Protocol of the Session on September 19, 2013

Demgegenüber verkennt die Landesregierung seit Jahren den dringenden Handlungsbedarf bei der konsequenten Verfolgung der zunehmenden Angriffe auf Polizisten. Hier besteht auch eine Fürsorgepflicht. Ich nenne als Stichwort, Sonderdezernate bei den Staatsanwaltschaften einzurichten.

(Beifall bei der CDU)

Ich bin manchmal wirklich bass erstaunt. Sie wollen die Polizei demokratisieren. Das war einer der großen ersten Sätze im Rahmen der Plenardebatte zur Regierungserklärung im Jahr 2011. Ich glaube, es kam von Herrn Köbler, wenn ich mich recht erinnere. Da liegt offensichtlich ein entscheidender Denkfehler vor, die Polizei zu demokratisieren. Es ist ein großer Unterschied, ob die Polizei der verlängerte Arm in einer Diktatur ist oder in einem demokratischen Rechtsstaat, wie wir ihn hier in Deutschland haben, für die Bürgerinnen und Bürger da zu sein.

(Beifall der CDU)

Wir brauchen diese Beschwerdestelle nicht, um mögliches Fehlverhalten effektiv abzuarbeiten. 64 Eingaben bzw. Beschwerden gab es seit 2010, 64 in dreieinhalb Jahren. Ich muss sagen, es wäre interessant gewesen, wenn man erfahren würde, wie gravierend die Eingaben in der Vergangenheit waren und wie viele davon zurückgewiesen werden mussten, weil sie unbegründet waren. Da ging es zum Teil um Beschwerden darüber, dass ein Polizeibeamter nicht ordnungsgemäß rasiert war. Vielleicht hatte er schon eine Zwölfstundenschicht hinter sich.

Es kann durchaus sein, dass er schlampig gekleidet war oder das Hemd nicht ordentlich saß, wenn man zehn Stunden im Auto gesessen hat. Das kann passieren. Es gibt beispielsweise Beschwerden gegen Ruhestörungen, bei denen im Übrigen hauptsächlich die Ordnungsämter zuständig sind und die Polizei lediglich als Hilfsorgan

herbeigerufen wird. Ich denke, auch das muss man einmal untersuchen.

(Beifall bei der CDU)

Es waren 64 Fälle in dreieinhalb Jahren.

Der Gesetzentwurf wird im Übrigen auch nicht dadurch besser, dass er ein Stück weit die Beschwerden von Polizisten zulässt. In § 20 des Gesetzes regeln Sie, dass sich dort auch Polizeibeamte bei innerdienstlichem Fehlverhalten ohne Einhaltung des Dienstweges unmittelbar an den Landesbeauftragten wenden könnten.

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, das hat nichts, aber auch gar nichts mit einer echten Anlaufstelle für Probleme bei der Polizei zu tun, von denen wir im Moment wirklich genug haben.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Wie gesagt, Polizistinnen und Polizisten können sich schon wie in der Vergangenheit auch an den Bürgerbeauftragten wenden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Ganze scheint – das muss man so sagen – ein Bonbon für den Koalitionsfrieden zu sein, in dem pro forma ein klitzekleines Zuckerkrümelchen für die Polizei enthalten ist. Unsere Polizei darf jedoch nicht zum Spielball des Koalitionsfriedens dieser rot-grünen Landesregierung werden.

(Beifall bei der CDU)

Interessant fand ich im Übrigen, dass Sie 2016 das Gesetz entsprechend evaluieren wollen. Ich bin sehr gespannt. Man hat den Eindruck, dass Sie sich eine gewisse Hintertür für die nächste Legislaturperiode offenhalten. Ich bin gespannt, was dann ist.

(Pörksen, SPD: Oh, ein ganz Schlauer!)

Ich kann Ihnen versprechen, da werden wir ein Wörtchen mitreden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Polizei wird durch diese Beschwerdestelle von Ihnen stigmatisiert und unter Generalverdacht gestellt.

(Beifall der CDU – Pörksen, SPD: Dummes Zeug!)

Die Tatsache, dass die Polizei tagtäglich den Rechtsstaat verteidigt, wird durch Ihre Politik völlig ins Gegenteil verkehrt. Die Polizei hat schon genug durch Ihre Politik zu leiden. Sie hat es schon schwer genug mit über 1,7 Millionen Überstunden, einer desolaten Personallage, unzureichenden Beförderungen oder einer unverhältnismäßigen Festlegung der Besoldungserhöhung von jeweils 1 % für fünf Jahre. Sie setzen noch einen drauf mit der Beschwerdestelle.

(Beifall bei der CDU)

Ich muss Ihnen sagen, mir grault es vor dem nächsten Coup. Da geht es um die individuelle Kennzeichnungs

pflicht. Das ist ein genauso falsches Verhalten. Auch hier wird die Polizei unter Generalverdacht gestellt. Man kann das sagen, was die Gewerkschaft der Polizei erklärt hat – ich darf zitieren –, die Kolleginnen und Kollegen wollen keine Nummer tragen, auch keine drei oder vier wechselnde, die vorgesehene Regelung ist reine Klientelpolitik für polizeikritische Kreise.

