Protocol of the Session on August 18, 2011

(Zurufe der Abg. Frau Klöckner, CDU – Bracht, CDU: Unverschämtheit!)

spricht nicht dafür, dass Sie sehr ernsthaft mit den Dingen umgehen. Das will ich mit aller Deutlichkeit sagen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Frau Klöckner, CDU: Dummes Zeug! – Bracht, CDU Unverschämtheit!)

Niemand zwingt Parlamentarier zuzuhören, auch nicht die der Opposition.

(Frau Klöckner, CDU: Sie hören auch nicht zu, wenn wir reden!)

Ich kann jedes Argument, das heute gesagt worden ist, wiederholen.

(Frau Klöckner, CDU: Zum OLG gestern auch?)

Jedes. Ich habe nämlich zugehört und war immer da.

(Zuruf der Abg. Frau Klöckner, CDU)

Sie nicht, ich aber schon.

Ich hätte es jetzt liebend gern, dass wir uns mit einer zentralen Frage der Zukunft unserer Gesellschaft und unserer Wirtschaft befassen.

Ich will noch einmal sagen, ich halte es auch jetzt für notwendig, dass diese Europäische Gemeinschaft sich dazu versteht, eine europäische Rating-Agentur aufzustellen, um damit eine eigenständige Bewertung nach eigenständigen Maßstäben zu ermöglichen. Ich sage Ihnen, ich sehe es mit Grausen, wenn sich in Amerika die Kräfte der sogenannten Tea-Party durchsetzen und sich nach diesen Maßstäben Wirtschaftskulturen weltweit etablieren würden.

(Zuruf des Abg. Baldauf, CDU)

Ich glaube es auch. Das sehe ich mit Grausen. Wir haben eigene Maßstäbe in Europa. Diese sind in Verträgen festgelegt, in Deutschland und in Rheinland-Pfalz auch in der Verfassung.

Lassen Sie mich zu einem weiteren Punkt kommen, nämlich zur Rolle der Politik. Ich glaube, niemand würde ernsthaft behaupten, dass die Politik in einem marktwirtschaftlichen System, wie wir es haben, die alleinige – dies schon gar nicht – und wahrscheinlich auch nicht die größte Rolle zu spielen vermag.

Dennoch sind diejenigen, die von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt worden sind, diejenigen, die in die Verantwortung genommen sind und versuchen müssen, mit den Instrumentarien, die ihnen zur Verfügung stehen, zu handeln. Deshalb bin ich der Allerletzte, der hingeht und einfach jetzt auf die Bundesregierung ein

prügelt, weil sie jetzt eine andere Farbenkonstellation als die rheinland-pfälzische Landesregierung hat. Das ist überhaupt nicht mein Punkt. Sie werden das von mir auch in dem Zusammenhang nicht gehört haben.

Bei der Ausgangslage kann man nicht die fünf Wirtschaftsweisen und meinetwegen noch einmal 20 unterschiedliche wissenschaftliche Institute zusammenrufen und sagen, macht jetzt einmal einen Vorschlag. Dabei kommen nämlich völlig diametral verschiedene Vorschläge heraus, wie wir aus den Veröffentlichungen wissen. Bei der Politik in Deutschland und in Europa werden wir, wenn auch nur bescheiden, aber doch über den Bundesrat mit zu beteiligen sein. Ich komme auch noch zu eigenen Aufgaben. Dennoch wird die Politik handeln müssen.

Wir kennen die Diagnose. Wir haben mehrere Ärztinnen und Ärzte unter uns in diesem Hohen Hause. Wenn die Diagnose steht, wird es auch bei komplizierten, schwierigen und vielschichtigen Erkrankungsbildern so sein, dass man über die Therapie reden und sich auch streiten können muss. Aber Ärztinnen und Ärzte, die nur am Krankenbett stehen, um bei diesem Bild zu bleiben,

(Dr. Weiland, CDU: Steinmeier zum Beispiel!)

und weil man weiß, dass jede der Therapien auch Nebenwirkungen hat, dann überhaupt keine anwenden, hätten ihren Beruf auch verfehlt und würden nicht helfen.

