Protocol of the Session on August 27, 2020

Der Gesetzentwurf enthält auch ein klares Bekenntnis zum Öffentlichen Personennahverkehr, der ein günstiges und zugleich ökologisches Verkehrsmittel ist und in besonderem Maße unter der Corona-Krise gelitten hat. Hierfür stellen wir in Ergänzung zu den Mitteln des Bundes von rund 128 Millionen Euro weitere Landesmittel in Höhe von bis zu 75 Millionen Euro bereit.

Für die Daseinsvorsorge sind handlungsfähige Kommunen von zentraler Bedeutung. Deswegen haben wir einen kommunalen Rettungsschirm von inzwischen rund 750 Millionen Euro aufgespannt: 100 Millionen Euro Soforthilfe bereits im ersten Nachtragshaushalt, rund 400 Millionen Euro, die durch den Stabilisierungsmechanismus gesichert werden, und unmittelbar nach der Steuerschätzung haben wir zugesagt, die Hälfte der geschätzten Gewerbesteuermindereinnahmen zu übernehmen.

Wir haben darauf gehofft, dass der Bund das auch tut. Das ist der Fall. Ein entsprechender Gesetzentwurf ist bereits in der Anhörung, damit wir unseren Kommunen allein über diesen Weg 412 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung stellen können.

Wir gehen noch darüber hinaus. Wir übernehmen auch im Jahr 2021 zusätzlich 50 Millionen Euro, also wieder die Hälfte der geschätzten Steuermindereinnahmen. 750 Millionen Euro für unsere Kommunen: Das ist ein echter Beitrag für die Daseinsvorsorge vor Ort. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, es ist ein Beitrag, der sich im Ländervergleich absolut sehen lassen kann.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich werden unsere Kommunen auch von vielen weiteren Maßnahmen profitieren. Ich nenne beispielhaft nur den beschleunigten Breitbandausbau mit 122 Millionen Euro.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, jedes Kind in diesem Land hat ein Recht auf Bildung. Dies müssen wir auch während der Corona-Pandemie an Schulen und Hochschulen gewährleisten. Für das gerade begonnene Schuljahr bedeutet dies ganz praktisch, dass wir Vertretungslehrkräfte

benötigen, weil Lehrerinnen und Lehrer aus Risikogruppen keinen Präsenzunterricht halten können. Dafür stellen wir 40 Millionen Euro, davon 15 Millionen Euro vorab aus dem ersten Nachtragshaushalt, zur Verfügung. Wir müssen dafür sorgen, dass Studierende auch in dieser Zeit ihr Studium aufnehmen, fortführen oder abschließen können. An den Hochschulen wollen wir dazu insbesondere den digitalen Wandel mit 50 Millionen Euro vorantreiben.

Kernstück des Sondervermögens ist ein Konjunkturprogramm mit nachhaltigen Investitionen in Zukunftstechnologien, Infrastruktur und Klimaschutz. Wir müssen weiterhin ein guter Wirtschaftsstandort sein, um die Zukunftsfähigkeit des Landes zu stärken. Dazu investieren wir 250 Millionen Euro in den Tourismus, in Fachkräftesicherung, in unsere regionale Wirtschaftsstruktur und in Digitalisierung und Transformation der Wirtschaft.

Wir vergessen bei unseren konjunkturellen Herausforderungen nie die Herausforderungen, vor die der Klimawandel uns stellt. 200 Millionen Euro der im Sondervermögen bereitgestellten Mittel dienen nicht nur der wirtschaftlichen Bewältigung der Corona-Pandemie, sondern zugleich auch dem Klimaschutz und haben damit sogar zweifach nachhaltige Wirkung.

Wir haben uns in dieser Situation bewusst für das Instrument eines Sondervermögens entschieden, ebenso wie vor uns schon die Länder Bayern, Hessen, MecklenburgVorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen und Thüringen. Das Sondervermögen erlaubt uns für die vorgesehenen Maßnahmen eine kurzfristige und zugleich überjährige Mittelverwendung, eine gebündelte Darstellung der konkreten Maßnahmen sowie die notwendige Transparenz der Mittelverwendung.

Wenn wir die Konjunktur stärken wollen, braucht die Wirtschaft jetzt Planungssicherheit und Verlässlichkeit auch über das Haushaltsjahr hinaus. Sie muss darauf vertrauen können, dass die notwendigen Mittel auch tatsächlich bereitstehen, und das Sondervermögen ist dazu der richtige Weg, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu der Kritik in den letzten Tagen sage ich in aller Deutlichkeit, Sondervermögen sind in unserer Landesverfassung ausdrücklich vorgesehen. Die Landesregierung sieht im Instrument des Sondervermögens als solches weder eine Verletzung des Budgetrechts des Landtags noch der allgemeinen Haushaltsgrundsätze.

