Protocol of the Session on May 25, 2011

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2. Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pfalz am 25. Mai 2011

Die Sitzung wird um 09:30 Uhr vom Präsidenten des Landtags eröffnet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf Sie herzlich zur 2. Plenarsitzung des Landtags RheinlandPfalz begrüßen.

Zu schriftführenden Abgeordneten berufe ich die Kollegin Frau Ganster und den Kollegen Herrn Schwarz.

Entschuldigt hat sich heute Herr Staatssekretär Dr. Thomas Griese.

Neu im Landtag darf ich als Nachrücker die Abgeordnete Nicole Müller-Orth, den Abgeordneten Marcel Hürter und den Abgeordneten Benedikt Oster begrüßen. Seien Sie herzlich in diesem neuen Rund willkommen!

(Beifall im Hause)

Meine Damen und Herren, wir haben heute eine Tagesordnung mit dem wesentlichen Punkt „Abgabe einer Regierungserklärung“. Gibt es Einwände? – Ich sehe keinen Widerspruch, dann rufe ich jetzt den einzigen Punkt der Tagesordnung auf:

Abgabe der Regierungserklärung durch den Ministerpräsidenten

Herr Ministerpräsident, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! In einer Zeit schneller Veränderungen suchen die Menschen nach Orientierung. Nur wer verlässliche Perspektiven hat, kann seine Leistungsfähigkeit voll entfalten. Sicherheit im Wandel zu geben, ist Auftrag und Ziel meiner Politik und der Politik meiner Regierung.

Die Wählerinnen und Wähler haben sich am 27. März 2011 für ein sozial gerechtes und ökologisches Rheinland-Pfalz entschieden. Sie haben meiner Partei, der SPD, zum fünften Mal in Folge den Auftrag zur Regierungsbildung gegeben. Diesen Auftrag werden wir gemeinsam mit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erfolgreich erfüllen.

Wir haben uns für die nächsten fünf Jahre ein anspruchsvolles Regierungsprogramm gegeben, das den Ausgleich zwischen dem Wünschenswerten und dem Unabweisbaren herstellt. Die neue Landesregierung will das Gute bewahren und das Neue wagen. Zusammen mit den Ministerinnen und Ministern von SPD und GRÜNEN wollen und werden meine Stellvertreterin, Frau Kollegin Eveline Lemke, und ich gemeinsam mit den Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

den sozial-ökologischen Wandel in Rheinland-Pfalz gestalten.

Wir wollen, dass Rheinland-Pfalz auch in Zukunft das Land der sozialen Gerechtigkeit und der gerechten Chancen für alle ist. Wir wollen, dass unser Land die Energiewende vollendet und seinen Strombedarf bis zum Jahr 2030 aus erneuerbaren Energien deckt. Wir wollen eine Wirtschaftspolitik, die den Unternehmen Entfaltung ermöglicht, die die Rechte der Arbeitnehmerinnen und -nehmer sichert, die zukunftsfähige Arbeitsplätze für Menschen unterschiedlicher Qualifikationen schafft und die bestehenden Arbeitsplätze sichert.

Dabei können wir auf die Leistungen und Erfolge der vergangenen Jahre aufbauen. Unser Ziel ist ein soziales, ökologisches und wirtschaftlich weiterhin erfolgreiches Rheinland-Pfalz. Nachhaltigkeit ist unser Weg. Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität sind unser Kompass. Aufmerksames Zuhören, stetes Lernen, nachhaltiges Arbeiten und ein klarer Kurs sind die Maßstäbe unseres Handelns.

Unser Land braucht Politik, die langfristig denkt und plant, um die kommenden Herausforderungen zu bewältigen. Eine der ökologischen Umgestaltungen mit dem zentralen Projekt der Energiewende habe ich schon genannt. Eine weitere ist die Gestaltung des demografischen Wandels.

Wir leben länger, im Durchschnitt zehn Jahre mehr als die Generationen vor uns. Mehr Lebenszeit ist ein großes Geschenk, sie verändert aber auch unser Zusammenleben. Deshalb sind erhebliche Anpassungen in allen Bereichen der Gesellschaft notwendig.

