Protocol of the Session on February 26, 2015

Die Behauptung, unser Aufenthaltsrecht weise eine repressive Grundausrichtung auf, stimmt mit der Bewertung von internationalen Organisationen, wie zum Beispiel der OECD, nicht überein.

(Beifall der CDU)

Aus deren Sicht haben wir das liberalste Zuwanderungsrecht auf der ganzen Welt. Deshalb brauchen wir auch kein neues Einwanderungsgesetz. Vielmehr müssen wir die vorhandenen Instrumente besser nutzen und – falls erforderlich – auf den aktuellen Stand bringen.

Mit dem bestehenden Aufenthaltsgesetz haben wir einen rechtlichen Rahmen, um Zuwanderung zu ermöglichen und zu gestalten. Gerade im Bereich der Arbeitsmigration wurde es im Hinblick auf den drohenden Fachkräftemangel modifiziert. Mit der Blue Card der EU und dem Visum zur Arbeitsplatzsuche für Hochqualifizierte haben wir Möglichkeiten, um die Zuwanderung von Fachkräften – nicht nur von hoch qualifizierten und hoch bezahlten – zielorientiert zu steuern. Warum also Bewährtes aufgeben und – wie SPD und GRÜNE – auf ein Punktesystem nach kanadischem Muster setzen, das die Kanadier selbst gar nicht mehr so toll finden?

(Beifall der CDU)

Es hat sich nämlich herausgestellt, dass das Punktesystem an der Wirklichkeit scheiterte, weil es nicht mit dem Arbeitsmarkt gekoppelt war. Wenn jemand qualifiziert war, Sprachkenntnisse hatte und andere Anforderungen erfüllte, konnte er auch ohne Arbeitsplatz einwandern. Die Folgen waren taxifahrende Akademiker.

Die Behauptung, es bestünden zu hohe Hürden im Aufenthaltsgesetz und in der Beschäftigungsverordnung, ist schlichtweg unzutreffend. Das Gegenteil ist der Fall. In den vergangenen Jahren wurden alle bis dahin bestehenden Hürden ständig abgesenkt. So eröffnete etwa das Aufenthaltsgesetz abgelehnten Asylbewerbern Chancen auf ein sicheres Bleiberecht, wenn sie seit mehreren Jahren hier leben, ausreichende Deutschkenntnisse haben und ihren Lebensunterhalt überwiegend selbst sichern können.

(Beifall der CDU)

Auch die pauschale Forderung nach einer generellen Abschaffung der Vorrangprüfungen unterstützen wir nicht, weil diese grundsätzlich aus arbeitsmarktpolitischen Gründen erforderlich sind. Allerdings kann in bestimmten Fällen, wie etwa bei Mangelberufen, die Vorrangprüfung entfallen. So wurde etwa die Zuwanderung für Ausbildungsberufe geöffnet, in denen, wie zum Beispiel im Gesundheits- und Pflegebereich – auch die Gastronomie sollte hier künftig berücksichtigt werden –, ein Mangel auf dem Arbeitsmarkt besteht.

Wir halten die bisherigen Regelungen sowie die beabsichtigten Veränderungen durch den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neufassung des Bleiberechts für ausreichend.

Die Situation der Flüchtlinge und Asylbewerber in Deutschland hat sich durch die Abkehr vom Sach- zum Geldleistungsprinzip sowie durch die erforderliche Neufassung des Asylbewerberleistungsgesetzes maßgeblich verbessert. Eine Teilhabe am Arbeitsleben ist über die Beschäftigungsverordnung im derzeitigen Rahmen, die sogar noch über die Bestimmungen der EU hinausgehen, gewährleistet. Ein pauschales Bleiberecht für Ausländer, die in einem Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis stehen oder nur eine Zusage haben, lehnen wir ab.

Wir halten es jedoch für erforderlich, dass Asylbegehrende für die Dauer einer Ausbildung einen Duldungsstatus erhalten.

(Beifall bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Forderungen in Ihrem Antrag sind zu weitgehend und im Hinblick auf ein im nationalen Interesse gesteuertes Zuwanderungsrecht kontraproduktiv. Die jetzigen und beabsichtigten Änderungen und Neuerungen in den §§ 25 a und 25 b Aufenthaltsgesetz sind vor diesem Hintergrund vollkommen ausreichend. Wir lehnen deshalb den Antrag von Rot-Grün ab und werben für die Zustimmung zu unserem Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Kollege Konrad das Wort.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin, sehr geehrte Kollegen, lieber Herr Kessel! – Wo ist er denn? – Ah, da. Hallo! – Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, zu welchem Antrag Sie eigentlich sprechen, weil Sie haben sehr viel zu allgemeinen Forderungen von Roten oder GRÜNEN zu den verschiedenen Themen des Asylrechts und des Aufenthaltsrechts gesagt. Wir haben aber einen Antrag vorgelegt, zu dem Sie sich auch hätten äußern können. Das haben Sie zum Schluss gemacht. Sie lehnen ein Bleiberecht für Menschen ab, die einen Ausbildungsplatz haben, und schlagen eine Duldung vor.

