Protocol of the Session on July 24, 2014

Für die Fraktion der CDU hat das Wort Frau Kollegin Thelen.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist guter parlamentarischer Stil, einer Fraktion, die eine Große Anfrage stellt, erst einmal die Auswertung zu überlassen.

(Beifall der CDU)

Die CDU-Fraktion will Aufklärung über Förderpraktiken der Landesregierung, sauber, auf parlamentarischem Weg mit dem Instrumentarium, das uns als Opposition zusteht. Was machen Sie? – Sie versuchen nervös, uns die Anfrage vorab aus der Hand zu schlagen.

(Beifall der CDU – Frau Kohnle-Gros, CDU: Jawohl! – Ramsauer, SPD: Wer war denn hier nervös? – Zurufe von der SPD – Dr. Weiland, CDU: Nervöse Betroffenheit auf der linken Seite des Hauses!)

Meine Damen und Herren, das ist ein parlamentarisches Foul und wirklich schlechter Stil obendrein.

Zudem gibt es merkwürdige Geschehnisse am Rande. Nachdem wir unsere Anfrage einreichten, ist der Zugriff auf relevante Projekthomepages und eine Firmenwebsite gesperrt worden. Auf der Homepage beteiligter Partner lösen sich wichtige Hinweise auf die Projekte in Luft auf.

(Ernst, CDU: Kann nicht sein! – Bracht, CDU: Hört! Hört!)

Die CDU-Fraktion ist alarmiert angesichts der Ergebnisse unserer Anfrage zum Beratungs- und Projektwesen im rheinland-pfälzischen Sozialministerium.

Die Firma Schneider Organisationsberatung, ihre Vorgänger und ihre – nennen wir es einmal – Zweitfirma RAT GmbH haben in den vergangenen Jahren knapp 20 Millionen Euro für diverse Leistungen im Rahmen fragwürdiger Vergabepraktiken erhalten. Zwingende Gründe für die unbedingte Beauftragung von Schneider Organisationsberatung sind nicht erkennbar.

(Ramsauer, SPD: Das ist eine Unverschämtheit! Zeigen Sie, was fragwürdig war!)

Wirtschaftliche Gesichtspunkte haben nach derzeitiger Sachlage offenbar keine Rolle gespielt.

(Beifall der CDU)

Einsparungen von Stellen im Ministerium – Fehlanzeige.

Wir stellen fest:

1. Die Antwort der Landesregierung erscheint in wesentlichen Punkten falsch, schlampig und lückenhaft. Ein Beispiel zu Frage 8: In welchem Bundesland ist genau wie in Rheinland-Pfalz auch eine private Firma als einziger landesweiter ESF-Dienstleister beauftragt? – Antwort der Landesregierung: in Hessen und in BadenWürttemberg. – Das ist schlichtweg falsch, Herr Minister. Ich weiß nicht, mit wem Sie haben telefonieren lassen, Baron Münchhausen oder wem auch immer, aber es trifft nicht zu.

Dann muss ich sagen, wenn Sie uns schon simple Fragen wie diese falsch beantworten, wie glaubwürdig sind dann die Antworten auf unsere anderen Fragen?

(Beifall der CDU)

2. Antworten auf die Große Anfrage stehen im Widerspruch zu Auskünften Kleiner Anfragen, nur ein Beispiel: Drucksache 16/2763. – Dort heißt es zum Vorgehen im ESF-Auswahlgremium, das letztlich über alle Projektanträge entscheidet: “Der externe Dienstleister“, also Schneider, „nimmt beratend an den Sitzungen teil, (…).“

In der Großen Anfrage liest sich das folgendermaßen: „(…) eine Beratung des Auswahlgremiums durch Schneider (…) erfolgt ausdrücklich nicht.“ Nimmt beratend teil, nimmt nicht beratend teil, was denn nun, Herr Minister Schweitzer?

(Beifall der CDU – Baldauf, CDU: Hört! Hört!)

Vielleicht kann Ihnen Ihr Staatssekretär Herr Langner aus der Klemme helfen. Der weiß es genau. 6. Mai 2013: Herr Langner schreibt an den Europaabgeordneten Werner Langen zu den Aufgaben von Schneider: Von besonderer Bedeutung ist die Einbindung in das Auswahlverfahren. – Jetzt wissen wir: „Von besonderer Bedeutung“ und „Einbindung in das Auswahlverfahren.“

Genau davon will die Landesregierung seit unserer Anfrage absolut nichts mehr wissen und spielt – das ist die Feststellung Nummer 3 – den Einfluss von Schneider Organisationsberatung bewusst herunter.

