Protocol of the Session on February 23, 2012

Frau Ministerin, diese Situation ist wesentliche Ursache auch für eine erhebliche Verunsicherung im gesamten Bereich derer, die diese Leistungen zu erbringen haben. Sie wissen nicht, welche Leistungen sie noch erbringen können, für welche Leistungen ihnen in Zukunft Mittel zustehen und was diese Landesregierung wirklich will. Frau Ministerin, ich erwarte, dass alsbald Klarheit in diesem Bereich geschaffen wird.

Frau Ministerin, Sie wollen mit Ihrem Haus sehr radikal die Art der Hilfegewährung verändern, und zwar weg von den sogenannten großen Einrichtungen hin zu ambulanten Leistungen und mehr Inklusion in die Gesellschaft. Dieses Ziel ist grundsätzlich richtig, auch das möchte ich an dieser Stelle noch einmal betonen. Aber ich sage Ihnen, wenn es Ihnen nicht gelingt, alle Beteiligten auf diesem Weg in einer vernünftigen, leistbaren und auch für die Betroffenen und ihre Angehörigen erträglichen Weise mitzunehmen und alsbald einen angemessenen zeitlichen Rahmen hierfür zu vereinbaren, wird die Verunsicherung in der gesamten Szene auch zum Vorenthalten notwendiger Hilfen für betroffene Menschen führen. Schon heute erreichen uns – und ich bin mir sicher, auch Kollegen Ihrer Fraktion – Klagen von Eltern, die für ihre Kinder keine Aufnahme mehr in eine Einrichtung finden, weil sie keinerlei Ausbau mehr unterstützen, aber gleichzeitig auch die Alternativen, die zwingend erforderliche ambulante Struktur, in unserem Land noch völlig unzureichend ist.

(Beifall der CDU)

Schließen Sie die Rahmenvereinbarung ab. Vereinbaren Sie eine längere Zeitschiene mit leistbaren Zwischenzielen zur Umstellung der Hilfestrukturen von stationär auf ambulant, damit endlich wieder Klarheit und Sicherheit für alle Beteiligten herrscht.

Darüber hinaus mussten wir feststellen, dass der Rechnungshof bei der Prüfung von Leistungen im Rahmen des persönlichen Budgets bei vier örtlichen Trägern Defizite festgestellt hat. So waren beispielsweise die

Voraussetzungen für die Hilfegewährung nicht richtig geprüft worden, vorrangig Leistungsverpflichtete – zum Beispiel Krankenkassen oder Versicherungen – wurden nicht hinreichend herangezogen und andere falsche Einschätzungen und Sachbearbeitungen mehr. Auch Sie selbst verfügen trotz der erheblichen Mittel, um die es geht, über nur unzureichende Kenntnisse über Art, Anzahl und Umfang der Hilfen bei den einzelnen Kreisen und kreisfreien Städten. Bei derart erheblichen Mitteln ist das für mich schier unglaublich.

Wenn Sie selbst Leistungsträger und zu 50 % auch Kostenträger sind, können und müssen Sie von den ausführenden Kommunen mehr Informationen einfordern, um zu wissen, wo wie viel Geld für welche Hilfen und für wie viele betroffene Menschen ausgegeben wird.

Auch die Einrichtung einer Art Innenrevision halten wir in diesem Zusammenhang für sinnvoll. Sie kann zur Qualitätssteigerung der Leistungserbringung beitragen und offensichtlich auch zu Einsparpotenzialen führen.

(Beifall bei der CDU)

Wir halten vor diesem Hintergrund die Reduzierung der Steigerung – nicht die Reduzierung des Ansatzes, sondern nur die Reduzierung der Steigerung – des Ausgabentitels um 2,5 % für absolut realistisch. Netto bedeutet dies immerhin eine Ausgabenreduzierung von 13,8 Millionen Euro im Jahr 2012 und von 14,1 Millionen Euro im Jahr 2013.

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Frau Ministerin, ich möchte jetzt schon feststellen, dass dies keineswegs Vorschläge der sozialen Kälte sind, wie es heute schon in der Grundsatzaussprache angeklungen ist, die dieses Land in sozialen Unfrieden stoßen würden. Im Gegenteil, wir sind der festen Überzeugung, dass die Solidarität der Gesellschaft für sozial schwache und arme Menschen, für pflegebedürftige oder behinderte Menschen nur solange aufrechterhalten werden kann, wie die Steuerzahler den Eindruck haben, dass ihre hart verdienten Steuergroschen vernünftig, zielführend und sinnvoll ausgegeben werden.