Ich empfehle Ihnen die Lektüre des § 60 a des Aufenthaltsgesetzes und die dort aufgeführten Gründe, weshalb eine Duldung ausgesprochen wird. Ich frage mich natürlich, wieso ich eine Duldung aussprechen soll, wenn jemand einen Ausbildungsplatz hat – darauf haben wir Bezug genommen –, und man ihm nicht für die Zeit ein Bleiberecht, zum Beispiel einen entsprechend zeitlich begrenzten Aufenthalt, gewähren soll.

(Pörksen, SPD: Sehr richtig!)

Nun gut, das sei aber einmal dahingestellt.

Sie versuchen jedenfalls mit Ihrem Antrag, den Eindruck zu erwecken, dass sozusagen das Boot voll wäre und wir nur genug abschieben müssten, weil wir dann Platz für die Ausländer und Ausländerinnen hätten, die jetzt zu uns zuwandern wollen, und die Hürden für die Qualifizierten deshalb so hoch seien, weil wir nicht genug Menschen, die ausreisepflichtig sind, abschieben. Das, was Sie uns da in Ihrem Antrag zum Besten gegeben haben, entbehrt jeder Grundlage.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Allein schon aus fachlichen Gründen können wir Ihrem Antrag nicht zustimmen; denn Sie schreiben zum Beispiel: „Das Asylrecht unterscheidet sich grundlegend von Fragen der Zuwanderung. Das Recht der Asylsuchenden, in Deutschland zu verbleiben, hat rein humanitäre Gründe.“ – Okay, wenn ich sage, politische Verfolgung zählt zu den humanitären Gründen, stimmt das so. Allerdings darf ich Sie daran erinnern, dass die Begriffe Zuwanderungsgesetz, Zuwanderer und Zuwanderin Oberbegriffe sind. Im Zuwanderungsgesetz von 2005 erstreckte sich der Artikel 1 auf das Aufenthaltsgesetz und der Artikel 3 auf die Änderung des Asylverfahrensgesetzes. Daran können Sie bereits erkennen, dass das Asylverfahrensgesetz unter die Zuwanderungsregelungen fällt. Dabei sollten wir bleiben. Es gibt hier also keinen Unterschied.

Es sollte auch keinen Unterschied geben, ob jemand in Deutschland bleiben kann, wenn er einen Ausbildungsplatz hat oder nicht. Sie kehren auch das um. Das Problem ist doch, dass die Menschen, die einen Ausbildungsplatz haben, eben nicht die Garantie haben, für die Dauer der Ausbildung in Deutschland bleiben zu können. Sie können auch ihrem Betrieb nicht garantieren, wenn der drei Jahre in ihre Ausbildung investiert hat,

dass sie nachher da auch arbeiten können. Wer nimmt denn solche Leute?

Ich habe einen Brief der Stadtverwaltung Zweibrücken vorliegen. Die Dame stammt aus Nepal. Sehr geehrte Frau …, Ihr Antrag auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis wird abgelehnt. – Warum wird er abgelehnt? Sie ist als Au-pair eingereist, hat die ganzen Deutschkurse gemacht und hatte eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Studienvorbereitung. Jetzt bewirbt sie sich um einen Ausbildungsplatz, hat einen Ausbildungsplatz in einem Zweibrücker Krankenhaus – wir haben übrigens einen Mangel an Pflegekräften, nur um das in Erinnerung zu rufen –, aber wir sagen ihr dann, du kannst aber bei uns nicht arbeiten, weil die formalen Voraussetzungen dafür nicht vorhanden sind. Das ist Bundesrecht. Wir fordern nichts anderes, als dass das geglättet wird und diese Menschen, die sich qualifiziert haben, sich weiter qualifizieren und bei uns qualifiziert arbeiten wollen, das auch dürfen. Ich sehe keinen Grund, warum Sie uns nicht zustimmen können.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Alt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin sehr froh, dass alle gesellschaftlichen Akteure – die Wirtschaft, die Kammern, die Bundesagentur, die Kirchen, die LIGA, die Kommunen, die Nichtregierungsorganisationen – gemeinsam in Rheinland-Pfalz eine Willkommenskultur leben, die besagt: Die Flüchtlinge, die zu uns kommen, bereichern uns, sie bringen Potenziale mit, sie sind wertvolle Menschen, aber sie können auch wertvolle Fachkräfte in unserem Land sein und werden.

Deshalb hat sich die Landesregierung ganz konkret dafür eingesetzt, das Bundesprojekt „Early Intervention“ nach Rheinland-Pfalz zu bekommen. Wir sind sehr froh, dass wir an dieser Stelle mit unserem Konzept überzeugen konnten und dieses Projekt zu uns nach RheinlandPfalz bekommen haben. Es wird im Schwerpunkt federführend am Modellstandort Ludwigshafen durchgeführt. Mit diesem Projekt werden Qualifikationen von Asylsuchenden und Flüchtlingen erfasst, und es wird eine intensive Arbeitsmarktberatung angeboten.

