Protocol of the Session on February 26, 2015

Chancen für Integration und Qualifizierung sichern Antrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Drucksache 16/4628 –

dazu: Qualifizierte Zuwanderung fördern – Das Asylrecht konsequent anwenden Antrag (Alternativantrag) der Fraktion der CDU – Drucksache 16/4675 –

Das Wort hat Frau Kollegin Jacqueline Rauschkolb, die im Übrigen ihre Jungfernrede hält. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte um ein wenig Ruhe.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, heute über eines meiner Herzensthemen sprechen zu können, dem ich mich auch als Integrationsbeauftragte im Donnersbergkreis widme, ein Thema also, das mir wirklich am Herzen liegt und zu dem ich mit vielen Betroffenen tagtäglich telefoniere, um die Situation vor Ort konkret zu verbessern.

Wir haben heute und gestern schon gehört, es kommen viele Menschen zu uns, die hier Zuflucht suchen, viele junge Menschen, die Kompetenzen und Potenziale mitbringen, die sie in ihrem Heimatland erworben haben. Doch ihnen werden viele Hürden in den Weg gestellt, die es abzuarbeiten gilt. Das wollen wir in unserem Antrag und mit der Bundesratsinitiative zeigen.

(Unruhe im Hause)

Wir wollen einen frühzeitigen Einstieg in den Arbeits- und Ausbildungsmarkt gewährleisten, Hürden abbauen und so einen guten Start und eine gelebte Willkommens- und Anerkennungskultur ermöglichen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich freue mich, dass wir als Politikerinnen und Politiker nicht alleine dastehen. Wir haben es heute Morgen schon gehört: Viele Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften und auch die Kammern stehen voll hinter uns und sagen Ja zur Einwanderung, Ja zur Willkommenskultur.

Heute hat sich auch der Deutsche Städtetag geäußert. Er stellt sich eindeutig gegen Ihren Alternativantrag, in dem Sie ein Schreckensszenario zeichnen und sagen, die Akzeptanz für Flüchtlinge würde dadurch gestärkt, indem man schnell abschiebt und sichere Herkunftsstaaten erweitert. Doch das sieht der Deutsche Städtetag nicht so.

Der Präsident Ulrich Maly sagte heute Mittag, er rät von einer Abschottungsstrategie ab, und diese Strategie würde die Akzeptanz vor Ort und die Hilfsbereitschaft deutlich senken. – Also sage ich, wir haben recht mit unserem Antrag. Wir stehen für eine Willkommenskultur.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Die Ministerin hat es eben schon erwähnt: Das Projekt „Early Intervention“ ist ein Vorzeigeprojekt, das wir hoffen, ausweiten zu können.

(Unruhe bei der CDU)

Es erinnert mich an eine Ausstellung, die ich vor Kurzem besucht habe.

(Glocke der Präsidentin)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist die erste Rede von Frau Rauschkolb. Bitte hören Sie doch zu.

(Pörksen, SPD: Oder gehen Sie raus, das geht auch!)

Ja, das wäre schön.

Das Projekt „Early Intervention“ erinnert mich an eine Ausstellung, die wir zuletzt im Kreishaus hatten. Die Ausstellung heißt „BITTE ÖFFNEN. Kisten des Könnens von Flüchtlingen“ vom Netzwerk In Procedere – Bleiberecht durch Arbeit. Ich finde, wir sollten in diese Kisten schauen und nachsehen, welche Schätze wir entdecken, anstatt sie auf den Dachboden zu schieben und abzuwarten, ob Staub darauf wächst. Das ist unsere Aufgabe als Politikerinnen und Politiker.

Ich würde sagen, diese Ausstellung hat recht, und wir sollten an den Stellschrauben drehen, um konkret Lebenssituationen zu verbessern.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Damit wir einmal konkret werden: Ein Problem ist die Duldung von jungen Auszubildenden. Der junge Majid, der mich angerufen hat, und seine Geschwister machen hier die mittlere Reife. Sie hatten eine Zusage für einen Ausbildungsvertrag, doch der Arbeitgeber zögert, weil er nicht weiß, wie lange die Jugendlichen in Deutschland bleiben können. So hat weder er Planungssicherheit noch haben Majid und seine Geschwister eine Zukunftsperspektive.

Für ihn und viele andere Jugendliche in Rheinland-Pfalz und Deutschland müssen wir eine Neuregelung des Bleiberechts anstreben. Ich freue mich, ihm sagen zu können, dass wir uns für ihn einsetzen, damit er seine Zukunft in Deutschland sehen kann.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Das ist aber nur eine der Stellschrauben, an denen wir drehen müssen. Eine weitere ist ein Gesamtkonzept, das Einwanderungsgesetz, das noch ausgearbeitet werden muss, aber auch die bestehende Vorrangprüfung. Natürlich, im Alternativantrag steht, es gibt Ausnahmen bei der Vorrangprüfung. Ich finde aber, sie müsste ganz entfallen.

