Protocol of the Session on July 23, 2014

Liebe Frau Klöckner,

(Zuruf von der SPD: „Liebe“?)

ich verwahre mich schon einmal vorsorglich gegen Ihre Übersetzungsversuche. Es ist bisher noch nie gutgegangen, wenn Sie versucht haben, irgendeinen von uns zu übersetzen. Das brauchen wir auch nicht. Das machen wir selbst im direkten Gespräch. Dann ist auch viel mehr Klarheit gegeben.

(Ernst, CDU: Aber dann ist Schluss!)

Ich sage Ihnen, wenn es in einer Schule nicht gut läuft – das kann ich nie ausschließen, das passiert in Schulen mit gemeinsamen Unterricht, aber auch in solchen ohne passiert das leider manchmal – und sich dann jemand an mich wendet und uns darauf aufmerksam macht, versuchen wir, diesen Situationen abzuhelfen. In besonderer Art und Weise versuchen wir es natürlich dort, wo behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam unterrichtet werden.

Ich lese Ihnen auch nicht Briefe von Eltern vor, die ihr Kind über viele Jahre im rheinland-pfälzischen Bildungssystem hatten und die gerade an dieser Stelle der Inklusion extrem dankbar sind, dass wir immer gute Wege für die Kinder gefunden haben. Ich denke, das macht man einfach nicht. Das sind auch persönliche Briefe, die man bekommt. Diese sind an mich gerichtet. Ich verlese hier keine Briefe, die mir geschrieben worden sind.

(Zurufe von der CDU)

Liebe Frau Klöckner, Sie sagen, ich sei wegen des Gutachtens eingeknickt. Bei aller Liebe, Ihr Gutachten liegt seit Freitag vor. Wir sind mit den Kommunen seit Wochen in einem Gespräch. Sie wissen es doch. Letzte Woche hatten die Kommunen ihre erste Beratung in den kommunalen Gremien. Daraufhin gab es noch keine Zustimmung. Es gab Nachdiskussionsbedarf. Auch das wurde schon vor Ihrem Gutachten gesagt. Wir haben uns gestern Mittag zusammengesetzt und über diese Fragen miteinander diskutiert.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Worüber sich Frau Klöckner ereifert!)

Wir haben einen Vereinbarungsentwurf erarbeitet. Jetzt warten wir in Gelassenheit ab, wie sich die Kommunen und die kommunalen Gremien damit befassen.

(Zuruf der Abg. Frau Klöckner, CDU)

Unseren Weg haben wir Wochen vor dem Gutachten festgelegt. Er geht auch mit dem Gutachten vernünftig um. Wir nehmen diese Dinge mit auf. Es ist offensicht

lich, dass Sie das in Ihrer Strategie als eine weitere Chance sehen, die Dinge zu torpedieren. Wir versuchen, die Dinge in Ruhe zu regeln, weil es uns am Ende um die Sache geht.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, den Fraktionen stehen noch 4 Minuten und 30 Sekunden Redezeit zur Verfügung. Gibt es Wortmeldungen? – Frau Ratter, bitte schön.

Frau Präsidentin! Ich möchte an dieser Stelle noch einmal reden, weil mir die Inhalte der Schulgesetznovelle zu kurz gekommen sind. Die Diskussion war zwar heiß und heftig, aber dieses Schulgesetz war uns einen Entschließungsantrag wert, der auf die zweite Seite der Medaille abhebt. Inklusion bedeutet auch immer ein Mehr an Partizipation. Wir haben mit diesem Schulgesetzentwurf und den Veränderungen, die wir heute in die zweite Lesung einbringen, vor allen Dingen Wert darauf gelegt, dass Eltern und Schülerinnen und Schüler stärker am Geschehen in der Schule beteiligt werden.

