuhalten und zum sorglosen Umgang mit persönlichen Daten verleiten.
Ohne Zweifel Schattenseiten des Smartphones, mit denen es umzugehen gilt. Die Frage, die wir heute diskutieren, ist, wie wir das schon in der Grundschule tun wollen. Ich muss ehrlich sagen, der vorliegende Antrag der AfD, ein pauschales Verbot von Smartphones in den Grundschulen einzuführen, ist meiner Meinung nach nicht die Lösung des Problems, sondern eher Ausdruck der Überforderung und Hilflosigkeit mit dem Problem;
denn das Verbannen des Smartphones aus den Klassenzimmern löst den negativen Umgang und die Gefahren und Risiken, die diese Smartphones für Kinder darstellen, nicht, im Gegenteil, die Kinder – so sagte es Herr Klomann schon – erhalten lediglich das irritierende Gefühl, dass Smartphones etwas sind, dass ihre Lehrer für schlecht halten, obwohl sie außerhalb der Schule erleben, dass alle Erwachsenen in ihrem Umfeld, ihre Eltern und ihre Lehrer, ein Smartphone besitzen und dies auch ständig benutzen.
Die Nutzung des Smartphones wird lediglich in den Alltag der Kinder außerhalb der Schulzeit verlagert, wo sie häufig unbeaufsichtigt und ohne Korrektiv und Anleitung auf sich alleine gestellt sind. Als CDU-Landtagsfraktion sind wir deshalb der Auffassung, neben dem Elternhaus ist auch die Schule ein Ort, an dem ein souveräner und selbstbestimmter Umgang mit einem Smartphone gelernt und gelehrt werden sollte.
Vernünftige Verhaltensregeln und die Auseinandersetzung mit den Chancen und Risiken, die ein Smartphone bietet, gehören fest zum Stundenplan. Für uns ab der 1. Klasse von Anfang an.
(Beifall der CDU und bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP: Richtig!)
Unsere Grundschulen sollten keine analoge Welt sein, während sich alles in der anderen Welt unserer Kinder digital entwickelt. Es muss im Interesse unserer Gesellschaft sein, so finden wir, dass Kindern in den Schulen vermittelt wird, dass Smartphones keine „Schmuddelkästen“ und sonderlich sind, sondern Arbeitsmittel. Sie sollten lernen, diese sinnvoll sowohl innerhalb wie auch außerhalb der Schule zu nutzen.
Ein Musterland, das uns dies vormacht, ist Estland. Wir waren mit dem Bildungsausschuss im Mai in Estland – Herr Paul, Sie waren auch mit dabei. Dort haben wir erlebt, wie dort ab der ersten Klasse das Smartphone im Unterricht ganz selbstverständlich eingesetzt wird, wie dort Rechenaufgaben mithilfe des Smartphones und verschiedener QR-Codes behandelt werden, sich die Lehrerin mit dem Tablet einen Überblick verschaffen kann, wer welche Aufgabe wie beantwortet hat und auf welchem Lernstand ist. Die Hausaufgaben werden über das Smartphone mitgeteilt für Eltern sowie Schüler und Lehrer. Auch Klassenarbeiten werden über die Tablets und Smartphones geschrieben und Hausaufgaben erledigt.
Auch wenn unsere Schulen in Rheinland-Pfalz noch nicht ganz so weit sind wie in Estland, entspricht das Erlernen und ein verantwortungsvoller Umgang mit den Smartphones in der Grundschule nun einmal der Lebenswirklichkeit, wenn 90 % der Kinder ein solches Gerät besitzen. Diese Geräte gehören heute zu unserer digitalen Welt dazu.
Wir finden, je früher die Kinder einen achtsamen Weg in der analogen und der digitalen Welt gemeinsam lernen, desto besser ist es für das weitere Leben. Es sollte also – so finden wir auch – jeder Schule und Klassenstufe überlassen werden, gemeinsam mit den Eltern, Lehrern und Schülern – ausdrücklich auch unter Einbindung der Schüler – Regeln für die Nutzung und den Umgang mit Smartphones in der Schule zu erarbeiten, die dann von der Schule angewandt werden. Anstatt aus Hilflosigkeit analoge Betonmauern um die Schulen zu bauen wie in der Steinzeit
und Zukunftschancen zu verspielen, appellieren wir, zukünftig einen dringend gebotenen, verantwortungsvollen Umgang mit den Smartphones noch intensiver in den Schulalltag zu integrieren.
(Beifall der CDU, der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Joachim Paul, AfD)
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin von der CDU, die Argumentation ist schon etwas eigenartig. Sie beklagen, dass die Digitalisierung längst in den Kinderzimmern angekommen ist, Sie weisen durchaus zu Recht auf die Problematik hin, die damit verbunden ist. Wir könnten jetzt eine ganze Reihe von Experten aus dem Bereich der Psychologie, der Medizin und der Pädagogik anführen, die davor warnen, Kinder mit diesen digitalen Inhalten zu überfordern und ihnen damit massiv zu schaden, Und dann kommt Ihre Schlussfolgerung: Weil das so ist, müssen wir es auch in den Grundschulen so machen. – Das ist eine völlig bizarre, in sich widersprüchliche Argumentation.
Das Gegenteil ist richtig. Gerade wenn Kinder mit digitalen Inhalten zu Hause, in ihrer Freizeit, im Kinderzimmer völlig überfrachtet werden, sollten wir Freiräume schaffen, und was ist dafür geeigneter als eine Grundschule, wo es um Rechnen, Lesen, Schreiben, das Spielen und die Kommunikation mit anderen Kindern geht?
