Protocol of the Session on June 15, 2011

Das Oberlandesgericht Zweibrücken hat acht Zivilsenate, von denen drei auch Familiensachen bearbeiten, zwei Strafsenate und einen Notarsenat. Bei beiden Gerichten gibt es einen kompletten Überbau mit einem Präsidenten, einem Vizepräsidenten und einer Verwaltung, zu der Richter wie nichtjuristische Mitarbeiter gehören. Wie soll denn die zukünftige Organisation aussehen, die gutachtlich geprüft werden soll? Welche Senate werden zukünftig in Zweibrücken ansässig sein? Welche Senate werden am Standort Koblenz bleiben? Ist eine thematische Schwerpunktsetzung denkbar?

Sehr geehrte Damen und Herren, ich sage ausdrücklich, Senate werden in Koblenz bleiben, auch wenn die CDU da anderer Ansicht zu sein scheint und in ihrem Antrag von Schließungen spricht. Zusammenführen mit Sitz in Zweibrücken bedeutet die Nutzung von Synergien. Das bedeutet auch Einsparungen. Entsprechendes gilt übrigens auch für die beiden Generalstaatsanwaltschaften. Wer den Text des Koalitionsvertrages nicht immer nur auszugsweise zur Kenntnis nimmt, findet dort auch ein Bekenntnis zur Stärkung der Justiz und zu ihrer guten Erreichbarkeit.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Justiz als starke dritte Gewalt ist unverzichtbar für einen modernen sozialen Rechtsstaat. Selbstverständlich müssen Gerichte für die Rechtsuchenden gut erreichbar sein. Diese Ziele sind unverzichtbar. Sie sind aber auch im Sinne einer wirtschaftlichen Überprüfung unbeziffer- bar.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Bislang kristallisiert sich nur heraus, dass bei den Oberlandesgerichten wie bei den Generalstaatsanwaltschaften je eine Leitungsstelle nicht neu besetzt werden soll. Alles Weitere muss erst noch erarbeitet werden.

Meine Damen und Herren, Sie werden sich dem Gesichtspunkt nicht verschließen wollen, dass strukturelle Reformen auch unter dem Gesichtspunkt der in der Verfassung verankerten Schuldenbremse unumgänglich sind.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Es geht nur um die Schuldenbremse!)

Davon dürfen wir auch die Justiz nicht ausnehmen. Davon darf sich auch die Justiz im eigenen Interesse selbst nicht ausnehmen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Übrigens hat der Landesrechnungshof unter anderem in seinem Jahresbericht 2003 schon zu Einsparmöglichkeiten in der Verwaltung der beiden Oberlandesgerichte Stellung genommen. Zusammengefasst, die Fusion der Oberlandesgerichte und der Generalstaatsanwaltschaften ist noch nicht beschlossen. Einzelheiten stehen noch nicht fest. Das bedeutet, wir können zum jetzigen Zeitpunkt gar keine Frage vorlegen, die für die Haushalts- und Wirtschaftsführung von Bedeutung wäre.

(Pörksen, SPD: Genauso ist es!)

Sehr geehrte Damen und Herren, zuerst sind wir, ist das Parlament in der Pflicht. Wir müssen gemeinsam eine Justizreform beschließen, die unsere Justiz für die Zukunft aufstellt, die Kosten spart, die sich gewandelten Rechtsschutzbedürfnissen wie auch den Herausforderungen des demografischen Wandels stellt. Dazu muss zunächst einmal das Justizministerium prüfen. Wir brauchen eine Reform, die diese Aspekte bedenkt, die auch alle Beteiligten an einem runden Tisch versammelt.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren, wir brauchen mehr Sachlichkeit in der Auseinandersetzung.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Stimmungsmache und Aufgeregtheiten sind der Sache nicht dienlich. Die Behauptung, das Oberlandesgericht Koblenz werde geschlossen, ist schlicht falsch. Sie verhindert eine vernünftige vorurteilsfreie Debatte. Sie schürt ohne Not Ängste und Besorgnisse bei den Justizangehörigen. Es ist völlig überflüssig und schädlich, einen solchen Hype in die Diskussion zu bringen, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Selbstverständlich kann der Rechnungshof Entscheidungen auf ihre Wirtschaftlichkeit hin überprüfen, wenn

