Ich darf auch daran erinnern, im Ministerium der Justiz hat Ihr Vorgänger extra eine Abteilungsleiterstelle geschaffen, die sich unter anderem mit den Fragen des ThUG beschäftigen soll. Es ist schade, dass es jetzt August 2012 geworden ist, aber immerhin, jetzt liegt der Gesetzentwurf vor. Wir werden ihn sorgfältig beraten.
Die grundsätzliche Orientierung am Maßregelvollzug, die Sie selber angesprochen haben, ist ein auch aus Sicht der CDU nachvollziehbarer Ansatz, aber ein Punkt beschäftigt mich dann schon – der wird auch in der Beratung eine gewisse Rolle spielen –, gerade wenn es so sein wird, dass die Sicherungsuntergebrachten nach StGB und die Therapieuntergebrachten nach THUG in derselben Einrichtung untergebracht sind und betreut werden. Man sollte dann darauf achten, dass das Spannungsfeld zwischen den Rechtsgrundlagen, die für beide Vollzugsarten einer Freiheitsentziehung gelten, nicht zu groß wird. Das ist ein Punkt, der noch zu weiteren Fragen in der konkreten Beratung Anlass gibt.
Dies und andere Fragen, Stichwort „Zuführung“, sind noch zu klären: Wer ist dafür zuständig, wenn jemand in die Therapieunterbringung gebracht werden muss, der im Moment in Freiheit lebt? Das ist eine kritische Frage, wer sich dieser Sache anzunehmen hat. Das sind Fragen, die wir in der Gesetzesberatung im Rechtsausschuss sicher vertiefen können.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Therapieunterbringung verfolgt im Wesentlichen zwei Ziele: Zum einen den adäquaten Schutz der Bevölkerung vor weiteren schweren Straftaten durch psychisch gestörte Gewalttäter, zum anderen aber auch – das ist uns genauso wichtig – eine menschliche Unterbringung und eine intensive Behandlung und Therapie der betroffenen Personen.
Man muss sehen, dass es Personen sind, die bereits ihre Haft abgesessen und oftmals lange Jahre in der Sicherungsverwahrung verbracht haben. Sie haben zwar gesagt, es sei eine kleine, aber wenig feine Gruppe, aber ich sage auch, die Menschenwürde ist unantastbar, Herr Dr. Wilke. Die Menschenwürde gilt auch für die Menschen in der Therapieunterbringung.
Den beiden Zielen, sowohl dem Schutz der Bevölkerung als auch der intensiven Therapie, dient das Landesgesetz. Aus unserer Sicht wird dieses Landesgesetz beiden Zielen gerecht.
Es geht um eine sehr schwierige verfassungskonforme Abwägung einerseits des Gemeinwohlinteresses, ein hohes Schutzinteresse der Bevölkerung, und zum anderen der subjektiven Rechte und der Grundrechte des Einzelnen.
Der Europäische Gerichtshof und auch das Bundesverfassungsgericht – Sie haben das zu Recht gesagt – haben uns klare Schranken gezogen, zum einen, was das Abstandsgebot anbelangt zwischen der normalen Strafhaft und der Sicherungsverwahrung oder auch der Therapieunterbringung, und zum anderen im Hinblick auf den weiteren Freiheitsentzug nach Ablauf der Sicherungsverwahrung.
Der Bund ist in der Pflicht, das Gesetz zur Sicherungsverwahrung neu zu regeln. Die Frist läuft im Mai 2013 ab. Während in Berlin noch am Gesetz getüftelt wird, sind wir in Rheinland-Pfalz auf 2013 gut vorbereitet. Die
Einrichtung in Diez ist im Bau. Wir haben auch trotz schwieriger haushaltsrechtlicher Voraussetzungen das Fachpersonal, zumindest das medizinische, therapeutische und pädagogische Fachpersonal, für 2013 veranschlagt. Wir sind gut vorbereitet.
Anhand der Planungen wird auch deutlich, dass die Einrichtung in Diez den gesetzlichen Anforderungen gerecht wird, eine Einrichtung zu schaffen, die sich von den üblichen und klassischen Haftbedingungen absetzt, die mehr Bewegungsräume und insbesondere auch Therapieangebote ermöglicht. Therapieunterbringung darf eben keine bloße Verwahrung sein; es geht immerhin um den Eingriff in die persönliche Freiheit der Menschen, der – das hat das Bundesverfassungsgericht klar gesagt – nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit möglichst gering sein muss.
