Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte immer die Frage ist, wie ich Resozialisierung in den Haftanstalten verbessern kann. Das ist eine Daueraufgabe. Die ist nie abgeschlossen. Ich will nicht verhehlen, dass wir im Zusammenhang mit dem Landesstrafvollzugsgesetz natürlich auch noch Klärungsbedarf sehen. Es ist nicht so, dass wir jetzt auf alle Regelungen mit wehenden Fahnen springen. Wir nehmen auch die Sorgen aus der Bevölkerung, der Justizvollzugsbeamten und der Polizei ernst. Es ist gerade Aufgabe eines Gesetzgebungsverfahrens, diese Meinungen einzuholen und das Für und Wider abzuwägen. Das ist aus meiner Sicht Aufgabe der Politik, sehr verantwortungsvoll mit dem Für und Wider, mit dem Pro und Kontra umzugehen, um dann zu einer guten Entscheidung zu kommen.
Es ist doch völlig falsch, wenn hier der Eindruck vermittelt wird, dass es künftig um einen Hafturlaub – vielleicht noch zwei Wochen Mallorca steuerfinanziert – für alle Straftäter, für alle Gefangenen gehe. Es geht doch darum, dass möglicherweise in Einzelfällen, wenn es der Resozialisierung dient, ein Hafturlaub mit vielen, vielen schwierigen Voraussetzungen, die erfüllt werden müssen, in Frage kommen kann. Das wird das Gesetzgebungsverfahren zeigen, ob diese Regelung aufgenommen wird. Ich sage noch einmal, wir haben da Klärungsbedarf.
Es muss geklärt werden, ob nach fünf Jahren bereits ein Profil des Straftäters besteht, das eine günstige Prognose zulässt. Das wollen wir gern hinterfragen, aber ohne Schaum vorm Mund. Lassen Sie uns doch in aller Ruhe und in aller Gelassenheit mit Experten diskutieren und jetzt nicht vorschnell populistisch mit dem Blick auf die Schlagzeile von morgen handeln – Herr Minister Hartloff hat es gesagt –, dass wir nicht skandalisieren und mit dem Blick auf die Schlagzeile von morgen hier die Dinge vorschnell beurteilen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Baldauf, Sie machen ja richtig Stimmung: 95 % der Bevölkerung. – Haben Sie EMNID beauftragt?
Diese Formulierung, die Schwerverbrecher nach kürzester Zeit wieder auf die Menschheit loszulassen, entspringt einem völlig antiquierten Verständnis des lebenslangen Wegsperrens.
Wenn Sie den Mehrwert von Resozialisierung nicht erkennen können, liegt das vielleicht an einer in diesem Bereich etwas eingeschränkten Wahrnehmungsfähigkeit.
Resozialisierung ist bereits jetzt vorrangiges Ziel des Strafvollzuges und wird das auch zukünftig bleiben.
Der Musterentwurf enthält neue Vorschriften über den Strafvollzug, eine Neuregelung der Resozialisierung. Ich weise nur darauf hin, dass das erste Diagnosegespräch, das jetzt neu betont wird, schon in der ersten Woche stattzufinden hat und es mehr und frühere innovativere Therapie- und Resozialisierungsansätze geben wird. Der frühere Hafturlaub ist dabei ein, aber auch nur ein Bestandteil im Rahmen eines ganzheitlicheren Ansatzes, der darauf ausgerichtet ist, die Leute nicht lebenslang wegzusperren, sondern zu resozialisieren und zu einem verantwortungsvollen Leben in der Gemeinschaft zu befähigen. Das wollen Sie nicht sehen. Herr Baldauf, Sie werden aber hinschauen müssen, wenn wir das Thema im Rechtsausschuss behandeln werden, und dann hoffentlich in einer der Sache und unter Juristen angemessenen Sachlichkeit. Darauf hoffe ich sehr.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will darauf hinweisen, lebenslang heißt in Rheinland-Pfalz im Schnitt etwa 18 Jahre. Das heißt, da gibt es welche, bei denen man es verantworten kann, dass die Strafvollstreckungskammer, das heißt das Gericht, nach etwa 15 Jahren frühestens entscheidet, dass man eine Entlassung wagen kann. Dann gibt es andere, die sind über 25/26 Jahre im Gefängnis und haben vielleicht noch eine Sicherungsunterbringung oder -verwahrung von 10 Jahren und plus hinter sich. Man muss wissen, dass das Alltag ist. Das ist jetzt so.
