Protocol of the Session on January 25, 2018

(Vereinzelt Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Ich will das hier noch einmal in aller Deutlichkeit sagen, ich habe kein Interesse an emotional aufgeladenen Debatten über die unterschiedlichen Messinstrumente der Altersfeststellung. Ich möchte die bestehenden Gesetze anwenden, so wie es im Übrigen alle Bundesländer tun, weil es bestehende Rechtslage ist.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Saarland! – Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Leverkusen!)

Sehr geehrte Abgeordnete der CDU-Fraktion, Herr Kessel, es ist natürlich schon eine kuriose Situation, wenn man hier als grüne Ministerin steht und ein Gesetz verteidigen muss, das eine CDU-geführte Bundesregierung erlassen hat und dem von Bayern bis Sachsen alle CDU/CSU-geführten Landesregierungen zugestimmt haben.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei SPD und FDP)

Das Saarland hat sich als einziges Bundesland bundesweit entschieden, das Verfahren der Altersfeststellung auf Landesebene zu organisieren. Das wurde auch schon angesprochen. Aber alle anderen Bundesländer handhaben das anders. Für ein Flächenland wie Rheinland-Pfalz ist es auch gut, dass wir den Weg der Schwerpunktjugendämter gegangen sind, übrigens gemeinsam und mit der einstimmigen Zustimmung der entsprechenden Gremien der kommunalen Spitzenverbände.

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: So ist es!)

Auch wenn die AfD-Fraktion zum x-ten Mal will, dass wir als Landesregierung einfach einmal so in die kommunale Selbstverwaltung eingreifen, die Kinder- und Jugendhilfe unterliegt der kommunalen Selbstverwaltung, und wenn wir als Landesregierung hier in die 41 rheinland-pfälzischen Jugendämter eingreifen würden, würde das den rechtlichen Grundsätzen der Kinder- und Jugendhilfe widersprechen. Das wäre ein Untergraben des Rechtsstaats. Ich möchte das an dieser Stelle nur klarstellen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei SPD und FDP)

Das würde damit auch dem Umgang der Landesregierung mit unseren Kommunen widersprechen; denn wir achten die kommunale Selbstverwaltung. Natürlich kann die Landesregierung die kommunale Praxis unterstützen und beraten. Das tut sie auch. Insbesondere dem Landesjugendamt kommt hier eine Schlüsselrolle zu. Die Beratung und Unterstützung der Jugendämter in Rheinland-Pfalz ist Kerngeschäft des LSJV.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben die Jugendämter zur Zahl der Altersfeststellung im Jahr 2017 befragt. Ich möchte mich bei den Jugendämtern ganz herzlich für ihre Unterstützung bedanken; denn 41 der 41 kommunalen Jugendämter haben geantwortet. Wichtig ist festzuhalten, Altersfeststellungen wurden nur in 27 der 41 Jugendämter durchgeführt. In den anderen Jugendämtern gab es keine vorläufigen Inobhutnahmen.

An der Grundtendenz, die ich bereits letzte Woche im Integrationsausschuss vorgestellt habe, hat sich nichts geändert. In 59 Fällen konnten die jungen Menschen Ausweispapiere vorlegen. In 455 Fällen haben die Jugendämter eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durchgeführt, und in acht Fällen wurde eine medizinische Untersuchung durchgeführt. In 25 % der Fälle kam es nach der Begutachtung durch die Jugendämter zu einer Alterskorrektur, eine Alterskorrektur nach oben oder nach unten wohlgemerkt.

So wurden in 16 % der Fälle die Jugendlichen als volljährig eingestuft und in die Erstaufnahmeeinrichtung gebracht. In 9 % der Fälle stellte sich aber heraus, dass sie noch jünger waren als angenommen. So viel auch zu dem im Antrag aufgebauten Generalverdacht, dass alle immer älter seien als angenommen, meine Damen und Herren.

(Abg. Matthias Joa, AfD: Das hat niemand gesagt!)

