Protocol of the Session on March 26, 2014

Noch einmal, gerade weil es diese Unsicherheiten gibt, weil Sie ganz bewusst sagen, in Rheinland-Pfalz ist es anders, bitten wir, diesen Punkt intensiv zu prüfen, damit die Sicherheit besteht, damit man sich gemeinsam dem Ziel, für alle Kinder bestmögliche Rahmenbedingungen zu schaffen, nähern kann.

Frau Ministerin, Sie haben eben diese Gesprächsbereitschaft ausdrücklich angeboten. Wir setzen darauf. Wir fordern heute nur die Überprüfung, nur den Schulterschluss, nur eine Brücke zwischen all denen, die das Thema Inklusion umsetzen sollen. Deshalb wünschen wir uns noch vor der Verabschiedung ein Gutachten über die Höhe der Kosten der schulischen Inklusion, die auf das Land und die Kommunen zukommen. Wir wünschen uns in diesem Fall auch die Konnexitätsrelevanz des Gesetzes ausdrücklich mit zu überprüfen und im Zusammenhang mit der Kostenträgerschaft der Integrationshilfe das schleswig-holsteinische Urteil zu überprüfen und zu schauen, inwieweit tatsächlich Integrationshelfer auch schulische Arbeiten oder schulische Aufgaben wahrnehmen.

Wir würden gerne ein positives Ergebnis für unsere Kinder im Land erreichen.

(Beifall der Abg. Frau Klöckner, CDU)

Wir würden gerne jedem Kind bestmöglich gerecht werden. Deswegen möchten wir mit Ihnen gemeinsam den Weg gehen. Daher bitten wir Sie um Unterstützung für unseren Antrag.

(Beifall der CDU)

Für die SPD-Fraktion hat Frau Abgeordnete Brück das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute ist ein guter Tag für mehr Teilhabe der Schülerinnen und Schüler in unserem Bundesland Rheinland-Pfalz, weil es endlich soweit ist, dass die im Vorfeld schon vielfach diskutierte Schulgesetznovelle heute vorliegt. Wir werden jetzt rechtlich nachvollziehen, was in RheinlandPfalz bereits vor mehr als zehn Jahren begann. Den

Eltern behinderter Kinder wird auch rechtlich formal ein Wahlrecht gewährt, ob sie ihr Kind an einer Förderschule oder im Regelschulsystem an einer speziell ausgerüsteten und ausgestatteten Schwerpunktschule beschulen lassen möchten.

Das Wort Inklusion ist seit der Ratifizierung der UNBehindertenrechtskonvention in aller Munde. Altbundespräsident Richard von Weizsäcker hat Inklusion einmal so erklärt: „Es ist normal, verschieden zu sein.“ Weil es so normal ist, verschieden zu sein, und weil wir in Rheinland-Pfalz den gemeinsamen Unterricht von behinderten und nicht behinderten Kindern bereits seit mehr als zehn Jahren praktizieren, kann ich die ganze Diskussion der CDU überhaupt nicht nachvollziehen.

Es sind eigentlich immer dieselben Floskeln, die verwandt werden: das Beste für das Kind, was braucht das einzelne Kind, das Kind in den Mittelpunkt stellen. – All diese Worte kommen immer wieder. Ja, was sollen wir denn sonst mit einem Schulgesetz meinen, das sich um Schülerinnen und Schüler dreht? – Wir sind dezidiert der Meinung, dass die Eltern am besten wissen, was für ihr Kind gut ist. Insofern ist es für uns ein bisschen schwierig, wenn wir Diskussionen sehen, die suggerieren, wir wollten Inklusion um jeden Preis. Das schürt aus unserer Sicht in einer Art und Weise Emotionen und malt Bilder, die mit Inklusion gerade gar nichts zu tun haben.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

So macht die Opposition deutlich, dass sie eigentlich keine Inklusion will, sondern das Aussortieren präferiert. Wir haben bisher leider keine Antworten von der CDU auf die Fragen der UN-Behindertenrechtskonvention im Bereich der schulischen Inklusion sehen können. Das ist schade; denn – wie schon Frau Ministerin Ahnen gesagt hat –, es geht nicht mehr um die Frage, ob wir Inklusion machen, sondern wie wir sie machen wollen. Wir müssen das im Einklang mit der UN-Behindertenrechtskonvention tun, die wir als Gesetz verstehen, die Gesetzesrang hat und die wir alle in diesem Parlament gerne gesehen, mit getragen und verabschiedet haben. Dann müssen wir auch dementsprechend handeln.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aus Sicht der SPD-Fraktion handelt die Landesregierung in der gewohnt ruhigen, besonnenen und erfolgreichen Art und Weise. Wir haben den niedrigsten Anteil an Förderschülern in der Bundesrepublik und schon heute einen Inklusionsanteil von 25 %. Das ist zwar ganz gut im bundesweiten Vergleich, aber nicht gut genug im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention. Nach und nach wurden in den letzten zehn Jahren Schwerpunktschulen aufgebaut und Ressourcen geschaffen. Schon heute arbeiten in den 262 Schwerpunktschulen ca. 650 Vollzeitlehrkräfte inklusiv als Förderlehrer oder pädagogische Fachkräfte. 200 weitere zusätzliche Stellen sind für die Umsetzung vorgesehen.

