Protocol of the Session on June 22, 2017

Der uns heute vorliegende CDU-Antrag lehnt sich, wie gesagt, stark an diesen Beschluss an. Er greift einige Gedanken und Forderungen auf. Andere lässt er hingegen weg. Er ist für uns damit ein Ansatzpunkt für die Beschäftigung des Landtags mit dem Thema und unseren Anforderungen, wie wir dem Antisemitismus in Rheinland-Pfalz begegnen sollten. Er kann aus unserer Perspektive aber eben noch nicht als ausreichend angesehen werden, weswegen auch wir gern den Antrag an den Ausschuss überweisen würden, um dort weiter zu diskutieren.

Im Bundestagsbeschluss findet sich die klare Aussage

Frau Klöckner, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie das eben noch einmal klar wiederholt haben –, dass der größte Teil antisemitischer Delikte weiterhin rechtsextrem motiviert ist und antisemitische Einstellungen und Rechtsextremismus seit Jahren stark ausgeprägt sind. Eine solche klare Feststellung, wie sie auch im Bundestagsbeschluss steht, wünschen wir uns auch für einen Landtagsbeschluss.

Der CDU-Antrag legt seinen Schwerpunkt auf den Antisemitismus unter Zuwanderern. Das ist ein Thema, dem wir uns auch sehr eindrücklich widmen wollen. Auch da bin ich der CDU dankbar dafür, dass sie es in ihrem Antrag richtig formuliert hat; denn der Antisemitismusbericht kommt nämlich ganz eindeutig zu der Erkenntnis, dass der Antisemitismus unter Zuwanderern wenig mit der muslimischen Religion, sondern in erster Linie etwas mit der Herkunftsregion der Menschen zu tun hat.

Das sind nämlich die Länder im Nahen Osten, die besonders vom Nahostkonflikt betroffen sind. Auch unter christlichen Zuwanderern aus diesen Regionen ist die antisemitische Einstellung weit verbreitet. Wir reden also nicht über ein religiöses, sondern über ein herkunftsbezogenes Phänomen. Ich glaube, das ist eine wichtige Feststellung.

Auch geht der Beschluss des Bundestags explizit auf die Verantwortung der Parteien ein, gegen den Antisemitismus in der Gesellschaft, aber insbesondere auch in den eigenen Reihen vorzugehen. Auch eine solche Selbstverpflichtung hätten wir gern in einem Beschluss des Landtags.

Zu guter Letzt fehlt uns auch die Erwähnung des Antisemitismusbeauftragten; denn es wurde eben erwähnt, dass Ministerpräsidentin Malu Dreyer gerade einen solchen berufen hat. Ich denke, dann sollten wir das auch in einem Landtagsbeschluss würdigen.

Ich möchte am Ende aber auch noch etwas zur AfD sagen. Zum einen wurde eben über den Abgeordneten Gedeon aus Baden-Württemberg gesprochen.

Herr Junge, Sie haben behauptet, er wäre aus der Fraktion ausgeschlossen worden. Das ist nicht richtig.

(Beifall der Abg. Julia Klöckner, CDU)

Die Abstimmung zum Ausschluss ist an einer fehlenden Mehrheit gescheitert. Er ist freiwillig ausgetreten und arbeitet aber weiterhin mit Teilen der Fraktion zusammen. Auch sein Parteiausschluss ist aus formalen Gründen gescheitert. Der Landesvorstand in Baden-Württemberg hat es vermieden, dieses Verfahren vor dem Bundesschiedsgericht weiterzuführen. Die Anstrengungen, die dort unternommen worden sind, sind also nicht besonders hoch.

(Zuruf des Abg. Uwe Junge, AfD – Glocke des Präsidenten)

Zum Schluss lassen Sie mich noch einmal ganz kurz aus dem Antisemitismusbericht zitieren; denn dieser geht auch auf die Parteien ein, so auch auf die AfD. Ich finde, er formuliert das sehr schön. Es gibt aber auch keinen ausgeprägten Anti-Antisemistismus bei der AfD, sieht man einmal davon ab, dass die Judenfeindschaft diskursiv den

Muslimen zugeschrieben wird.