Nachdem die Befragung der Jugendämter nunmehr abgeschlossen ist, werden wir die Ämter mit den höchsten Zahlen von behördlichen Alterseinschätzungen einladen. Wir werden uns das konkrete Verfahren auch im Zusammenspiel mit den Ausländerbehörden anschauen und besprechen. Die Ergebnisse werden dann in den Leitfaden für Rheinland-Pfalz Eingang finden.

Am Ende werden wir dann abschließend die Jugendämter zu einem Fachgespräch einladen, um ein Mehr an Handlungssicherheit zu schaffen. Wir brauchen eine sachliche Diskussion über das Verfahren der Identitätsfeststellung, zu der auch die behördliche Altersfeststellung gehört. Aber was wir nicht brauchen, das ist Stimmungsmache, das sind Pauschalisierungen und Augenwischerei hinsichtlich der angeblichen Genauigkeit von medizinischen Methoden.

Ich glaube, wir alle wissen, dass es bei der Intention dieses Antrags nicht darum geht, die Altersfeststellung zu verbessern, sondern es geht darum, Stimmung gegen junge Geflüchtete zu machen. Es ist auch traurig, dass im Antrag eine Sprache benutzt wird, die beispielsweise abwertend von Asylanten spricht. Ich hoffe sehr, dass wir es schaffen, zu einer Versachlichung der Debatte zurückzukehren; denn das ist auch das, von dem die Bürgerinnen und Bürger im Land am meisten profitieren würden.

Herzlichen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Für eine Kurzintervention hat der Abgeordnete Frisch das Wort.

(Abg. Hans Jürgen Noss, SPD: Das ist immer derselbe!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrte Frau Ministerin, Sie haben einmal wieder die altbewährte Strategie angewendet, die Position der AfD so zu verzerren, dass sie eigentlich nichts mehr mit dem zu tun hat, was ich hier gesagt habe. Sie stellen Dinge klar, die vorher gar nicht so vorgetragen worden sind. Sie bauen einen Popanz auf, der mit der Realität nichts zu tun hat, und anschließend schlagen Sie auf diesen Popanz drauf. Das ist billig.

(Beifall der AfD – Heiterkeit des Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe hier wirklich sehr detailliert mit Zahlen und Fakten argumentiert. Das war keine Stimmungsmache, das war eine ganz glasklare Offenlegung, ein klarer Nachweis dessen, dass hier in Rheinland-Pfalz eben nicht nach Recht und Gesetz verfahren wird.

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist doch Unsinn!)

Sie haben eine Rechtsaufsicht auch über die kommunalen

Jugendämter. Wenn Sie den Eindruck haben, dass dort nicht umgesetzt wird, was im Bundesgesetz steht, dann ist es Ihre Pflicht, einzuschreiten. Ich frage mich in der Tat: Wie können Sie sich bei 99 % aller Fälle, in denen auf eine medizinische Kontrolle verzichtet wird, ernsthaft hier hinstellen und behaupten, man würde die gesetzliche Verpflichtung einhalten, in Zweifelsfällen medizinische Kontrollen durchzuführen?

Gibt es wirklich in Rheinland-Pfalz nur 1 % an Zweifelsfällen? In anderen Ländern, im Saarland, gibt es 52 %. Die Schweden haben 80 % an Falschangaben herausgefiltert. Haben wir hier tatsächlich nur die ehrlichen minderjährigen Flüchtlinge, oder leiden Sie an Realitätsverweigerung?

Es geht auch nicht um eine genaue Altersfeststellung, das haben wir ganz klar gesagt. Es geht um eine Mindestaltersfeststellung. Die ist vollkommen ausreichend, weil immer davon ausgegangen wird, dass im Zweifelsfall auch bei den medizinischen Verfahren natürlich für den Betroffenen entschieden wird. Wenn jemand dann im medizinischen Verfahren mit plus oder minus zwei Jahren Sicherheitsdifferenz als 19-Jähriger diagnostiziert wird, gilt er als Minderjähriger, und das ist auch richtig so. Aber gerade die anderen Länder haben ja gezeigt, dass sie in einer hohen Zahl faktisch Volljährige ermittelt haben. Deshalb brauchen wir die besten Verfahren, und das sind hier in der Tat die medizinischen Verfahren.