(Beifall der CDU)

Auch wenn manche soziale Aufgabe schön und hilfreich ist, können wir uns auch im sozialen Bereich nicht alles leisten, was wünschenswert ist. Auch in diesem Bereich müssen klare Prioritäten gesetzt werden, und dieser besonderen Verantwortung sind Sie mit diesem Haushalt nicht gerecht geworden.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Ich erteile das Wort Frau Kollegen Anklam-Trapp.

Frau Thelen hat ihre Redezeit nicht ausgeschöpft. Sie hat noch eine Redezeit von 5,5 Minuten.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Der Einzelplan 06, der Sozialhaushalt des Landes Rheinland-Pfalz, ist einer der größten Einzelpläne, über die wir heute beraten, und es ist auch einer der Haushalte mit dem größten Bereich der Pflichtausgaben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit man sich ein Bild darüber machen kann, worüber wir verhandeln und worüber wir reden, wie wir unsere Zukunftssicherung im Land gerade im sozialen Bereich gewährleisten, möchte ich doch die Verhältnisse ein wenig beleuchten.

In diesem Haushalt entfallen 5,65 % der Mittel auf Personalausgaben. In jedem anderen Bereich ist dies ein ganz großer Kostenblock.

(Zuruf der Abg. Frau Thelen, CDU)

Auf Sachausgaben entfallen 0,9 % und auf Investitionen im Bereich der Verwaltung nur 0,3 %. Der Arbeitsmarkt ist ein Kostenblock mit 0,73 %, der in diesem Zusammenhang zu erwähnen ist. Die Mittel der freien politischen Gestaltungsmöglichkeiten, dort, wo wir Akzente setzen können, über die wir uns streiten müssen, belaufen sich in diesem großen Haushalt auf nur 0,67 %. Ich sage dies, weil es unsere Arbeit ist, diese Mittel zukunftsgerecht einzusetzen und politische Anreize zu schaffen. Dafür strengen wir uns an, und darum streiten wir, um am Ende ein menschliches und soziales Rheinland-Pfalz mit einer gesellschaftlichen Gerechtigkeit in unserer Lebensmitte zu schaffen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Der Fraktionsvorsitzende der SPD, Hendrik Hering, hat heute Morgen in seiner Haushaltsrede deutlich auf die schweren Einschnitte bei den Sozialhilfeausgaben hingewiesen. Ich möchte es jetzt nicht noch einmal wiederholen, da ich meine geringe Redezeit noch für andere Bereiche einsetzen möchte.

Die gute Nachricht ist, dass wir die Projektförderung für alle Träger – die Kirchen, die Caritasverbände, die Wohlfahrtsverbände und die Diakonie – linear weiterführen können. Wir möchten, dass Rheinland-Pfalz ein verlässlicher Partner für die Beratungsstellen und die anderen sozialen Dienste sein kann.

Ausgabenschwerpunkte im Doppelhaushalt 2012/2013 sind für uns die Hilfen für alte und pflegebedürftige Menschen. Dies ist für uns ein zentrales Anliegen.

Liebe Fraktionsvorsitzende der CDU, liebe Frau Thelen, dazu gehört natürlich auch ein Blick nach Berlin; denn es schmerzt selbstverständlich, dass nach einem Jahrzehnt die Pflegeversicherung noch immer nicht entsprechend fortgeschrieben worden ist. Wir haben vor Kurzem mit dem Sozialpolitischen Ausschuss ein europäisches Nachbarland besucht, in dem diese Leistung mittlerweile anders ausfinanziert ist. Wir warten immer noch auf eine neue Bundesverordnung für Alten-, Kranken- und Gesundheitspfleger und auf ein Präventionsgesetz, das grundsätzliche Veränderungen einführen würde. Für die

Betreuungssituation von Menschen im ambulanten Bereich, zum Beispiel im demenziellen Bereich, ist jetzt eine jährliche Höchstpauschale von 460 Euro im Jahr festgesetzt worden.

Das sind 1,12 Euro am Tag. Das ist nicht die Hilfe, um dieses Land zukunftsgerecht für die Herausforderungen zum Beispiel im pflegerischen ländlichen Bereich aufzustellen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wenn all das auf sich warten lässt, dann haben wir ein Land, das nicht unsere sozialen Voraussetzungen erbringt. Wir wollen dort viel mehr sehen und brauchen soziale Wärme, keine soziale Kälte. Deswegen ist die Lebenswirklichkeit für uns ein ganz wichtiger Punkt.

