Protocol of the Session on December 18, 2014

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Unabhängig von ihrem aufenthaltsrechtlichen Status sollen alle in Deutschland lebenden Menschen in die gesetzliche Krankenversicherung einbezogen werden, heißt es im Entschließungsantrag, der der „Süddeutschen Zeitung“ vorliegt. Die Kosten in Höhe von etwa 490 Millionen Euro im Jahr soll der Bund den Kassen erstatten. Hier deckt sich offensichtlich die Forderung aus dem Entschließungsantrag der GRÜNEN im Bundestag mit dem uns heute vorliegenden Antrag. Warum haben Sie, die regierungstragenden Fraktionen und die Landesregierung, nicht selbst den Weg von Bremen und Hamburg übernommen?

(Beifall der Abg. Frau Klöckner, CDU – Frau Kohnle-Gros, CDU: Sehr gute Frage!)

Das wäre Ihnen unbenommen. Wir wären sogar bereit, Sie auf diesem Weg zu begleiten. Aber nein, Sie wollen die Kosten wieder einmal an den Bund abschieben. Die vom Bund zugesagten je 500 Millionen Euro für 2015 und 2016 würden dann gerade für die Kosten der Krankenversicherung ausreichen.

Außerdem geht es Ihnen – auch das zeigt Ihr Antrag – um die komplette Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Diesen Weg wollen wir nach den bereits vereinbarten Veränderungen, wie unter anderem der

Aufhebung der Residenzpflicht, dem Vorrang der Geldleistung vor der Sachleistung und der Erweiterung der Arbeitsmöglichkeiten, nicht gehen.

Um die noch offenen Fragen zu klären, beantragen wir eine Überweisung an den Integrations- oder Sozialpolitischen Ausschuss und eine Anhörung der kommunalen Spitzenverbände sowie der Vertreter der gesetzlichen Krankenkassen.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU – Frau Klöckner, CDU: Sehr gut!)

Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat jetzt Frau Kollegin Anne Spiegel das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Bis zum Jahresende werden gut 10.000 Flüchtlinge nach Rheinland-Pfalz gekommen sein, um hier Schutz und Hilfe zu suchen auf ihrer Flucht aus ihren Heimatländern, aus denen sie vertrieben worden sind. Wir haben in den vergangenen Monaten im Plenum oft über das Thema Flüchtlingspolitik und die unterschiedlichen Facetten dieses Themas gesprochen. Es ist mir ein ganz wichtiges Anliegen – deswegen begrüße ich es auch, dass wir uns heute über die Gesundheitskarte unterhalten –, an dieser Stelle noch einmal auf die gesundheitliche Versorgung und die Verantwortung der Politik dabei einzugehen.

Solange die Flüchtlinge noch in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes sind, haben sie eine andere gesundheitliche Versorgung als später bei der Verteilung auf die Kommunen. Die Landesregierung hat im Sommer dieses Jahres mit dem MEDEUS-Programm nochmals die gesundheitliche Versorgung in den Erstaufnahmeeinrichtungen verbessert. Doch sobald die Flüchtlinge in der Kommune sind – da kommen wir zum Stichwort diskriminierungsfreier Zugang, Herr Kessel –, müssen sie, bevor sie einen Arzt oder eine Ärztin besuchen können, bei einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter des Sozialamts vorsprechen, der medizinisch nicht geschult ist, und hier über ihre gesundheitlichen Probleme sprechen und sich einen Krankenschein ausstellen lassen. Erst dann können sie einen Arzt oder eine Ärztin besuchen.

Es ist uns ein sehr wichtiges Anliegen, um den Zugang zu gesundheitlicher Versorgung zu verbessern, hier diese bürokratische Hürde abzuschaffen und die Flüchtlinge, die Asylbewerberinnen und Asylbewerber mit einer Gesundheitskarte auszustatten, damit diese direkt, ohne den bürokratischen Umweg beim Amt, vor Ort einen Arzt oder eine Ärztin aufsuchen können.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Berechnungen und Studien haben gezeigt – das zeigt auch das Bremer Modell –, dass dadurch die Kommunen entlastet würden. Sie würden von dieser Verwaltungsaufgabe entlastet, eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter vorzuhalten, die oder der diese Gespräche führt und auch diese Entscheidungen trifft. Wir glauben, dass es auch eine deutliche Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung darstellt, wenn die Flüchtlinge in Zukunft die Möglichkeit haben, direkt einen Arzt oder eine Ärztin aufzusuchen, um eben dieses Erstgespräch über ihre gesundheitlichen Probleme mit einer dementsprechend qualifizierten Person führen zu können. Zugleich würden wir uns aber auch wünschen – auch das steht im Antrag, und ich denke, auch das ist ein sehr wichtiges Anliegen der Koalitionsfraktionen –, dass wir die gesundheitliche Versorgung, den Leistungskatalog insgesamt, noch einmal verbessert bekommen.