Das ist es mir wert, noch einmal darauf einzugehen. Ich halte es für unverzichtbar, für wichtig und einem demokratischen Staat für angemessen, dass er dafür Sorge trägt, dass Kinder und Jugendliche möglichst früh in demokratische Prozesse eingebunden werden und die Möglichkeiten haben, die Praxis der Demokratie zu üben.

Es gibt dafür viele Beispiele, sei es im Klassenrat, im Stufenparlament und im Schulparlament. Ich glaube, dass dieses Schulgesetz noch einmal einen weiteren Beitrag dazu leistet, diese Formen des Lebens demokratischer Beteiligung zu stärken.

Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass wir dennoch wissen, dass es weitere Schritte geben muss, und zwar einen davon im Bereich der berufsbildenden Schulen. Deshalb möchte ich an § 109a erinnern. Hier haben die berufsbildenden Schulen in Zukunft die Möglichkeit, eigene Formen der Unterstützung von Menschen mit Beeinträchtigungen zu erproben und sich weiterzuentwickeln. Auch das ist beachtenswert. Ich glaube, es ist wert, dass wir an dieser Stelle darüber reden.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Für die SPD-Fraktion hat noch einmal Frau Kollegin Brück das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das, was Frau Kollegin Ratter gesagt hat, kann ich nur bestätigen. Es ist uns ein wichtiges Anliegen, mit dem Entschließungsantrag und auch mit dem Änderungsantrag die Partizipationsmöglichkeiten von Schülerinnen und Schülern und insbesondere von Eltern zu stärken. Ich möchte noch einmal auf den Punkt von eben eingehen.

Frau Klöckner, ich glaube, die Diskussion hat in der Wortwahl und in dem, was Sie gesagt haben, gezeigt, dass es Ihnen tatsächlich nicht um Inklusion geht, sondern darum, etwas zu torpedieren und gegen etwas zu sein.

(Zuruf des Abg. Dr. Weiland, CDU)

Ihnen ist jedes Mittel recht. Alle Dinge, die Sie aufbauen können, werden aufgebaut. Wenn Sie dann auch noch unseren Änderungsantrag mit der Aufnahme des Unterstützungsfonds in das Schulgesetz beanstanden, dann weiß ich nicht mehr, was Sie damit bezwecken wollen. Man kann etwas nicht schon vorgestern als Änderungsantrag in ein Gesetz mit aufnehmen, wenn es erst gestern eine Verständigung zwischen den kommunalen Spitzenverbänden und der Landesregierung gegeben hat.

Es ist gut, dass wir das tun und es als Gesetzesteil mit aufnehmen, weil das den Kommunen garantiert, dass ihnen das Geld, wenn die Vereinbarung weiter diskutiert und beschlossen wird, unbürokratisch und schnell zur Verfügung steht. Eigentlich wollen Sie doch, dass die Kommunen Geld bekommen. Das wiederum kritisieren Sie jetzt.

(Zuruf des Abg. Reichel, CDU)

Sie haben vollkommen außen vor gelassen, was Sie seit Monaten vor sich hertragen, nämlich dass das Land für die Kosten der Integrationshelfer zuständig sei. Ihr eigenes Gutachten bestätigt ganz genau, dass das dem Land nicht anzurechnen ist, sondern über bundesgesetzliche Regelungen geregelt ist. Das haben wir immer so gesagt.

Es hat auch nie jemand gesagt, dass die Schulgesetznovelle nicht konnexitätsrelevant sei, sondern die Prüfungen haben ergeben, dass aus unserer Sicht kein Mehrbelastungsausgleich vorgenommen werden muss. Die Möglichkeiten über die BAföG-Veränderungen bieten uns Spielraum, den Kommunen Geld anzubieten. Das ist gut so, weil wir durchaus wissen, dass auf allen Ebenen Herausforderungen da sind.

Es ist aber keineswegs so, dass uns die UN-Konvention verpflichtet, erst alle möglichen Vorkehrungen auf der Welt zu treffen, die es gibt, und dann die Inklusion zu machen. Nein, es muss beides gehen. In jedem Einzelfall müssen die angemessenen Vorkehrungen getroffen werden. Das sagt auch unser Gesetzentwurf mit dem Punkt des Wegfalls des Ressourcenvorbehalts.

