Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Eigentlich sollte der Bundesrat in Berlin am vergangenen Freitag einen weiteren Baustein in der Asylpolitik der Großen Koalition auf den Weg bringen.
Algerien, Tunesien und Marokko sollten zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden. Doch die geplante Abstimmung wurde wegen des Widerstands der Bundesländer mit grüner Regierungsbeteiligung wie bereits vor der Landtagswahl am 13. März erneut verschoben.
Sehr geehrte Damen und Herren der rheinland-pfälzischen Landesregierung, nun spielen Sie wieder einmal auf Zeit und blockieren eine wichtige politische Entscheidung.
Mit Ihrer angekündigten und im Ministerrat schon beschlossenen Enthaltung, die abstimmungstechnisch einem Nein gleichkommt, zeigen Sie Ihren eigenen Parteigenossen im Bund die Rote Karte,
nur weil Sie sich in dieser Frage mit Ihrem kleinsten Koalitionspartner in Rheinland-Pfalz nicht grün sind.
Das ist sehr bedauerlich, da Sie mit Ihrer Verweigerungshaltung das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Politik beschädigen
(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was ist mit der CDU in Hessen? – Abg. Christian Baldauf, CDU: Habt ihr keine eigene Meinung?)
Sie können nicht die Flüchtlingspolitik unserer Kanzlerin vollmundig loben und, wenn es darauf ankommt, mit beiden Füßen auf der Bremse stehen.
Die Anerkennungsquote für Asylbewerber aus den drei Maghreb-Staaten ist äußerst gering. Nur ein halbes Prozent der Antragstellungen aus Tunesien werden aktuell anerkannt, aus Marokko sind es 2,2 % und bei den Asylbewerbern aus Algerien lediglich 1,4 %. Das liegt daran, dass die Menschen aus den Maghreb-Staaten zum ganz überwiegenden Teil aus asylfremden, zumeist aus wirtschaftlichen Gründen, nach Deutschland kommen. Dementsprechend gering sind deren Bleibechancen; denn Armutsmigration – das sage ich noch einmal deutlich an die Adresse der Grünen – ist kein Menschenrecht.
(Beifall der CDU und bei der AfD – Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Darum geht es doch überhaupt nicht! Informieren Sie sich doch erst einmal, bevor Sie reden!)
Die Bearbeitung von Asylanträgen, die absehbar negativ beschieden werden, kostet Zeit und Geld und belastet die Behörden unnötig.
Im Falle einer entsprechenden Einstufung der drei nordafrikanischen Staaten könnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge schneller über die annähernd 100 % unbegründeter Anträge entscheiden
mit der Konsequenz, dass die Bundesländer so schneller Rechtssicherheit bekämen, zügig zurückführen könnten und dadurch mehr Kapazitäten und Zeit für die Betreuung und Integration von berechtigten Asylbewerbern und Flüchtlingen zur Verfügung stünden. Zudem würde damit ein deutliches Signal an die Menschen in ihren Herkunftsländern gesendet. Die dort lebenden Menschen machen sich nicht auf den Weg, wenn sie wissen, dass ihre Bleibechancen gering sind und sie innerhalb kürzester Zeit wieder zurückgeführt werden.
Das alles sind also gewichtige Gründe, der Gesetzesvorlage im Bundesrat zuzustimmen. Als Hauptargument gegen die Einstufung von Marokko, Tunesien und Algerien als sichere Herkunftsländer wird die Verfolgung von Minderheiten in den besagten Maghreb-Staaten angeführt.
Das mag auf den ersten Blick eine berechtigte Perspektive sein, allerdings ist es schlichtweg falsch zu behaupten, Verfolgte aus diesen Staaten hätten keine Chance mehr, Asyl zu erhalten, wenn eine entsprechende Einstufung erfolgt, Herr Dr. Braun.
Auch nach der Einstufung als sicheres Herkunftsland können individuelle Verfolgungsgründe jederzeit geltend gemacht werden. Jeder, der politisch oder aufgrund seiner Neigungen verfolgt wird, erhält auch weiterhin Asyl in Deutschland. Niemand muss trotz Verfolgung in seinem Herkunftsland zurückkehren.
Nur die Beweislast wird umgedreht, das heißt, der Antragsteller muss seine Verfolgungssituation glaubhaft darlegen und nachweisen.
Seit 1. Juni hat Rheinland-Pfalz die Bearbeitungszuständigkeit für Flüchtlinge und Asylbewerber aus Algerien und Marokko. Das heißt, für Rheinland-Pfalz gilt nicht mehr wie vor der Wahl, dass Rheinland-Pfalz davon nicht betroffen ist.
Eine solche Haltung trägt nicht dazu bei, Überfremdungsängste in der Bevölkerung abzubauen, sondern ist vielmehr Wasser auf die Mühlen derer, die sich diese Ängste der Menschen zunutze machen.
Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, deshalb fordere ich Sie auf, legen Sie Ihre innerkoalitionären Dissonanzen bei, und verhindern Sie nicht dringend gebotene Maßnahmen der Flüchtlingspolitik. Machen Sie nicht den gleichen Fehler wie im vergangenen Jahr, als Sie der Ausweitung der Liste der sicheren Herkunftsländer auf die Balkanstaaten im Bundesrat blockierten.
Stimmen Sie der Aufnahme der drei Maghreb-Staaten in die Liste der sicheren Herkunftsländer zu. Das wäre ein wichtiges Signal für die Menschen in den betroffenen Ländern, aber auch für die Menschen in unserem Land, die von ihren Volksvertretern erwarten, dass sie den Zielkonflikt zwischen der Politik der offenen Arme und den Grenzen der Integrationsfähigkeit unserer Gesellschaft im Sinne einer humanitären, aber differenzierten Flüchtlingspolitik lösen.
Als Nächstes erteile ich Herrn Abgeordneten Roth von der Fraktion der FDP das Wort. – Bitte schön, Herr Roth.