Kollegin Anklam-Trapp ging schon darauf ein, welche verschiedenen Behandlungen dieser Leistungskatalog bisher umfasst. Viele Flüchtlinge, die zu uns kommen, sind traumatisiert. Nicht nur deshalb ist es sehr wichtig, dass wir an dieser Stelle versuchen, auf dem politischen Wege – aber nur gemeinsam mit dem Bund – den Leistungskatalog auszuweiten; denn, lieber Herr Kessel, es geht uns nicht darum, das Land hier aus der Pflicht zu nehmen, sondern es geht uns darum, die enorme Belastung, auch die finanzielle Belastung, der Kommunen und der Länder ein bisschen besser zu verteilen und hier den Bund stärker als bisher bei der gesundheitlichen Versorgung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern in die Pflicht zu nehmen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Der Antrag sieht vor, jetzt zügig Gespräche mit den Krankenkassen, mit den zuständigen Akteurinnen und Akteuren auf den unterschiedlichen Ebenen zu führen, um hier voranzukommen. Ich hoffe, dass der Bundesgesetzentwurf jetzt schnell vorgelegt wird. Ich möchte der Landesregierung an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich danken, die sich im Bundesrat Ende November im Sinne des Landes Rheinland-Pfalz für eine deutliche Verbesserung beim Zugang zur gesundheitlichen Versorgung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern eingesetzt hat.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin BätzingLichtenthäler.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wir leben in einer Welt, in der es auf allen Kontinenten aktuell Krisenherde gibt, die bewir

ken, dass weltweit Millionen von Menschen auf der Flucht sind und fern ihrer Heimat für sich und ihre Familienangehörigen Schutz vor Verfolgung und Bedrohung suchen müssen. Viele dieser Menschen suchen in ihrer Not und Verzweiflung den Weg nach Europa und nach Deutschland, um bei uns vorübergehend oder dauerhaft Schutz zu finden und Asyl zu erhalten.

Dabei müssen weder die Zahl dieser Menschen noch ihre Hautfarbe oder ihr Glaube irgendjemand in unserem Land Anlass zur Sorge geben oder gar Angst machen. Viele der Flüchtlinge sind hoch gebildet und bestens ausgebildet, und viele von ihnen möchten auch so schnell wie möglich in ihre Heimat zurückkehren, wenn es die Umstände dort wieder erlauben. Daher appelliere ich eindringlich, in der Diskussion um die Flüchtlinge und Asylbewerber nicht mit dumpfen Parolen zu arbeiten, sondern sich der besonderen Verantwortung für eine humanitäre Flüchtlingspolitik bewusst zu sein.

Viele der Flüchtlinge, liebe Kolleginnen und Kollegen, kommen mit gesundheitlichen Problemen zu uns bzw. brauchen medizinische und therapeutische Hilfe, was angesichts ihres Leidensweges und der Traumatisierung auch niemanden überraschen kann. Unser Gesundheitswesen ist in der Lage, auch diesen Menschen zu helfen. Allerdings kann und muss die derzeitige Situation und damit die Versorgungslage der Flüchtlinge verbessert werden. Dies ist das Ziel des vorliegenden Antrags, den ich im Namen der Landesregierung begrüße.

Es ist den Bundesländern nach einem sehr schwierigen Diskussionsprozess gelungen, Ende November 2014 mit der Bundesregierung zur Entlastung von Ländern und Kommunen bei der Aufnahme und Unterbringung von Asylbegehrenden und Flüchtlingen eine Vereinbarung zu schließen. Diese Vereinbarung schließt auch die künftige Gesundheitsversorgung der Flüchtlinge ein. Danach soll die Einführung einer Gesundheitskarte auf der Basis eines Bundesgesetzes geprüft werden und Anfang 2015 Gegenstand einer Besprechung zwischen dem Bund und den Ländern sein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die rheinland-pfälzische Landesregierung wird sich dafür einsetzen, dass eine Regelung gefunden wird, die die Asylbegehrenden und Flüchtlinge aus ihrer Situation von Patienten zweiter Klasse – das ist ein Zitat aus der „Frankfurter Rundschau“ – herauslöst und ihnen einen Weg in die Arztpraxen ohne vorherige Bittgänge zum örtlichen Sozialamt ermöglicht.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Es ist dringend geboten, dass die in diesem bisherigen Verfahren liegende Diskriminierung so schnell wie möglich abgeschafft wird.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Der einfachste Weg zu diesem Ziel führt über den Vorschlag, alle Flüchtlinge mit einer Gesundheitskarte auszustatten. Eine solche Gesundheitskarte – wir haben es von den Vorrednern gehört – würde die Kommunen

