Protocol of the Session on July 23, 2014

Das vorliegende Gesetz, über das wir heute entscheiden werden, macht einen weiteren Schritt in der Inklusion in die Richtung, die schon seit Jahren besteht. Ich gebe Ihnen gern zu, ich wollte, wir wären schon weiter, aber wir GRÜNE halten uns an alle Vereinbarungen, die wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben, und darüber hinaus an alles, was wir auch im gesetzlichen Rahmen geregelt haben. Hier steht das Elternwahlrecht auf Inklusion zur Debatte, und zwar nach eingehender Beratung. Das heißt, wir wollen den Eltern bei der Entscheidung über den Förderort für ihre Kinder helfen und ihnen die Möglichkeiten bieten, die sie – Sie werden sicherlich zugeben, dass die Eltern am besten wissen, worum es für ihr Kind nur gehen kann –, diese Eltern, treffen.

(Pörksen, SPD: Das hat sie mit keinem Wort erwähnt!)

Wir wollen natürlich die Verfahren der Beratung zusätzlich erweitern und verbessern. Die Eltern können sich an dem Ort beraten lassen, an dem sie es für richtig halten. Wie die Zahlen sich entwickeln werden? – Sie wissen wahrscheinlich, vielleicht auch nicht, dass die meisten Kinder, über die wir hier an dieser Stelle reden, nämlich über 60 %, an den Schulen L sind. Diese Kinder bekommen eine Unterstützung genauso wie alle anderen

auch bereits heute zu großen Anteilen sowohl in der Einzelintegration in den allgemeinbildenden Schulen als auch in den Schwerpunktschulen des Landes Rheinland-Pfalz.

Sie wissen genauso gut wie alle anderen auch, dass gangbare Wege und Pfade bereits geebnet sind, wie sich die Ausstattung der Inklusionsschulen, der Schwerpunktschulen, wie sie heute heißen, in der Zukunft im Rahmen der Bedingungen verändern wird, die die Kinder, die diese Schulen besuchen werden, brauchen. Der Landtag regelt nämlich mit diesem Gesetzentwurf den Zugang zu diesen Schulen. Er wird in besonderer personeller und sächlicher Ausstattung auch dafür sorgen, wie das in der Vergangenheit geschehen ist, dass die Eltern, die Lehrer, aber auch die Kinder und die anderen Professionen, die an dieser Schule arbeiten und gemeinsam leben, mit dieser Ausstattung zufrieden sein können.

Schwerpunktschulen leisten auch heute schon Pionierarbeit – und das seit mehr als zehn Jahren – in Zusammenarbeit mit heterogenen Lerngruppen. Die Erfahrungen dieser Schwerpunktschulen werden wissenschaftlich begleitet an der Universität Koblenz-Landau. Das ist der Weg, den wir auch begleiten wollen, indem wir von diesen Erkenntnissen profitieren. Ich bin sicher, dass das, was Sie aus dem Gutachten von Professor Höfling herauslesen, nicht zutreffen wird; denn – das wurde bereits gesagt – Konnexität ist nicht in den Fällen, auf die Frau Klöckner eingegangen ist, und die Sie, Frau Dickes, in der Vergangenheit schon enorm betont haben, von Relevanz. Die Eingliederungshilfen nach SGB VIII und SGB XII beruhen nämlich auf Bundesgesetzen. Sie sollten mit Ihrem verlängerten Arm nach Berlin dafür Sorge tragen, dass der Bund für eine Verbesserung der dort vorhandenen Möglichkeiten Sorge trägt.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Ich bin eben auf die Zahl der Kinder mit Schwerpunkt L nicht ohne Grund eingegangen; denn ich weiß aus sehr vielen Gesprächen mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, dass gerade da in einem statistisch eklatanten Maße soziale Benachteiligungen und Beeinträchtigungen und Behinderungen in einem Zusammenhang stehen. Es besteht hier eine Grauzone. Es geht uns auch darum, in diese Dimension mit diesem Gesetz hineinzugehen. Ich habe die verbesserte Beratung angesprochen. Das ist der eine Punkt. Der andere Punkt aber ist noch wichtiger. Das ist die Pädagogik selbst. In diesen Schulen, in denen es um Inklusion und inklusiven Unterricht geht, wo Kinder individuell gefördert und gefordert werden, geht es vor allem darum, im gemeinsamen Erleben gemeinsam Fortschritte zu machen, Anerkennung und Akzeptanz zu leisten und den Respekt vor allen Kindern und Jugendlichen in der Haltung aller dort Lebenden sicher zu stärken.

Wir wollen damit auch festhalten, dass Intelligenz und der damit verbundene Begriff nicht statisch sind, sondern fluide.

(Glocke der Präsidentin)

Er hängt davon ab, wie gefördert und gefordert wird. Dies soll bestmöglich allen Kindern und Jugendlichen in der Schule zugutekommen. Ich denke, wir sind mit diesem Gesetz auf dem richtigen Weg.

Danke schön.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank. – Für eine Kurzintervention hat sich Frau Kollegin Dickes gemeldet. Frau Dickes, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Kollegin Ratter, Sie haben eben der CDU-Fraktion vorgeworfen, wir hätten das von uns in Auftrag gegebene Gutachten nicht verstanden, und in Bezug auf die Ausstattung von Schulen seien die Pfade schon in der Vergangenheit beschritten worden. Dazu möchte ich aus dem Gutachten zitieren. Dieses Gutachten sagt aus, dass wir Inklusion bisher nicht im Schulgesetz hatten, sondern wir in der Vergangenheit nur die Integration in den Schwerpunktschulen umgesetzt haben. Ich zitiere: „Während die Integration eine Anpassungsleistung vom behinderten Kind verlangt, bevor dieses in das allgemeine System (zurück-) integriert werden kann, nimmt die Inklusion nicht das Kind, sondern das System selbst in den Blick und fordert von ihm die Anpassungsleistung.“ Das haben wir bisher nicht gemacht. Deshalb gab es Grenzen der Integration, der Inklusion in unseren Schwerpunktschulen.