Ich bitte, einmal ein bisschen genauer hinzuschauen und auch Ihre Wortwahl entsprechend den Familien mit

behinderten Kindern zu treffen. Ich finde, am Ende haben Sie nicht uns als rot-grüne Fraktion oder Landesregierung beschimpft, sondern Sie beschimpfen Eltern mit behinderten Kindern, weil Sie ihnen unterstellen, sie könnten nicht richtig wählen, welcher Förderort für ihr Kind der richtige ist. Ich finde, das ist sehr traurig. Das ist der Sache absolut nicht angemessen. Ich hoffe, Sie kommen zum Einsehen und werden dem Gesetzentwurf doch noch zustimmen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat Frau Kollegin Dickes das Wort.

Frau Kollegin Ratter, die Experimentierklausel im Schulgesetz, gerade in Bezug auf die berufsbildenden Schulen, begrüßen wir; denn es gibt der einen oder anderen Schule die Möglichkeit, Dinge auch so umzusetzen, wie sie im Sinne des Kindes sind und nicht nur im Schulgesetz stehen.

Sie müssen bei der Frage der berufsbildenden Schulen vielleicht auch die Ehrlichkeit im Blick behalten. Diese bedeutet an diesem Punkt, dass die berufsbildenden Schulen ein wichtiger Teil unseres Bildungssystems sind. Sie haben aber keine Chance, in den Bereich der Schwerpunktschulen aufgenommen zu werden und eine Zuweisung von Förderlehrern zu bekommen. Damit ist das eine oder andere doch nicht möglich, und zwar auch nicht mit einer Experimentierklausel. Ein gewisses Maß an Ressourcen brauchen auch berufsbildende Schulen. Insoweit stehen diese im Abseits.

Wenn wir Kindern anbieten, zwei Wege zu gehen, müssen wir bei diesen Wegen sicherstellen, dass beide Wege gut ausgebaut sind, und nicht der eine Weg voller Stolpersteine und Schlaglöcher ist und wir aber gleichzeitig versuchen, Kinder doch auf diesen Weg zu lenken. Auf diesem Weg sehe ich im Moment die Inklusion in Rheinland-Pfalz. Wir haben einen gut ausgebauten Weg in den Förderschulen und einen sehr schlecht ausgebauten Weg in unseren Schwerpunktschulen, weil die Ressourcen fehlen.

Vor diesem Hintergrund haben wir als CDU den Antrag gestellt, in diesem Punkt das Schulgesetz zu überdenken und die sonderpädagogische Förderung in Rheinland-Pfalz weiterzuentwickeln und vor dem Hintergrund der sächlichen und räumlichen Entwicklung in unseren Schulen neu zu planen. Das ist der Bereich der Schulträger. Wir müssen auch bei der personellen Ausstattung noch einmal genauer hinschauen, was unsere Schulen wirklich brauchen. Wir sind in unseren Schwerpunktschulen im Moment bei Weitem noch nicht am Ende. Wir brauchen wesentlich mehr Kapazitäten, wenn wir mehr Schülerinnen und Schüler im inklusiven Bereich unterrichten wollen.

Ich möchte einen zweiten Punkt ansprechen. Auch wir als CDU stellen uns hinter das Elternwahlrecht, wie es

für alle Kinder besteht, und zwar mit und ohne Beeinträchtigung. Genauso, wie wir bei Kindern ohne Beeinträchtigung sagen, dass ab irgendeinem Punkt das Kindeswohl auch vor dem Elternwahlrecht im Vordergrund steht, müssen wir das Kindeswohl, wenn wir merken, dass es nicht gewährleistet ist, bei Kindern mit Beeinträchtigungen, die auch noch unsere besondere Fürsorge brauchen, ganz besonders in den Blick nehmen.