Meine Damen und Herren, die Einrichtung in Diez ist aus unserer Sicht geeignet für die Therapieunterbringung. Wir werden im Ausschuss darüber sprechen, inwieweit eine räumliche, eine organisatorische Trennung dort möglich sein wird. Ich denke, es gibt Lösungen dazu. Wir sind auch der Auffassung, dass wir jetzt Rechtssicherheit und Rechtsklarheit brauchen. Wir haben einen Fall einer vorläufigen Therapieunterbringung im Maßregelvollzug, und bis 2020 könnten weitere 22 Fälle hinzukommen. Demnächst werden auch wieder Fälle zur Beurteilung vor den Gerichten anstehen, deshalb ist es wichtig, mit diesem Landesgesetz Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zu schaffen.
Meine Damen und Herren, wir unterstützen grundsätzlich den Gesetzentwurf, weil er ganz klar die Behandlung und die medizinisch-therapeutische Ausrichtung unterstreicht. Wir unterstützen den Gesetzentwurf, weil er die Dauer der Therapieunterbringung auch und gerade im Sinne der Rechtsprechung begrenzt. Eine Verlängerung der Therapieunterbringung ist an klare Vorgaben und enge Kontrollen geknüpft, und das ist auch richtig so.
Wir unterstützen den Verweis auf die Regelungen des Maßregelvollzuges. § 6, die Zwangsbehandlung, ist ausdrücklich ausgenommen. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Regelung für verfassungswidrig und nichtig erklärt.
Wir unterstützen auch die Übertragung des reinen Verwaltungsvollzugs auf die untere Verwaltungsbehörde aufgrund der Sachnähe. Das Unterbringungsgesetz ist auch eine Aufgabe der Kreisverwaltungen und der Verwaltungen der kreisfreien Städte. Dazu gibt es noch ein paar Bedenken bei den kommunalen Spitzenverbänden, aber ich gehe davon aus, diese Bedenken können ausgeräumt werden, zumal es eine Auffangregelung ist. In aller Regel wird die Anstalt, bei der der Sicherungsverwahrte die Zeit der Sicherungsverwahrung verbracht hat, auch für die Zuführung und die Antragstellung verantwortlich sein.
Wir denken, dass dieser Gesetzentwurf gute Voraussetzungen für eine konstruktive Diskussion im Ausschuss bietet.
Ich danke Ihnen, Herr Präsident! Meine Damen und Herren, sehr geehrte Gäste! Wir sprechen heute über ein Gesetz, das wir verabschieden sollen, damit das Therapieunterbringungsgesetz des Bundes – kurz ThUG – auf Landesebene vollzogen werden kann. Aufgabe der Rechtspolitik ist es dabei, dafür zu sorgen, dass Gesetze nicht irgendwie, sondern rechtsstaatlich vollzogen werden.
Herr Minister, lassen Sie mich in diesem Zusammenhang Ihnen für die differenzierte rechtsstaatliche Betrachtungsweise sowie für das danken, was Sie ausgeführt haben, dass wir uns bei diesem Gesetz im Grenzbereich dessen bewegen, was rechtsstaatlich möglich ist.
Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Wilke, deshalb ist es nicht so einfach, diesen Auftrag einmal so eben schnell umzusetzen. Mich beschäftigt die Frage: Kann man auch solche Gesetze noch rechtsstaatlich vollziehen, die ihrerseits rechtsstaatlich und konventionsrechtlich bedenklich sind? – Damit meine ich das ThUG.
Um das zu verstehen, muss man die Sicherungsverwahrung verstehen. Die Sicherungsverwahrung ist eine freiheitsentziehende Maßregel, die – anders als eine Freiheitsstrafe – von der Schuld unabhängig ist. Sie bezweckt den Schutz der Gesellschaft vor gefährlichen Straftätern. Dieser Schutz ist auch notwendig. Sicherungsverwahrte sind Menschen, die gezeigt haben, dass sie gefährlich sind.
Wir GRÜNE lehnen die Sicherungsverwahrung daher nicht grundsätzlich ab; allerdings darf man in einem Rechtsstaat die Allgemeinheit nicht um jeden Preis und nicht mit allen Mitteln schützen. Die Sicherungsverwahrung ist nur ein alleräußerstes Mittel, meine Damen und Herren.