Dass Sie an solchen Stellen nur parteipolitisch denken können, spricht für die Größe Ihres „...“.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Weiland, CDU: Das ist ein unparlamentarischer Ausdruck, jedenfalls gedacht! – Heiterkeit bei der CDU)

Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten.

(Dr. Weiland, CDU: Aber manchmal kann man sie erraten!)

Sie fliegen vorbei wie nächtliche Schatten. Ich gebrauche dieses Bild, um deutlich zu machen, dass die Politik sich zu einer Handlungsweise verständigen muss, und dass sie nicht, weil nichts ohne Nebenwirkungen und ohne Risiko ist, zuschauen darf, wie die Gefahr des Exitus des Patienten immer größer wird.

Dass dabei viele Länder in Europa und darüber hinaus in besonderer Weise auf die Verantwortung von Deutschland und Frankreich schauen, ist per se nichts Schlechtes. Es ist auch unter völlig unterschiedlichen Farbkonstellationen in den vergangenen Jahrzehnten erfolgreich gewesen, dass Deutschland – – –

Frau Klöckner, Sie sind so ungeduldig. Sie haben heute siebenmal geredet. Das halte ich für völlig in Ordnung. Jetzt müssen Sie mir einmal zuhören,

(Frau Klöckner, CDU: Ich habe doch gar nichts gesagt! Ich habe doch nur mit einer Abge- ordneten geredet. Ich lasse Sie doch eine halbe Stunde reden!)

ob es Ihnen gefällt oder nicht.

(Zuruf der Abg. Frau Klöckner, CDU)

Nein, nein, das ist auch besser so.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist wirklich schwierig, eine rein sachliche Debatte in diesem Parlament zu führen. Das ist wirklich schwierig.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU – Frau Klöckner, CDU: Das versuchen wir ja auch!)

Es gibt also gute Gründe dafür, dass man gerade in den kleineren europäischen Staaten auf eine gewisse Führungsrolle von Deutschland und Frankreich baut. Ich war im letzten Herbst, als diese Krise noch nicht so virulent war, in einer Reihe von mittel- und osteuropäischen Staaten unterwegs. Man wird dann von höchster Ebene, von Regierungs- und Staatschefs, mit denen ich reden konnte, danach gefragt, wann wir das wieder hinbekommen, dass Deutschland und Frankreich ein Stück vorgeben, wo es langgehen soll.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, deshalb fand ich es gut und richtig, dass es diese Begegnung gegeben hat. Wir müssen aber auch feststellen, dass eine wirklich klare Orientierung, wohin diese beiden europäischen Führungsstaaten wollen, zumindest, wenn man das liest, was veröffentlicht worden ist, schwer erkennbar ist.

Deshalb sage ich noch einmal, der erste Punkt ist, es muss sich auf ein Handeln verständigt werden. Das ist noch viel wichtiger, als wenn man sagt, wir gehen den Weg, dass europäische Zentralbanken oder europäische Notenbanken Papiere der schwachen Volkswirtschaften aufkaufen – das ist ein Weg –, oder ob man sagt, wir gehen den Weg der Eurobonds, also einer gemeinsamen Verantwortung für solche Wirtschaftskrisensituationen, und fügen entsprechende Maßstäbe hinzu. Dann muss man nicht alle Maßstäbe neu erfinden.

Die 60 % Höchstverschuldung beispielsweise, die wir in den Stabilitätskriterien haben, können da eine Orientierung dafür sein, welche Größenordnungen wir gemeinschaftlich absichern, beispielsweise der griechischen – ich will jetzt keine andere nennen – Volkswirtschaft, und was in eigener Verantwortung bleibt. Dann sind die Zinsrelationen auf jeden Fall so, dass sie noch beherrschbar für das entsprechende Land sein könnten, und denen nicht durch Zinserhöhungen rasanter Art jede Chance genommen ist, ihre Volkswirtschaft zu stabilisieren und Impulse zu geben, sei es in die private Nachfrage oder in die öffentliche Investition.

