Protocol of the Session on November 12, 2020

(Beifall der AfD)

Auch der Sport ist von den angesprochenen Verboten massiv betroffen. Während Profis und Spitzensportler trainieren und Wettkämpfe bestreiten dürfen, wurden im Freizeitsport sämtliche Aktivitäten untersagt. Darunter leidet vor allem der Amateur- und Jugendbereich in Rheinland-Pfalz. Selbst Individualsportarten dürfen nicht mehr im Verein ausgeübt werden. Dabei birgt der Sport nach allen bisher vorliegenden Erkenntnissen kaum ein nachweisbares Risiko, wenn er unter klar definierten Schutzmaßnahmen und insbesondere im Außenbereich ausgeübt wird. Im Gegenteil, sportliche Betätigungen stärken das Immunsystem und die psychische Stabilität. Kinder und Jugendliche können ihren Bewegungsdrang ausleben und die allgegenwärtigen Corona-Einschränkungen für ein paar Stunden kompensieren.

Deshalb haben gestern der DOSB (Deutscher Olympischer Sportbund) und die Vertreter sämtlicher Landessportbünde genau das gefordert, was wir für Rheinland-Pfalz wollen: die schnellstmögliche Öffnung aller Spiel- und Sportstätten in unserem Land.

Meine Damen und Herren, wir wollen einen vernünftigen Ausgleich zwischen Gesundheitsschutz, wirtschaftlichen Interessen und der Wahrung der Grundrechte unserer Bürger. Ein solcher Ausgleich lässt sich nur mit zielgenauen, differenzierten Maßnahmen erreichen, so wie wir sie vor Kurzem in der Sondersitzung des Landtages gefordert haben. Der erneute Lockdown dagegen trifft unspezifisch und ohne hinreichende Begründung ausgerechnet die, die an den gegenwärtigen Problemen die geringste Schuld tragen.

Wir beantragen daher heute, einen Teil der verhängten Verbote wieder aufzuheben und den betroffenen Betrieben, Einrichtungen und Branchen unter strenger Beachtung der erforderlichen Schutzvorkehrungen wieder das Arbeiten zu ermöglichen.

(Beifall der AfD)

Wir wollen mit diesem Antrag erreichen, dass das Parlament endlich selbst darüber entscheidet, welche Grundrechtseinschränkungen unseren Bürgern auferlegt werden und welche nicht; denn wir stehen für eine verantwortungsbewusste und an rechtsstaatlichen Grundsätzen ausgerichtete Politik.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der AfD)

Für die Koalitionsfraktionen erteile ich das Wort der Abgeordneten Katharina Binz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ja, die Maßnahmen und Kontaktbeschränkungen in diesem Monat treffen uns alle hart. Sie treffen die Gastronomen; sie treffen die Künstler; sie treffen die Sportvereine, aber sie treffen auch uns, die wir gerne ins Restaurant oder ins Theater gehen.

Ja, die ganze Situation ist unfair, weil die ganze Situation nichts mit Fairness zu tun hat. Nichts an der momentanen Situation, nichts an einer Pandemie hat etwas mit Gerechtigkeit zu tun. Niemand hat es per se verdient, dass er diese Einschränkungen hinnehmen muss. Man muss es an dieser Stelle doch noch einmal festhalten: Wir befinden uns in einer Pandemie. Unser Gegenüber ist ein Virus, kein Verhandlungspartner.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, und der Abg. Hedi Thelen, CDU)

Es geht bei den jetzt greifenden Kontaktbeschränkungen auch nicht darum, ob die Hygienekonzepte der letzten Monate gut oder schlecht waren und Theater oder Imbissbuden sichere Orte sind. Die Hygienekonzepte sind gut, aber eben nur dann, wenn sich das gesamte Infektionsgeschehen in einem kontrollierbaren Rahmen befindet. Sobald wir merken, dass wir die Kontrolle verlieren können, beispielsweise weil die Nachverfolgung der Infektionen oder die Kontaktnachverfolgung nicht mehr möglich ist oder wir ein exponentielles Wachstum der Infektionsfälle feststellen, sind die gut ausgearbeiteten und gut umgesetzten Hygienekonzepte leider nicht mehr genug.

