Protocol of the Session on April 24, 2013

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dann hätte man auch eine vernünftige Evaluation des Jugendstrafvollzugs machen und deren Ergebnisse einfließen lassen können. Aber, verehrte Kollegen – ich habe es schon in der ersten Lesung gesagt –, Ihre Gesetzgebung im Schweinsgalopp hat das unmöglich gemacht. Es reicht nämlich nicht aus, im Februar auf den letzten Drücker einen Bericht zur Evaluation vorzulegen, ohne dass wir die Möglichkeit haben, ihn auch mit Experten zu diskutieren.

Zweitens: Wenn man sich anschaut, wer eigentlich in unseren Gefängnissen einsitzt, dann stellt man sehr schnell fest, ein repräsentativer Querschnitt durch die Bevölkerung ist das sicher nicht. Vor allen Dingen die schulische Qualifikation lässt oft sehr zu wünschen übrig.

Ich erinnere mich noch gut an einen Besuch in der Jugendstrafanstalt in Schifferstadt, wo wir erfahren haben, selbst den Realschulabschluss gibt es dort kaum, wenn überhaupt, dann den Hauptschulabschluss, die meisten aber sind ganz ohne Schulabschluss.

Was bedeutet das unter anderem? – Dies hat uns der Leiter der JVA Schwalmstadt, einer der von uns benannten Experten, in der Anhörung deutlich gesagt: Ein großer Teil meiner Gefangenen braucht klare Ansagen, und dem wird das Gesetz an einer entscheidenden Stelle nicht gerecht. Erwachsene Strafgefangene sollen nämlich nach der Formulierung des Gesetzes dazu ermuntert werden, an der Erreichung des Vollzugsziels Resozialisierung mitzuwirken. – Meine Damen und Herren, das ist zu wenig.

Wie hat es noch der JVA-Leiter von Schwalmstadt in der Anhörung gesagt? – Darüber lachen viele Gefangene nur. Deswegen brauchen wir eine klare Ansage, und wir brauchen eine echte Mitwirkungspflicht der Gefangenen.

Drittens: Damit beantwortet sich auch die Frage nach der Arbeitspflicht von selbst. Von Rot-Grün wird so getan, als müsste man die Aufrechterhaltung der Arbeitspflicht rechtfertigen. Aber die gibt es doch schon im Gesetz. Daher möchte ich sagen: Nein, so ist es nicht. – Was man rechtfertigen muss, ist die Abschaffung der Arbeitspflicht. Nach der Expertenanhörung muss ich feststellen, Argumente für eine Abschaffung habe ich eigentlich keine gehört. Was ich aber sehr wohl gehört habe, war eine Menge Argumente dafür, dass man sie aufrechterhalten sollte.

(Beifall der CDU)

Sie dürften genauso wie ich vor allen Dingen auch wiederum die Ausführungen von Herrn Bachmann aus Schwalmstadt noch in den Ohren haben, der gesagt hat: Ich habe eine Beschäftigungsquote von 90 % in meiner Anstalt, und die habe ich nur deshalb, weil es die Ar

beitspflicht gibt. – Deswegen sagt die CDU Nein zur Streichung der Arbeitspflicht!

(Beifall der CDU)

Viertens: Sie wollen Therapie, vor allen Dingen Sozialtherapie, massiv gesetzlich ausbauen. Für Gefangene mit einer Neigung zu erheblichen Sexual- oder Gewaltdelikten soll die Unterbringung in sozialtherapeutischen Abteilungen verbindlich sein. – In dieser Rigorosität geht uns das zu weit. Sie haben doch gar nicht die Mittel und werden sie auch nicht bekommen, um das in der Praxis umzusetzen.

Wo aber ein strikter gesetzlicher Anspruch besteht, können sich Gefangene ihren Sozialtherapieplatz einklagen, und das kann dann ziemlich teuer werden. Deswegen – so wichtig wie die Sozialtherapie vom Prinzip her auch ist, – –

Willkommen, Frau Ministerpräsidentin!

(Ministerpräsidentin Frau Dreyer: Danke!)

so würde doch aus unserer Sicht eine Soll-Vorschrift völlig ausreichen; denn dies nimmt uns das Prozessrisiko, das ich soeben beschrieben habe.