denn diese Entscheidungen getroffen worden sind. Er kann aber nicht im Wege eines Gutachtens dazu gebracht werden, eigene Vorstellungen von einer Reform zu entwickeln. Wenn eine Materie kompliziert ist, ist man leicht geneigt, nach der jeweils fachkompetenten Behörde zu rufen und die Entscheidung zu delegieren. Wir dürfen uns aber hier nicht aus unserer parlamentarischen Pflicht und Verantwortung nehmen lassen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Zuallererst ist die politische Entscheidung gefragt. Das bedeutet Mut, Mut auch zu einer vielleicht unbequemen Entscheidung. Damit steht die Reihenfolge fest. Erst müssen wir eine Reform entwickeln und eine politische Entscheidung treffen. Das beantragte Gutachten kann – wenn überhaupt – erst am Ende dieses Prozesses stehen. Deswegen können wir diesem Antrag nicht zustimmen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Starker Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Es spricht nun Justizminister Hartloff.

(Bracht, CDU: Der bringt jetzt die Argumente vor!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Kollegin Raue, sehr geehrter Herr Kollege Hoch, ich danke Ihnen für die Sachlichkeit, die Sie in die Debatte hineingetragen haben. Ich werde mich mit den Argumenten auseinandersetzen. Nein, ich werde Ihnen kein abschließendes Konzept vorlegen, wie diese Reform aussehen wird. Ich will es nicht machen, weil es nicht vernünftig wäre bei der Durchführung einer solchen Reform, meine Damen und Herren.

(Bracht, CDU: Das Ergebnis steht schon fest!)

Doch zunächst will ich für die Landesregierung ganz kurz darauf eingehen, weil es eine Aufgabe des Parlamentes ist zu werten, inwieweit ein Gutachten des Rechnungshofes eingeholt werden soll oder nicht. Ich halte die Schlussfolgerung der Kollegin Raue und des Kollegen Hoch für sinnvoll und auch für zutreffend. Es sind zunächst die politischen Hausaufgaben zu machen, die wir als Koalition auf der Maßgabe des Koalitionsvertrages machen werden und die wir versuchen wollen, sinnvoll umzusetzen mit den Akteuren in der Justiz, in der Kommunalpolitik, mit denen, die anders betroffen sind, und worüber wir viele Gespräche führen, bei denen wir das Konzept entwickeln, sie mitnehmen, Zahlen auf den Tisch legen und ihnen nachweisen können – meine Damen und Herren, davon gehe ich fest aus –, dass es Synergien mit sich bringt, bei diesem Teil der Strukturreform zwei Gerichte, nämlich zwei Oberlandesgerichte,

zusammenzuführen und hierdurch auch Beiträge für eine in Rheinland-Pfalz umzusetzende Schuldenbremse zu leisten, aber auch für eine Aufstellung, die zukunftsfähig für unsere Justiz ist. Diese brauchen wir nicht nur in diesem Bereich.

Herr Kollege Dr. Wilke, Sie haben eben dazwischengerufen, wir bräuchten zwei Oberlandesgerichte. Gut, wenn man der Auffassung ist, kann man das vertreten. Das ist keine Frage. Sie haben auch dazwischengerufen, zwei Standorte gingen nicht. In anderen Bundesländern gehen sie. Die gehen in Hessen, in BadenWürttemberg und in einer Vielzahl anderer Bundesländer. Das ist eben Ausgangspunkt dessen – es wurde zitiert –, was in der Koalitionsvereinbarung vereinbart wurde, dass in anderen Bundesländern in aller Regel die Oberlandesgerichte einen wesentlich größeren Einzugsbereich haben, als es ein neu zu bildendes einheitliches Oberlandesgericht in Rheinland-Pfalz überhaupt hätte, geschweige denn von den jetzigen Größen. Ich kann Ihnen die Bundesländer hier alle runterdeklinieren.

(Zuruf von der CDU: Wow!)

Herr Kollege mit dem großen „Wow“, wenn man sich damit beschäftigt, wo Oberlandesgerichte sind, welche Einzugsbereiche sie haben, sieht man, es gibt zwei, die das nicht haben. Es gibt Bundesländer, die jeweils nur eins haben. Sie sind teilweise größer von den Einwohnerzahlen her, teilweise größer von den Flächen her. Es gibt welche, die haben mehrere, wie BadenWürttemberg. Auch dort werden die durchschnittlichen Einzugsbereiche der Bevölkerung über 4 Millionen sein. In Bayern sind es 5 Millionen. Sie sind größer, als Rheinland-Pfalz mit knapp 4 Millionen ist.

