Protocol of the Session on June 26, 2014

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wenn ich das richtig sehe, liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag. Wer dem Antrag – Drucksache 16/3663 – zustimmt, den bitte ich

um das Handzeichen! – Wer stimmt gegen diesen Antrag? – Der Antrag ist mit den Stimmen der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU angenommen.

Wir kommen zu Punkt 32 der Tagesordnung, der heute noch mit aufgenommen worden ist:

Verfolgten eine Zuflucht bieten –

Migrationsströme steuern

Antrag der Fraktion der CDU

Drucksache 16/3659 –

Die Fraktionen haben eine Grundredezeit von 5 Minuten vereinbart. Für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Kessel das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Das Recht auf Asyl ist ein wesentliches Grundrecht unserer Verfassung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Menschen, die aus politischen oder religiösen Gründen verfolgt werden, genießen in Deutschland nach Artikel 16 a des Grundgesetzes Asyl. Das heißt im Klartext, Menschen, die unseren Schutz wirklich brauchen, können sich darauf verlassen, dass Ihnen bei uns geholfen wird.

Das verfassungsrechtlich garantierte Asylrecht berücksichtigt allerdings nur staatliche Verfolgung, nicht aber wirtschaftliche Not oder Perspektivlosigkeit. Vor dem Hintergrund des sprunghaften Anstiegs von Asylanträgen von Menschen aus Mazedonien, Serbien sowie Bosnien-Herzegowina hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht, der vorsieht, die drei Westbalkanländer als sichere Herkunftsstaaten gemäß § 29 a des Asylverfahrensgesetzes einzustufen. Das heißt, dass der Asylsuchende künftig glaubhaft darlegen muss, dass er in seinem eigentlich sicheren Heimatland politisch verfolgt wird.

(Vizepräsidentin Frau Klamm übernimmt den Vorsitz)

Allein im Jahr 2013 hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge insgesamt fast 22.000 Entscheidungen über Asylerst- und Asylfolgeanträge von Staatsangehörigen aus den drei genannten Westbalkanstaaten getroffen. Nur drei Menschen von diesen 22.000 aus einem dieser Staaten wurde Asyl zugesprochen, vier wurde Flüchtlingsschutz gewährt, und bei 53 Personen wurde ein Verbot der Abschiebung erteilt.

Das ist eine Schutzquote von unter 0,5 %, was nicht einmal ein halbes Prozent darstellt, während diejenige bei Asylverfahren von syrischen Flüchtlingen, die tatsächlich Schutz bedürfen, bei über 90 % liegt.

(Frau Thelen, CDU: So ist die Realität!)

Angehörige aus Serbien, Mazedonien sowie BosnienHerzegowina werden weder aus politischen oder religiö

sen Gründen verfolgt, noch müssen sie in ihren Herkunftsländern um Leib und Leben fürchten. Vor diesem Hintergrund kann die Situation in diesen Ländern nicht mit derjenigen in Syrien, Irak oder Afghanistan gleichgesetzt werden. Vielmehr stellt sich bei der Prüfung der Asylanträge aus den genannten Balkanstaaten in der Regel heraus, dass Armut und Diskriminierung die wahren Gründe der Zuwanderung sind.

Das ist auch der Grund, warum Frankreich, Belgien, Luxemburg, Österreich, die Schweiz und Großbritannien die drei Balkanstaaten bereits als sichere Herkunftsländer eingestuft haben, dementsprechend unisono die Lagedarstellung des Auswärtigen Amtes, von Nichtregierungsorganisationen vor Ort, des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen sowie des Internationalen Roten Kreuzes.

Frau Ministerin Alt, Sie erkennen diese Realität nicht oder wollen sie nicht erkennen. Ihre Auslegung des Asylbegriffs kommt einer Aufweichung des Asylrechts gleich. In Ihrer Rede im Bundesrat am 13. Juni 2014 führten Sie aus – ich darf zitieren –: „Die Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit in diesen drei Ländern begründet noch keine flüchtlingsrelevante Verfolgung. Das europäische Flüchtlingsrecht kann aber Diskriminierung und Ausgrenzung zusammengenommen durchaus als Verfolgung ansehen.

(Dr. Wilke, CDU: Das stimmt nicht!)

Ebenso können die Ausgrenzung von Roma von sauberem Trinkwasser, von medizinischer Versorgung oder von Bildung sowie Zwangsräumung von Siedlungen zusammengenommen eine Verfolgung darstellen.“

(Dr. Wilke, CDU: Das stimmt nicht! – Frau Thelen, CDU: Das gilt dann für die halbe Welt!)

Nach dieser Auslegung des Asylrechts müssten wir – überspitzt ausgedrückt – mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung bei uns aufnehmen.

(Zuruf von der CDU: Genau!)

Mit einem derart inflationären Umgang des verfassungsrechtlich verankerten Asylrechts betreiben Sie die Aushöhlung des Grundgedankens von Asyl, Frau Ministerin.

(Zuruf von der CDU: So ist es!)

Schlichtweg falsch ist Ihre Behauptung, dass mit der Einstufung der drei Länder als sichere Herkunftsstaaten die – auch hier darf ich wieder zitieren – sorgfältige Prüfung der Asylanträge von Flüchtlingen aus diesen Ländern nicht mehr garantiert sei.

Frau Ministerin, wer wie Sie von pauschalen Prüfungsergebnissen spricht, unterstellt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, die Anträge nicht gewissenhaft zu prüfen. Das ist nicht fair und wird dem Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der betroffenen Behörde nicht gerecht.