Deswegen komme ich noch einmal kurz darauf zurück, was es bedeutet, auf Transferleistungen und Sozialhilfeleistungen angewiesen zu sein, wenn man ein ganzes Leben lang gearbeitet hat, dann in eine Pflegeeinrichtung kommt, weil die ambulanten Strukturen nicht gewährleistet sind und man deswegen dann Sozialhilfe bekommen muss. Das wollen wir nicht. Dagegen wehren wir uns mit aller Kraft mit dem Masterplan „Stärkung der ambulanten ärztlichen Veränderungen“, mit dem Masterplan „Gesundheitsförderung“, mit der Initiative „Menschen pflegen“ und mit vielem mehr. Wir wollen kontinuierliche Hilfe für Menschen mit Behinderungen genauso wie für jeden anderen auch. Sie gehören zu uns in die Mitte.

Wir sehen uns durchaus an der Seite auch der großen Einrichtungen, verehrte Frau Kollegin Thelen. Diese werden den Wandel mit uns bestreiten. Auch wir sind in engem Kontakt und werden den Weg miteinander gehen. Da bin ich mir sicher.

Unsere 100 Krankenhäuser im Land Rheinland-Pfalz sind im Haushalt mit rund 2,6 % plus gut bedient. Wir werden den Schwerpunkt Geriatrie ausbauen. Mit dem Bündnis gegen Depressionen werden wir in einem weiteren Schritt der neuen Volkskrankheit entgegentreten.

Was für viele fast ein Schlag ins Gesicht sein muss, ist die Ablehnung des Antrags Gesundheitswirtschaftsförderung. Das ist ein großer breiter Markt. Er ist nachgefragt. Damit möchte man die Gesundheitswirtschaft ankurbeln. Das ist das, was wir brauchen.

Schwester-Agnes-Programm. Vielen Dank, dass Sie dem zugestimmt haben. Frau Ministerin, auch Ihnen einen Dank. Das ist mir persönlich eine Herzensangelegenheit. Aufgabenübertragung, Menschen zu Hause aufsuchen, betreuende Hilfe für Kranke, Pflegebedürftige und Sterbende, ein Weg, den wir gerne miteinander beschreiten wollen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich aber noch auf ein Thema kommen. Mein Fraktionsvorsitzender Hendrik Hering, aber auch Ministerpräsident Beck haben in ihrer Rede zu dem

Änderungsantrag der CDU-Fraktion Stellung genommen, zu den Zuschüssen für die Maßnahmen für suchtgefährdete und abhängigkeitskranke Menschen. Für mich ist es eine Strafaktion, Frau Kollegin Thelen, die Mittel um 20 % zu kürzen. 44 Suchtberatungsstellen, 17 Außenstellen, die aufsuchende Sozialarbeit, all das um 20 % zu kürzen, heißt, Caritas, der Diakonie und anderen die Mittel zu entziehen; denn diese sind alle kofinanziert. 25 % der Mittel kommen vom Land. Wer macht dann die Arbeit dort?

Herr Präsident, ich darf mit Ihrer Genehmigung zitieren. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung sagt dazu: Wir müssen alles dafür tun, dass Abhängigkeit gar nicht erst entsteht. – Das ist auch unsere Meinung. Da zitiere ich Sie gerne.

(Frau Klöckner, CDU: Sie sagt auch etwas zur Caritas! Lesen Sie weiter!)

Da dürfen wir nicht kürzen, sehr geehrte Frau Kollegin Klöckner. Wenn ich diese Scheinheiligkeit zu Ende bringe, dann möchte ich doch ganz gerne den CDU-Antrag – Drucksache 16/907 – zitieren dürfen. Es geht da um ein fetales Alkoholsyndrom. Es sollte nach Ihrer Meinung im Einzelplan 07 eingestellt sein, ich sehe es im Einzelplan 06 untergebracht.

Wenn ich bei der Präventionsarbeit im Suchtbereich die Stellen bei den Kirchen und woanders einspare und nicht mehr die jungen Frauen erreiche – es sind oftmals die jungen Frauen, die Kinder kriegen –, da nicht die Präventionsarbeit mache und dann am Ende beklage, dass ungeborene Kinder geschädigt werden, dann ist das scheinheilig, ausgetragen auf dem Rücken der Ärmsten und Armen, auf denen, die sich nicht wehren können, die suchtabhängig und krank sind. Das ist nicht die Art von Politik, die wir machen wollen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen für Gesundheit einstehen. Wir wollen für den Ausstieg einstehen. Wir wollen für ein Miteinander in Rheinland-Pfalz arbeiten.

Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hat sich die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN entschieden, wen sie vielleicht zum Rednerpult schicken möchte? –

Herr Dr. Schmidt, bitte.

(Frau Klöckner, CDU: Ich fand das sehr charmant, wie Sie das formuliert haben!)

Ich habe die ganze Zeit angestrengt geschaut, wer sich meldet; denn ich möchte die Debatte gerne fortführen.

Herr Dr. Schmidt, Sie haben das Wort.