hinter den Erwartungen zurück. Die Chance, die entscheidenden Themen der Zukunft, nämlich Digitalisierung und Nachhaltigkeit, in den Fokus zu nehmen, wird hier leider nicht wahrgenommen.
Ein in die Zukunft gerichtetes Hochschulgesetz muss aber genau diese Themen, nämlich Nachhaltigkeit und Digitalisierung, in den Blick nehmen. Die Nachhaltigkeit ist ein Megathema, das breit in alle Diskussionen Eingang gefunden hat. Es beschäftigt die Menschen, ob jung oder alt. Es geht um Material- und Energienutzung, es geht um Ressourceneffizienz, Abfallvermeidung, Bilanzierung der eigenen Emissionen, also alles in allem um den Erhalt unserer Natur und Umwelt, also ein wirkliches Megathema.
Auch das Thema „Digitalisierung“ beschäftigt uns seit vielen Jahren und ist seit Corona noch viel bedeutender geworden, und zwar sowohl Digitalisierungsmaßnahmen im Bereich der Verwaltung über alle Hochschulen hinweg als auch Digitalisierungsmaßnahmen bei der konkreten Umsetzung des Studierens. Hier sind ungeheure Synergieeffekte und Potenziale für schnellere, einheitlichere und einfachere Verfahren und Vorgehensweisen zu heben, und es ist die Möglichkeit gegeben, gleichwertige Chancen an unseren Hochschulen zu schaffen.
Deshalb komme ich nun zu unserem Änderungsantrag. Zur Förderung des Nachhaltigkeitsgedankens etablieren wir an jeder Hochschule ein Nachhaltigkeitsmanagement. Diese zentrale Koordinationsstruktur wird damit beauftragt, die jeweils der Hochschule entsprechende eigene Nachhaltigkeitsstrategie zu erstellen und die nachhaltige Entwicklung der Hochschule zu fördern.
Es ist sehr erfreulich, dass bereits viele studentische Initiativen die Nachhaltigkeit im Hochschulbetrieb thematisieren. Das greifen wir gerne auf und schaffen hierfür die notwendigen Strukturen.
Zur digitalen Transformation sehen wir die Notwendigkeit eines landesweiten, gesamtstrategischen Konzepts. Wir sehen die vielen guten Projekte, die zwischen einzelnen Hochschulen zu einzelnen Bereichen und einzelnen Themen bestehen, aber es braucht eine Gesamtstrategie und ein großes Netzwerk, von dem die gesamte Hochschullandschaft dann profitiert. Dies sind neben Studium und Lehre auch die Forschung, die Verwaltung, die digitale Infrastruktur, das Informationsmanagement und letztlich auch die Künstliche Intelligenz.
Der gesamte Wissenschaftsstandort wird dadurch gestärkt und wettbewerbsfähig gemacht, und das ist doch ein wichtiges Ziel für die Zukunft von Rheinland-Pfalz.
Zu diesen Forderungen muss es parallel eine rechtsverbindliche Vereinbarung des Landes mit den Hochschulen geben, dass das Land die hierfür notwendigen Ressourcen, also Manpower und Finanzmittel, zur Verfügung stellt. Wenn wir Gesetzesnovellen auf den Weg bringen, dann nur unter der Berücksichtigung zukunftsgerichteter Fragestellungen und der Zusage einer auskömmlichen finanziellen Ausstattung.
Ja, meine Damen und Herren, es scheint, nichts in Rheinland-Pfalz ist so kontinuierlich wie die anhaltende Unterfinanzierung unserer Hochschulen.
Die Autonomie und Handlungsfähigkeit der Hochschulen wird extrem beschnitten, wenn nicht ausreichend Geld im System ist. Gebetsmühlenartig weise ich bei jeder Gelegenheit auf die unzureichende Grundfinanzierung hin. Über die Jahre hinweg werden immer weitere Aufgaben auf die Hochschulen abgeladen und übertragen, ohne eine Mehrfinanzierung dafür zu bekommen. Insofern kann das Ministerium in seiner Begründung zum Gesetzentwurf doch nicht allen Ernstes von Kostenneutralität sprechen.
Ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin aus dem Vortext des Ministeriums zum Gesetzentwurf. Unter D. „Kosten“ steht: „Es entstehen keine zusätzlichen Kosten. Zahlreiche Aufgaben, die die Hochschulen seit Jahren wahrnehmen, werden erstmals im Gesetz genannt, um Rechtsgrundlagen zu schaffen.“
Ja, zu diesen zahlreichen Aufgaben, die es schon gibt, kommen jetzt im Gesetzentwurf weitere hinzu wie zum Beispiel die Studienverlaufsberatung. Aber es ist doch ein schleichender Prozess: Es kommen immer mehr Aufgaben hinzu, aber es gibt keinen finanziellen Ausgleich dafür.
Deshalb lehnen wir auch das im Gesetzentwurf vorgesehene, neu zu gründende Hochschulforum ab. Wir erkennen keinen Mehrwert für die Kommunikation zwischen Ministerium und den Hochschulleitungen über die bereits etablierte Landeshochschulpräsidentenkonferenz hinaus. Wir denken, dass die dafür vorgesehenen Mittel besser im normalen Hochschulbetrieb untergebracht sind.
Als konkrete coronabedingte Maßnahme haben wir in unserem Änderungsantrag die Verlängerung der Studienzeit der aktuell immatrikulierten und nicht beurlaubten Studierenden um ein Semester mit aufgenommen, weil Studierenden keine coronabedingten Nachteile entstehen sollen. Ebenso sind wir für den Erlass der Studiengebühren bei einem Zweitstudium für Menschen mit Behinderungen. Das ist eine Position, der wir gern nachkommen.
Diese Punkte, die wir nun aufgegriffen haben, erscheinen für uns ganz wichtig. Daneben sind wir überzeugt davon, dass es viele weitere Regelungen in diesem Gesetz gibt, die weiterhin diskutiert und auch von Zeit zu Zeit immer wieder angepasst werden müssen. Das ist zum Beispiel das Thema um die Bemühung der Gleichstellung und die Verbesserung der Vereinbarkeit von Studium, Job und Familie.
Mit Blick auf gegenderte Gremienbesetzungen muss es uns erst einmal gelingen, Dozentenstellen und Professuren paritätisch zu besetzen, und das ist ein Prozess, der noch lange dauert und den wir immer wieder forcieren müssen.
Alles in allem, die Änderungen, die wir vorgeschlagen haben, sind für ein zukunftsgerichtetes neues Hochschulgesetz unabdingbar, und deswegen bitten wir um Ihre Zustimmung.
Frau Präsidentin, werte Kollegen! Die AfD-Fraktion lehnt das Hochschulgesetz und auch die beiden Änderungsanträge ab. Wir sind dagegen, weil wir Folgendes nicht mittragen können: erstens die weitere Öffnung der Hochschulen, zweitens die Abschaffung der Anwesenheitspflicht, drittens die Gender-Quoten und viertens die fehlende Gegenfinanzierung.
Gerne erläutere ich unseren Standpunkt und möchte deshalb zunächst ausführlicher unsere Position zur weiteren Öffnung der Hochschulen begründen.
Künftig soll ein Studium auch dann aufgenommen werden, wenn weder Abitur noch Berufspraxis vorliegt. Eine Ausbildung genügt. Wir haben immer darauf hingewiesen, dass sich das inzwischen schwer angeschlagene, aber für unser Land so wichtige duale System in einer Konkurrenzsituation zur vermeintlich attraktiveren, prestigeträchtigeren akademischen Ausbildung befindet.
Werden die Hochschulen also noch weiter geöffnet, geht das letzten Endes zulasten der dualen Ausbildung. Es geht aber ebenfalls zulasten des Niveaus an den Universitäten und Hochschulen und beschädigt damit auch die akademische Bildung; denn schon jetzt haben wir viel zu viele Abiturienten, die nicht oder nur eingeschränkt studierfähig sind.
Katja Koch, Professorin für sonderpädagogische Entwicklungsförderung an der Universität Rostock hat das in ihrem
Buch „Der Abiturbetrug“ veranschaulicht. Im Interview mit FOCUS Online erläutert Frau Professor Koch – ich zitiere –:
„Die wissenschaftlichen Befunde sind spärlich, aber eindeutig. Eine Studie für Schleswig-Holstein zeigt, dass dort nur etwa ein Viertel der Abiturienten tatsächlich Abiturniveau erreicht. Das entspricht etwa zehn Prozent aller Schüler eines [Abiturjahrgangs]. Alle anderen Abiturienten bekommen aber trotzdem die Hochschulreife zuerkannt – zum Teil mit erstaunlich guten Noten. Schleswig-Holstein ist dabei kein Einzelfall. Alle Bundesländer sind hiervon betroffen.“
Co-Autor des Buchs ist übrigens der SPD-Politiker Mathias Brodkorb, der von 2011 bis 2016 in MecklenburgVorpommern Bildungsminister war.
