Protocol of the Session on October 6, 2016

Nein, Sie haben darüber geredet, dass sich das nach dem Brexit und dem Austritt innerhalb der EU anders verteilt. Deswegen müssten wir jetzt dafür sorgen, dass dann möglicherweise eine deutsche Leitsprache Einzug hält.

Ich will einmal darauf eingehen, wer welche Sprache spricht. 10 % der Europäer haben Deutsch als Fremdsprache gewählt. Das heißt, insgesamt sprechen rund 30 % der EU-Bürgerinnen und -Bürger Deutsch. Deutsch ist die Muttersprache von knapp 20 % der EU-Bürgerinnen und -Bürger. Zum Vergleich: Englisch ist mit 47 % die meistgesprochene Sprache in der EU,

(Abg. Michael Frisch, AfD: Aber nicht die Muttersprache!)

davon 13 % muttersprachlich und 34 % fremdsprachlich, vermittelt in Schulen und Universitäten. Französisch liegt mit 23 % in der Verbreitung sogar hinter Deutsch auf Platz 3. Das heißt, wir liegen davor.

Wenn man es so macht wie die Polen – weil Sie auf die Wissenschaft eingehen – und sagt, es finden keine ERASMUSStudienprogramme mehr statt, weil wir sie nicht mehr auf Englisch unterrichten, dann nimmt von allein die Zahl der Studierenden ab. Dann muss man hinterfragen, ob dadurch, was Sie mutmaßen, der Zugang zu Wissenschaft, Forschung, Hochtechnologie und Weiterentwicklung innerhalb Europas eher oder weniger gewährleistet ist. Ich muss feststellen, dass das dann unter diesen Voraussetzungen weniger der Fall ist. Genau das passiert auch. In Polen können wir das beobachten.

Die ERASMUS-Zahlen bei den Studierenden belegen, dass dann, wenn kein Englischkurs für ERASMUS im Austauschprogramm angeboten wird, das nicht angenommen wird. Wenn wir Englisch nicht als Fremdsprache vermitteln, können wir diese auch nicht in der EU nutzen. Wenn wir eine andere Sprache als Fremdsprache nicht vermitteln, können wir das auch nicht. Das heißt, wir reduzieren unsere eigenen Möglichkeiten zur Kommunikation, wenn wir das tun würden, was Sie verlangen, nämlich ausschließlich in Deutsch zu kommunizieren und alles auf Deutsch zu verlangen und uns nicht mehr auf die anderen einzustellen.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Das steht da doch gar nicht!)

Das ist der Duktus Ihres Antrags. Es weht diesmal wieder der Wind einer Lightsprache durch diesen Plenarsaal. Den kann ich so nicht stehenlassen. Ich hoffe, dass ich Ihnen damit gezeigt habe, dass wir keine Wiederholungen wollen. Es ist wichtig, dass wir die Vielfalt der Sprache auch in der Kultur leben, damit wir uns innerhalb Europas auch in Friedensangelegenheiten weiter verständigen können; denn Europa ist ein Friedensprojekt.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann hat für die Landesregierung Frau Staatssekretärin Raab das Wort. Bitte schön.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vieles Wichtige und Richtige ist schon gesagt worden. Lassen Sie mich aber in einigen wenigen Worten die Haltung der Landesregierung zum Thema Sprachenvielfalt und Sprachengerechtigkeit ausführen.

Rheinland-Pfalz ist ein Land im Herzen Europas mit Außengrenzen nach Frankreich, Luxemburg und Belgien. Insofern ist das für uns ein wichtiges Thema. Ich darf aber hinzufügen: Persönlich als Mitglied im Ausschuss der Regionen und Teil der Europaministerkonferenz und auch für die Landesregierung sage ich, wir lösen gerne Probleme, wo Probleme gelöst werden müssen, aber mir scheint – das ist auch schon ausgeführt worden –, beim Thema Sprachenvielfalt und Sprachengerechtigkeit ist dies nicht

der Fall.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Ministerrat und der Europaausschuss konnten sich vergangene Woche auch wieder bei ihrem Aufenthalt in Brüssel davon überzeugen, dass Sitzungen des Europäischen Parlaments, der Kommission, des Gerichtshofs, des Ausschusses der Regionen, des europäischen Wirtschaftsund Sozialausschusses oder des Rats der Ständigen Vertreter, wie Frau Lemke schon ausführte, in die 24 Amtssprachen der Mitgliedstaaten und in Deutsch auch simultan übersetzt werden.

Deutsch gehört zum engeren Kreis der institutionellen Amtssprachen. Ich darf auch sagen, es gewinnt aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung und der geografischen Lage Deutschlands innerhalb der EU zunehmend an Bedeutung und weltweit an Gewicht.

