Protocol of the Session on March 21, 2012

Ich erinnere nur einmal an die Vergleichsarbeiten VERA in der Grundschule, die in Rheinland-Pfalz erarbeitet wurden und jetzt bundesweit eingesetzt werden.

Diese Vorreiterrolle in Sachen Bildungspolitik und Qualität gilt in Rheinland-Pfalz auch beim Abitur. Die KMK hat sich einvernehmlich geeinigt, die Vergleichbarkeit der Abschlüsse über die Bildungsstandards in zentralen Fächern und einem zentralen Aufgabenpool zu gewährleisten.

Nun werden wir gespannt sein, wie die anderen Bundesländer auf die Aufgaben für den gemeinsamen Pool aus Rheinland-Pfalz reagieren werden. Ich glaube nicht, dass wir diesen Vergleich qualitativ scheuen müssen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90 /DIE GRÜNEN)

Warum? – Das kann ich Ihnen auch sagen. Schauen wir uns einmal das System in Rheinland-Pfalz an. Die Gymnasien müssen ihre Abituraufgaben beim Ministerium einreichen und in einem intensiven Verfahren auf ihren Schwierigkeitsgrad hin überprüfen und genehmigen lassen. Damit wird Qualitätssicherung betrieben.

Es ist, wenn man so will, ein zentrales Element, nur mit dem Unterschied, dass unterschiedliche Profilbildungen in Schulen, unterschiedliche Unterrichtskonzepte und Vielfalt in der Arbeitsweise ermöglicht werden. Dazu ist es nicht erforderlich, dass jede Schülerin und jeder Schüler am selben Tag dieselben Prüfungen schreibt.

Man ist auch kein besserer oder schlechterer Schüler, nur weil man statt Michael Kohlhaas vielleicht Felix Krull gelesen hat.

Wir wollen auch nicht, dass ein Abitur dazu verkommt, dass man die Prüfungsaufgaben der letzten zehn Jahre auswendig lernt. Das Abitur soll, analog des Humboldtschen Bildungsgedankens, zum selbstständigen Erarbeiten und Reflektieren führen, so wie es die Universitäten auch von ihren Studierenden einfordern.

Das reine Wort „Zentralabitur“ klingt vielleicht ganz einfach, aber wenn man differenziert und genau hinschaut, dann ist es bei genauer Analyse gerade das nicht; denn die Abiturnote ist nur ein Teil der Leistungen, die aus der Oberstufe in die Endnote einfließen.

(Glocke des Präsidenten)

Mehr dazu in der zweiten Runde.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich erteile Frau Kollegin Ratter das Wort, bitte schön.

Herr Landtagspräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Herr Brandl, Sie unterliegen einem schwerwiegenden Irrtum, leider auch Ihre Fraktionsvorsitzende mit ihren Pressemitteilungen der letzten Wochen.

Gleiche Aufgaben führen nicht zu mehr Gerechtigkeit oder Chancengleichheit, sondern zu einer Gleichmacherei und zu „Bulimielernen“, wie die Schüler das nennen.

Haben Sie das schon einmal gehört? – Reinstopfen, auskotzen.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Genau!)

Bettina Brück hat genau das ausgeführt, was zu diesem Thema gehört. Sie haben aber nach der Realität in den Schulen gefragt. Ich würde gerne Ausführungen zu der Realität in den Schulen machen.

Es gibt in der Tat seit den 70er-Jahren einheitliche Prüfungsanforderungen für die Abituraufgaben. Alle Lehrerinnen und Lehrer in den schriftlichen Abiturfächern reichen ihre Aufgaben im Oktober eines jeden Jahres der Prüfungskommission ein, und zwar immer mehr Aufgaben, als letztlich dann für das schriftliche Abitur im Januar ausgewählt werden. Das ist sehr wichtig; denn es weiß damit kein Lehrer, was wirklich drankommt.

Diese einheitlichen Prüfungsanforderungen sind in drei Anforderungsbereiche untergliedert: Reproduktion; Anwendung und Transfer; problemlösende Verfahren.