In den 70er-Jahren hat das Bundesverfassungsgericht gesagt, es ist im Rahmen der Menschenwürde so zu würdigen, dass auch solche schwerstkriminellen Täter eine Perspektive haben sollen, nach der Verbüßung der
lebenslangen Strafe wieder in Freiheit leben zu können. Das kann man aber nur verantworten, wenn man während des Strafvollzugs Maßnahmen zur Resozialisierung ergreift. Wenn jemand lange Jahre im Strafvollzug weggesperrt ist, ohne dass solche Maßnahmen erfolgen, dann sagt Ihnen jeder Fachmann und jede Fachfrau, dann wird das nicht gelingen, Herr Baldauf. Es ist ohnehin ein sehr schwieriges Unterfangen, weil sich Menschen ändern müssen, weil sie oft Suchtprobleme haben, weil sie krank sind.
In diesen Abwägungen arbeitet der Musterentwurf, wie ich meine, als gute Grundlage für das, was wir als rheinland-pfälzisches Strafvollzugsgesetz hier verarbeiten können. Er macht in vielen Punkten Vorschläge, wie das zeitgemäß gestaltet wird. Insofern finde ich es von Übel, dass Sie das, was dort gemacht wird, ausschlachten wollen gegen Interessen von Opfern, die wir in Rheinland-Pfalz sehr ernst nehmen. Da können sich die Menschen in Rheinland-Pfalz darauf verlassen, dass das der Justizminister auch so macht.
Somit kommen wir zur Aussprache über die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Kathrin Anklam-Trapp und Peter Wilhelm Dröscher (SPD) , PflegeNeuausrichtungsgesetz – Nummer 5 der Drucksache 16/1205 – betreffend.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor wenigen Tagen, am 26. April 2012, hat der Bundestag in erster Lesung den Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung verabschiedet. Am gleichen Tag wurde ein Alternativantrag der SPDFraktion abgelehnt und der Gesetzentwurf der Bundesregierung und ein Änderungsantrag der Fraktion der LINKEN in die entsprechenden Ausschüsse überwiesen.
Dieser Gesetzentwurf hat von Anfang an einen großen Gegenwind erlebt. Das liegt auch daran, dass hier zwar geringfügige Verbesserungen, die dringend gefordert wurden, auch um den Preis eines geringfügig um 0,1 Prozentpunkte erhöhten Beitragssatzes vorgeschlagen werden bzw. im Entwurf jetzt in erster Lesung beschlossen worden sind, dass aber bereits die Plenardebatte aufzeigte, dass es um viel mehr geht. In der Plenardebatte ging es im Wesentlichen um die im Gesetzentwurf nicht berücksichtigte Reform des sogenannten Pflegebegriffs. Hier ist deutlich zu sagen, dass eine notwendige Umsetzung dieser bereits seit 2009 mit Vorschlägen eines Beirates definierten neuen Regelung von der Bundesregierung auf die lange Bank geschoben wird.
Dort wird natürlich argumentiert, eine Reform dieses Begriffes brauche Zeit. Aber ich denke, wir müssen darüber hinaus diese Herausforderung jetzt annehmen. Das Echo von den Verbänden war vernichtend für dieses neue Reformgesetz. Ich denke, dass es nicht sehr lange dauern wird, bis der Reform eine weitere folgen wird.
Der Pflegerat ist tief enttäuscht, der Sozialverband VdK findet den Entwurf bereits in der Entwurfsfassung enttäuschend und unzureichend, die AWO spricht von Zumutung für die Pflegebedürftigen, der Paritätische Wohlfahrtsverband sagt, dass dringend notwendige Reformschritte auf die lange Bank geschoben werden, und die Hospiz-Stiftung spricht von Flucht vor der Verantwortung.
So sehen wir das auch. Ich werde einen Begriff verwenden, den ich in einer ähnlichen Debatte hier schon einmal verwendet habe: Der Berg kreißte und gebar eine Maus.
Das Pflege-Neuausrichtungsgesetz ist infolge der vorangegangenen Politik der Berliner Koalition im besten Fall „sozial light“. Denn es gab auch Rückbau wie bei der Instrumentenreform, Nichtbefassung wie beim Präventionsgesetz, aber in diesem Fall ein kleiner Schritt in eine Richtung, die wir als große Herausforderung annehmen müssen.
Ich will einige Anmerkungen zu zentralen Themen und Perspektiven einer wirklichen Reform des SGB XI machen.
Die Pflegeversicherung, 1994 in Kraft getreten, baut auf etwas, was sich in Zukunft sehr stark verändern wird, nämlich auf ein traditionelles Familienbild, auf die Bereitschaft zur Übernahme von Pflegeaufgaben. Sie ist auch im Wesentlichen Kind einer traditionellen krankenversicherungsorientierten Sozialpolitik. Ich denke, da müssen wir Änderungen vornehmen. Es war eine Zeit lang durchaus ein Erfolgsmodell, aber die Herausforderungen, die in den nächsten Jahrzehnten ins Haus stehen, sowohl die demografischen als auch die sozialen Wandlungsprozesse in unserer Gesellschaft, stellen andere Herausforderungen.