Im Antrag gehen Sie besonders auf den EuGH in Luxemburg ein. Deshalb möchte ich an dieser Stelle noch einmal feststellen, Deutsch ist wie alle anderen Amtssprachen der EU hier Verfahrenssprache. Die Verfahrensordnung des EuGH stellt sicher, dass ein Verfahren in einer Sprache geführt wird, die den Parteien den Zugang zum Gerichtshof ohne sprachliche Hürden garantiert. Kläger oder Klägerin wählen die Verfahrenssprache selbst aus. Klagt die EU-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland oder legt ein deutsches Gericht dem EuGH eine Frage zur Vorabentscheidung vor, ist Deutsch automatisch Verfahrenssprache.

Sie behaupten in Ihrem Antrag ferner, Gesetzentwürfe aus Brüssel sollten Bundestag und Bundesrat deutlich schneller als gegenwärtig üblich in deutscher Sprache zugesandt werden. Gestatten Sie mir ein Beispiel aus der letzten Sitzung des Bundesrats, die am 23. September stattfand. Da ging es um die Kommissionsmitteilung zu einer neuen europäischen Agenda für Kompetenzen, zu der der Bundesrat Stellung genommen hat. Die wurde am Tag ihrer Veröffentlichung an den Bundesrat übermittelt und umgedruckt. Gestatten Sie mir die Aussage: Wir erachten es im Länderkreis nicht nur als zeitgemäß, sondern als termingerecht, wenn das am selben Tag geschieht. Wo also liegt das Problem?

Rheinland-Pfalz und der Bund engagieren sich für Deutschunterricht. Wir tun das im grenzüberschreitenden Bereich von Kitas und von Schulen. Wir tun das auch für die Bediensteten der europäischen Organisationen sowie für hohe Beamte der Mitgliedstaaten. Wir tun es aber auch für Menschen, die aus anderen Ländern zu uns nach Rheinland-Pfalz kommen.

Genauso entscheidend ist es aber auch für ein exportorientiertes Land wie Rheinland-Pfalz – wir gehören immer noch zu den Exportweltmeistern –, dass Mehrsprachigkeit an unseren Schulen gepflegt wird.

Kommen wir zum Englischen. Erlauben Sie mir an dieser Stelle einzuwerfen, dass wir als Land Rheinland-Pfalz es begrüßt hätten, wenn wir uns heute nicht über den Brexit unterhalten müssten, sondern wenn Großbritannien wei

terhin Teil der Europäischen Union geblieben wäre. Wir müssen uns nun mit den Fragen auseinandersetzen, ob und wann das Austrittsgesuch erfolgt und wie wir die vier Grundfreiheiten in der Europäischen Union gewährleisten können. Genauso offen, wie diese Fragen sind, ist auch das künftige Sprachregime noch offen; denn nach dem heutigen Stand würde Englisch nach dem Ausscheiden Großbritanniens möglicherweise keine Amtssprache der EU mehr sein, da Großbritannien als einziger Staat Englisch als Amtssprache angemeldet hat.

Irland und Malta, die nach Großbritannien Mitglieder der EU wurden, haben Gälisch und Maltesisch auf die Liste der Amtssprachen setzen lassen. Die befinden sich mit dem Englischen eben unter den 24 Amtssprachen.

Wenn ich aber nun das Thema der internationalen Beziehungen und des globalen Handels anspreche, ist das von der Kommunikation geprägt. Wir sprechen mit dem Deutschen eine Muttersprache, die die am zehnthäufigsten gesprochene Sprache auf der Welt ist. Neben uns und Ihnen sind es insgesamt 105 Millionen Muttersprachler. Insgesamt 185 Millionen Menschen beherrschen das Deutsche. Dann folgen auf den nächsten Plätzen Bengali, Portugiesisch, Russisch, Arabisch, Französisch, Spanisch, Hindi, Chinesisch, aber an erster Stelle bleibt das Englische.

Circa 1,5 Milliarden Menschen sprechen diese Sprache, davon 375 Millionen Muttersprachler. Deshalb bin ich, unabhängig davon, ob Englisch nach dem Brexit Amtssprache bleibt oder nicht, überzeugt – gestatten Sie mir den lateinischen Ausdruck –, dass diese Lingua Franca bleiben wird, auf den Korridoren der EU, in internationalen Konferenzen und auf den Flughäfen. Dabei wird die Sprachenvielfalt und Sprachengerechtigkeit auf der Welt nicht verloren gehen.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Abgeordneten Schmidt von der Fraktion der AfD das Wort.

Sehr geehrte Frau Staatssekretärin, Sie haben auch ein Plädoyer für das Englische als Verkehrssprache der Europäischen Union abgegeben. Wir haben das vorher schon von der CDU gehört. Das kann man so machen. Ich habe aber nicht zuletzt für eine Stärkung der Mehrsprachigkeit plädiert.

Ich bin unter anderem im Oberrheinrat. Ich habe mich auch mit französischen Vertretern dort unterhalten. Das, was heute der Tenor der Altparteien war, bitte ich ihn einmal, den Franzosen so weiterzugeben. Das wird sehr schwierig sein. Dieser Brexit ist schon eine Chance, die Gewichte ein wenig zu verschieben und die deutsche Sprache zu stärken. Das wäre in unserem Interesse. Die Franzosen werden mit Sicherheit versuchen, das Französische zu stärken.