Ich habe auch dort ein konkretes Beispiel von einer Firma vor Ort, die einen jungen Mann hat, den sie gerne einstellen würde. Doch die Vorrangprüfung verzögert das Einstellungsverfahren. Man weiß nicht, ob vielleicht jemand anders für diese Stelle gefunden wird und ob der junge Mann, der einmal in die Firma hineingeschnuppert hat, vielleicht gar nicht dort arbeiten kann, obwohl er die perfekte Ausbildung hätte, bloß die Anerkennung fehlt.

Das heißt, für ihn und für die Unternehmen, also für beide Seiten, würden wir der Fachkräftesicherung, die wir oft als unser Ziel erwähnen, Rechnung tragen, wenn wir sagen, wir setzen uns weiter dafür ein, so, wie wir es jetzt schon tun, die Landesregierung mit der Bundesratsinitiative. Ich freue mich, auch hier sagen zu können, wir helfen konkret.

(Unruhe bei der CDU)

Wir widmen uns den Problemen, die vor Ort wirklich wichtig sind, anstatt irgendwo in den Wolken

herumzuschweben.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich finde, wir sollten uns gemeinsam für die Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen und Asylsuchenden engagieren. Mich hat jemand angesprochen: Kann man im Parlament einmal für unsere Belange sprechen? Das ist nicht immer so einfach, wie man sich das vorstellt.

Ich freue mich aber, heute Gelegenheit dazu gehabt zu haben und so auch zu sagen, wir kümmern uns, wir bieten eine konkrete Perspektive an. Wir schlagen mehrere Fliegen mit einer Klappe. Wir bieten Fachkräftesicherung. Wir bieten eine gute Perspektive für junge Menschen, für gut Ausgebildete, und helfen auch unseren Handwerkerinnen und Handwerkern, der Gastronomie, der Pflege und nicht nur Hochqualifizierten, die durch die Blaue Karte kommen, sondern auch anderen, hierher zu kommen, und schaffen tolle Perspektiven. In diesem Sinne empfangen wir die Menschen mit offenen Armen.

Vielen Dank.

(Anhaltend Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Kessel das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Die Aufnahme von Bürgerkriegsflüchtlingen und politisch Verfolgten ist eine humanitäre Verpflichtung und stellt eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung dar. Dieser Verantwortung stellen wir uns.

Allerdings wollen wir im Gegensatz zu Rot-Grün eine gesteuerte Einwanderungspolitik, da wir der Ansicht sind, dass eine unbegrenzte Zuwanderung unsere Gesellschaft und unser Sozialsystem an die Grenzen ihrer Leistungs- und Aufnahmefähigkeit bringt. Deshalb haben wir einen Alternativantrag zu dem der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebracht.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, in der Debatte um die Einwanderung wird vieles vermischt und undifferenziert dargestellt.

(Pörksen, SPD: Natürlich!)

Es gilt, drei Bereiche strikt voneinander zu trennen, Herr Pörksen.

Erstens: Das Asylrecht ist ein individuelles Grundrecht für alle Menschen, die politisch verfolgt werden. Zu dieser Gruppe zähle ich auch die Bürgerkriegsflüchtlinge, die aus Angst um ihr Leben aus ihrer Heimat fliehen. Das Asylrecht kann mit einem Einwanderungsgesetz

nicht gesteuert werden und besteht unabhängig von der Bedarfslage auf dem Arbeitsmarkt.

(Beifall der CDU – Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Zweitens, Herr Pörksen: Die Armutseinwanderung. Hier kommen Menschen aufgrund großer wirtschaftlicher Not zu uns, weil sie für sich und ihre Angehörigen in ihrer Heimat keine Perspektive mehr sehen.

(Pörksen, SPD: Was denken Sie, woher die Amerika- ner kommen? Denken Sie mal an die Geschichte!)

Armut ist jedoch kein Asylgrund nach unserem Grundgesetz. Wirtschaftliche Not als Kriterium für ein Recht auf Asyl anzuerkennen, hieße, einer Aushöhlung des Asylrechts Vorschub zu leisten.

Drittens: Die klassische Ein- oder Auswanderung, die es schon immer gab und weltweit gibt. Ihr Beispiel, Herr Pörksen. Hier haben wir bestehende Regeln und damit Steuerungsmöglichkeiten, wer unter welchen Bedingungen in unseren Staat einwandern darf oder soll.

Der Antrag von Rot-Grün vermischt undifferenziert Aspekte der Einwanderung, des Facharbeitermangels und des Flüchtlingsthemas. Er geht vor allem an den aktuellen Herausforderungen im Hinblick auf die für dieses Jahr bundesweit erwarteten 300.000 Asylbegehrenden vorbei.

Die Behauptung, unser Aufenthaltsrecht weise eine repressive Grundausrichtung auf, stimmt mit der Bewertung von internationalen Organisationen, wie zum Beispiel der OECD, nicht überein.