Wir müssen uns darüber Gedanken machen, welche Rolle die Ratingagenturen in den Finanzmärkten tatsächlich noch spielen. Sie waren ursächlich für bestimmte Bereiche der Spekulationsblasen, und sie sind kriti
sche Akteure mindestens im Bereich der Finanzfragen für öffentliche Staatsanleihen. Wenn eine Einzelmeinung, eine Herabstufung, wie sie beispielsweise durch Standard & Poor‘s im Falle der USA geschehen ist, dazu führt, dass wir solch erhebliche Auswirkungen haben, müssen wir uns fragen, ob wir daran nicht deutlich arbeiten müssen. Wir müssen uns fragen, ob wir dort mehr Wettbewerb brauchen und ob es richtig ist, dass wir uns auf ein Oligopol von drei Ratingagenturen verlassen, und ob wir nicht transparentere Bewertungsverfahren mindestens im Bereich der Staatsanleihen benötigen, indem man offenlegen muss, wie man zu seinen Ergebnissen gekommen ist und dass das nicht irgendwie als Würfelspielchen betrieben wird. Wir müssen uns auch sehr genau überlegen, welche Rolle wir in den BaselVerhandlungen den Ratingagenturen künftig noch zugestehen wollen.
Ich überspringe jetzt einige Seiten. Frau Klöckner, Sie haben eine Frage gestellt, auf die ich noch eingehen möchte. Das ist die Frage nach den landespolitischen Handlungen gewesen. Ich will Ihnen gerne darauf antworten. Wir müssen tatsächlich – da gebe ich Ihnen recht, und ich meine, daran sollten wir gemeinsam arbeiten – unsere Staatsverschuldung senken, und zwar auf ein nachhaltiges und tragfähiges Maß.
Ich muss Ihnen aber auch ehrlich sagen, der Beitrag von der rechten Seite dieses Hauses hierzu ist bislang deutlich überschaubar gewesen. Da wächst auch Ihren Reihen Verantwortung zu.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Menschen sind verunsichert, wenn sie morgens Nachrichten hören und vernehmen, dass über
Nacht die Wechselkurse und die Aktienkurse sinken und die Goldpreise steigen, und sie das mit dem, was sie real wirtschaftlich erleben, überhaupt nicht in Einklang bringen können. Die Menschen werden auch verunsichert, weil diese Finanzmärkte irrational, intransparent und kompliziert sind und keine abschließenden Antworten geben können. Deswegen müssen wir als Politikerinnen und Politiker versuchen, Antworten mit Bedacht, aber auch ohne schuldhaftes Verzögern zu geben.
Liebe Frau Klöckner, Antworten wie, wenn es noch ein paar Euro-Krisen gibt, dann ist das nicht so schlimm, Hauptsache es gibt keine Europa-Krise, verstehen die Menschen nicht.
Ich will ein paar Dinge sagen, die bei der vielen Verunsicherung, die herrscht, beruhigend wirken sollten. Da sie beruhigend wirken sollten und könnten, will ich sie ansprechen.
Der Euro ist stabil. Das ist ein Faktum. Das ist keine Spekulation. Der Euro ist seit seiner Einführung gegenüber der Leitwährung Dollar massiv aufgewertet worden und ist mittlerweile weltweit die zweite Leitwährung.
Der Euro ist stabil, weil in den zehn Jahren Euro die Inflationsrate in Deutschland niedriger ist als in den zehn Jahren D-Mark davor. Die Menschen in Deutschland und in Rheinland-Pfalz können auch beruhigt sein, weil die Politik, als es die große Finanzkrise der Jahre 2008 ff. gab, gezeigt hat, dass sie gut, schnell und richtig handeln, Arbeitsmärkte wieder stabilisieren und Unternehmen wieder Aufträge verschaffen kann und Produktionskapazitäten ausgelastet werden. Das hatte damit zu tun, dass es der Politik in Deutschland, der Bundesregierung und auch dieser Landesregierung gelungen ist, schnell, flexibel und ohne Schere im Kopf sowie ohne falsche Tabus zu handeln. Es wurden Rettungsschirme, die es bis dato nicht gab, aufgespannt. Es wurden Keynesianische Konjunkturprogramme aufgelegt, die verteufelt waren. Es wurden weitreichende Kurzarbeiterregelungen auf den Tisch gelegt. Man hatte den Mut, Dinge zu tun, die jahrelang im Sinne der Sache umstritten waren.