Tatsächlich ist diese Sicherungsverwahrung jedoch in den letzten Jahrzehnten auf unerträgliche Weise ausgeweitet worden, so weit, dass schließlich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Reißleine gezogen und Deutschland dafür verurteilt hat, dass es die Befristung der Verwahrung rückwirkend aufgehoben hat.
Alle Menschen, die seitdem verwahrt wurden, die sogenannten „Altfälle“, waren auf einen Schlag freizulassen bzw. kamen unter Führungsaufsicht. Daraufhin erfand
die schwarz-gelbe Koalition das ThUG. Mit den Erfindungen ging es weiter. Erfunden wurde der Begriff der psychischen Störung, ein Begriff, den unsere Rechtsordnung bis jetzt nicht kennt. Das Bundesverfassungsgericht hat dann dafür gesorgt, dass nicht so viele Altfälle entlassen werden mussten wie befürchtet. Sie dürfen unter bestimmten Voraussetzungen weiter untergebracht werden, und damit war das Problem, das das Therapieunterbringungsgesetz lösen sollte, eigentlich gar nicht mehr existent.
Dies bestätigt auch der vorliegende Entwurf, der von nur einem bislang freigelassenen Altfall spricht, der sich in der Unterbringung befindet. Die Koalition gab das ThUG aber nicht auf. Drei rechtspolitische Bedenken gegen das ThUG bleiben damit bestehen, wie viele Personen es letztendlich auch betreffen mag:
Zum Ersten: Es stellt sich die Frage: Ist der Begriff der psychischen Störung überhaupt bestimmt genug, um darauf eine Freiheitsentziehung zu stützen?
Zum Zweiten: Können gesunde Straftäter einfach nunmehr in psychisch gestörte Personen umetikettiert werden?
Sehr geehrte Damen und Herren, für das Strafrecht gilt, dass sich die Strafe aus dem Strafgesetzbuch selbst ergeben muss. Beim ThUG ergibt sich letztlich nur aus ärztlichen Handbüchern, wer gestört ist. Es wurde gerade eben überzeugend dargestellt: Steht jemand vor der Entlassung, wird er begutachtet, und anhand der Ergebnisse dieser Beurteilung entscheidet der Richter, ob er zu entlassen ist oder nicht. Damit liegt Freiheitsentziehung in der Hand von Medizinern und Psychiatern, und das darf nicht sein, meine Damen und Herren.
Eine Psychiatrisierung des Strafrechts ist eines Rechtsstaats nicht würdig. Wie Sie sehen, kann ich an dem Gesetzentwurf leider nur begrüßen, dass er sich zur Umsetzung des Therapieunterbringungsgesetzes auf das Nötigste beschränkt hat. Im laufenden Gesetzgebungsverfahren ist bereits vorgesehen, das ThUG zu ändern. Für die Unterbringung sollen danach ausdrücklich die reformierten Einrichtungen der Sicherungsverwahrung genutzt werden können.
Das bedeutet, ein wegen des Rückwirkungsverbotes aus der Sicherungsverwahrung entlassener Straftäter findet sich dann aufgrund einer anderen Rechtsordnung und Rechtsgrundlage in genau derselben Einrichtung wieder wie zuvor. Das ist doch absurd, meine Damen und Herren.
Auch nach dem vorliegenden Entwurf können die Betroffenen in der gleichen Einrichtung landen. Angesichts der
geringen Zahl der Fälle kann diese Ausnahme aber leider zur Regel werden. Diese und andere Bedenken werden wir im weiteren Gesetzgebungsverfahren einbringen. Dies gilt ebenso für die Schwerpunktsetzung bei der Formulierung des Gesetzeszweckes, und an dieser Stelle danke ich den Kollegen von der SPDFraktion für die sorgfältige Darstellung und Bewertung.
Meine Damen und Herren, zweifellos gibt es kranke und gefährliche Menschen. Wir finden es richtig, die Gesellschaft vor diesen Menschen zu schützen. Aber Menschen als psychisch gestört umzuetikettieren, um ihnen jeden Schutz des Rechtsstaates zu nehmen, das ist richtig gefährlich.
Wir werden dem Umsetzungsgesetz zustimmen, weil wir es umsetzen müssen, und nicht deshalb, weil wir es gut finden. Aber wir verwahren uns gegen weitere Schritte, die rechtsstaatlich und konventionsrechtlich bedenklich sind.