Das ist sehr wichtig, weil hier Kompetenzbereiche geprüft werden, die genau zu dem führen, was man im Anschluss daran in den 90er-Jahren als Bildungsstandards kompetenzorientiert für die Abschlüsse der Sekundarstufe II formuliert hat. Was passiert jetzt? –

Die KMK versucht, diese Vorstellungen weiterzuentwickeln. Das ist gut so. Das passiert derzeit für die kommenden Jahre. Was sich daraus erwächst, ist etwas anderes, nämlich dass man Beispiele in den Aufgabenpool einstellt.

Dass man sie benutzen muss, halte ich nicht für zwingend. Auf keinen Fall halte ich das für richtig, was Sie mit Ihrer Vorstellung von einer zentralen Prüfung in allen Schulen des Landes Rheinland-Pfalz fordern. Das ist in meinen Augen absolut kontraproduktiv.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Noch verrückter ist die Forderung Ihrer Fraktionsvorsitzenden eines Deutschland-Abiturs. Das ist geradezu abstrus.

Ich bin ja froh, dass sie sich bereit erklärt hat, in den künftigen Wochen Gespräche mit Experten zu führen. Ich hoffe, dass sie etwas dazulernen kann.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Das hätte sie besser vorher gemacht!)

Genau, danke, Frau Brede-Hoffmann. Sie haben recht. Ich hätte es angeführt: Das hätten Sie besser vorher getan.

Wenn Sie Lust haben, können wir uns gern einmal zusammensetzen und darüber diskutieren, zu welchen Konsequenzen das führt.

Noch einmal: Gleiche Aufgaben führen nicht zwingend zu vergleichbaren Ergebnissen. Wenn wir individuelles Lernen fordern, dann wollen wir dies an unterschiedlichen Gegenständen.

Ich mache das an einem einzigen Beispiel deutlich: Ich habe einmal geschaut, was ich früher für Abituraufgaben gestellt habe. Ich bin zehn Jahre zurückgegangen, das ist etwas unverfänglich.

2002 habe ich vier Aufgaben eingereicht: eine zu „Faust“ – das macht alle paar Jahre jeder Deutschlehrer –, eine Rede von Herrn Rau, damals Bundespräsident, zu „9/11“ – das war im Oktober bei Einrichtung der Aufgaben hoch aktuell – und eine weitere, auf die ich jetzt eingehen möchte, zu einem Sonett von Rainer Maria Rilke, 1908 „Archaischer Torso Apolls“.

Dieses Sonett hatte ich als Form im Unterricht in der Jahrgangsstufe 11.2, also im ersten abiturrelevanten Halbjahr, in der Form unterrichtet. Es kam vor. Rilke kam nicht vor, wohl aber Gedichte der Zeit um 1900.

Verzeihen Sie mir bitte, dass ich so ausführlich bin, aber ich habe noch eine Minute Redezeit.

Was ist nun an dieser Abituraufgabe das Besondere? – Nun, das Besondere ist, dass die Schüler eine individuelle Leistung zu erbringen hatten. Lieber Herr Brandl, wenn Sie mir zuhören, sage ich es an dieser Stelle laut und deutlich: Mit einem Zentralabitur hätte das gut in die Hose gehen können. Nehmen Sie nur einmal das Beispiel mit „Faust“. Nahezu jeder Jahrgang liest den „Faust“ in der Jahrgangstufe 13.1, manchmal auch in der 12.2, das hängt von der Leistungsfähigkeit des Kurses ab. Wenn nun im Zentralabitur eine Aufgabe dazu gestellt wird, können Sie überhaupt nicht sicherstellen, dass es den geforderten Input nicht bereits gegeben

hat. – Wo ist da die Gerechtigkeit? Wo ist da die Vergleichbarkeit der Abiturleistung, die ein Schüler an dieser Stelle zu erbringen hat? – Meiner Meinung nach ist das Zentralabitur für Rheinland-Pfalz ein Rückschritt und führt weg von einer gerechten Leistungsbeurteilung der Abiturientinnen und Abiturienten.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Glocke des Präsidenten)

Dass dies mit Aktualität nichts zu tun hat, wurde ebenfalls schon ausgeführt, aber ich komme in der nächsten Runde noch einmal zu Wort.