Die Ausweisung der Schwerpunktschulen soll künftig mit der Gesetznovelle im Einvernehmen mit den Schulträgern und den Kreisen, die für die Schülerbeförderung zuständig sind, erfolgen. Auch bei den Förder- und Beratungszentren, denen eine zentrale Rolle in diesem Inklu

sionsprozess zukommen wird, spielen die Schulträger eine wichtige Rolle; denn sie müssen einen Antrag stellen und können ein gehöriges Wort mitreden. Das ist eine gute Gemeinsamkeit, wie man Inklusion zwischen Land und Kommunen ordentlich auf den Weg bringen kann.

Beobachter aus anderen Bundesländern halten unsere Schulgesetznovelle für gelungen und fortschrittlich. Ja, ein vorbehaltloses Elternwahlrecht mit Wegfall des Ressourcenvorbehalts ist mutig, Frau Dickes, aber aus unserer Sicht, die wir die Inklusion ernst nehmen, ist es unabdingbar.

Über die finanziellen Fragen haben wir im letzten Plenum lange und ausführlich gesprochen. Es ist eigentlich alles geregelt. Das Land zahlt das pädagogische Personal. Das Land gibt Zuschüsse für den Schulbau, wenn Umbaumaßnahmen erforderlich sind, und zwar schon lange über die Schulbaurichtline, eigentlich schon immer. Die Kommunen sind nach dem Sozialgesetzbuch für die Frage der Integrationshelfer zuständig. Also, es ist eigentlich alles geklärt.

Es ist auch anerkannt, dass dieses Gesetz konnexitätsrelevant ist, aber es ist eben nicht mehrbelastungsausgleichsrelevant. Insofern können wir Ihrem Antrag wahrscheinlich nicht zustimmen. Wir werden ihn weiter beraten. Wir wollen im Ausschuss weiter über dieses Gesetz diskutieren.

Ich möchte mit einem Zitat des ehemaligen Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Herrn Hubert Hüppe, ein CDU-Bundestagsabgeordneter, schließen.

Er sagt: Wer Inklusion will, sucht Wege, wer sie verhindern will, sucht Begründungen. –

Insofern sollten wir uns vielleicht alle daran ein Beispiel nehmen, und insbesondere die Opposition sollte vielleicht bei ihrem Parteikollegen noch einmal nachfragen.

(Glocke des Präsidenten)

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Abgeordnete Ratter das Wort.

Danke schön. Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Entwurf einer Änderung des Schulgesetzes kommen wir auf dem Weg zu einer inklusiven Schule, zu einem inklusiven Schulsystem einen entscheidenden Schritt voran. Im Zentrum des Gesetzes steht – das haben wir bereits mehrfach gehört – das Wahlrecht für Eltern von Kindern mit fest

gestelltem Förderbedarf. Sie können künftig entscheiden, ob ihr Kind im Förder- oder im Regelsystem lernen soll. Der Ressourcenvorbehalt, bislang festgeschrieben in § 3 Abs. 5 des Schulgesetzes, entfällt also. Das ist eine historische Zäsur.

Wege entstehen beim Gehen, so ist das Motto der ErichKästner-Schule in Ransbach-Baumbach, die ich letzte Woche erst besuchen konnte. Die pädagogische Praxis betont immer die kleinen Differenzen zur Theorie.

Tatsächlich müssen unsere Pädagogen immer wieder für konkrete Situationen Lösungen finden und weiterentwickeln, so auch für die inklusive Pädagogik; denn sie ist mehr als nur alle Kinder in einer Schule.

Jede Schule verdient deshalb unsere volle Unterstützung, sofern sie sich der Inklusion öffnet.

Die Gesetzesnovelle legt die Umsetzung der Inklusion in die Hände aller Schularten. § 14 Abs. 1 begreift inklusiven Unterricht als „allgemeinpädagogische Aufgabe aller Schulen“, und § 1 schließt mit dem Satz: „Im Bewusstsein der Belange der Schülerinnen und Schüler sowie der Lehrkräfte und Eltern mit Behinderungen wirken alle Schulen bei der Entwicklung eines inklusiven Schulsystems mit“.