Fünftens: Drogen und Drogenmissbrauch sind im Strafvollzug die größte Geißel. Auch dazu zitiere ich erneut Herrn Bachmann aus Schwalmstadt. Es ist ein wörtliches Zitat aus dem Ausschussprotokoll:

„Wir haben uns im Vollzug, was Drogen angeht, eigentlich aufgegeben.“ – Ein deprimierender Befund!

Darüber hinaus hat er noch etwas gesagt, das ich ebenfalls zitieren möchte:

„Absolut überwiegend kommen Drogen über die Besucherinnen und Besucher in die Anstalt.“

Wenn wir uns also mit diesem deprimierenden Befund nicht abfinden wollen, müssen wir doch genau an dem Punkt ansetzen.

(Beifall der CDU)

Ein erfolgversprechendes Konzept scheint der Einsatz von sogenannten Passivhunden bei der Besucherkontrolle zu sein. Deswegen wollen wir deren Einsatz auch gesetzlich absichern; denn wir wollen den Kampf gegen den Drogenmissbrauch in den Anstalten eben nicht aufgeben.

(Beifall der CDU)

Sechstens: Was die Sicherungsverwahrung angeht, so halten wir nichts von der Festschreibung einer Mindestgröße von 15 Quadratmetern für die Zimmer. Mir ist dieser Tage ein Bericht im „Mannheimer Morgen“ begegnet, der sehr interessant war. Herr Justizminister Stickelberger aus Stuttgart hat in Freiburg das neue Haus für Sicherungsverwahrte eingeweiht, und was las ich in dem Artikel? Wie groß sind die Zimmer in Freiburg für die Sicherungsverwahrten? – Sie sind 14 Quadrat

meter groß. – Ist das nun verfassungs- oder menschenrechtswidrig? Ist damit das Abstandsgebot verletzt? – Ich denke, die Baden-Württemberger haben sich das im Vorfeld sicherlich gut überlegt, und solange es dazu noch keine Klärung gibt – und die gibt es bislang eben noch nicht –, sollten wir unbedingt davon absehen, feste Quadratmetergrenzen festzuschreiben.

Siebtens: Aus der Anhörung haben wir die klare Erkenntnis gewonnen, dass auch in der Sicherungsverwahrung Lockerungen stärker an das Bemühen des Untergebrachten an der Erreichung des Vollzugsziels geknüpft werden müssen. Auch für ihn ist es schließlich das Ziel, am Ende doch noch in Freiheit entlassen zu werden, insoweit müssen die Lockerungen stärker daran geknüpft werden.

Ich möchte zum Schluss noch zu zwei Änderungsvorschlägen Stellung nehmen, die die Koalitionsfraktionen noch in das Gesetz hineingebracht haben. Sie wollen, dass sich bei gleich geeigneten Maßnahmen zur Erreichung des Vollzugsziels der Gefangene aussuchen kann, welche von diesen Maßnahmen er machen möchte. – Meine Damen und Herren, aus Sicht der CDU ist Strafvollzug kein Wunschkonzert. Der Gefangene kann seine Wünsche äußern, aber entschieden wird von den Verantwortlichen in der Anstalt.

(Beifall der CDU)

Meine Damen und Herren, des Weiteren wollen Sie, dass auch Männer das Recht haben sollen, dass unter bestimmten Voraussetzungen ein Kind bis zum dritten vollendeten Lebensjahr mit in die Anstalt aufgenommen wird. Auch das lehnt die CDU ab.

(Beifall bei der CDU)

Gefängnisse sind per se kein Ort für Kinder.

(Beifall der CDU)

Ganz ausnahmsweise akzeptieren wir das für eine junge Mutter. Dies lässt sich mit der besonderen Beziehung einer jungen Mutter zu ihrem Kind rechtfertigen; nehmen wir doch nur eine Mutter, die ihr Kind stillt. Der Frauenvollzug ist von seinem Zuschnitt auch einigermaßen in der Lage, auf die besondere Herausforderung einzugehen, die es bedeutet, dass ein Kind im Strafvollzug beherbergt wird. Für den Männervollzug scheidet das aus.

Vor diesem Hintergrund – wenn ich das alles einmal zusammenfasse – wird es Sie nicht überraschen, dass die CDU den Gesetzentwurf der Regierung nicht mittragen kann. Wir haben einen alternativen Gesetzentwurf vorgelegt, weil er aus unserer Sicht der bessere Gesetzentwurf ist und weil er dem Prinzip des Forderns und Förderns besser gerecht wird.

