Protocol of the Session on May 30, 2017

Liebe CDU-Fraktion, mit einem sehr, sehr intensiven Studium Ihrer Großen Anfrage zum Strafvollzug hätten Sie ihr das entnehmen können. Darin wird nämlich darauf abgehoben, dass ein Landeskonzept entwickelt wird, um allen muslimischen Gefangenen in Rheinland-Pfalz eine religiöse und seelsorgerische Betreuung anbieten zu können.

Ziel ist es, eine strukturierte und fachlich qualifizierte religiöse Betreuung umzusetzen, die möglichst viele muslimische Gefangene erreicht. Der Weg dorthin stellt aber alle Bundesländer vor eine besondere Herausforderung. Es gibt nämlich einen Mangel an dementsprechend ausgebildetem und von den Verbänden unabhängigem Personal, also in diesem Fall Islamwissenschaftlerinnen und Islamwissenschaftlern.

Wenn wir sagen, der Islam gehört zu Deutschland, dann gehört er auch zu Rheinland-Pfalz. Deshalb ist es sehr sehr wichtig, dass wir uns der seelsorgerischen Betreuung muslimischer Gefangener widmen. Was die CDU aber heute in ihrer Aktuellen Debatte macht, ist bedauerlich. Sie vermengen dieses Thema – das wir durchaus diskutieren müssen – der Betreuung und der Abwendung von Radikalisierung mit DITIB und Türkei. Das ist unzulässig.

(Abg. Joachim Paul, AfD: Wieso sagen Sie, dass das unzulässig ist?)

Das sind zwei ganz andere Baustellen, und wir müssen klarstellen, dass das nichts miteinander zu tun hat.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP – Abg. Michael Frisch, AfD: Das entscheiden Sie? – Zurufe der Abg. Julia Klöckner und Dr. Adolf Weiland, CDU)

Die bedauerliche Entwicklung in der Türkei und die Einflussnahme auf in Deutschland lebende Türkinnen und Türken haben wir hier schon diskutiert, und wir haben uns kritisch zu DITIB geäußert.

Frau Klöckner, in Ihrer Rede sind Sie auch auf das Thema der Radikalisierung eingegangen. Sie sind auch auf das Thema der Hassprediger eingegangen.

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Einfach alles mal mitgenommen!)

Wenn Sie das nicht hätten vermengen wollen, dann hätten Sie nicht im Titel der Aktuellen Debatte von Radikalisierung gesprochen. Tun Sie also nicht so empört!

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: So ist es!)

Ganz ehrlich: Wenn man die Themen des Islams, der Türkei und der Radikalisierung in einen Topf wirft und miteinan

der vermengt, hätte ich mir wirklich mehr Differenziertheit von der CDU erwartet, als Sie heute an den Tag gelegt haben.

(Zuruf der Abg. Julia Klöckner, CDU)

Sie sprechen in Ihrem Titel von dem Verzicht der Landesregierung auf eine Sicherheitsüberprüfung, und Sie als Fraktionsvorsitzende schieben eine Aufforderung hinterher, der Verfassungsschutz möge diese Überprüfung durchführen. Frau Klöckner, hier hilft ein Blick ins Gesetz, nämlich in das Landesverfassungsschutzgesetz. Dort steht: Die Verfassungsschutzbehörde hat die Aufgabe, verfassungsfeindliche Bestrebungen systematisch zu beobachten, soweit tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht vorliegen. – Das ist § 5 Landesverfassungsschutzgesetz.

(Zuruf des Abg. Joachim Paul, AfD)

In jedem Fall aber muss es sich hierbei um mehr als bloße Vermutungen, Spekulationen oder Hypothesen handeln und auch um mehr als nur Aufforderungen durch die Oppositionsführerin.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Generell sollte uns die Arbeit des Verfassungsschutzes wichtiger sein, als dass wir sie politisch motivierten Aufforderungen anheimstellten.

(Zurufe von der AfD: Aha!)

Es müssen konkrete und bereits auf einen bestimmten Umfang verdichtete Umstände vorliegen. Diese Voraussetzungen liegen bei den Imamen nicht vor. Damit existiert keine rechtliche Grundlage für eine Überprüfung. Anders war die Situation in Nordrhein-Westfalen. Schaut man sich die Fakten an, hat man dies gegenwärtig und stellt nicht eine solche Forderung in den Raum.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihre Aktuelle Debatte lässt eine hinreichende Aktualität aber vermissen. Wir haben das Thema mehrfach im Rechtsausschuss gehabt. Wir haben es als Gegenstand von Anträgen hier im Plenum gehabt.

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Dann lösen Sie es doch endlich!)

Sie vermengen unsachlich das Thema der DITIB, des Islams und der Radikalisierung, und Sie kritisieren eine angebliche Untätigkeit. Die Motivation, die tatsächlich dahintersteht, möchte ich wirklich einmal infrage stellen.