(Glocke des Präsidenten)

Damit deutet sich ein instrumentelles Verhältnis der Partei zum Umgang mit dem Antisemitismus an. Dies erklärt auch die ambivalenten Reaktionen bei Skandalen. Die Führung distanzierte sich bei Medienberichten schnell von Vorkommnissen. Dabei wurden die entsprechenden Fälle extern und nicht intern thematisiert. Dies macht deutlich, dass ein intensives Interesse an deren Vermeidung wohl nicht besteht.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der CDU und der FDP)

Für die Landesregierung spricht nun Herr Staatsminister Professor Dr. Wolf.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Würde des Menschen ist unantastbar, so lautet Artikel 1 unseres Grundgesetzes.

(Abg. Uwe Junge, AfD: Unsere auch!)

Diese Unantastbarkeit gilt für alle Menschen in unserem Land ohne Rücksicht auf ethnische und religiöse Herkunft. Das war die zentrale Wertentscheidung der Väter und Mütter unserer Verfassung. Das müssen wir im täglichen Umgang mit unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern immer vor Augen haben. Eine Verletzung dieses Grundsatzes kann und darf es in Deutschland nicht geben.

(Beifall im Hause)

Dabei gilt es natürlich, alle rechtlichen Möglichkeiten unter besonderer Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles konsequent anzuwenden. Seien Sie versichert, dass sich in Rheinland-Pfalz die jeweils zuständigen Stellen dieser Frage mit großer Sensibilität annehmen.

Antisemitische Ressentiments existieren in allen gesellschaftlichen Bereichen und ziehen sich von ganz rechts bis ganz links quer durch alle politischen Spektren. Sie treten in verschiedenen Erscheinungsformen auf und begegnen uns im täglichen Alltag. Antisemitismus ist in unserer Gesellschaft zwar öffentlich tabuisiert, dennoch bestehen Ressentiments gegen Juden fort, die sich beispielsweise in der Ablehnung des Staates Israel zeigen. Antisemitismus zeigt sich in den letzten Jahren dabei immer öfter und unverblümter, hasserfüllter und aggressiver.

Im vorliegenden Antrag der CDU-Fraktion geht es um die Möglichkeiten, repressives Vorgehen auf seine Wirksamkeit hin zu überprüfen und präventive Maßnahmen zu intensivieren, um auf unterschiedlichste Weise Antisemitismus und antisemitischen Bestrebungen entgegenzuwirken.

Meine Damen und Herren, Reaktionen, die der Rechtsstaat vorhält, sind ein Teil des Umgangs mit Antisemitismus und Hass. Sie sind aber auch nicht das allein selig machende Instrument. Rheinland-Pfalz setzt auch auf Prävention, und das auf unterschiedlichste Art und Weise.

Das gilt für die Einrichtung eines Antisemitismusbeauftragten bei der Staatskanzlei als unbürokratische Anlaufstelle für alle Menschen, die vom Antisemitismus betroffen sind. Dabei geht es der Landesregierung um die wichtige Aufgabe, ein gesellschaftliches Klima der Akzeptanz, der Anerkennung und des Erinnerns zu schaffen.

Das gilt auch für den Integrationsbeauftragten, der sich als Leiter des Runden Tischs Islam bereits seit seinem Bestehen wiederholt mit Fragen der Bekämpfung islamischer Radikalisierung beschäftigt, und den präventiven Beitrag, den insbesondere auch islamische Gemeinden in Rheinland-Pfalz leisten können.

Das gilt für die Landeszentrale für politische Bildung, zu deren Arbeitsschwerpunkten unter anderem die Gedenkstätten- und Erinnerungsarbeit sowie das Thema Israel zählen. Das gilt für die pädagogische Arbeit in den Schulen. Dort ist in den Lehrplänen für die weiterführenden Schulen die Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus fest verankert.