(Beifall der CDU)

Durch die zahlreichen, zumeist aus nicht asylrelevanten Motiven gestellten Asylanträge werden Bund, Länder und Kommunen mit erheblichen Kosten für die Durchführung der Verfahren und für die Versorgung der sich in Deutschland aufhaltenden Asylsuchenden belastet. Dies geht zulasten der tatsächlich schutzbedürftigen Asylsuchenden, da für die zeitnahe Bearbeitung ihrer Fälle weniger Kapazitäten zur Verfügung stehen.

Wir wollen zügige Verfahren bei Bewerbern aus sicheren Herkunftsländern. Deshalb begrüßen wir, dass der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge kürzlich 300 zusätzliche Stellen zugewiesen hat. Diskriminierung und soziale Ausgrenzung der Roma in ihren Heimatländern stellen eine erhebliche Härte dar, sind aber nicht mit Verfolgung und Gefahr um Leib und Leben im asylrechtlichen Sinne gleichzusetzen.

Die Verbesserung der gesellschaftlichen Realitäten kann die deutsche Asylpolitik nicht leisten. Das ist eine europäische Aufgabe, und hierzu ist es dringend geboten, die Lebenssituation der Menschen vor Ort zu verbessern und die Regierungen der drei Balkanländer diesbezüglich stärker in die Pflicht zu nehmen;

(Beifall der CDU)

denn diese erhalten im Zuge der Stabilisierungs- und Assoziierungsprozesse mit der EU beträchtliche Finanzhilfen zur Integration ihrer nationalen Minderheiten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Das Asylrecht ist ein hohes Gut. Wir wollen Schutzsuchenden, die wirklich unsere humanitäre Hilfe brauchen, Schutz gewähren, gleichzeitig aber Asylmissbrauch einen Riegel vorschieben. Wir wollen aber auch denjenigen Menschen, die bei uns Zuflucht gefunden haben, eine Lebensperspektive bieten. Deshalb sieht der von der Bundesregierung eingebrachte Gesetzentwurf auch vor, die Wartefrist des Arbeitsverbots für Asylbewerber und Geduldete auf drei Monate zu verkürzen. Dadurch erhalten diese die Möglichkeit, sich und ihre Familien selbst zu versorgen. Dies ist eine deutliche Verbesserung der Lebenssituation der Asylbewerber.

Deshalb appellieren wir an die Landesregierung, mit dazu beizutragen, den Gesetzentwurf zur Begrenzung des Zustroms von Asylsuchenden aus Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina zu unterstützen. Das sind wir all jenen bei uns um Asyl nachsuchenden Menschen schuldig, die vor den Konflikten in ihren Heimatländern auf der Flucht sind und dort um Leib und Leben fürchten müssen. Schuldig sind wir dies aber auch unseren Kommunen, die durch die Vielzahl der Asylbewerber vor eine große Belastungsprobe gestellt werden.

Schuldig sind wir das aber auch unserer Bevölkerung, deren Aufnahmebereitschaft von tatsächlich Verfolgten ebenso groß ist wie deren Abneigung gegenüber missbräuchlicher Inanspruchnahme des Asylrechts.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Kollegin Spiegel das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Den ersten Satz des Antrages halte ich für unumstößlich richtig und wichtig: „Das Recht auf Asyl ist eine historische und humanitäre Verpflichtung.“ Asyl ist dabei ein Zufluchtsort, eine Unterkunft, ein Obdach, ein Schutz vor Gefahr und Verfolgung und die temporäre Aufnahme von Verfolgten.

Laut mehrerer unabhängiger Menschenrechtsorganisationen wie beispielsweise Amnesty International riskieren in Serbien, aber auch in Mazedonien und BosnienHerzegowina weiterhin Angehörige von Minderheiten und Personen, die als solche wahrgenommen werden, Opfer von Willkür und Gewalt zu werden. Dies gilt insbesondere für Roma.

Die Situation der Roma in den genannten Staaten ist eine von extremer Diskriminierung, Ausgrenzung und Anfeindung geprägte. Es gibt keinen Zugang zu Gesundheit, zur Arbeit, Wohnraum, Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, und Roma-Kinder haben kein Recht auf Zugang zu Bildung. Stattdessen leben die ethnischen Minderheiten, insbesondere die Sinti und Roma, außerhalb von Wohngebieten in provisorischen Hütten, ohne Strom und fließend Wasser.

Wenn man aber nun – und dies unterstützt der vorliegende Antrag ja explizit – eben diese Staaten zu sogenannten sicheren Herkunftsstaaten erklärt, so konterkariert dies die Bemühungen um ein faires und individuelles Asylverfahren aller aus diesen Ländern zu uns Kommenden, und das kann nicht sein, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Frau Kohnle-Gros, CDU: Nein, das stimmt so nicht!)

Warum? – Weil ein sogenannter sicherer Herkunftsstaat per Definition bedeutet, dass in diesen Staaten weder politische Verfolgungen noch sonstige menschenunwürdige Bestrafungen stattfinden. Ein Asylantrag eines Menschen, der aus einem sogenannten sicheren Herkunftsstaat stammt, wird in der Regel abgelehnt, wenn der Bewerber oder die Bewerberin nicht besondere Umstände geltend machen kann.

(Zurufe der Abg. Kessel und Frau Kohnle-Gros, CDU)

Das heißt, diese Menschen können dann kein faires und effektives Verfahren mehr erwarten.