(Beifall der CDU)

4. Schneider Organisationsberatung ist zeitgleich Landesberatungsstelle ESF und unmittelbar ESF-Begünstigter.

Schneider hat selbst Projekte umgesetzt, die mit ESFGeldern gefördert wurden. Darüber hinaus hat Schneider in all den Jahren die ESF-Verwaltungsbehörde bei der inhaltlichen Neugestaltung von Förderansätzen beraten und selbst Entwürfe dafür gemacht. – Man muss sich das einmal vorstellen! Schneider Organisationsberatung entwickelt Förderansätze und berät andere Projektträger, wofür er Geld bekommt. Dann darf er – auch ein Zitat aus einer Kleinen Anfrage –, weil er ja besonders fachlich geeignet ist, auch noch selbst ESFProjekte umsetzen, wofür er dann auch wieder Geld bekommt. Darüber entscheidet ein Auswahlgremium, in dem Schneider jedenfalls sitzt, in welcher Funktion auch immer. (Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, jetzt wissen wir endlich, was diese Landesregierung unter Politik aus einer Hand versteht.

(Beifall der CDU)

Feststellung Nr. 5: Über Jahre hinweg bewegen sich wichtige ESF-Förderungen quasi magnetisch auf Schneider Organisationsberatung zu. Alle Projekte werden laut Landesregierung nicht nach dem Vergaberecht ausgeschrieben, sondern in allen Fällen läuft die Umsetzung über Zuwendungen.

Wir haben Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens und werden das noch intensiv prüfen. Es fällt aber

schon auf: Kaum steht ein Projekt im Raum, kommt immer dieselbe Firma um die Ecke, eine Firma, die genau weiß, was zu erfüllen ist, damit für ein Projekt Geld fließen kann. Sie ist nahe an der Bewilligungsstelle, am Entscheidungshebel, und egal, ob Zuwendung oder Auftrag, Schneider profitiert immer, ob als beratender Sachverständiger, als Planer, Träger oder Begleiter von Projekten – und weil das so gut läuft, gründet er wohl gleich noch eine Zweitfirma, die RAT GmbH, deren Website inzwischen dicht ist. – Auch damit werden wir uns noch intensiv befassen, meine Damen und Herren.

Danke schön.

(Beifall der CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Dr. Konrad das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der ESF ist das zentrale europäische Finanzierungs- und Umsetzungsinstrument, mit dem die soziale Situation von Menschen vor allem in Arbeitslosigkeit in Europa verbessert und über die Jahrzehnte auch kontrolliert worden ist. Es liegt eine ausführliche Antwort der Landesregierung zu der ebenso ausführlichen Anfrage der CDU-Fraktion vor, für die wir durchaus dankbar sind, weil sie viele Dinge erhellt, die ansonsten zu irgendwelchen Gerüchten Anlass geben würden.

Frau Thelen hat es schon ausgeführt. Man kann natürlich auch mit der detailliertesten Antwort die Fragen durcheinander werfen und dann die entsprechenden Antworten wieder in Beziehung zueinander setzen.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Sagen Sie bloß, das wäre nicht zulässig!)

Ja, ja, Sie können sich gerne aufregen.

(Bracht, CDU: War irgendetwas falsch an den Aussagen der Kollegin?)

Ja, die Bezüge waren falsch. Ich gebe Ihnen das Beispiel zurück.

(Zurufe von der CDU)

Sie haben nahegelegt, dass die Firma Schneider & Kappenstein sich selbst kontrolliert habe. Das geht ausdrücklich aus den Antworten nicht hervor, und das wissen Sie auch. In dieser Antwort ist ausdrücklich ausgeführt, dass die Firma tatsächlich Projekte weitergeführt hat, bei diesen Projekten aber seitens der Aufsichtsbehörde kontrolliert wurde und ihrerseits wiederum andere Projektträger in anderen Bereichen bewertet hat.

(Frau Wieland, CDU: Und im Auswahlgremium saß!)

Das heißt, wir haben es damit zu tun, dass Bezüge so hergestellt werden, dass bewusst nahegelegt werden

soll, es gäbe einen Filz, und das wird dann auch so hineingerufen.

(Frau Thelen und Frau Klöckner, CDU: Politik aus einer Hand!)

Das ist mir unklar gewesen, und deswegen haben wir es zu Recht heute zur Aussprache gestellt.

Was will die CDU eigentlich damit? Geht es ihr wirklich darum, über eine 20-jährige Förderpraxis alles Mögliche abzufragen und zu sagen: Irgendwo wird sich schon etwas finden, und wenn wir nur lange genug gefragt haben – es ist schließlich nicht Ihre erste Anfrage, es gab auch schon Kleine Anfragen dazu –, werden wir schon etwas finden, und selbst wenn wir nichts finden, bleibt doch immer etwas hängen? – Es hatte keine Substanz, was Sie soeben von sich gegeben haben.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Frau Kohnle-Gros, CDU: Sie brauchen uns gar nicht den Vogel zu zeigen!)

Dies war nur ein Hinweis, dass ich mir Gedanken mache. Im Leben würde ich Ihnen keinen Vogel zeigen! Wirklich nicht! Nein, das verbietet sich. Sollte das so herübergekommen sein, tut es mir leid. Das tue ich nicht, und das war auch nicht so gemeint.

Wir hatten im Ausschuss oft genug darüber diskutiert, wie aufwendig gerade die ESF-Förderung ist. Deswegen wundert es mich auch, dass Sie gerade bei diesem Thema so graben wollen und gerade dort etwas finden wollen.