Protocol of the Session on July 4, 2013

Auch die Fortbildung in Rheinland-Pfalz ist in diesem Bereich nur sehr mangelhaft. Zwar wird angeboten, dass man Fortbildungen machen kann, aber de facto ist es so, dass Lehrerinnen und Lehrer sich nicht nur im Bereich der Inklusion, sondern in vielen anderen Bereichen fortbilden sollen, und es gibt keine weiteren Deputate in unseren Schulen. Also auch insoweit sehen wir dort einen großen Mangel.

(Beifall bei der CDU)

Frau Ministerin, interessant finde ich Ihre Aussagen zur multiprofessionellen Zusammenarbeit. Sie weisen darauf hin, dass Integrationshelfer, Schulsozialarbeiter, Schulpsychologen usw. doch schon an unseren Schulen zusammenarbeiten können. Aber die Mittel für die Schulsozialarbeit, die Sie hier im Land für die Integrationshelfer gekürzt haben, die mittlerweile – da gibt es das Schreiben der Liga der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege – für 8,50 Euro in der Stunde arbeiten und dabei hoch qualifiziert Kinder mit Beeinträchtigungen fördern sollen, sind einfach nicht da in RheinlandPfalz. Insoweit ist auch das Augenwischerei.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte noch einen Punkt aus der Großen Anfrage erwähnen, bevor ich auf Ihren Antrag eingehe, weil wir diesen Bereich in der letzten Zeit mehrfach angesprochen haben. Das war der Bereich der Inklusion in den berufsbildenden Schulen.

Sie haben es sich hier in der Antwort sehr leicht gemacht, als gefragt wurde, wie viele Schülerinnen und Schüler denn mit sonderpädagogischem Förderbedarf in unseren berufsbildenden Schulen unterrichtet werden. Sie erheben das überhaupt nicht. Wenn man nichts erhebt, dann passt das auch zu Ihren Aussagen, dass Sie auch künftig dann, wenn Sie noch mehr Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf an berufsbildenden Schulen unterrichten wollen, ganzheitlich beeinträchtigte Kinder, dort überhaupt keine Förderlehrer zur Verfügung stellen wollen. Lehrer können das einfach an berufsbildenden Schulen. Aber damit werden wir den Kindern nicht gerecht.

(Beifall bei der CDU)

Heute kam dann Ihr Entschließungsantrag. Ich will jetzt nicht sagen, was meine Tochter dazu sagte, als ich Ihr das erklärt habe. Ich für mich sage, es ist peinlich, wenn die Mehrheitsfraktionen in diesem Parlament so agieren. Frau Ministerin, im Januar haben Sie den Ministerrats

beschluss vorgestellt und angekündigt, in diesem Jahr noch ein Gesetz vorzulegen.

Jetzt, unmittelbar vor der Sommerpause – es brennt zeitlich eigentlich –, kündigen die Rot-Grünen hier im Landtag in einem Entschließungsantrag an, dass sie sich freuen, dass es bald einen Gesetzentwurf gibt. Dann hätte man sich das Ganze im Januar auch sparen können.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Wir alle, egal welche Schulart, warten sehnlichst auf diesen Entwurf, damit man weiß, auf was man sich im Land Rheinland-Pfalz vorbereiten soll. Aber bei RotGrün kommt leider nichts Neues, nichts Konkretes und vor allem nichts Gutes.

(Beifall der CDU)

In Ihrem Entschließungsantrag fordern Sie die Landesregierung auf, die das allerdings schon längst angekündigt hatte, dass für sie künftig der Elternwille oberste Priorität haben soll. Dem muss ich aus Sicht der CDUFraktion absolut widersprechen. Für uns hat das Kindeswohl oberste Priorität. Nur das Kindeswohl darf darüber entscheiden, wo der richtige Förderort für ein Kind ist.

(Beifall der CDU – Frau Brede-Hoffmann, SPD: Hatten Sie als Mutter nicht das Kindeswohl im Blick?)