Meine Damen und Herren, ist es unter diesen Prämissen nicht sinnvoll und überdenkenswert, dass man an dieser Struktur etwas ändern kann, die wir aus historischen Gründen in Rheinland-Pfalz haben?

Muss man denjenigen, die sich in der Koalitionsvereinbarung geeinigt haben, absprechen, dass sie sich darüber Gedanken gemacht haben und sie sich dabei auch an Zahlen orientiert haben, das im Übrigen zum Teil auch in dienstlichen Erklärungen, die auf dem Dienstweg in der Justiz verschickt werden? Ich weiß nicht, ob das in anderen Strukturen öffentlicher Verwaltung in RheinlandPfalz oder in anderen Ländern so geschieht, meine Damen und Herren. Keiner verhängt irgendeinen Maulkorb.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD und bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine Diskussion darf überall offen und kritisch erfolgen, aber Sie müssen sich auch die Frage stellen, wie Loyalitäten zum Dienstherrn sind für die, die Dienstvorgesetzte sind und die diesem gegenüber auch ihre entsprechende Verantwortung haben. Um nicht mehr und nicht weniger geht es.

Meine Damen und Herren, die Ausgangslage ist die Koalitionsvereinbarung. Ich habe Ihnen die Situation in anderen Ländern dargelegt. Sie haben den größten Justizstandort in Rheinland-Pfalz – Frau Raue hat auch

darauf hingewiesen – in Koblenz mit im Moment 984 Beschäftigten, während es in Zweibrücken 280 Beschäftigte sind. 140 Beschäftigte sind es beim OLG Koblenz. Ich verstehe die Ängste, Sorgen und Nöte der Beschäftigten, wenn sie in einer Koalitionsvereinbarung die Nachricht finden, das Gericht, an dem sie beschäftigt sind, soll mit einem anderen Gericht zusammengeführt werden, und der Präsidialsitz soll auch noch an dem anderen Standort sein. Es ist selbstverständlich, dass man da Angst bekommt.

Es ist auch selbstverständlich, dass eine Kommune, eine Umgebung für ihren Standort kämpft. Man kann sehr stark diskutieren, ob das Wohl und Wehe einer Großstadt wie Koblenz, die sich sehr, sehr gut entwickelt und in der im Moment die BUGA gefeiert wird, in die das Land sehr viel Geld hineingesteckt hat, von der Frage des Oberlandesgerichtes, eines Instanzgerichts, abhängig ist. Das muss man nicht so sehen, wie die, die das befürworten, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Es ist notwendig, dass wir auch in der Justiz Strukturreformen vornehmen. Manche Grenzen der Einzugsbereiche orientieren sich noch an den Bereichen, als wir Preußen hatten, als wir Bayern hatten und als wir andere Fürstentümer hatten. Ich meine, man muss überdenken, ob das zeitgemäß, ob das zukunftsweisend ist, und sich fragen, wie Aufgaben vernünftig wahrgenommen werden können. Weil ich das will, ist zwar mit der Koalitionsvereinbarung die politische Vorgabe gesetzt, wo es hingehen soll, aber bei den weiteren Schritten und der Frage, wie und in welchem Umfang das geschieht – davon ist auch abhängig, welche Einsparpotenziale dort zu heben sind, die bei einer Verwaltungszusammenführung, bei einer Zusammenführung von Gerichten selbstverständlich zu heben sind –, nehme ich selbstverständlich die Beschäftigten im Dialog genauso mit wie die Anwaltskammern und die Notarkammern.

Ich sage Ihnen an dieser Stelle auch: Wenn die Anwaltskammern und die Notarkammern nach wie vor lieber zwei Bezirke haben möchten, ist das ein Punkt, über den man selbstverständlich sprechen wird. Herr Notar Wilke – wenn ich Sie in dieser Eigenschaft ansprechen darf –, mir sind natürlich die unterschiedlichen Traditionen der bayerischen Notarverbindungen im Pfälzischen zum Vergleich zu denen im Norden bekannt. Mir ist natürlich auch bekannt, dass es sehr schwierig wäre, die zusammenzuführen, wenn man dies wollte. Wenn die Betroffenen in diesem Bereich das nicht wollen, wird man das aber auch nicht machen. Das ist ganz einfach.

