Protocol of the Session on June 21, 2012

Zum einen möchte ich deutlich etwas zum Zeitplan sagen. – Ja, wir haben dem Zeitplan zugestimmt, und wir wussten auch, dass es einen Zwischenbericht geben sollte.

(Beifall des Abg. Köbler, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Moment! Herr Köbler, wir freuen uns, dass Sie auch da sind.

Aber wir haben nirgendwo gesagt, dass dieser Zwischenbericht schon endgültige Festlegungen oder endgültige Empfehlungen enthalten muss. Es können auch Beschreibungen, Abläufe, aktuelle Sachstände, Problembeschreibungen sein.

(Zuruf der Abg. Frau Spiegel, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zurufe von der SPD)

Sie haben aber von sehr konkreten Empfehlungen gesprochen, und ich finde, Sie haben einen unnötigen Entscheidungsdruck aufgebaut, um offensichtlich eventuell auch im Koalitionsvertrag Dinge zu verändern.

(Unruhe im Hause – Glocke der Präsidentin)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn es so laut ist, kann die Gebärdendolmetscherin nicht mehr dolmetschen. Ich bitte Sie also, doch etwas ruhiger zu sein und die Dialoge untereinander einzustellen.

(Vereinzelt Beifall im Hause)

Frau Spiegel, Sie haben von Verfassungsänderungen gesprochen. Für Verfassungsänderungen bedarf es einer Zweidrittelmehrheit dieses Hohen Hauses. Ich habe den Eindruck, dass Sie manche Dinge einfach so durchsetzen wollen. Wenn es um Verfassungsänderungen auf diesem hohen Niveau geht und eine Zweidrittelmehrheit benötigt wird, dann wäre es auch sehr gut gewesen, wenn es auch einmal ein intensives Gespräch

zwischen den Koalitionsfraktionsvorsitzenden mit der Oppositionsfraktionsvorsitzenden gegeben hätte.

(Zuruf von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das hat es gegeben!)

Das hat es bis heute nicht in dieser Art und Weise gegeben, und dies hätte man vielleicht noch intensivieren können. Dies wollte ich noch abschließend dazu sagen.

Danke schön.

(Beifall der CDU)

Zu einer Antwort erteile ich Frau Kollegin Spiegel das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kollege Lammert, Sie können es gern im Wortprotokoll nachlesen: Das Wort „Verfassungsänderung“ ist in meiner Rede soeben nicht vorgekommen. Aber wenn Sie den Zwischenbericht an einigen Stellen aufschlagen, werden Sie ihm – da kann ich Sie an Ihre Rede erinnern – entnehmen können, dass wir eine verfassungsrechtliche Prüfung vorantreiben möchten. Das haben Sie vorhin in Ihrer Rede auch angedeutet; insofern würde ich mir wünschen, wenn an dieser Stelle Konsens herrscht, dass wir diesen Konsens auch im Rahmen der EnqueteKommission festhalten. – Das wäre das eine.

Das andere ist, dass es natürlich nicht darum geht, hier endgültig schon in Stein gemeißelte Dinge festzulegen. Das hatten wir auch schon immer so besprochen. Der Zwischenbericht ist ein Zwischenstand. Es geht nicht darum, etwas Unabänderliches in Stein zu meißeln und das dann als gegeben hinzunehmen.

Aber ich muss Ihnen schon sagen, ein Zwischenbericht – das hatten wir genauso besprochen – ist die Gelegenheit der Meinungsäußerung, der Äußerung einer Tendenz, der Äußerung einer Wasserstandsmeldung. Da ist von Ihnen nichts gekommen. Ich habe von Ihnen keinen Vorschlag gehört, wie Sie den Frauenanteil in den kommunalen Parlamenten erhöhen wollen.