Ein Letztes möchte ich noch sagen. Ihr Gesetz in Ehren, verehrte Koalitionsfraktionen, aber Sie legen sich damit die Messlatte verdammt hoch. Für mich erstaunlich war – dies möchte ich an dieser Stelle noch auf den Punkt bringen –, dass die einzige Fraktion, die sowohl bei der ersten Lesung des Gesetzes als auch danach in den Ausschussberatungen über das Thema der Kosten

gesprochen hat und nach den Kosten gefragt hat, die CDU-Fraktion war. Vor diesem Hintergrund bin ich doch sehr gespannt, wie Sie beim Haushalt dem Finanzminister die Mittel entlocken wollen, die es braucht, um das alles, was Sie in diesem Gesetz versprechen, auch umzusetzen. Da sprechen wir uns dann wieder.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU – Bracht, CDU: Das war ein Beispiel der Geldverschwen- dung von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf Gäste im Landtag begrüßen, und zwar Schülerinnen und Schüler der Klassen 9 V und 10 der Jakob-Weber-Schule in Landstuhl sowie Mitglieder des CDU-Ortsverbandes BirkenHonigessen. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Für die SPD-Fraktion hat nun Herr Kollege Sippel das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir setzen heute einen echten Meilenstein für einen modernen, zeitgemäßen Strafvollzug in Rheinland-Pfalz. Das Landesgesetz trägt zu Recht den Namen „Weiterentwicklung von Justizvollzug, Sicherungsverwahrung und Datenschutz“. Das, was Sie hier vorgetragen haben, Herr Dr. Wilke, hätte eher den Namen verdient: Zurückentwicklung des Strafvollzugs in Rheinland-Pfalz.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Sie haben sich ganze 2 Minuten über die positiven Seiten des Gesetzes ausgelassen und 10 Minuten über Ihre Bedenken und Kritik. Ich weiß nicht, wo da noch die Konsensfähigkeit steckt, die Sie angedeutet haben.

Sie haben direkt im Rechtsausschuss gesagt, dass Sie dieses Gesetz grundlegend als ein Gesamtpaket ablehnen. Heute haben Sie dann eine ganze Reihe von Punkten ausgeführt, bei denen ich sagen muss, da sehe ich diese Konsensfähigkeit schlicht und ergreifend nicht.

Meine Damen und Herren, wir haben uns in den letzten Wochen bzw. drei Monaten intensiv mit der Gesetzgebung befasst. Ich stimme zu, es war eine ambitionierte Zeitvorgabe, das ist völlig klar. Aber wir haben uns der Aufgabe gestellt. Wir hatten die Möglichkeit, in der Anhörung und in der Auswertung zur Anhörung wirklich mit sorgfältiger Beratung und Abwägung zu einem Ergebnis zu kommen. Deshalb ist dieses Gesetz heute beschlussreif.

Es ist ein Gesetz aus einem Guss. Ich greife dieses Wort des Landesbeauftragten für den Datenschutz und

die Informationsfreiheit, Herrn Edgar Wagner, auf, der dies in der Anhörung so gesagt hat. Es ist ein Gesetz aus einem Guss, das sowohl den Erwachsenenstrafvollzug als auch den Jugendstrafvollzug, die Untersuchungshaft und die Sicherungsverwahrung regelt und mit einem Datenschutzteil entsprechend verbindet.

Es ist natürlich für Praktikerinnen und Praktiker eine neue Handhabung. Das ist klar, man war bisher Einzelgesetze gewöhnt. Aber dennoch meine ich, dass die Vorteile einer einheitlichen Gesetzessystematik sich nach kurzer Zeit ergeben werden.

Allein der Datenschutzteil in Artikel 3, der eine sorgfältige Abwägung des subjektiven Rechtes der Gefangenen mit dem öffentlichen Sicherheitsinteresse darstellt, hat Vorbildcharakter für die bundesweite Gesetzgebung. Es ist gut, dass dieser Datenschutzteil – weil wir das in einem Gesamtpaket regeln – dann für alle Bereiche des Vollzugs gilt. Das allein ist ein gutes Beispiel dafür, dass es sinnvoll war, hier ein Gesamtpaket zu schaffen.

Ich darf in dem Zusammenhang auch erwähnen, dass heute in Potsdam und in Schwerin über die Vollzugsgesetzgebung beraten wird. Beide Länder sind im Verbund auch mit Rheinland-Pfalz, was eine Regelung in einem Gesamtpaket anbelangt.