Sie setzen bei der Stärkung der Bildungsqualität dabei aber durchaus auf den Ressourcenvorbehalt, also die Frage, wie unsere Lehrerinnen und Lehrer ausgebildet werden. Da gibt es für Sie einen Vorbehalt. Bei der Frage, wie viel Kinder eine Schule besuchen dürfen – mit oder ohne qualifizierte Lehrer –, gibt es diesen Vorbehalt nicht. Sie haben bei der Frage, ob es verpflichtende Praktika für alle Lehramtsstudenten an einer Förderschule oder an einer Schwerpunktschule gibt, um sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen, ganz klar gesagt, nein, das gäbe es nicht, dazu gäbe es nicht genug Ressourcen.

Sie wollen bei der Lehrerbildung für alle Lehrämter den Fokus auf ein zieldifferentes Lernen legen. Frau Ratter und Frau Brück, Sie waren auch bei dem Gespräch anwesend, als wir mit den Lehrern gesprochen haben. Für uns ist nach wie vor das Gymnasium ein Ort des zielgleichen Unterrichts mit dem Ziel der allgemeinen Hochschulreife.

Wir möchten Gymnasien sicherlich nicht von dem Grundgedanken der Inklusion ausschließen. Auch wir möchten, dass Kinder die Möglichkeit haben, ein Gymnasium zu besuchen, wenn sie eine Beeinträchtigung haben, aber nur dann, wenn sie in der Lage sind, mit den entsprechenden Hilfestellungen diesem zielgleichen Unterricht auch zu folgen.

Das sind körperlich beeinträchtigte und sinnesbeeinträchtigte Kinder. Aber ein Kind mit ganzheitlicher Entwicklungsstörung und Lernbeeinträchtigung ist einfach

nicht richtig aufgehoben, und zwar dem Kindeswohl entsprechend.

(Beifall der CDU)

Positiv hört sich in Ihrem Antrag an, Sie wollen den Beratungszentren künftig die Hoheit für die Personalzuweisung geben, was die Förderung auch in Schwerpunktschulen betrifft. Das hört sich sehr nett an. Wenn ich aber gerade aktuell – das ist in diesem Jahr wohl besonders dramatisch – die Rückmeldungen aus unseren Förderschulen höre, so wird dort reihenweise den Schulen mitgeteilt, sie mögen bitte weitere Lehrer an Schwerpunktschulen abordnen und ihre eigene Arbeit in den Förderschulen mit pädagogischen Fachkräften ausgleichen. Sie nehmen also im Moment die Förderschulen zu einem Steinbruch. Wenn Sie das weitermachen wollen, wenn es dort weiter einen Raubbau gibt, dann sehe ich sehr schwarz für unsere Schulen.

Wir wollen, dass das Kindeswohl im Mittelpunkt steht. Das sagt die UN-Konvention.

(Glocke der Präsidentin)

Wir wollen eine Umsetzung mit Ressourcenvorbehalt. Wir wollen, dass bei der Beratung auch die Arbeit der Förderschulen als sehr gut dargestellt wird.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Zu einer Kurzintervention hat sich Herr Kollege Dr. Konrad gemeldet.

Vielen Dank, Frau Präsidentin.

Frau Dickes, ich habe folgende Fragen: Wo in der UNBehindertenrechtskonvention wird das Kindeswohl über die Verpflichtung staatlicher Stellen zur Inklusion, zum gemeinsamen Unterricht gestellt? Das ist mir nicht bekannt.

Das Zweite ist, das biopsychosoziale Modell von Behinderungen der Weltgesundheitsorganisation beinhaltet gerade, dass Behinderung nicht auf der Seite des Betroffenen allein entsteht, sondern aus dem gemeinsamen Leben des Individuums mit der Gesellschaft und daraus diese Interaktion von Behinderung, also persönlicher Einschränkung von Fähigkeiten, und gesellschaftlichen Barrieren.

An dieser Stelle frage ich natürlich, wieso Sie jetzt sagen, dass nur Kinder mit bestimmten Behinderungen in einem Gymnasium inklusiv beschult werden können. Ich würde dem entgegenhalten, Inklusion als solches ist in einem Schulsystem, das Kinder in verschiedene Schularten, je nach Begabungsniveau, einteilt, überhaupt nicht möglich. Das gilt dann natürlich auch für die Kinder

mit motorischen oder Sinnesbehinderungen. Für diese ist nämlich ein inklusiver Unterricht auch nicht möglich.