Genauso steht die Aussage von mir – ohne den Gesprächen und den Diskussionen vorzugreifen –, dass es am Standort in Koblenz selbstverständlich Senate geben wird, die genau die geforderte Publikumsnähe und Bürgernähe erfüllen werden. Vor diesen Gesprächen scheue ich mich nicht.

Herr Baldauf, wenn Sie sagen, dass ich bei der Demonstration in Koblenz nur schwerlich erkannt worden wäre, sage ich Ihnen: Zunächst ist die Hälfte der Demonstranten auf dem Platz, auf dem ich mit Kollegen

gewartet habe, an mir vorbeigelaufen. Mit vielen habe ich gesprochen. Ich bin in meiner damaligen Funktion als Fraktionsvorsitzender mehrfach von Fenstern oben begrüßt und ausgepfiffen worden. Ich habe auch mit vielen weiteren gesprochen. Ebenso habe ich Interviews gegeben, so wie sie gefragt waren. Nicht mehr und nicht weniger habe ich getan. Ich habe mich nicht gedrückt. Das war weder in meiner alten Funktion meine Art, noch ist das in meiner neuen Funktion meine Art.

Ich bin das so angegangen, wie ich meine, dass das vernünftig wäre. Es ist niemand nach Mainz zitiert worden, sondern ich habe im Zusammenhang mit den Bewerbungen um die Positionen des OLG-Präsidenten oder des Generalstaatsanwalts in Zweibrücken als Erstes mit den Bewerberinnen und Bewerbern persönlich gesprochen. Das ist für mich selbstverständlich. Nach einer Prüfung habe ich entschieden, dass ich diese Besetzungen im Hinblick auf die beabsichtige Entscheidung nicht vornehmen werde. Es gehört zu meinem Selbstverständnis dazu, dass ich das zunächst mit den davon ganz direkt Betroffenen und sicher auch schmerzhaft Betroffenen bespreche.

Als Zweites habe ich natürlich Termine mit den Richterräten, mit den Personalräten von beiden Gerichten und von beiden Generalstaatsanwaltschaften vereinbart. Diese Gespräche sind zum Großteil geführt worden. Sie konnten in den Medien darüber lesen, weil man manche auch so führen kann, dass ich gleich Interviews geben könnte. Das gehört dann aber zu solchen Fragen dazu.

Mein Ziel ist es bei aller Unterschiedlichkeit der Auffassung, wie dieser Prozess zu gestalten ist, und bei einer unterschiedlichen Grundannahme, dass man gemeinsam entwickelt, wie diese Strukturreform nach vorne getragen werden kann. Selbstverständlich spreche ich auch mit dem Personal an den Standorten in Koblenz und in Zweibrücken. Es sind Termine für die Personalversammlung vorgesehen. Der erste beim OLG findet, wenn ich das auswendig jetzt richtig in Erinnerung habe, am 22. Juni vor den Ferien statt. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können sich darauf verlassen, dass ich das mache.

Entschieden ist außer der Grundrichtung und dem, dass wir uns auf diesen Weg begeben, noch nichts. Das werden wir in zwei Arbeitskreisen, die kurzfristig ihre Arbeit aufnehmen werden, entwickeln. Dazu gehören natürlich die Präsidenten und Stellvertreter, die im Amt sind. Natürlich gehören die Vertreter der Richterschaft, der Generalstaatsanwaltschaft und die Personalvertretungen dazu. Wir werden Fachleute hinzuziehen. Frau Staatssekretärin Reich wird zusammen mit mir dafür sorgen, dass wir das dort angedockt haben. Gleichzeitig wird sich im Ministerium auf der Arbeitsebene eine Arbeitsgruppe bilden, die uns mit Zahlen und Fakten zuarbeiten wird. Wie groß sind die Gebäude? Welche Senate haben wir dort? Wie viele Beschäftigte haben wir dort? In welchem Zeitraum machen wir welche Gesetze? Das werden wir ihnen natürlich mit Vorschlägen zuleiten. Das werden wir auch gegenüber dem Parlament transparent machen. Sie haben dazu schon Anfragen gestellt.

Meine Damen und Herren, ich meine, das ist der bessere Weg, als wenn ich aus der Schublade das Konzept