(Zurufe des Abg. Christian Baldauf, CDU und des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

Das ist gefährlich

(Glocke des Präsidenten)

und unsachlich. Deswegen leisten Sie mit Ihrer Aktuellen Debatte keinen Beitrag für das friedliche Miteinander von Religionen hier in Rheinland-Pfalz.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP – Zurufe von der CDU: Ui, ui, ui!)

Für die Landesregierung spricht Herr Justizminister Mertin.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich darf zunächst feststellen, die Landesregierung hat weder mit DITIB noch irgendeiner anderen Organisation, die sich mit Religion islamischer Art in Deutschland beschäftigt, eine Verabredung.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: So ist es!)

Auch nicht mit irgendeinem Moscheeverein. Haben wir nicht, haben wir nie abgeschlossen.

Wir haben lediglich vor etwa 20 Jahren mit dem türkischen Konsulat verabredet, dass es dem Konsulat im Rahmen der konsularischen Betreuung ermöglicht wird, für eigene Staatsangehörige – nämlich türkische Staatsangehörige – einen Religionsbeauftragten zu benennen, der im Rahmen der konsularischen Betreuung, zu der wir nach dem Wiener Übereinkommen verpflichtet sind, die religiöse Betreuung türkischer Staatsangehöriger, soweit diese das freiwillig wollen und in Anspruch nehmen, übernehmen kann.

Zu diesem Zweck durfte uns der türkische Konsul die entsprechenden Personen benennen. Diese Benennung erfolgt im Rahmen der konsularischen Betreuung, und das ist der große Unterschied zu Nordrhein-Westfalen, Frau Abgeordnete Klöckner. Nordrhein-Westfalen hat das System weit darüber hinaus geöffnet, hat die Moscheevereine, DITIB und die vom Generalkonsulat benannten Religionsbeauftragten nicht nur für die türkischen Staatsangehörigen, sondern für alle Muslime geöffnet.

Wenn Sie das so machen, dann haben Sie auch die Möglichkeit, zu regulieren, wie sie den Zugang öffnen. Das haben wir in Rheinland-Pfalz nie getan. Hier ist es immer nur bei der konsularischen Betreuung durch den Generalkonsul geblieben.

(Zuruf der Abg. Julia Klöckner, CDU)

Der Generalkonsul schickt die Personen, die er für richtig hält, seinen Religionsbrüdern.

(Abg. Julia Klöckner, CDU: Und das nehmen Sie hin!)

Er und nur er ist mein Ansprechpartner. Seit 20 Jahren funktioniert das reibungslos.

(Abg. Joachim Paul, AfD: Das war damals eine andere Türkei!)

Wir haben nie ein Problem gehabt. Ich kann diese Praxis also nicht einfach kündigen, sondern benötige dafür eine andere Regelung, einen Verstoß, damit ich dagegen vorgehen kann.

Frau Kollegin Klöckner, ich stimme Ihnen gern zu, dass man sich angesichts der Zustände in der Türkei seit zwei Jahren nicht unbedingt wohlfühlt mit dieser Regelung. Wenn ich aber im konsularischen Bereich Dinge verändere, muss ich mir vergegenwärtigen, welche Auswirkungen das hat.

Sehen Sie, der „WELT“-Korrespondent Yücel ist in der Türkei verhaftet. Die Türkei hat gesagt: Wir lassen den deutschen Konsul nicht zu ihm, obwohl er deutscher Staatsangehöriger ist. – Die Türkei hat gesagt: Wir lassen ihn nicht zu ihm, weil er auch türkischer Staatsangehöriger ist. – Daraufhin hat das Auswärtige Amt alle Bundesländer gefragt, wie wir das in Deutschland handhaben. Wir aus Rheinland-Pfalz haben mitgeteilt, wir handhaben es so, dass in solch einem Fall der andere Staat zur konsularischen Betreuung zugelassen wird. Ich nehme an, die anderen Bundesländer haben ähnlich geantwortet.

Dieses Ergebnis ist – vermutlich auf diplomatischem Wege – der Türkei mitgeteilt worden; denn einige Tage später durfte der deutsche Konsul zu Herrn Yücel gehen.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Interessant!)

Das Problem entsteht nämlich, wenn Sie eine Regelung auf konsularischem Gebiet „einfach so“ aussetzen. Ich hätte sagen können, wenn der Türke das nicht macht, dann mache ich das auch nicht. Wenn ich hier zugemacht hätte, dann wäre der deutsche Konsul nie zu Herrn Yücel gekommen. Das Gleiche gilt für die religiöse Betreuung.

Ich möchte, dass der türkische Staat im Verhältnis zu Deutschland verpflichtet ist, einem dort inhaftierten christlichen Deutschen den Zugang zu einem Geistlichen zu ermöglichen. Dazu gehört, dass ich das hier auch zulasse.

(Starker Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

Frau Klöckner, genau so ist das im Verhältnis der konsularischen Übereinkommen.