Ich glaube, es ist klar, dass man entsprechende Kriterien hinsichtlich der Stabilität einfordern muss. Damit bin ich einverstanden. Man kann aber Zweifel daran haben. Bei dieser Begegnung zwischen Herrn Sarkozy und Frau Bundeskanzlerin Merkel ist von einer europäischen Wirtschaftsregierung gesprochen worden und es ist noch nicht definiert worden. Zwei Stunden nach der Veröffentlichung der entsprechenden Gesprächsergebnisse hat es unterschiedliche Interpretationen in Frank

reich und Deutschland darüber gegeben, was damit gemeint ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir müssen den Mut haben, darüber zu reden, wenn man zumindest in einem Teil Europas eine gemeinsame Währung schafft, wie man die wirtschaftlichen Grundlagen miteinander abstimmt; denn sonst wird das nicht funktionieren. Wir haben keine Währungen mehr, die auf der Basis von Gold aufbauen, zumindest im Wesentlichen nicht. Diese bauen auf die Wirtschaftskraft. Das ist richtig so. Es muss nachgearbeitet werden. Es muss Klarheit herrschen, was gemeint ist.

Wenn man diesen Weg so gehen will und angesprochen wird, dass man eine Schuldenbremse für die 17 Eurostaaten will, dann kann dies ein Weg sein. Man muss aber darüber reden, wie wahrscheinlich es ist, dass innerhalb eines überschaubaren Zeitraums, damit wir diese Krise beherrschen können, sich in 17 ganz unterschiedlichen Nationen die Parlamente darauf verständigen, ihre Verfassungen zu ändern. Ich darf daran erinnern, wie lange wir in Deutschland und in RheinlandPfalz gebraucht haben, eine Schuldenbremse in die Verfassung zu schreiben. Aufgrund der Komplexität der Aufgabe kritisiere ich das nicht.

Ich frage: Kann eine Vereinbarung, die diese Voraussetzung hat, uns schadlos durch die Krise führen? – Ich habe daran größere Zweifel, dass das zeitlich vernünftig hinzubekommen ist, als ich Zweifel an einer konditionierten Regelung über Eurobonds hätte.

Ich habe vor etwa sieben Monaten zum ersten Mal die Gelegenheit wahrgenommen, mit dem luxemburgischen Premierminister, der für die europäischen Währungsfragen innerhalb der Gemeinschaft zuständig ist, über seinen Vorschlag solcher Eurobonds zu reden. Ich will nicht sagen, dass danach meine Zweifel ausgeräumt waren, dass noch schwierige Ecken und Kanten vorhanden sind. Diese sind auch heute noch nicht ausgeräumt. Wir hätten uns damals viel leichter getan, wenn wir gehandelt hätten, als es jetzt der Fall ist.

Wir hatten unmittelbar vor der parlamentarischen Sommerpause einen dieser Regionalgipfel Saar-Lor-Lux, der in Berlin stattgefunden hat. Frau Kollegin Conrad hat daran teilgenommen. Dort haben wir im Kreis der Präsidenten eine sehr intensive Diskussion über diese Frage mit Jean-Claude Juncker geführt. Ich glaube, dass seine Argumente mehr verdient hätten, als von deutscher Seite vom Tisch gefegt zu werden. Sowohl Herr Kollege Hering als auch andere Redner und der Finanzminister haben auf Gründe, warum dies so war, hingewiesen und dass das etwas mit einer nicht geklärten Frage des Weges innerhalb der Berliner Koalition zu tun hat, ist doch nicht wegzudiskutieren. Andere Parteien haben sich auch schwer getan mit der Therapie ob der Nebenwirkungen. Das ist wahr.

Meine Damen und Herren, hat, ernsthaft betrachtet, das Angebot der Sozialdemokratischen Partei auf Bundes

ebene, sich an einem solchen Weg zu beteiligen, wirklich verdient, dass es nicht beachtet wird?

(Frau Klöckner, CDU: Sie kennen das, wie man mit der Opposition umgeht! – Zuruf des Abg. Dr. Weiland, CDU)

Ja, gut, wenn von Ihnen etwas Vernünftiges kommt, dann sind Sie sofort an unserer Seite.

(Beifall der SPD)

Wer hat den Mut, sich als Opposition hinzustellen und eine solch heiße Herdplatte mit anzupacken?