Das Gutachten besagt ganz klar eine Standardabstinenz in Rheinland-Pfalz. Sie nennen es Abschaffung des Ressourcenvorbehalts. Die Umgangsweise, die Sie mit diesem Schulgesetz an den Tag legen, nimmt Kindern einfach Chancen,

(Beifall der Abg. Frau Klöckner, CDU)

weil Sie, egal ob räumliche, sächliche oder personelle Ressourcen vorhanden sind, diese Inklusion umsetzen können, da das bedingungslose Elternwahlrecht vorhanden ist.

(Frau Brede-Hoffman, SPD: Sie wollen es nicht verstehen!)

Es nimmt Kindern die Chancen und lässt Wahlfreiheit zum Risiko werden;

(Zurufe von der SPD)

denn Kinder, die an einer Förderschule sind, haben einen Anspruch. Wir haben klare Maßstäbe, die es in Förderschulen gibt.

(Zuruf der Abg. Frau Brede-Hoffmann, SPD)

Diese Maßstäbe haben wir leider in den Schwerpunktschulen und auch bei der einzelnen Integration bisher

nicht. Das ist etwas, was wir als CDU im Sinne unserer Kinder fordern.

(Beifall der CDU)

Es geht um die Frage ausreichender Lehrer, es geht um Lernbedingungen im Äußeren, es geht um Räume, um Therapieräume, um Pflegeräume usw. Das sind alles Dinge, die der Wissenschaftliche Dienst angemahnt hat.

Frau Ratter, Sie haben gleichzeitig die CDU und insbesondere Frau Klöckner kritisiert, wir hätten uns mit diesen Aussagen danebenbenommen.

(Frau Brede-Hoffman, SPD: Sie benehmen sich daneben! Immer noch!)

Ich zitiere einfach einmal aus der „F.A.Z.“, die ebenfalls dieses Wort „Totalinklusion“ in den Mund genommen hat.

(Pörksen, SPD: Ist das deswegen besser? – Weitere Zurufe von der SPD)

Vielleicht hören Sie zu. Die „F.A.Z.“ ist sicherlich ein anerkanntes Medium.

Dazu bemerkt die „F.A.Z.“: „Um einer Gemeinschaftsideologie willen wird die besondere Förderung von besonders zu Fördernden fahrlässig aufs Spiel gesetzt.“ – Werte Kolleginnen und Kollegen, es geht nicht darum, dass wir verhindern wollen, dass Kinder gemeinsam lernen,

(Pörksen, SPD: Das stimmt doch gar nicht!)

aber wir wollen ihnen das Recht auf gute Rahmenbedingungen an diesen Schulen geben.

(Zuruf der Abg. Frau Brede-Hoffmann, SPD)

Nur dann, wenn die Rahmenbedingungen in unseren Schulen stimmen, haben sie wirklich ein Recht auf gute Förderung.

(Beifall der CDU – Frau Brede-Hoffman, SPD: Sie wollen das aus Ideologie heraus verhindern! – Ramsauer, SPD: 19. Jahrhundert!)

Zur Erwiderung hat nun Frau Kollegin Ratter das Wort.

Seien Sie mir nicht böse, aber wenn Sie die billige Polemik der „F.A.Z.“ aufgreifen, sind Sie selbst schuld.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der CDU)

Anpassungsgrenzen: Wenn also ein Kind eine motorische Behinderung hat, war es auch in der Vergangen

heit notwendig, einen Treppenlift einzubauen. Es war nach den Schulbaurichtlinien nicht nur sinnvoll, sondern selbstverständlich, dass man den barrierefreien Zugang gewährleistet hat.

(Zuruf der Abg. Frau Dickes, CDU)

Langsam. Ich bin noch nicht so weit. Jetzt bin ich dran, Frau Dickes.

Viele Schulen haben in der Vergangenheit einiges geleistet. Die, die das in der Vergangenheit nicht mussten oder die das versäumt haben, haben nun in der Tat die einmalige Chance, mithilfe der zusätzlichen Mittel, die ab 2015 möglicherweise jährlich fließen werden, das nachzuholen, was in jeder Schule und in jedem öffentlichen Gebäude eigentlich Selbstverständlichkeit sein sollte,

(Zuruf der Abg. Frau Dickes, CDU)

nämlich den barrierefreien Zugang. Wir gehen davon aus, dass die übrigen Bedarfe, nämlich insbesondere die persönliche Assistenz, ohnehin dem folgen, was der Schüler und die Schülerin brauchen. Das brauchen sie in der Regel – das haben wir schon x-mal ausgeführt – unabhängig von der Förderart.

(Frau Brede-Hoffman, SPD: Genau!)

Als Nächstes möchte ich anmerken, weil Sie das mit Sicherheit überlesen haben: Sie wissen ganz genau, dass wir nicht eine unbegrenzte Anzahl von Kindern mit besonderem Förderbedarf an jeder Schule zulassen können. Es ist in der Tat so, dass wir nicht für alle Klassenstufen Differenzierungsräume erstellen werden können, aber wir wissen ganz genau, dass die Kapazitäten in den kommenden Jahren dazu die Möglichkeiten bieten.

An der Stelle sage ich Ihnen: Dafür sind 10 Millionen Euro für die Kommunen des Landes Rheinland-Pfalz kein schlechtes Angebot. – Ich denke, das ist genau das, was die Kommunen brauchen werden. Ich denke, sie wären mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn sie es nicht annähmen.