Die Landesregierung setzt dieses Konzept seit Januar 2015 um und prüft derzeit, wie man das Modellprojekt „Early Intervention“ in Rheinland-Pfalz ausweiten kann. Diesen Ansatz haben wir vorige Woche am Ovalen Tisch mit allen Vertreterinnen und Vertretern der Wirtschaft besprochen und dort sehr gute Resonanz bekommen. Unser Konzept sieht vor, dass zukünftig in allen Erstaufnahmeeinrichtungen in Rheinland-Pfalz die

schulischen und beruflichen Qualifikationen von Flüchtlingen und Asylsuchenden auf freiwilliger Basis erfasst werden und an die Agenturen, Jobcenter und Kommunen weitergegeben werden können.

Gleichzeitig wollen wir in der AfA neben den allgemeinen Sprachkursen, über die wir heute schon gesprochen haben, noch ein zusätzliches Sprachtraining für den Arbeitsmarkt anbieten. Es bestehen sehr konkrete Absprachen zwischen dem Integrationsministerium, dem Arbeitsministerium und der Bundesagentur für Arbeit. Jeder übernimmt hier seinen Part. Das Arbeitsministerium wird für die Erfassung der Qualifikationen Projektmittel aus der Arbeitsmarktpolitik zur Verfügung stellen. Vorgesehen sind zwei Personalstellen pro Standort, die mit fachkundigem Personal besetzt werden sollen. Das Integrationsministerium wird die Sprachangebote erweitern und die erforderlichen Mittel für Sprachmittler in der Erstaufnahme im Rahmen des Haushalts 2016 ausbauen. Und die Arbeitsagentur kommt mit eigenem Personal in die verschiedenen Aufnahmeeinrichtungen.

Allerdings stehen der Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen und Asylsuchenden noch verschiedene Bundesregelungen als Hindernis im Weg. Das wurde von den Vorrednerinnen und Vorrednern schon angesprochen. Die Landesregierung hat sich bereits in Berlin im Bundesrat dafür eingesetzt, diese Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Ein solches Hindernis betrifft junge Menschen, die hier mit einer Duldung leben und eine Ausbildung absolvieren oder eine Zusage dafür haben. Zurzeit müssen sie und ihre Arbeitgeber damit rechnen, dass eine Abschiebung des Auszubildenden jederzeit möglich ist. Das ist schlecht für die Azubis, und das ist auch schlecht für die Ausbildungsbetriebe.

Diese jungen Menschen haben Potenziale, und wir sollten ihnen die Chance geben, diese Potenziale auch zu entfalten. Davon profitieren nicht nur sie, sondern auch unsere Gesellschaft und besonders der Arbeitsmarkt.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön.

Angesichts des demografischen Wandels und des Bedarfs der Wirtschaft an Auszubildenden sollten wir diesen jungen Menschen die Türen öffnen. Was wir brauchen, ist ein Bleiberecht für die Dauer der Ausbildung, das bei erfolgreichem Abschluss der Ausbildung auch verlängert werden kann, damit man sich einen Arbeitsplatz suchen kann. Das wäre gut für die Azubis, und das wäre auch gut für die Ausbildungsbetriebe; denn eine gute Ausbildung und eine gute Perspektive stellen auch die Weichen für eine gelungene Integration.

Ich will an dieser Stelle – gerade, weil es um die Auszubildenden geht – noch einmal darauf hinweisen, dass wir es sehr begrüßen, dass DEHOGA hier die Initiative ergriffen hat und 300 Ausbildungsplätze im Hotel- und Gaststättenbereich für Flüchtlinge zur Verfügung stellen will.

(Frau Klöckner, CDU: Flüchtlingsgipfel ist auch ein Thema!)

Wir haben einen sehr guten Kontakt geknüpft und konnten jetzt sozusagen einen Matching-Prozess in Gang bringen, mit dem die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, die in unseren Jungendhilfeeinrichtungen leben, an dieser Kampagne beteiligt werden können. Ich glaube, wenn wir da erfolgreich sind, ist es eine sehr gute Aktion.

Ein zweites Hindernis für die dringend erforderlichen besseren Arbeitsmarktbeteiligungen sind die Vorrangprüfungen für Geduldete. Diese Regelungen haben heute in der Praxis und insbesondere angesichts der Arbeitsmarktlage völlig unsinnige Folgen. Erst verbieten wir das Arbeiten, und nachher beklagen wir uns über die höheren Sozialkosten. Wir jedenfalls werden im Bundesrat an diesem Thema dranbleiben.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der der SPD)

Wir werden uns in der nächsten Woche im Bundesrat am 6. März mit einem Entschließungsantrag dafür einsetzen, ein Einwanderungsgesetz zu schaffen; denn die bestehenden gesetzlichen Regelungen sind in der Anwendung oft kompliziert und in der Fülle der Einzelfallregelungen intransparent. Ein modernes, einfaches und transparentes Einwanderungsgesetz ist hier die Lösung.

(Frau Klöckner, CDU: Wie sieht das denn aus?)

Es wird jetzt bald veröffentlicht.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir kommen zur Abstimmung über die Anträge.