entlasten, da künftig dort kein Personal mehr zur Ausstellung der bislang noch üblichen Behandlungsscheine mehr benötigt wird. Zudem würde eine Abrechnung der im Gesundheitswesen für die Asylbegehrenden und Flüchtlinge erbrachten Leistungen künftig auf der Basis der von den Krankenkassen verhandelten ärztlichen und sonstigen Honorare erfolgen, und auch die Arztpraxen würden in Sachen Verwaltungsaufwand entlastet.

Wie der Weg zu einer solchen Gesundheitskarte beschritten werden kann, ist derzeit allerdings noch offen. Noch werden offenbar im Bundesgesundheitsministerium verschiedene Optionen erwogen. Es ist und bleibt Aufgabe des Bundesgesundheitsministeriums, auf die Länder mit einem konkreten Vorschlag zuzugehen, der nach Möglichkeit auch ein bundeseinheitliches Verfahren sicherstellt.

(Frau Anklam-Trapp, SPD: So ist es!)

Es bleibt ferner abzuwarten, liebe Kolleginnen und Kollegen, ob das auch im Entschließungsantrag erwähnte Bremer Modell in das Gesetzgebungsverfahren einfließen wird; denn dieses Modell ist dadurch charakterisiert, dass es sich um eine auf kommunaler Ebene – Bremen ist bekanntlich Bundesland, Stadtstaat und Kommune gleichzeitig – mit den Krankenkassen auf freiwilliger Basis abgeschlossene Vereinbarung handelt. Lieber Kollege Kessel, das ist auch der Grund dafür, warum in Rheinland-Pfalz dieses Bremer Modell nicht so einfach zur Anwendung kommen kann, wir es nicht aktiv betreiben können;

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

denn übertragen auf ein Flächenland wie RheinlandPfalz würde dieses Modell bedeuten, dass in 36 kreisfreien Städten und Landkreisen entsprechende Verhandlungen mit den Krankenkassen und deren Verbänden aufgenommen und erfolgreich zum Abschluss geführt werden müssten.

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Ich betone noch einmal: auf freiwilliger Basis.

Bezogen auf den vorliegenden Entschließungsantrag bedeutet dies, dass es zum gegenwärtigen Zeitpunkt sicherlich noch zu früh wäre, hierüber mit den kommunalen Spitzenverbänden und den Krankenkassen in Gespräche einzutreten; denn auch hier gilt: Wir brauchen zunächst Klarheit darüber, wie die zwischen Bund und Ländern getroffene Vereinbarung umgesetzt werden soll.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sichere Ihnen zu, die rheinland-pfälzische Landesregierung wird sich dem Thema der gesundheitlichen Versorgung von Flüchtlingen weiterhin engagiert, ernsthaft und mit dem festen Willen widmen, den moralischen Ansprüchen einer humanitären Flüchtlingspolitik gerecht zu werden. Ich rechne und hoffe dabei fest auf die Unterstützung des gesamten Parlaments.

Danke schön.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sehe keine weiteren Wortmeldungen.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Ausschussüberweisung!)

Die CDU beantragt Ausschussüberweisung. Dann stimmen wir zunächst darüber ab. Wer ist für eine Ausschussüberweisung des Antrags – Drucksache 16/4368 –? – Wer ist dagegen? – Das ist die Mehrheit. Somit ist die Ausschussüberweisung abgelehnt.

Wir kommen somit zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/4368 –. Wer stimmt dem Antrag zu? – Wer stimmt dagegen? – Damit ist der Antrag mit den Stimmen der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU angenommen.

Wir kommen zu Punkt 23 der Tagesordnung:

Steillagenweinbau fördern – Prägende Kulturlandschaften erhalten Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 16/4297 –

dazu: Förderung des Steillagenweinbaus Antrag (Alternativantrag) der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/4404 –

Ich erteile Herrn Kollege Gies von der CDU-Fraktion das Wort. Es wurde eine Grundredezeit von 5 Minuten je Fraktion vereinbart.