Dann habe ich die Frage, in welcher Form Sie sich vorstellen, dass bei zielgleichem Unterricht überhaupt Inklusion möglich sein soll. Inklusion – das heißt, dass die Barrieren seitens des Systems abgebaut werden sol- len – beinhaltet gerade, dass ich für jeden Menschen entsprechend seiner Begabung und seinen Stärken und entsprechend seinen Schwächen und seinen Fähigkeitseinschränkungen ein pädagogisches Modell aufbaue. Zugegebenermaßen erfordert das natürlich genauso, wie Sie es fordern, eine sehr starke Weiterentwicklung des Lehrerberufs – da widerspricht Ihnen niemand –, Fortbildung, Weiterbildung und vor allem die Aufnahme entsprechender Kompetenz auch in die Grundbildung der Lehrer.

Diese Fragen würde ich gerne von Ihnen beantwortet haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Frau Kollegin Dickes, Sie haben das Wort.

Herr Kollege Konrad, Sie werden es verzeihen – ich kann es Ihnen gerne nachliefern –, dass ich jetzt nicht Absatz und Zeilen der UN-Konvention hier vortragen kann, bei denen der Passus explizit erwähnt ist. Aber Sie wissen genauso wie ich, dass der Passus,

(Frau Thelen, CDU: Artikel 7!)

das Kindeswohl steht im Mittelpunkt, und es hat sich um das Kindeswohl zu drehen, an den verschiedensten Stellen genau in dieser UN-Konvention steht.

(Frau Thelen, CDU: Das Kindeswohl, das bei allen Maßnahmen im Mittelpunkt steht!)

Da steht nicht, dass Förderschulen abgeschafft werden sollen, sondern dass alle Kinder das Recht an der Teilhabe in der Schule haben.

(Beifall bei der CDU)

Für uns ist eine Förderschule genauso Teilhabe an der Schule. Wenn Schulen etwas sollen, dann ist es die Vorbereitung auf das Leben, und es ist nicht das Leben in der Schule als solches, das Ziel der Beschulung ist.

Insoweit ist es für uns eine ganz wichtige Sache, dass wir Kinder an den Schulen auf den Weg ins Leben vorbereiten, an denen sie unterrichtet werden. Das kann im inklusiven Bereich geschehen, wenn dort die Ressourcen zur Verfügung stehen, dem Kind individuell gerecht zu werden. Das ist derzeit nicht der Fall.

Das muss zum Profil der Schule passen. Wir haben an Gymnasien ein völlig anderes Profil vom Lernen, als wir

es an Integrierten Gesamtschulen und Realschulen plus haben, in denen wir eine ganz andere Weise des Umgangs mit Heterogenität haben. Das ist auf der einen Seite. Auf der anderen Seite ist zu begrüßen, dass wir die Wahlfreiheit haben, ein System wie das Gymnasium anzuwählen, in dem man mit dem zielgleichen Unterricht agiert. Das wollen wir auch weiterhin ermöglichen.

Ich glaube nicht, dass es dem Wohl eines geistig beeinträchtigten Kindes entspricht, in einer Stunde mit einem schweren Chemieversuch zu sitzen und nicht dem Unterricht folgen zu können, in einer Latein- oder in Französischstunde zu sitzen. Es sind ganz andere Bedürfnisse, die dieses Kind hat. Es sind ganz andere Rahmenbedingungen, die wir dem Kind an einem Gymnasium nicht bieten können.

(Frau Schmitt, SPD: Was haben Sie für Vorstellungen von Unterricht?)

Die Lehrerwochenstundenzuweisung an einem Gymnasium entspricht im Moment nicht den Möglichkeiten, diesem Kind gerecht zu werden. Barrieren abbauen, ja, überall dort, wo wir es können, aber Barrieren müssen nicht an einem Gymnasium für geistig beeinträchtigte Kinder abgebaut werden.

(Beifall bei der CDU)