(Präsident Hendrik Hering übernimmt den Vorsitz)

Wir haben das Sondervermögensgesetz entlang allgemein anerkannter Maßstäbe ausgerichtet. Wir stellen das Sondervermögen auf eine gesetzliche Grundlage. Das Budgetrecht des Landtags haben wir dabei im Besonderen im Blick behalten. Die einzelnen Maßnahmenbereiche werden mit den dafür vorgesehenen Beträgen im Sondervermö

gensgesetz abschließend benannt. Die Maßnahmen sind für die Bewilligung bis Ende 2022 befristet. Ergänzend zum Wirtschaftsplan, der dem Haushalt als Anlage beigefügt wird, und der jährlichen Rechnungslegung wollen wir auch künftig den Haushalts- und Finanzausschuss über die Mittelabflüsse aus dem Sondervermögen zum Ende eines jeden Kalendervierteljahres unterrichten.

Es ist richtig, die Mittel für das Sondervermögen jetzt im Nachtragshaushalt zur Verfügung zu stellen. Wir haben dies sowohl der Höhe der eingesetzten Mittel als auch der Dauer nach auf das notwendige und zugleich auf das vertretbare Maß beschränkt. Dementsprechend haben wir auch vorgesehen, dass ein bei Auflösung des Sondervermögens am 31. Dezember 2023 noch vorhandener Bestand zur Tilgung von Krediten eingesetzt werden muss, die aufgrund der Ausnahme von der Schuldenbremse aufgenommen wurden.

Ergänzend möchte ich noch einen Punkt erwähnen und zu einem ähnlichen Vorgehen des Bundes darauf hinweisen, dass der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags das Zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2020 des Bundes mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben der Ausnahmeregelung zur Schuldenbremse und mit den allgemeinen Haushaltsgrundsätzen für vereinbar hält.

In der Sache: Fast alle Wirtschaftswissenschaftlerinnen und Wirtschaftswissenschaftler gehen vom Erfordernis einer nachhaltigen Unterstützung der Konjunktur durch die öffentlichen Haushalte aus. Dazu gehört vor allem auch Planungssicherheit, die sich nicht am Jährlichkeitsprinzip orientiert. Vielmehr braucht die Wirtschaft überjährige Verlässlichkeit, die sich in einem Sondervermögen abbildet. Ich bin geneigt zu sagen: Wenn nicht in solchen Notsituationen wie der Corona-Pandemie, wann sonst sollte die Bildung eines Sondervermögens mit überjährigen Ausgaben zulässig sein?

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordnete, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir tragen Verantwortung für dieses Land, und wir wollen die richtigen Entscheidungen treffen.

(Heiterkeit des Abg. Christian Baldauf, CDU: Frau Präsidentin! – Unruhe bei der CDU)

Oh, Herr Präsident. Ich habe den Wechsel nicht mitbekommen. Ich bitte um Entschuldigung.

Mit den Ihnen vorgelegten Gesetzentwürfen zum zweiten Nachtragshaushalt und zum Sondervermögen bündeln wir Entscheidungen, die jetzt notwendig sind, um dieser Krise nicht nur kurzfristig, sondern nachhaltig zu begegnen. Wir können die Verluste und Folgen der Pandemie damit nicht aufheben oder ungeschehen machen, aber wir können gemeinsam unser Bestmögliches tun: für ein starkes Gesundheitssystem, für eine gute öffentliche Infrastruktur,

für eine zukunftsweisende Bildungslandschaft, für handlungsfähige Kommunen und für eine kraftvolle Belebung der Konjunktur. Dafür bitte ich Sie erneut um Unterstützung.

Herzlichen Dank.

(Anhaltend Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aufgrund der Redezeit der Landesregierung verlängert sich die Redezeit der Fraktionen um jeweils 6 Minuten.

Für die CDU-Fraktion spricht deren Vorsitzender Baldauf.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer hatte über den Sommer nicht gehofft, dass es aufhört und sich keine neue Welle aufbaut? Doch diese Hoffnungen scheinen sich nicht zu erfüllen, und so gilt bei vielen der erste Blick morgens dem Handy: Wie sind die aktuellen Infektionszahlen? Wie ist die Corona-Lage heute?