Wir müssen dann – in einer solchen Situation befinden wir uns gerade – die Kontakte radikal reduzieren, um Infektionsketten zu durchbrechen und die Zahl der Neuinfektio

nen wieder zu senken.

Dabei ist natürlich ganz wichtig, dass das wirtschaftlich abgefangen wird. Zu unseren Erwartungen an den Bund, sein Versprechen schnell einzulösen, ist gestern, glaube ich, in der Debatte, schon alles gesagt worden.

Ja, man kann natürlich über jede einzelne Maßnahme lange diskutieren, ob man nicht doch eine Ausnahme machen kann. Ja, es gibt auch Maßnahmen, wenn man die nebeneinander legt, zu denen schwer zu erklären ist, warum bei dem einen so und dem anderen so gehandelt wird. Dafür wird jeder und jede hier im Raum Beispiele finden und benennen können.

Was einfach nicht stimmt – dem will ich ganz entschieden widersprechen –, ist, dass die Maßnahmen nicht differenziert sind. Wir haben heute Morgen erst über den Vorrang zum Beispiel für die Bildungseinrichtungen gesprochen. Da zeigt sich, dass wir ganz klare Prioritäten setzen und eine klare Differenzierung vornehmen.

(Beifall der Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP)

Ja, auch das Parlament kann über diese Maßnahmen diskutieren. Wir tun es mit schöner Regelmäßigkeit, aber auch das Parlament wird nicht dazu kommen bzw. wird es nicht schaffen, zu einer Lösung zu kommen, die widerspruchsfrei ist. Wir werden keinen Maßstab finden, den wir anlegen können, mit dem wir dann zu einem Katalog von Einschränkungen kommen, mit dem alle zufrieden sind und der in all diesen Argumenten widerspruchsfrei ist. Das wird es in dieser Situation nicht geben. So ehrlich muss man einfach sein.

Mit jeder zusätzlichen Ausnahme, die wir machen, schaffen wir wieder neue Ungerechtigkeiten und neue Unerklärbarkeiten. Auch mit Ihrem Antrag, wenn wir diesem Antrag zustimmen würden, würden wir doch wieder neue Ungerechtigkeiten schaffen. Sie haben sich zum Beispiel mit den Kontaktbeschränkungen im öffentlichen Raum in Ihrem Antrag überhaupt nicht auseinandergesetzt. Warum sollen die weiter gelten, wenn wir die Kontaktbeschränkungen in der Gastronomie fallen lassen? Das können Sie auch nicht erklären.

Unsere Verantwortung ist es jetzt, Schlimmeres zu verhindern. Wenn wir das jetzt nicht tun würden und Ihrem Antrag folgten, dann laufen wir Gefahr, dass das Infektionsgeschehen sehr schnell unkontrollierbar, unser Gesundheitssystem überlastet wird und unsere Intensiv- und Beatmungskapazitäten, egal wie hoch wir sie ausbauen, nicht mehr reichen, um die schweren und schwersten Verläufe der Erkrankung zu versorgen.

(Abg. Martin Haller, SPD: Das kannst Du denen tausendmal erklären! Die kapieren das nicht!)

Eine weitere Konsequenz wäre auch, dass wir nicht mehr sicherstellen können, dass alle anderen, die medizinische

Versorgung im Notfall benötigen, auch diejenigen, die nicht an COVID erkrankt sind, gut versorgt werden können; denn der limitierende Faktor in der medizinischen und pflegerischen Versorgung ist der Faktor Mensch, das sind die Ärztinnen und Ärzte, die Pflegekräfte und andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Testlabors. Dazu gehören auch alle anderen, die in der medizinischen Versorgung tätig sind. Sie alle sind nicht in unendlicher Anzahl vorhanden.

Es ist in keiner Weise akzeptabel, mit ihrer Arbeit und ihrem Einsatz so umzugehen, dass wir das Infektionsgeschehen einfach laufen und sie dann mit den Konsequenzen fertig werden lassen. In der Bekämpfung des Virus kämpfen diese Menschen für uns in der ersten Reihe.

(Glocke der Präsidentin)

Es ist ein sehr schwieriger Kampf, der gekämpft wird. Das ist körperlich und psychisch sehr belastend. Das ist ein Kampf, bei dem sich diese Menschen selbst in Gefahr bringen, sich mit dem Virus anzustecken und zu erkranken. Wir sind alle darauf angewiesen, dass sie ihren Job machen; denn wir alle wollen sicher wissen, im Krankheits- und Pflegefall gut versorgt zu werden. Sie können diesen ihren Job aber nur dann machen, wenn die Infektionszahlen auf einem möglichst niedrigen Niveau bleiben.