Ich erwähne das deswegen, weil ich den festen Eindruck habe, dass das heute bei der Bundesregierung nicht der Fall ist. Ich komme darauf zurück.
Frau Klöckner, Sie fragen, was die Debatte mit Rheinland-Pfalz zu tun hat. Es gibt nur ein paar Menschen, die Aktien haben. Viele Menschen haben Arbeit und Beschäftigung und wollen diese auch behalten. Diese Dinge hängen miteinander zusammen.
Ich nenne Ihnen ein paar Sachen aus dem Landeshaushalt. Das Land Rheinland-Pfalz ist, wie alle öffentlichen Haushalte des Bundes und der Länder, verschuldet. Wir sind Kunden. Wir sind Teilnehmer am Kapitalmarkt und
am Geldmarkt. Wenn es auf den Finanzmärkten Turbulenzen gibt, dann entsteht Unsicherheit. Diese Unsicherheit führt üblicherweise dazu, dass die Zinsen steigen. Wenn wir mehr Kredite nachfragen müssen, weil wir die Krise bekämpfen müssen, führt das tendenziell dazu, dass die Zinsen steigen.
Es ist doch interessant zu schauen, ob die Zinsen für die öffentlichen Haushalte für das Rheinland-Pfalz gestiegen sind. Das ist ein Thema, das mit der Finanzmarktkrise zu tun hat. Es ist gut, feststellen zu können, dass offensichtlich die Bonität der öffentliche Haushalte und auch des rheinland-pfälzischen Landeshaushalts an den Geldmärkten, insbesondere aber auch an den Kapitalmärkten, so gut ist, dass wir heute keine höheren Zinsen als noch vor ein paar Jahren zahlen.
Das hat unter anderem damit zu tun – das ist wiederum beunruhigend –, dass der Interbankenhandel nicht funktioniert. Das heißt, die Banken vertrauen sich nicht gegenseitig und suchen öffentliche Haushalte, um ihre Liquidität anzulegen. Das wiederum ist beunruhigend und ein Zeichen dafür, dass der Interbankenhandel nicht funktioniert und diese Finanzkrise noch in der Wirtschaft latent vorhanden ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb müssen wir zwei Lehren ziehen, nämlich die Ursachen hart und konsequent bekämpfen und vor allen Dingen dann, wenn Symptome der Krise auftreten, wie wir es allenthalben zurzeit erleben, schnell und flexibel reagieren. Ursachen bekämpfen heißt – das ist von meinen Vorrednern angesprochen worden – eine harte Regulierung. Ich meine mehr Leerverkaufsverbote als die, die wir heute schon haben, und ein härteres Vorgehen gegen den nicht börsenorientierten Handel, nämlich sogenannte Over-the-Counter-Geschäfte. Ich vermag nicht einzusehen, weshalb wir Intransparenz in den Geschäften dulden sollen, die uns allenfalls ermöglichen, Blasen zu spät zu erkennen. Hier ist die Bundesregierung äußerst zögerlich.
Die Bundesregierung ist erfreulicherweise verbal dafür, eine Finanztransaktionssteuer einzuführen. Es leuchtet mir nicht ein, weshalb Frankreich und Deutschland in ihrer starken Stellung in der Europäischen Union das nicht hinbekommen, sondern uns seit zwei Jahren nur Lippenbekenntnisse bieten.