Ich habe von Ihnen keinen Vorschlag gehört, wie Sie den Menschen mit Migrationshintergrund helfen wollen, damit sie sich stärker beteiligen können in RheinlandPfalz. Das sind einfach Punkte, die im Rahmen dieser Aussprache auf den Tisch müssen. Deswegen habe ich sie angesprochen.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Für die SPD-Fraktion hat noch einmal das Wort Herr Kollege Haller. Sie haben noch eine halbe Minute Redezeit.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich möchte noch einmal eines klarstellen: Wir sind uns selbstverständlich der Verantwortung bewusst, wenn wir über Maßnahmen sprechen, die eine verfassungsändernde Mehrheit benötigen. Das möchte ich einfach noch einmal klarstellen. Da wird kein Klamauk gemacht oder sonst irgendetwas. Wenn es um verfassungsändernde Mehrheiten geht, sind wir alle in der Verantwortung. Es gibt nicht umsonst diese Hürde. Das soll einmal ganz klar formuliert sein. Deswegen steht es auch nicht als Empfehlung, sondern deswegen steht es als Prüfauftrag drin.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Für die Landesregierung hat nun Herr Staatssekretär Stadelmaier das Wort.

Stadelmaier, Chef der Staatskanzlei:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst auch im Namen meiner Vertreterin, Frau Staatssekretärin Gottstein, ganz herzlich für die Zusammenarbeit in der Enquete-Kommission bedanken. Dies bezieht sich ausdrücklich nicht auf die Schlussabstimmung, die es dort gegeben hat, die ich auch als ähnlich unerfreulich empfunden habe, wie das die Koalitionsfraktionen getan haben.

(Klein, CDU: Wir auch!)

Ich will mich ausdrücklich bei Frau Schellhammer für ihr großes Engagement als Vorsitzende der Kommission bedanken. Sie haben vieles in Gang gebracht. Ich habe es als besonders wohltuend empfunden, dass es gelungen ist, neue Beratungsformen im Landtag möglich zu machen, die ich lange Zeit nicht für wahrscheinlich gehalten habe und auf die wir gemeinsam, Herr Kollege Haller, in der Enquete-Kommission „Verantwortung in der medialen Welt“ vergeblich gehofft haben, dass sie sich realisieren würden. Ich glaube, das ist ein Fortschritt an sich.

Herr Lammert, ich möchte noch einmal daran erinnern, worüber wir heute eigentlich diskutieren. Wir diskutieren über den ersten Zwischenbericht der EnqueteKommission. Sie haben im Wesentlichen über Fragen geredet, die wir uns erst vorgenommen haben, die aber gar nicht Gegenstand dieses Zwischenberichtes sind. Ich muss sagen, mir ist es heute verschiedentlich bei Ihrer Rede so gegangen, dass ich nicht verstanden habe, worüber Sie eigentlich geredet haben. Wer hat in dieser Enquete-Kommission über Beteiligungszwang

geredet? Es geht um Beteiligungsmöglichkeiten und den Abbau von Hindernissen. Sie führen Punkte ein, die gar nicht Gegenstand der Debatte gewesen sind, und versuchen so, einen Eindruck zu erwecken, als ob hier Leute unterwegs seien, die über Beteiligungszwänge und sozusagen Glücksverheißungen für Bürgerinnen und Bürger reden würden. Das ist nicht der Fall.

Ich erinnere noch einmal daran, wir haben über Kinder- und Jugendbeteiligung und Mitbestimmung in der Schule, über gendergerechte Demokratie, über multikulturelle Demokratie und über Beteiligungshemmnisse zum Beispiel von Menschen mit Behinderungen, aber auch anderen, geredet.

Gestatten Sie mir, dass ich drei Themen vertiefen möchte.

Zum einen das Thema „Gendergerechte Demokratie“. Frauen sind heute in politischen Gremien deutlich stärker beteiligt als vor zehn oder 20 Jahren. Frauen haben sich das erkämpft. Die Parteien haben durch Quotierungen ebenso dazu beigetragen wie im Übrigen die unverdrossene und konsequente Gleichstellungspolitik der Landesregierung seit 1991.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Trotzdem ist es so, dass es Bereiche drastischer Unterrepräsentanz von Frauen gibt, so in Führungsfunktionen von Unternehmen, in Gremien und nicht zuletzt, keineswegs in allen, aber doch der Mehrheit der Kommunalparlamente.