Antisemitismus-Prävention spielt auch beim Programm „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ eine wichtige Rolle. Dazu dient auch die Handreichung „Antisemitismus und Migration“, die von der Bundeskoordination im September 2017 herausgegeben wurde.

Meine Damen und Herren, das Thema Antisemitismus schlägt aber auch die Brücke zur Aussprache, die wir zur Gedenkarbeit geführt haben. Natürlich haben wir heute, 80 Jahre nach der Reichspogromnacht – wir schreiben das Jahr 2018 –, kaum noch die authentischen Augenzeugen, die von der Verfolgung in ihrem Leben berichten können. Umso wichtiger ist es, dass wir authentische Formen des Erinnerns finden und pflegen.

Ich habe am Rande der Plenarsitzung anlässlich des Gedenktags für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar dieses Jahres an einem kleinen Rundgang zu Stolpersteinen in Koblenz teilgenommen. Es ist beeindruckend und auch berührend, vor Häusern zu stehen, in denen Menschen ihr Leben lang wohnten, die in der Mitte der Gesellschaft lebten und die aus dieser Mitte der Gesellschaft durch Diskriminierung, durch Verfolgung, durch Deputation herausgerissen und schließlich umgebracht wurden. Da werden Schicksale glaubhaft und authentisch letztendlich wieder zum Leben erweckt. Dies auch für junge Menschen, die natürlich weit weg sind von der Geschichte, die viele Jahrzehnte zurückliegt.

Meine Damen und Herren, Antisemitismus – das wurde häufig gesagt – ist ein Thema von uns allen, von allen gesellschaftlichen Gruppen. Herr Abgeordneter Junge, ich muss Ihnen sagen, wenn man sich dann auf eine Thematik derart fokussiert wie die Moscheegemeinden, dann begibt man sich an die Grenze der Instrumentalisierung. Dafür ist das Thema Antisemitismus bei Weitem zu wichtig. Damit müssen wir uns in allen gesellschaftlichen Bereichen

auseinandersetzen.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wenden uns gemeinsam und entschlossen genauso gegen jede Form des Antisemitismus wie gegen alle anderen ausgrenzenden Tendenzen, die bei uns in Erscheinung treten. Wir sind uns darin einig mit vielen, vielen Menschen, die sich ebenfalls in diesem Bereich engagieren.

Herzlichen Dank.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen dem Präsidium nicht vor. Wir kommen damit zum Ende der Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt. Es wurde Überweisung an den Ausschuss für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur vorgeschlagen. Wird das gemeinsam akzeptiert?

(Abg. Martin Brandl, CDU: Rechtsausschuss!)

Herr Brandl, und Rechtsausschuss oder nur Rechtsausschuss?

Federführend war in der Vorlage der Rechtsausschuss genannt. Da es durchaus auch um Dinge geht, die für die Bereiche Justiz und Recht relevant sind, halten wir es für richtig, den Antrag an den Rechtsausschuss federführend zu überweisen.

Okay. Gibt es darüber Einvernehmen?

(Abg. Martin Haller, SPD: Mitberatend Rechtsausschuss hätten wir jetzt gesagt! – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Jetzt hat doch gerade der Wissenschaftsminister geredet! – Abg. Martin Haller, SPD: Also mitberatend Rechtsausschuss!)

Kann akzeptiert werden, federführend Rechtsausausschuss und mitberatend Wissenschaftsausschuss?

(Abg. Julia Klöckner, CDU: Ach kommt, das ist doch unser Antrag! Es ist doch okay, wenn wir das machen!)

Der Vorschlag lautet also, federführend Rechtsausschuss und mitberatend Wissenschaftsausschuss. Es gibt keinen Widerspruch. Dann beschließen wir das so. Vielen Dank.

Ich rufe Punkt 18 der Tagesordnung auf:

Erhalt der Artenvielfalt und Forschung an invasiven Arten in Zoos ermöglichen

Antrag der Fraktionen der SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/5424 –