Es geht auch nicht darum, ein Bundesgesetz zu verteidigen. Es geht darum, dass Sie es schlichtweg anwenden, Frau Ministerin.

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das hat mit der Ministerin nichts zu tun!)

Das passiert in Rheinland-Pfalz nicht. Ich finde es auch sehr schade, dass Sie nichts zu den Folgen gesagt haben. Das Problem dieser defizitären Altersfeststellung liegt ja vor allem darin, welche Folgen sie hat. Das sind nicht nur die Finanzen, das sind auch Sicherheitsfragen. Das sind Fragen der Abschiebung in späterer Zeit, das sind Fragen einer Strafbarkeit oder der Anwendung des Jugendstrafrechts, je nachdem, ob jemand als minderjährig oder volljährig eingestuft wird.

Ich möchte zum Schluss nur darauf hinweisen, dass wir in Kandel jetzt auch darüber diskutieren. Wir haben nie behauptet, dass dieser junge Mann volljährig ist. Aber was werden Sie den Eltern, was werden Sie Mias Familie sagen, wenn sich tatsächlich herausstellen sollte, dass es sich bei diesem jungen Mann eben nicht um einen 15-jährigen, sondern um einen volljährigen Asylbewerber gehandelt hat?

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Zur Antwort die Staatsministerin Spiegel.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte zum Schluss meiner Rede gesagt, dass ich sehr an einer Versachlichung der Debatte interessiert bin. Zu einer Versachlichung der Debatte gehört für mich auch, dass wir nicht Äpfel mit Birnen vergleichen; denn wir könnten hier unterschiedliche Bundesländer und unterschiedliche Städte anführen. Ich könnte beispielsweise anführen, dass auch Stuttgart eine Korrekturquote von rund einem Drittel hat – also vergleichbar mit dem Saarland –, allerdings mit der qualifizierten Inaugenscheinnahme arbeitet. Ich könnte anführen, dass die rheinland-pfälzischen Zahlen zwar nicht identisch, aber nahezu vergleichbar mit den Zahlen in Niedersachsen sind.

Aber Fakt ist doch auch, dass wir bundesweit eben keine validen, verlässlichen, genauen Zahlen haben. Solange wir sie nicht haben, rate ich davon ab, Äpfel mit Birnen zu vergleichen; denn das ist keine sachliche Debatte.

Herzlichen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei SPD und FDP)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Es gibt auch keinen Antrag auf Ausschussüberweisung.

(Zurufe von der AfD: Doch!)

Ja, dann muss er auch gestellt werden.

Die AfD beantragt also offensichtlich eine Ausschussüberweisung. Wer der Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Familie, Jugend, Integration und Verbraucherschutz zustimmt, den darf ich um das Handzeichen bitten! – Danke. Gegenstimmen? – Dann ist die Ausschussüberweisung mit den Stimmen von SPD, CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der AfD abgelehnt.

Damit kommen wir zur unmittelbaren Abstimmung über den Antrag der AfD-Fraktion – Drucksache 17/5144 –. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Danke. Gegenstimmen? – Damit ist dieser Antrag mit den Stimmen von SPD, CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der AfD abgelehnt.

Ich rufe Punkt 18 der Tagesordnung auf:

Mehr Studienplätze für Humanmedizin in Rheinland-Pfalz schaffen, um dem Landarztmangel entgegenzuwirken Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 17/5147 –

Für die CDU-Fraktion spricht Dr. Enders.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf die Gefährdung der ärztlichen Versorgung in

Rheinland-Pfalz weist die Ärzteschaft bereits seit Jahren hin. Die Landesregierung steht der Entwicklung aber noch immer ohne ein geeignetes Konzept gegenüber.

Die Zukunft der Ärzteversorgung in unserem Land kann – darin sind wir uns sicher einig – nur mit einem Bündel von Maßnahmen gesichert werden. Dazu gehören auch zusätzliche Studienplätze.