Das ist völlig richtig. Hier geht es nur um reine Vorverurteilungen.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass es einige von Ihnen heute – politisch Verantwortliche, vermutlich auch in diesem Hause – offensichtlich noch nicht verwunden haben, dass die Polizei bei vergangenen Demonstrationen, wie zum Beispiel Castor-Einsätzen, rechtens handelte. Das gilt zum Beispiel für Einzelfälle, als sie Sitzblockaden oder Störungen auflöste und weil dabei vielleicht der eine oder andere Politiker unter Anwendung des unmittelbaren Zwangs von der Straße getragen werden musste. Ich habe den Eindruck, dass Sie das bis heute nicht ganz verwunden haben.

(Beifall bei der CDU)

Gerade deshalb haben wir unseren Antrag für mehr Wertschätzung für die rheinland-pfälzische Polizei eingebracht. Es muss Schluss mit dieser polizeiunfreundlichen Politik in diesem Land sein.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Die Landesregierung setzt ganz klar falsche Zeichen und Signale, die für viel Wirbel in Polizeikreisen gesorgt haben. Daher fordern wir, von dieser falschen Politik abzurücken, die Beschwerdestelle nicht einzuführen und keine weitere individuelle Kennzeichnungspflicht einzuführen.

Herzlichen Dank.

(Anhaltend Beifall der CDU)

Zu einer Kurzintervention hat sich Frau Abgeordnete Raue gemeldet. Sie haben 3 Minuten Zeit. Herr Lammert, Sie dürfen dann 3 Minuten antworten.

Herr Lammert, Generalverdacht, Misstrauensvotum, tiefes Misstrauen, wir trauen den Polizisten nicht mehr, wir betreiben reine Symbolpolitik – Sie fahren dick auf, meine Damen und Herren.

Sie haben uns nicht verstanden. Sie haben uns vermutlich auch nicht verstehen wollen. Uns geht es darum, den Staat in seinem Staatsverständnis und in seinem Zugehen auf die Bürger weiterzuentwickeln. Ich möchte

Ihnen einige Beispiele aus eigener Sicht schildern, die Sie vielleicht auch schon mitbekommen haben.

Es gibt seit 2011 eine Schiedsstelle für die Anwaltschaft, das heißt, wenn Mandanten mit ihrer Vertretung nicht zufrieden sind, dann können sie sich an die Beauftragte für die Anwaltschaft wenden. Die macht eine Mediation und findet eine Regelung, übrigens auch zum Teil zu Lasten der Anwaltschaft. Ist das ein Misstrauensvotum gegen einen ganzen Berufsstand? Ich hoffe, dass Sie das nicht wirklich gemeint haben.

In diesem Zusammenhang reiht sich auch ein, dass Rheinland-Pfalz der Online-Schlichtungsstelle beigetreten ist. Auch das ist ein Zeichen für Transparenz und Ausgleich zwischen betroffenen Interessen. Das ist doch wohl eher weniger ein Misstrauensvotum gegenüber Internethändlern.

Wir haben eine Schlichtungsstelle für Versicherungen 2011 unter Ihrer Bundesregierung eingeführt, die bis zu 10.000 Euro zu Lasten der Versicherungsunternehmen entscheiden kann, wenn sich Versicherer beschweren, und zwar neben dem Rechtsweg. Ist das ein Zeichen dafür, dass die ganzen rechtsstaatlichen Garantien nicht ausreichend sind?

(Zuruf der Abg. Frau Klöckner, CDU)

Ist das ein Zeichen dafür, dass Versicherer grundsätzlich unter Generalverdacht zu stellen sind? Das wollen Sie nicht ernsthaft behaupten, meine Damen und Herren.

Wollen Sie wirklich behaupten, dass rechtsstaatliche Möglichkeiten in all diesen Fällen nicht ausreichend sind? Darum geht es überhaupt nicht. Es geht darum, dass Parteien außerhalb von Hierarchien und Rechtsbehelfen miteinander reden können. Herr Lammert, das in einen Zusammenhang mit einem totalitären Regime zu bringen, schlägt dem Fass den Boden aus.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wenn es um Entfremdung, Stigmatisierung, um Generalverdacht und all diese Schlagworte geht, dann frage ich mich, wer die in die Diskussion gebracht hat. Das kommt nicht aus den Reihen der Polizistinnen und Polizisten, mit denen ich viele konstruktive Dialoge geführt habe.

(Zurufe von der CDU)

Die kommen auch nicht aus der Diktion von Rot-Grün. Die kommen ganz alleine von Ihnen, um politischen Schmackes in die Diskussion zu bringen. Das ist der Ernsthaftigkeit der Angelegenheit und dem Anliegen nicht angemessen. Wenn einer die Stimmung verdirbt und eine Entfremdung herbeiführt, dann ist es diese Diskussion.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD – Frau Klöckner, CDU: Entschuldigung, dass wir darüber reden, entschuldigen Sie, dass wir kritisch sind! – Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU – Weitere Zurufe von der CDU)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Lammert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste! Das ist natürlich wieder typisch, was jetzt hier kommt. Hier werden Einigungsstellen und Vergleichsstellen verglichen. Hier werden wieder Äpfel mit Birnen verglichen.