Wenn die Franzosen ein solches Gesetz machen, haben sie sich sicherlich etwas dabei gedacht, und die Bayern ebenfalls. Bayern hat nicht umsonst eines der besten Bildungssysteme unserer Republik und erzeugt auch die besten Schulleistungen im Land. Aber Sie stellen sich hin und tun so, als sei dies eine rückschrittliche Maßnahme.
Sie sagen, Kinder müssen lernen, selbstbestimmt damit umzugehen. – Wir reden über Grundschulkinder. Wir sind uns doch wohl alle darüber einig, dass es natürlich sinnvoll ist, Kindern im Laufe ihres Heranwachsens Richtlinien an die Hand zu geben und sie zu befähigen, mit diesen digitalen Medien umgehen zu können. Aber ich behaupte einfach aus meiner Erfahrung als Vater und auch im Umgang mit vielen anderen Kindern, dass Grundschulkinder damit vollkommen überfordert sind. Wir können sie nichtallein lassen und ihnen diese Verantwortung übergeben. Wir sind als Erwachsene, wir sind als Gesellschaft gefordert. Es ist eine Bankrotterklärung jeder Pädagogik, was Sie hier dargestellt haben.
Es kann doch nicht sein, dass wir Programme auflegen, um Sprachdefizite von Kindern zu beheben – so etwas gibt es –, und gleichzeitig nichts dagegen unternehmen,
dass in den Pausen auf den Schulhöfen jedes Kind in einer Ecke steht und auf seinem Handy vor sich hindaddelt. Das ist vollkommen kontraproduktiv. Wir brauchen umgekehrt Freiräume, damit Kinder wieder miteinander spielen und kommunizieren können.
Erlauben Sie mir zum Abschluss noch eine Anmerkung zum Thema progressiv-konservativ. Die CDU war ja einmal eine konservative Partei.
Konservativ heißt im besten Sinne des Wortes, das zu bewahren, was gut ist, und nicht alles, was an Neuigkeiten plötzlich auf den Markt kommt, gutzuheißen und allem hinterherzulaufen.
Wenn Sie heute ans Rednerpult gehen und sagen, ich halte jetzt die progressivste Rede, dann wirft das auch ein bezeichnendes Licht auf die Entwicklung der ChristlichDemokratischen Union, die ehemals einmal eine konservative Partei war.
(Beifall der AfD – Zuruf der Abg. Ellen Demuth, CDU – Heiterkeit des Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU – Abg. Christine Schneider, CDU: Jetzt ist es aber gut hier! – Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Keine Ahnung, aber davon massenweise!)
Herr Frisch, bleiben Sie ganz ruhig! Wir können über das Thema sachlich diskutieren. Es gibt keinen Grund, so aufgeregt zu sein. Im Moment wird in vielen Bundesländern über das Thema diskutiert.
Es ist vollkommen richtig, die Bayern sind bisher das einzige Bundesland, das das Handyverbot 2006 eingeführt hat, aber auch dort bildet sich im Moment eine Mehrheit, diese Regelung wieder zu ändern.
Ja, Frankreich hat es eingeführt, es wird ab September in Kraft treten. Aber sehen Sie, ich halte es nicht für richtig, und ich habe Ihnen auch ausgeführt, warum. Man muss doch einmal zur Kenntnis nehmen, wie viele Kinder es schon haben. Ich war in den Sommerferien mit meiner Tochter, ebenfalls gerade über die Grundschule hinaus, im Urlaub. Die Kinder sitzen schon mit ihren Eltern am Tisch und schauen während des Essens Fernsehen, sie unterhalten sich nicht mehr und bekommen das offensichtlich sogar noch vor der Grundschule nahegebracht.
Dann kommen diese Kinder in die Grundschule, und wenn wir Ihrem Vorschlag folgen, verbieten wir dort jegliches
Sie haben mich auch falsch verstanden. Es geht überhaupt nicht darum, einen Freibrief zu geben, dass die Kinder auf dem Schulhof auf ihrem Handy herumdaddeln und chatten dürfen, sondern es soll mit den Kindern gemeinsam besprochen werden, wie ein Ablauf mit dem Handy in der Schule aussehen und wie es umgesetzt werden kann, dass man in der Schule auf dem Schulhof während der Pause in den Aufenthaltsräumen verantwortungsvoll damit umgeht. Darum geht es doch.
Es sind doch offensichtlich auch viele Erwachsene überfordert, mit dem Handy richtig umzugehen und es zu nutzen. Wir haben Kaffees, Restaurants, in denen sich viele wünschen würden – wie Sie es richtig ansprachen –, dass man dort vielleicht wieder einmal zur Kommunikation zurückkommt, anstatt nur auf das Handy zu schauen. Aber wenn wir das nicht schon den Kindern erklären und beibringen – die Schule ist einfach ein wichtiger Bestandteil der Lebensräume der Kinder –, dann wird es schwierig, je älter sie werden, dies noch zu unterrichten. Deshalb ist es doch sinnvoll, dass wir das von Anfang an tun.
Es ist doch viel schöner, das Kind kommt mittags nach Hause und sagt zu den Eltern am Esstisch: Mama, wir haben heute Morgen in der Schule gelernt, dass wir eigentlich beim Essen kein Fernsehen schauen. Das machen wir nicht. Wollen wir uns nicht lieber unterhalten?