(Glocke der Präsidentin)

Damit sie ihren Job machen können, müssen wir unseren Teil beitragen. Dazu gehören zu diesem Zeitpunkt die zurzeit geltenden Kontaktbeschränkungen. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei SPD und FDP)

Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Abgeordneten Michael Frisch das Wort.

Frau Kollegin Binz, Sie haben recht. Es trifft die Hotelbetreiber. Es trifft die Gastronomie, und es trifft auch uns als Hotelgäste, als Kunden der Restaurants und Gaststätten. Wie aber können Sie das auf eine Stufe stellen? Es ist ein erheblicher Unterschied, ob ich als Bürger darauf verzichten muss, ein- oder zweimal in der Woche ein Bier trinken oder zum Essen zu gehen, oder ob eine ganze Branche an den Rande des Ruins getrieben wird. Ich finde es zynisch, dass Sie das auf eine Ebene stellen.

(Beifall der AfD – Ministerpräsidentin Malu Dreyer: Das hat sie gar nicht gemacht!)

Erzählen Sie das einmal den Inhabern von Hotels und Gast

stätten, die nicht mehr wissen, wie sie die nächsten Monate überleben sollen.

(Ministerpräsidentin Malu Dreyer: Das hat sie doch nicht gemacht!)

Ich kann darauf verzichten, abends essen zu gehen, aber diese Menschen stehen vor den Trümmern ihrer Existenz. Das sind zwei Dinge, die wir beim besten Willen nicht auf eine Ebene stellen sollten.

(Beifall bei der AfD – Zuruf des Abg. Joachim Paul, AfD)

Sie haben gesagt, nichts ist gerecht. Das würde ich ausdrücklich nicht übernehmen wollen. Es ist Aufgabe des Staates, Aufgabe der Regierung, in einer solchen Situation trotz allem für Gerechtigkeit und für einen Ausgleich verschiedener Interessen zu sorgen. Das sehen wir hier gerade nicht.

Ich erinnere noch einmal daran, der Bundesgesundheitsminister hat gesagt, 75 % der Übertragungswege sind völlig unklar. Daher ist es unsinnig, davon zu reden, was Sie wieder getan haben, wir müssen die Kontaktverfolgung sicherstellen. Es funktioniert doch offensichtlich nicht, sonst wüssten wir doch, wo die Übertragungen stattfinden. Wir wissen es aber nicht. Es ist daher nicht in Ordnung und nicht gerecht, diejenigen zu verhaften, die am allerwenigsten dafür können – zumindest haben wir keinen Nachweis dafür –, die aber ihrerseits ganz viele Maßnahmen getroffen und mit hohem finanziellen Aufwand umgesetzt haben, um genau das zu verhindern.

(Zuruf der Abg. Hedi Thelen, CDU)

Lassen Sie mich ein Letztes sagen. Sie fragen nach dem Maßstab. Der Maßstab ist die Verhältnismäßigkeit. Wenn wir uns anschauen, wie die Situation aussieht, dann haben wir keine Übersterblichkeit in Deutschland. Wir haben 19.000 Intensivbetten. Ich habe heute Morgen noch einmal nachgeschaut. Mit den Reserven haben wir 19.000 Betten in den Intensivstationen frei. Das ist mehr, als das in den vergangenen Jahren bei mancher Grippeepidemie der Fall gewesen ist.

(Zurufe der Abg. Jochen Hartloff, SPD, und Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben einen kleinen Teil dieser Intensivbetten, die von COVID-Patienten belegt sind. Daher ergibt sich nicht die Verhältnismäßigkeit für diese Maßnahmen, wie Sie sie jetzt im zweiten Lockdown ergriffen haben. Deshalb haben wir diesen Antrag gestellt.

Es ist ein sehr deutliches Zeichen an unsere Hotel-, Restaurant- und Gaststättenbranche, wenn Sie diesen Antrag heute ablehnen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall der AfD – Zuruf der Abg. Hedi Thelen, CDU)

Zur Erwiderung erteile ich der Abgeordneten Binz das Wort.