Dann muss man ehrlich sagen: Die schulische Inklusion kann auch Grenzen haben, und zwar dort, wo sie nicht mehr dem Kindeswohl und dem Wohl des einzelnen Beeinträchtigten, aber vielleicht auch dem Wohl der anderen Kinder entspricht, und man merkt, dass es nicht im Sinn der Allgemeinheit ist, wenn alle Kinder zusammen unterrichtet werden. Dann muss man schauen, diesem Kind eine besondere Förderung zukommen zu lassen.

Da müssen Mechanismen entwickelt werden, mit denen man über das Elternwahlrecht hinaus das Kindeswohl an allererste Stelle stellt. Wir bitten intensiv um eine Nacharbeitung an diesem Punkt. Elternwahlrecht ja, wie bei allen Kindern. Das steht jedem Elternteil zu; denn Eltern haben das engste Verhältnis zu ihrem Kind, aber es muss Möglichkeiten geben, dieses Elternwahlrecht im Sinne des Kindes weiterzuentwickeln.

(Beifall bei der CDU)

Frau Kollegin Ratter, Sie haben noch einmal das Wort. Sie haben noch knapp 3 Minuten Redezeit.

Danke, Frau Präsidentin.

Liebe Frau Dickes, ich bin froh, dass Sie auf das Argument der berufsbildenden Schulen noch einmal eingegangen sind. Das erlaubt es mir, dieses Argument aufzugreifen.

Sie wissen, dass die Berufsfachschule bereits weiterentwickelt wird und auch das Berufsvorbereitungsjahr in der Weiterentwicklung ist. Sie kennen die Empfehlung der Expertenkommission. Ich verweise auf Punkt 11. Da geht es um Inklusion. Ich bin sicher, dass die Experimentierklausel in § 109a zunächst einen Weg eröffnet. Wir werden schauen müssen, was tatsächlich an Bedarfen vorhanden ist. Unstrittig aber ist, dass insbesondere da gute Arbeit geleistet wird, wo es bereits jetzt schon um die Qualifizierung von jungen Leuten geht. Da muss ich gar nicht auf die einzelnen Projekte eingehen. Wir haben dies im Bildungsausschuss im Rahmen der Diskussion ausführlich erörtert.

Wir haben sehr viele und sehr gute Möglichkeiten, junge Leute zu Abschlüssen zu führen, die weit über dem liegen, was bislang schon in den allermeisten Förderschulen im Land und im Bund erbracht wird. Das ist in der Tat eine Möglichkeit, die wir in den Schwerpunktschulen schon sehr gut weiterentwickelt haben. Ich will

aber nicht verhehlen, dass es im Bereich der schulpflichtigen Jugendlichen und jungen Erwachsenen noch Nachsteuerungsmöglichkeiten geben wird. Die werden wir bekommen. Da können wir gerne gemeinsam darüber reden, möglicherweise auch darüber streiten. Aber wir wissen heute alle noch nicht, in welche Richtung es gehen wird.

Ich verweise darauf, dass wir im vorletzten Doppelhaushalt bereits in den berufsbildenden Schulen weitere 50 Sozialarbeiterstellen auf den Weg gebracht haben. Man wird genau hinschauen müssen, inwieweit sich weitere Bedarfe ergeben. Ich bin sicher, dass das über das Schulgesetz hinausgeht. Erlauben Sie mir dennoch einen Punkt, der noch gar nicht in der Diskussion war, aber in der Diskussion wahrscheinlich der zentrale überhaupt sein wird, wie Inklusion sich realisieren lassen wird, anzusprechen, nämlich den Punkt Lehrkräftebildung. Ich denke, wir werden in den nächsten Jahren – insofern gebe ich Frau Klöckner ausnahmsweise einmal recht –, auch über 2016 hinaus, sehr ausführlich darüber reden müssen, wie die Wege zum Gelingen der Inklusion sind.