Es ist auch ein Plädoyer, das ich abgeben möchte, dass in unserem Land nicht nur gut Englisch gelernt wird – das müssen wir selbstverständlich tun, angesichts der Bedeutung des Englischen weltweit –, sondern dass wir auch andere Fremdsprachenkenntnisse sehr wohl stärken, zum Beispiel das Französische, das Spanische, das Polnische usw.

Das kann man auch unterstreichen, wenn man in der EU eine Präsenz von mehreren Sprachen mit möglichst vielen Sprachen hat. Bei Arbeitssprachen und Verfahrenssprachen ist es auch besser, man hat zwei oder drei statt nur einer dominanten Sprache. In diese Richtung ging unser Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Wird Erwiderung gewünscht? – Ich sehe das nicht. Weitere Wortmeldungen? – Es tut mir leid, Sie hätten sich während der Rede melden müssen. Zu einer Kurzintervention kann man keine Kurzintervention machen. Sie hätten Sie zur Rede, während der Rede, machen müssen.

Die Regierung hätte aber die Gelegenheit zu erwidern. – Sie will sie nicht nutzen. Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Dann können wir zur Abstimmung schreiten. Eine Ausschussüberweisung wurde nicht beantragt. Wir kommen direkt zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der Fraktion der AfD – Drucksache 17/1163 – zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Wer stimmt dagegen? – Damit ist der Antrag mit den Stimmen der Fraktionen der SPD, CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion der AfD abgelehnt.

Wir kommen zum letzten Tagesordnungspunkt unserer heutigen Sitzung. Ich rufe Punkt 18 der Tagesordnung auf:

Arbeitsplätze und Wertschöpfung in unserem Land sichern und ausbauen – Wirtschaftsstandort Rheinland-Pfalz durch Freihandel stärken Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 17/1155 –

Die Fraktionen haben auch hier eine Grundredezeit von fünf Minuten vereinbart. Ich erteile zur Begründung des Antrages dem Abgeordneten Christian Baldauf von der Fraktion der CDU das Wort. Bitte schön, Herr Baldauf.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wirtschaftliches Wachstum ging in der Geschichte immer mit Fortschritten beim Freihandel einher. Das haben wir im 19 Jahrhundert mit der deutschen Zollunion und natürlich auch bei der ersten Gründung der Europäischen Gemeinschaft festgestellt, in der Fortsetzung zur Europäischen Union, die gerade vorher das Thema war.

Das Prinzip dahinter ist sehr einfach: Jeder macht das, was er am besten kann, und verkauft es den anderen.

Wenn wir in dieser Frage, die jetzt zum Thema gemacht wird, einfach sagen, Schluss, Ende, keine Fortschritte mehr beim internationalen Austausch von Waren und Dienstleistungen, alles einfrieren, wenn wir das mitmachen würden, beugen wir uns einem ganz gefährlichen Trend, den wir nicht nur bei uns beobachten können, leider auch in anderen Ländern. Es gibt eine ganz gefährliche Tendenz zum Rückzug ins Nationale, nach dem Motto: Grenzen dicht, abschotten, von der Welt dort draußen wollen wir nichts mehr wissen, ab ins Retro-Paradies.

Dieses Denken, das man früher immer am rechten Ende des politischen Spektrums verortete, hat inzwischen auch die Linke erfasst. Wir sehen protektionistische Tendenzen bei den Gewerkschaften, beim linken Flügel der SPD und auch bei den Grünen, die sich so gerne weltoffen geben.

(Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Bei den Kirchen! – Zuruf der Staatsministerin Ulrike Höfken)

Diese schwimmen jetzt vor allem auf dieser Welle mit. Man kann es auch an den Demonstrationen und deren Teilnehmern der letzten Woche feststellen.

(Beifall der CDU)

Fakt ist, wir haben in Rheinland-Pfalz eine Exportquote von 56 %. In den vergangenen sechs Jahren wurde ein Großteil unseres Wohlstands durch den Export erwirtschaftet. Ich glaube, das kann man nicht bestreiten.

Durch den Abbau von Zöllen und weiteren Handelshemmnissen haben gerade Freihandelsabkommen hierzu beigetragen, grundsätzlich immer Freihandelsabkommen, die jetzt auch in Bezug auf England überlegt werden.

(Beifall bei der CDU)

Wir sollten dabei auch nicht vergessen, welche wirtschaftsund ordnungspolitischen Chancen diese Abkommen bieten. Wir haben mit CETA und TTIP die Chance, globale Standards nach europäischem Vorbild zu schaffen. Ich betone das, weil wir nicht alleine auf der Welt sind und ansonsten Abkommen mit dem asiatischen Raum unsere eigenen Standards überlagern werden.