(Zuruf aus dem Hause: Das RKI!)

Seit dem Frühjahr hat sich unsere Welt, hat sich Europa, hat sich die Art und Weise, wie wir miteinander umgehen, wie wir zusammen leben, reisen, wirtschaften mehr verändert als in 30 Jahren zuvor, und dahinter kommen wir erst einmal nicht zurück, auch wenn wir uns noch so sehr nach den alten Normalitäten zu Hause, im Job, in den Geschäften, auf der Straße, auf Plätzen, nach der unbeschwerten Selbstverständlichkeit, aufeinander zuzugehen, zurücksehnen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bei unseren Bürgerinnen und Bürgern ist eine Verunsicherung zu spüren, was die eigene Lebenssituation betrifft. In der Politik ist die Frage, was ist eigentlich gerade richtig oder falsch, kein Bewertungsmaßstab mehr, weil schon morgen das, was heute richtig ist, überholt sein kann. Im Moment kann es nur um eines gehen: Risiken für die Gesellschaft, für die Menschen abzufedern, gesundheitliche Risiken, Bildungsrisiken, wirtschaftliche Risiken, existenzielle Risiken, und alle hängen miteinander zusammen. Umso mehr müssen wir unsere Kräfte zur Bewältigung der Krise bündeln. Deshalb rechnen und planen wir aktuell in finanziellen Dimensionen, die noch vor Kurzem, vor einem Jahr, in diesem Haus unvorstellbar schienen.

Für die CDU-Fraktion erkläre ich, wir sind in der Notlage an Bord und begleiten den Kurs der Landesregierung konstruktiv, mit guten Vorschlägen, die Sie leider abgelehnt haben, etwa ein Soforthilfeprogramm für die Wirtschaft mit eigenem Landesgeld, so wie es andere Bundesländer erfolgreich gemacht haben, mit einer Vereinsförderung, die die Vereine nicht zwingt, ihre Rücklagen aufzubrauchen, die Existenzsicherung von Künstlern, einen Rettungsplan

„Gemeinschaft und Soziales“ mit Blick auf die Pflege, die gemeinnützigen Einrichtungen, die Beratungsstellen für Mädchen, Frauen und Kinder sowie eine Bonuszahlung für Pflegekräfte. Aber Sie wollten lieber Lavendelpflänzchen als Dankeschön verteilen.

(Beifall der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir geben acht darauf, dass die Parlamentsrechte, die parlamentarische Kontrolle gewahrt bleiben und die Richtung stimmt; denn vieles könnte aus unserer Sicht besser laufen. Es geht bei diesem Nachtrag hier aber nicht allein um einen haushalterischen Akt, es geht um einen Blick in die Zukunft unseres Bundeslandes.

Die Bewältigung der Pandemie zwingt unsere Gesellschaft und die Wirtschaft – das ist eine weitere Herausforderung – in einen großen Strukturwandel. Meine Damen und Herren, unser Bildungssystem, unsere Wirtschaft, auch unser Gesundheitssystem werden sich in den nächsten Jahren stark verändern. Bei Gesundheitspolitik in Zeiten von Corona geht es darum, die bestmögliche Versorgung für unsere Bürgerinnen und Bürger zu sichern.

Bei der Bildungspolitik in Zeiten von Corona geht es um Lebenschancen einer ganzen Generation. Wirtschaftspolitik in Zeiten von Corona, dabei geht es um eine revolutionäre, technologische Transformation in Technologieoffenheit, die Notwendigkeit, Klima und Umwelt zu schützen, die grundlegende Erneuerung unseres Energiesystems, unsere Mobilität, Industrie, Landwirtschaft und Städtebau.

Für die CDU-Fraktion hat es höchste Priorität, die Wirtschaft während Corona und darüber hinaus in Gang zu halten;

(Beifall der CDU)

denn das allein sichert gute Bildung, sichere Arbeitsplätze, Klimaschutz und Wohlstand.

Deshalb fragen wir uns: Setzt die Landesregierung mit diesem Nachtragshaushalt die richtigen Schwerpunkte?

(Abg. Jens Guth, SPD: Ja!)

Werden die Mittel so eingesetzt, dass sie den Menschen in Rheinland-Pfalz bestmöglich helfen?

(Abg. Jens Guth, SPD: Ja!)

Reicht es, um Insolvenzen der Betriebe zu verhindern?

(Abg. Martin Haller, SPD: Und nochmal ja!)

Reicht es, um jedes Kind bestmöglich zu fördern?

(Abg. Jens Guth, SPD: Ja!)