In dem vorliegenden Gesetz wird nun genau das Gegenteil dessen gemacht, was erforderlich wäre. Es sollen künftig nicht endlich weniger junge Menschen an die Hochschulen gelockt werden, sondern immer noch mehr, und das, obwohl die Berufsperspektiven, die Nachfragesituation in der Arbeitswelt, aber auch Fragen der finanziellen und organisatorischen Machbarkeit sowie der persönlichen Zufriedenheit eigentlich in eine andere Richtung weisen.
Durch die Anhörung im Ausschuss fühlen wir uns in unseren alternativen Ansichten teilweise bestätigt. Professor Jäckel, Vorsitzender der Landeshochschulpräsidentenkonferenz Rheinland-Pfalz, betonte, dass Berufserfahrung sehr wichtig sei. Er habe sehr viel Nachsteuerungsbedarf bei jenen Studenten wahrgenommen, die über keine Berufserfahrung verfügen.
Professor Müller-Geib, Vorsitzender des Hochschullehrerbunds, Landesverband Rheinland-Pfalz, wies darauf hin, dass die im Gesetz vorgesehene Öffnung der Hochschulen eine zeitaufwendige Beratung erfordert und deshalb Ressourcen frisst.
Klaus-Peter Hammer, Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), fand die Öffnung sehr gut, gab aber zu bedenken, dass diesbezüglich die Frage der Finanzierung eine Rolle spielen würde.
Apropos Finanzierung: Schon jetzt liegt Rheinland-Pfalz nach Angaben des Statistischen Bundesamts unter 16 Bundesländern auf Platz 14, wenn es um die Ausgaben pro Student geht. Hinter Rheinland-Pfalz liegen nur noch Nordrhein-Westfalen und Bremen.
Im Bericht „Bildung in Deutschland 2020“ ist zu lesen, dass die Anzahl der im Bildungswesen Beschäftigten in Deutschland zwischen 2008 und 2018 an den Hochschulen um 37 % gestiegen ist. Trotzdem klagen Studenten über zu schlechte Betreuungsrelationen. Nun, das ist kein Wunder, wenn man bedenkt, dass zum Beispiel in Rheinland-Pfalz die Zahl der Studenten in den letzten 20 Jahren von 80.000 auf über 120.000 gestiegen ist.
Es ist diese von der AfD beständig kritisierte ideologiebetriebene Politik der Überakademisierung, die wesentlich verantwortlich ist für immer schlechtere Studienbedingungen. Mit der weiteren Öffnung wird es aber noch schwieriger, bessere Rahmenbedingungen für die Studenten zu schaffen.
Für uns gelten deshalb mehr denn je vier bildungspolitische Grundgebote. Erstens: Qualität vor Quantität. Zweitens: gesellschaftliche Gleichwertigkeit von akademischer und praktisch-beruflicher Bildung. Drittens: Mut zu niedrigen Studentenzahlen. Viertens: Stärkung der dualen Ausbildung.
Zur im Hochschulgesetz vorgesehenen Abschaffung der Anwesenheitspflicht möchte ich in der gebotenen Kürze Folgendes anmerken: Weniger Anwesenheit bedeutet auch weniger Wissens- und Meinungsaustausch, weniger Diskussion und nicht zuletzt mehr soziale Verarmung. Zu einem Anstieg des Niveaus wird eine solche Regelung mit Sicherheit nicht führen.
Zur Gender-Quote Folgendes: Bereits vor einem Jahr hatte das Vorhaben, Gremien zu gleichen Anteilen mit Frauen und Männern zu besetzen, für erhebliche Aufregung gesorgt. 71 weibliche Professoren der Johannes GutenbergUniversität Mainz schrieben an den Wissenschaftsminister, sie befürchteten eine – ich zitiere – „unzumutbar starke Beanspruchung“ von Frauen in Bereichen, in denen sie unterrepräsentiert sind. Sie wären dann nämlich wesentlich häufiger mit Gremienarbeit beschäftigt als ihre männlichen Kollegen. Es bliebe dann weniger Zeit zum Forschen.
Auch wenn nun in begründeten Ausnahmefällen ein Abweichen von der Parität möglich ist, ist diese Stoßrichtung im Hochschulgesetz für uns nicht akzeptabel. Ausschlaggebend dürfen immer nur Leistung und Eignung sein, niemals das Geschlecht.