Wir sind davon überzeugt, dass hier gesetzlich Abhilfe geschaffen werden muss. Die schwierigste Frage ist in diesem Zusammenhang die nach der Vereinbarkeit des Wahlrechts mit dem Anspruch auf wirkliche Gleichstellung, ich füge hinzu, auch die Herausforderung, nicht zu lebensfremden Regelungen zu kommen.

Deshalb greift die Landesregierung – ich begreife überhaupt nicht, auch nach Ihrem Debattenbeitrag, warum die Union dem nicht zugestimmt hat – aus innerer Überzeugung die Anregung der Enquete-Kommission auf, diese Fragen zeitnah gutachtlich klären zu lassen.

Gestatten Sie mir eine zweite Bemerkung zum Wahlrecht mit 16. Kein Zweifel, das Wahlrecht mit 16 muss intensiv vorbereitet werden. Aber ich glaube, wir brauchen es auch aus demografischen Gründen. Die Zukunft einer Gesellschaft muss auch von denjenigen relevant mitbestimmt werden können, die diese künftig tragen sollen. In einer alternden Gesellschaft muss das junge Element im Wahlrecht gestärkt werden.

(Zuruf des Abg. Bracht, CDU)

Das Bundesverfassungsgericht hat es im Übrigen auch getan, Herr Bracht.

(Dr. Weiland, CDU: Dünnes Eis!)

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner jüngsten Entscheidung, in der es um die Frage der Berücksichti

gung der Wahlbevölkerung geht, auch bei den unter 18Jährigen, bei der Einteilung der Wahlkreise diese Tendenz schon mit angelegt. Ich glaube, sie wird eine der relevanten zukünftigen Fragen sein, wie wir das in unserer Gesellschaft hinbekommen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Zum Dritten möchte ich kurz auf das Wahlrecht für Drittstaatsangehörige eingehen, ein altes Thema. Es ist ganz oft diskutiert worden. Natürlich ist es so, dass die rechtlichen Voraussetzungen zur Einführung des Kommunalwahlrechts für Ausländerinnen und Ausländer, die keine EU-Bürgerinnen und -Bürger sind, weitgehend geklärt ist. Das hat das Bundesverfassungsgericht am 31.10.1990 getan. Es ist nämlich – so hat es festgestellt – die Änderung des Grundgesetzes erforderlich.

Seit dieser Zeit hat es mehrere Gesetzesinitiativen zu einer entsprechenden Änderung des Grundgesetzes gegeben, die aber nicht die erforderlichen Mehrheiten gefunden haben. Das Land Rheinland-Pfalz hat stets diese Gesetzesinitiativen unterstützt, zuletzt in den Jahren 1999 und 2007. Wir haben es vor Kurzem im Bundesrat mit der Unterstützung eines Bremer Antrags getan, der zum Ziel hatte, die Integration aller dauerhaft hier wohnenden ausländischen Bürgerinnen und Bürger durch Einräumung des Kommunalwahlrechts auch für Menschen aus Nicht-EU-Staaten zu fördern.

Dabei soll die Gewährung des Kommunalwahlrechts für den erweiterten Ausländerkreis nicht obligatorisch vorgegeben werden. Die Teilnahmeberechtigung von NichtEU-Ausländerinnen und -Ausländern an Kommunalwahlen soll vielmehr – so war das Ziel unserer Initiative – der Entscheidung des jeweiligen Landesgesetzgebers überlassen bleiben.

Wir wissen, dass dies angesichts der erforderlichen Zweidrittelmehrheiten nur im parteiübergreifenden Konsens geschlossen werden kann. Aber ich will ausdrücklich noch einmal dafür werben. Wer über Beteiligung redet, und wer über eine Gesellschaft redet, die zu einem erheblichen Anteil aus ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern besteht, und sie aus den demokratischen Beteiligungsformen weitgehend ausschließt, der macht aus unserer Sicht einen gravierenden Fehler.