Der Kollege Steinbach hat es angesprochen. Natürlich sind die Ratingagenturen ein Problem, weil wir nicht wissen, warum Standard & Poor’s die USA abgewertet hat. Ist es eine tiefgreifende ökonomische Analyse? Ist es eine Konzession an die Tea-Party oder für einige die Chance, vor dem Hintergrund der potenziellen ökonomischen Folgen dagegen zu spekulieren? Ich verstehe, dass Warren Buffett, einer der größten Anleger, die es gibt, Eigentümer einer Ratingagentur von Moody’s ist. Wenn ich viel unterwegs bin, dann ich will ich auch Be
wertungen haben. Es ist mir allerdings unbegreiflich, weshalb wir uns beispielsweise mit unseren Zentralbanken dann an solchen möglicherweise und verständlicherweise partikularen Ratings orientieren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gehört auch dazu, dass wir die Schuldenkrise bekämpfen. Wir müssen Maastricht überarbeiten und verschärfen. Deutschland und auch dieser Landtag hat mit der Einführung der Schuldenbremse einiges dafür getan.
Ich habe gesagt, wir müssen Symptome schnell und konsequent bekämpfen. Dazu gehören Dinge wie der europäische Stabilisierungsfonds, der Rettungsschirm für Griechenland, die Frage, ob wir einen Schuldenschnitt und damit eine Beteiligung privater Banken zulassen und die inzwischen beantworteten und lange von der Bundesregierung hinausgezögerten Fragen, ob die EZB Anleihen ankaufen soll und
Frau Klöckner, hören Sie zu. Ich habe als Finanzminister keine Sehnsucht, wenn ich Ihre einfache Rechnung aufmache, Eurobonds führen zu einer anderen Verteilung von Ausfallrisiken, und dann habe ich höhere Zinsen. Dann muss das für mich als für Finanzminister schlecht sein.
Liebe Frau Klöckner, ich weiß aber nicht, ob Eurobonds nicht zu einer Stabilisierung der europäischen Märkte beitragen können.
Zu den europäischen Märkten gehört nicht nur Deutschland. Dazu gehören auch die südeuropäischen, die dann im Ergebnis dazu führen, dass bundesdeutsche Anleihen keine höhere Zinsaufwertung erfahren. Ich weiß es nicht. Falsch, geradezu dumm ist es, so etwas zu tabuisieren.
Die Akteure an den Finanzmärkten tabuisieren nichts, gar nichts, leider. Diese tun alles, was für sie opportun ist. Wenn wir Dinge tabuisieren, die wir vier Wochen, vier Monate oder acht Monate später dennoch tun, dann spekulieren Sie gegen unsere Tabus. Das hat Politik, die solche unverantwortlichen Dinge in die Welt setzt, dann auch zu verantworten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Finanzmärkte agieren schnell und computergesteuert. Das kann die Politik nicht. Die Politik muss abwägen dürfen und sich legitimieren. Politik darf sich nicht selbst schachmatt setzen. Das tut man, wenn man Tabus hat.
Ich finde es unerträglich, dass der Finanzminister der größten Volkswirtschaft in der Europäischen Union von
seiner Kanzlerin nach Brüssel geschickt wird, aber kein tragfähiges Verhandlungsmandat hat, weil die Kanzlerin noch nicht entschieden hat, was seine Verhandlung für die Koalition zu Hause bedeutet, weil die FDP ein 5 %Problem und die CSU ihr übliches europäisches folkloristisches Problem hat. Das kann nicht sein.
Der Kollege Ramsauer hat recht. Natürlich führen bestimmte Mechanismen – das wissen wir doch – im Rettungsschirm für Griechenland dazu, dass wir ein Stück Transferunion haben. Natürlich ist der Kauf von Staatsanleihen durch die EZB, wenn diese Anleihen an Wert verlieren oder ausfallen, ein Stück weit Transferunion. Natürlich sind die Strukturfonds, die die Europäische Union bisher aufgelegt hat und für die wir sind und alle gemeinsam waren, ein Stück Umverteilung und damit Transferunion. Natürlich ist der Sozialproduktschlüssel, mit dem sich die EU refinanziert, ein Stück weit Transferunion. Natürlich ist auch vieles, was reguliert worden ist, nämlich dass wir feste Wechselkurse, eine einheitliche Währung und keine Zölle haben, ein Stück weit Transferunion, im Übrigen in dem Fall zugunsten der exportstarken Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland.