Protocol of the Session on April 29, 2015

Aber wer die Seenotrettung einstellt, wer sich aus der Finanzierung verabschiedet, der musste miterleben, dass nach wie vor Tausende von Menschen lieber den Weg über das Mittelmeer suchen, mit allen Risiken, die dort herrschen, als in völlig aussichtsloser Lage in ihren Heimatländern zu verbleiben.

Eine unter den Mitgliedstaaten abgestimmte europäische Asylpolitik ist notwendiger denn je.

Selbstverständlich unterstützen wir auch, dass die Seenotrettung vonseiten Deutschlands mitfinanziert wird.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Aber wir können nicht auf die EU warten, und Deutschland darf sich nicht hinter der EU verstecken. Deshalb möchte ich an dieser Stelle ganz besonders den Dank an unsere Ministerpräsidentin aussprechen.

Sehr geehrte Frau Dreyer, auf Ihre Initiative hin hat die Kanzlerin für den 8. Mai zu einem Flüchtlingsgipfel eingeladen, von dem wir uns sehr viel versprechen. Herzlichen Dank.

(Beifall der SPD – Frau Klöckner, CDU: Ja klar! – Weitere Zurufe von der CDU)

Rheinland-Pfalz kann mit Stolz auf seine Bürgerinnen und Bürger schauen. Die hohe Akzeptanz für die Flüchtlinge, die Aufnahmebereitschaft und die Vielzahl der ehrenamtlichen Initiativen, Hilfsangebote und tatsächlichen Hilfen zeugen tagtäglich von gelebter Integration.

Herzlichen Dank an alle im Land Rheinland-Pfalz. Sie alle sind Rheinland-Pfalz.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Das Land stellt sich gemeinsam mit den Kommunen der Aufgabe, eine humane, also eine menschliche Flüchtlingspolitik umzusetzen.

Herr Kessel, ich kann es nun wirklich nicht nachvollziehen, wie man hier sagt, wir sollten die Ressourcen doch bitte schön dahin setzen, wo tatsächlich Hilfe notwendig ist, bei den wirklich Hilfsbedürftigen, bei den wirklich Flüchtigen. – Das ist eine Entscheidung und eine Anmaßung, die ich mich niemals trauen würde; denn wer will denn hier sagen, der ist wirklich hilfsbedürftig, der ist nicht hilfsbedürftig, insbesondere wenn die Verfahren zur Feststellung dieser Hilfsbedürftigkeit, sprich des Anerkennens des Asyls, solange dauern. Stand letzter Woche – Sie haben es gehört – sind 200.000 Anträge nicht bearbeitet, weil der Bund das Personal nicht aufstockt.

Eine unserer Forderungen an den Bund ist, das Personal aufzustocken, damit die Anträge überhaupt einmal zügig bearbeitet werden können; denn sonst können wir überhaupt gar keine Aussage hier treffen, und die immer

gleichen Anwürfe der CDU-Fraktion entbehren jeder Grundlage, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Wir in Rheinland-Pfalz machen unsere Hausaufgaben, und zum Glück nicht erst, seitdem die CDU in Rheinland-Pfalz festgestellt hat, da gibt es doch ein spannendes Thema, sehr geehrte Frau Klöckner. Es war erst zum Jahreswechsel, da hat die Landesregierung schon längst hier gearbeitet,

(Frau Klöckner, CDU: Geschlafen!)

Sie war schon längst dabei, die Aufnahmekapazitäten zu erhöhen, die entsprechenden Integrationsprogramme laufen zu lassen, mit Landesgeld die Aufgabe des Bundes umzusetzen, zum Beispiel beim Spracherwerb, weil der Bund nur den Spracherwerb für anerkannte Asylbewerber mit den Integrationskursen finanziert.

Deshalb sage ich Ihnen, lassen Sie Ihre unhaltbaren Anwürfe, und arbeiten Sie mit uns gemeinsam daran, dass wir eine wirklich humane Flüchtlingspolitik umsetzen können.

Ich kann Ihnen aber auch nicht ersparen, die Verantwortung des Bundes in die Debatte mit einzubringen. Die Asylgesetze liegen alle beim Bund. Der Bund macht die Gesetze, und die Kosten teilen sich Land und Kommune. So ist der Weg.

Der Bund kann sich auch nicht mit einer Einmalzahlung aus der Verantwortung herausstehlen und sagen, wir haben jetzt einiges an Millionen hineingegeben.

Wir fordern die Bundesregierung auf, sich dauerhaft an den strukturellen Kosten zu beteiligen, zum Beispiel an den Kosten der Unterkunft, die eine hohe Belastung darstellen. Hier kommt die immer wieder sinnvoll erhobene Forderung nach Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes, weil damit automatisch die Kosten der Unterkunft auch im Sinne der Sozialgesetze beim Bund angesiedelt wären.

Ich habe vorhin schon auf den Spracherwerb hingewiesen. Der Spracherwerb, die Deutschkurse sind der Dreh- und Angelpunkt für eine gelingende Integration. Es kann nicht sein, dass das Land über den Europäischen Sozialfonds, aber nicht über den Bund dieser wichtigen Aufgabe nachgekommen ist. Also auch hier erhebe ich die Forderung, sich zu beteiligen.

Wir setzen große Hoffnung darauf, dass der Gipfel auf Bundesebene unsere Forderungen nicht nur hört, sondern auch unseren Forderungen nachkommt. Alles Weitere in der zweiten Runde.

(Glocke des Präsidenten)

Ich erteile das Wort Frau Ministerin Alt, bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Europa lebt derzeit mit einer Schande – mit der Schande der Abschottungspolitik gegenüber den Flüchtlingen aus den Krisengebieten in der Welt.

Menschen ertrinken, Menschen werden weiter ertrinken, wenn Europa jetzt nicht handelt.

Wie könnte und sollte Europa handeln? – Die EU muss ein wirkliches Seenotrettungsprogramm auflegen. Der Beschluss des EU-Flüchtlingsgipfels von vergangener Woche, die Grenzschutzmissionen Triton und Poseidon stärker auszurüsten, geht nicht weit genug; denn die E.O.-Schiffe sind nach wie vor nur in europäischen Gewässern unterwegs. Schiffe, die zum Beispiel vor der libyschen Küste in Seenot geraten, laufen nach wie vor Gefahr zu sinken.

Wenn Europa nichts tut, dann werden dort weiterhin Flüchtlingsschiffe versinken.

Wir brauchen daher ein umfassendes Seenotrettungsprogramm für das Mittelmeer. Das ausgelaufene Programm Mare Nostrum war hier ein sehr guter Ansatz. Mare Nostrum bedeutet „Unser Meer“ und auf unserem an Europa angrenzendem Meer tragen wir Europäer Verantwortung.

Europa könnte mehr tun, und Deutschland könnte mehr tun. Eine aktuelle Umfrage der ARD zeigt, die Mehrheit der Deutschen ist dafür, mehr Flüchtlinge aufzunehmen. Die Mehrheit der Deutschen ist dafür, mehr Geld für weitere Rettungsschiffe bereitzustellen; denn die Bevölkerung sieht, vor welchem Leid die Menschen aus Syrien, aus dem Irak und aus Somalia fliehen, und die Bevölkerung sieht, dass unser Land dank seiner gewaltigen Wirtschaftskraft die Kapazitäten besitzt, um stärker zu helfen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Wir brauchen dringend legale Wege für die Flüchtlinge nach Europa. Eine Möglichkeit hierzu wäre, Flüchtlingen die Möglichkeit zu eröffnen, Botschaftsasyl zu beantragen. Auf diese Weise könnten sie schon außerhalb der EU einen Asylantrag stellen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich sage auch ganz deutlich, der Bund muss Voraussetzungen schaffen, dass die Asylanträge auch bearbeitet werden.

(Pörksen, SPD: Sehr richtig!)

Kürzere Asylverfahren sind unter humanitären Gesichtspunkten unbedingt notwendig.

(Schweitzer, SPD: So ist das!)

Außerdem entlasten sie Länder und Kommunen organisatorisch und finanziell. Dafür braucht das Bundesamt

für Migration und Flüchtlinge so schnell wie möglich und dringend mehr Personal.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Der Hilferuf der Arbeitnehmerschaft des Bundesamts, der vor Kurzem durch die Presse ging, spricht hier Bände.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Flüchtlinge brauchen sichere und legale Wege, um nach Europa zu gelangen, ebenso brauchen auch die Arbeitsmigranten sichere und legale Wege, um zu uns einzuwandern. Daher brauchen wir unbedingt ein Einwanderungsgesetz in Deutschland.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, für die Flüchtlinge, die jetzt Gefahr laufen zu ertrinken, müssen wir handeln. Wir brauchen eine humanitäre Flüchtlings- und Asylpolitik auf der europäischen Ebene. Den Willen zu einer humanitären Flüchtlingspolitik, den RheinlandPfalz im Kleinen zeigt, sollte Deutschland und sollte Europa im Großen zeigen.

Rheinland-Pfalz hat bereits 2011 die Residenzpflicht für die Asylsuchenden abgeschafft. Rheinland-Pfalz hat einen Maßnahmenplan zur Aufnahme, Unterbringung und Integration von Flüchtlingen aufgelegt. RheinlandPfalz hat seine Mittel für den Flüchtlingsbereich erheblich aufgestockt, und Rheinland-Pfalz hat mit der Landesaufnahmeanordnung für syrische Verwandte eine Möglichkeit geschaffen, durch die inzwischen mehrere Hundert Menschen aus dem Bürgerkriegsland Syrien in unserem sicheren Bundesland Rheinland-Pfalz Zuflucht gefunden haben.

Europa kann mehr. Wir brauchen dafür aber auch eine Reform bezüglich der Verteilung der Flüchtlinge auf die EU-Mitgliedstaaten. Wir brauchen hier ein einheitliches System.

Derzeit unterscheiden sich die Aufnahmebedingungen und die Anzahl der aufgenommenen Flüchtlinge noch sehr stark.

Wenn Europa das Ertrinken der Flüchtlinge weiterhin stillschweigend hinnimmt, lädt sich die Europäische Union noch mehr Schuld auf. Heribert Prantl von der Zeitung „Süddeutsche Zeitung“ hat es vergangene Woche in einem Kommentar auf den Punkt gebracht – ich zitiere –: „Diese Union tötet“. Aber diese Union kann künftig viele Leben retten, wenn der politische Wille dafür da ist.

Ich danke Ihnen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)