Die zentralen Fragen für eine wirkliche Reform der Pflegepolitik – das wurde von der Ministerin heute schon angesprochen – sind:
Erstens: Wer pflegt? Wir werden also in den nächsten Jahren betreffend diese Familienpflegebereitschaft nicht mehr haben, nicht, weil sie nicht da ist, sondern weil sich die demografischen Voraussetzungen verändern. Wir werden umdenken müssen. Die Zahl der Pflegebedürftigen und die Schätzwerte der Entwicklung des Pflegebedarfs klaffen wie eine Schere auseinander.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Bundeskabinett hat Ende März den Entwurf eines Gesetzes zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung beschlossen. Das war ein ganz wichtiger Schritt für die Weiterentwicklung der Pflegeversicherung. Ich darf hier daran erinnern, Herr Kollege Dröscher hat das Jahr 1994 erwähnt. Da hat eine CDU-geführte Bundesregierung die Pflegeversicherung eingeführt. Es ist nun an der Zeit, diese Pflegeversicherung vor allen Dingen mit Blick auf die besonderen Bedürfnisse und den besonderen Betreuungsaufwand von Demenzkranken weiterzuentwickeln.
Ich darf fragen, was die SPD in den Jahren 1998 bis 2009 in Berlin – anfangs noch in Bonn – substanziell dazu beigetragen hat, dass die Pflege weiterentwickelt wurde. Ich kann da nichts erkennen.
Ich darf in diesem Zusammenhang den Bundesgesundheitsminister zitieren, der in einer Pressemitteilung am 28. März 2012 feststellt: „Mit diesem zentralen Projekt richten wir die Leistungen der Pflegeversicherung konsequent auch auf die Bedürfnisse der an Demenz erkrankten Menschen aus. Im Vordergrund der Pflegeversicherung stehen bis heute immer noch die körperlichen Einschränkungen und nicht die demenziellen Erkrankungen.“
Genau darum geht es, und deswegen wird es ab dem 1. Januar 2013, meine sehr verehrten Damen und Herren, konkrete Verbesserungen geben.
Dazu gehört auch – das ist bisher nicht gesagt wor- den –, dass Menschen, die bisher keine oder kaum Leistungen aus der Pflegeversicherung bekommen, jedoch aufgrund einer demenziellen Erkrankung einen besonderen Betreuungsaufwand haben, nun endlich Unterstützung erhalten. Es gibt dann die Pflegestufe 0. Aber auch in den Pflegestufen I und II wird es Verbesserungen geben, zusätzliche Leistungen. Menschen mit erheblich eingeschränkter Alterskompetenz – das sind ja die demenziell erkrankten Menschen – erhalten von der Pflegestufe 0 ab demnächst monatlich ein Pflegegeld von 120 Euro oder alternativ Pflegesachleistungen von bis zu 225 Euro. Das kann je nach Pflegestufe selbstverständlich gesteigert werden. Wir werden etwas bekommen, nämlich eine Flexibilisierung der Leistungsinanspruchnahme und neben einer besseren Beratung für die Angehörigen auch eine Entlastung dieses Personenkreises.
Ganz wichtig ist in diesem Zusammenhang – das wurde eben etwas negativ als zu langsam kritisiert; Geschwindigkeit ist da nicht alles – der Pflegebedürftigkeitsbegriff. Dieser Schritt wird in mehreren Sequenzen umgesetzt werden, nicht sofort, weil einige Detailfragen noch zu klären sind. Es ist insbesondere zu klären, nach welchen neuen Begutachtungskriterien es gehen soll. Es müssen die Abgrenzung zu anderen Sozialleistungen, aber auch die Frage des Bestandsschutzes und vieles andere mehr geklärt werden.
Ich darf zusammenfassen: Wir haben zurzeit in Deutschland ca. 2,4 Millionen Menschen, die pflegebedürftig sind; ein großer Teil von ihnen ist zusätzlich an Demenz erkrankt. Die nur an Demenz Erkrankten machen in Deutschland auch über 1 Million Männer und Frauen aus. Wenn man einmal betrachtet, wie es demografisch weitergeht – da läuft die Uhr –, dann können wir davon ausgehen, dass wir in einigen Jahrzehnten, wenn meine Generation im hohen Seniorenalter ist, über 4 Millionen Menschen haben, die dann pflegebedürftig sind.