Danke schön.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich erteile Frau Staatsministerin Ahnen das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Was die CDU in dieser Frage will, weiß ich nach dieser Aktuellen Stunde nicht, und in den letzten Wochen hat es sich auch mehrfach geändert. Da war zunächst das Zentralabitur, dann hat Ihre Fraktionsvorsitzende einmal kurz das Deutschlandabitur ausgerufen, dann hat sie gemerkt, dass die anderen CDU-geführten Bundesländer schon gar nicht mehr auf diesem Weg sind, und dann hat sie gesagt, dass sich die Ministerin einmal erklären soll.

Das finde ich sogar ganz sinnvoll; denn ich glaube, wenn ich es Ihnen heute erkläre, trägt es viel zur Aufklärung bei, und vielleicht überlegen Sie sich danach noch einmal Ihre Position.

Unsere zumindest ist völlig klar: Wir wollen die Vergleichbarkeit der Schulabschlüsse, und zwar sowohl in Rheinland-Pfalz als auch zwischen den Bundesländern. Wir wollen ein umfassendes System der Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Die CDU wollte es abschaffen!)

Wir wollen die Weiterentwicklung der einheitlichen Prüfungsanforderungen zu Bildungsstandards, und wir wollen die Erstellung eines bundesweit einheitlichen Aufgabenpools, den wir dann auch für Rheinland-Pfalz nutzen wollen. Genau das hat die KMK auf ihrer letzten Sitzung beschlossen. Man könnte also sogar auf die Idee kommen, dass das Land Rheinland-Pfalz zu einem großen Teil Vorbild gestanden hat für den Weg, den man jetzt einschlägt.

(Beifall der SPD und bei dem BÜNDNIS 90 DIE GRÜNEN)

Herr Brandl, Sie haben in Ihren Anfangseinlassungen gesagt, die Schülerinnen und Schüler in Rheinland-Pfalz sorgten sich um ihren Hochschulzugang, und deswegen müssten wir endlich das Zentralabitur einführen. – Wissen Sie, was Sie damit sagen? – Damit sagen Sie, unser Abitur sei bisher zu schwer, und wir müssten versuchen, es auf einem niedrigeren Level zu nivellieren; denn nur wenn es zu schwer wäre, wären die Schülerinnen und Schüler um ihre Chancen beim Zugang betrogen. Insofern widersprechen Sie sich selbst.

Ich finde, das Beste gerade in diesen Tagen ist zu sagen, dass auch die Wirtschaft längst kein Vertrauen mehr in die Bildungspolitik in Rheinland-Pfalz habe. Wir werden morgen über das Mittelstandsbarometer diskutieren. Wissen Sie, wo Rheinland-Pfalz dort steht? – Rheinland-Pfalz liegt deutlich über dem Bundesdurchschnitt auf Platz 4, und 33 % plus 52 % geben dem rheinland-pfälzischen Bildungssystem extrem gute Noten. Dieses Bild hat die Wirtschaft von unserem Bildungssystem, und wir sind an dieser Stelle noch einmal deutlich besser geworden, obwohl wir schon in den vorhergehenden Rankings gut abgeschnitten haben. Die Horrorszenarien, die Sie an die Wand malen, haben mit der Realität in Rheinland-Pfalz wirklich nichts, aber auch gar nichts zu tun.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Das Allermeiste ist gesagt worden, sowohl von Frau Brück als auch von Frau Ratter. Sie haben versucht zu erklären, wie man Vergleichbarkeit herstellt. Ich versuche es noch einmal an einem einfachen Beispiel zu verdeutlichen. Sie behaupten, eine Vergleichbarkeit ist nur durch gleiche Aufgaben möglich. Wissen Sie, was dies in der Konsequenz heißt? – Ich müsste in jedem Jahr die gleichen Aufgaben stellen, sonst wäre der Abiturjahrgang 2011 nicht vergleichbar mit dem Jahrgang 2012 und auch nicht mit dem Jahrgang 2013. Stellen Sie sich doch einmal vor, was Sie damit in den Raum stellen und was dies am Ende in der Praxis bedeuten würde.