Demzufolge gilt es besonders, die noch zögerlichen Gymnasien zu ermutigen, sich ihrem gesellschaftlichen Auftrag zu stellen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD – Pörksen, SPD: Sehr wahr!)

Sie stellen sich bereits wie alle anderen Schularten auch der Herausforderung durch heterogene Lerngruppen und müssen nur noch einen vergleichsweise kleinen Schritt wagen.

Auch die berufsbildenden Schulen müssen wir gezielt bei ihrer Aufgabe stärken, alle Schülerinnen und Schüler auf die Arbeits- und Lebenswelt vorzubereiten.

Rheinland-Pfalz hat mit den Schwerpunktschulen eine langjährige Erfahrung in der Zusammenarbeit von Förderschulkräften und Lehrkräften mit Facultas für die allgemeinbildenden Schulen im Primar- und Sekundarstufe-I-Bereich.

Inzwischen können wir schon viele Schwerpunktschulen als gute Beispiele für das Gelingen der Inklusion im Land benennen. Ich nenne drei: zum Beispiel die IGS Deidesheim-Wachenheim, die nun mit der Inklusion ab dem Schuljahr 2014/2015 auch in die Sekundarstufe II geht, die Brüder-Grimm-Schule in Ingelheim als JakobMuth-Preisträgerin in diesem Jahr und die Grundschule Gau-Odernheim als deutsche Schulpreisträgerin. Es gibt viele Beispiele mehr.

Es ist daher nur konsequent, die positiven Erfahrungen mit dieser Schulform anzunehmen und das Angebot von diesen aktuell 262 Schwerpunktschulen – Frau Ministerin hat darauf hingewiesen – weiter auszubauen, um nach und nach immer mehr Schulen bedarfsgerecht für inklusiven Unterricht fit zu machen.

Natürlich lassen wir die Schulen beim Bahnen der Wege inklusiven Lernens nicht allein. Förder- und Beratungszentren stellen sonderpädagogisches Know-how als Beratung bei der Umsetzung des inklusiven Unterrichts, insbesondere bei der individuellen Förderplanung, bereit und sorgen für Vernetzung und fachlichen Austausch der Förderschulen und der Schulen mit inklusivem Unterricht, wie § 12 Abs. 2 formuliert.

Natürlich muss hier noch einiges weiter ausgearbeitet werden. Im Gesetz ist der Hinweis verankert, dass der Aufbau der Förder- und Beratungszentren begleitet wird.

Das Gleiche gilt für die Ertüchtigung der Lehrerinnen und Lehrer, die mit dem noch auf den Weg zu bringenden Lehrerbildungsgesetz insbesondere in allen drei Phasen ihrer Tätigkeit, im Studium, im Referendariat und in der schulischen Praxis, begleitet werden müssen.

Inklusion bedeutet Heterogenität und Individualisierung, lernzieldifferentes Unterrichten, Classroom-Management, aber auch differenzierte Leistungsbeurteilung. Das bedeutet eine hohe Beanspruchung der Lehrkräfte und ist mehr als das gemeinsame Lernen allein.

Was mich besonders an der vorliegenden Novelle des Schulgesetzes freut, ist der zweite Schwerpunkt, die Verbesserung der Mitbestimmungsmöglichkeiten für Eltern und Schülerinnen und Schüler bei der Gestaltung des Schullebens; denn ein Gesetz, das Inklusion ernst nimmt, muss Mitwirkungsmöglichkeiten aller an Schule Beteiligten sukzessive erweitern, weil es der Inklusion gerade um das Recht aller auf Teilhabe geht. Das schlägt sich mehrfach im Gesetzentwurf nieder. Es wurde bereits vorgetragen.

Wir denken, dass wir hier im Mainstream sind. Ich darf dazu auf den Europarat verweisen, der mit einer Messgröße von 2010 zu Governance und Schule empfohlen hat, nicht nur die Schulleitungen, sondern auch Schülerinnen und Schüler und Eltern mit geeigneten Mitteln an der Schulleitung und -führung zu beteiligen.

Der Weg ist noch weit. Wir werden uns anstrengen, ihn in der Gesetzgebung kritisch zu begleiten. Ich freue mich darauf, dass wir eine gute Auseinandersetzung auf dem Weg der Gesetzgebung und Beratung finden werden.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat Frau Abgeordnete Dickes erneut das Wort. Sie haben noch eine Redezeit von 2 Minuten und 5 Sekunden.