Welche Chancen auf Ausbildung bekommen die Jungen? Welche Möglichkeiten zur Arbeit behalten die Älteren? Welche Rolle spielt Einwanderung? Wie schaffen wir Integration? Und – für mich am wichtigsten – wie gelingt das Miteinander der Generationen? Der demografische Wandel wird nur gelingen, wenn die Gesellschaft ihn sozial gestaltet.

Als dritte Herausforderung nenne ich die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte. Im Kern geht es darum, dem demokratischen Gemeinwesen auch in der Zukunft den lebensnotwendigen politischen Handlungsspielraum zu sichern. Dies ist nicht zuletzt eine Frage der Generationengerechtigkeit; Konsolidierung kann nur erfolgreich sein, wenn dabei eine faire Lastenverteilung beachtet, die soziale Balance gehalten wird und wichtige Zukunftsinvestitionen finanziert werden können.

Gute Politik für unser Land entwickelt sich aus guten Ideen, aus guter Arbeit und aus einem gesunden, fair geführten Wettbewerb der politischen Konzepte. Zu fairem Wettbewerb und zu fairer Zusammenarbeit lade ich alle Mitglieder dieses Hohen Hauses ein. Diese Einladung richtet sich auch und besonders an die Kolleginnen und Kollegen der CDU.

Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass Fairness, Respekt und Achtung die politische Kultur in Rheinland-Pfalz prägen, wenn wir um die besten Ideen für unser Land ringen.

Für den sozial-ökologischen Wandel steht diese Regierung. Er ist kein Schlagwort, er ist notwendig, wenn die Menschen in Rheinland-Pfalz eine gute Zukunft haben sollen – und das wollen wir.

Wir wollen vor allem, dass möglichst viele an der Zukunft unseres Landes mitwirken: Gewerkschaften und Unternehmen, Handwerk und Mittelstand, die Kirchen, die vielen Vereine, Verbände und Initiativen und natürlich die einzelnen Menschen, die Bürgerinnen und Bürger, die sich in die Gestaltung der Zukunft hier in RheinlandPfalz einbringen wollen.

Meine Damen und Herren, in meiner ersten Regierungserklärung vom 27. Oktober 1994 habe ich als Leitmotiv meines politischen Handelns formuliert, „nah bei den Menschen“ sein zu wollen. Daran hat sich nichts geändert und wird sich nichts ändern.

Geändert haben sich aber die Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger an uns, an die Politikerinnen und Politiker. Nah bei den Menschen zu sein, das heißt heute, mehr Bürgerbeteiligung wagen und mehr direkte Einflussnahme zulassen, dass die Menschen in unserem Land öfter und konsequenter als Fachleute in eigener Sache entscheiden, auch und gerade wenn es um die Zukunftsfragen unseres Landes geht.

Es bedeutet aber auch politische Führung im demokratischen Staat.

Es ist unserem Land zur Gründung im Jahr 1947 gewiss nicht an der Wiege gesungen worden, dass es heute, 2011, einen festen Platz in der Spitzengruppe der Länder und der europäischen Regionen haben würde. Das ist in erster Linie das Verdienst der Bürgerinnen und Bürger von Rheinland-Pfalz, deren Fleiß, Ideenreichtum, Erfolgswillen und gesellschaftliches Engagement. Dies macht unser Land aus.

Es ist aber auch ein Ergebnis der richtigen Weichenstellungen, der guten Ideen, des großen Einsatzes und der politischen Kraft vieler Institutionen, auch der Landespolitik.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zu dem zentralen Thema „Bildung“ kommen. Alle Kinder und Jugendlichen in Rheinland-Pfalz sollen die Chance auf eine gute Bildung haben, unabhängig von ihrer Herkunft und ihrem Wohnort.

Ich habe die Erfahrung machen dürfen, dass fleißiges Lernen, eine gute Ausbildung und stetige Fortbildung zum beruflichem Erfolg führen, in meinem Fall – wenn ich das sagen darf – sogar zu mehr Erfolg, als ich in meiner Kindheit und Jugend je erwarten durfte.

Bildung ist der Schlüssel für gesellschaftliche Teilhabe und für sozialen Aufstieg. Deshalb wollen wir die beste Bildung für alle. Ein zentrales Element dazu ist die Garantie eines gebührenfreien staatlichen Bildungsangebotes von der Kindertagesstätte bis zur Hochschule. Wir wollen nicht, dass der Zugang zu Bildung eine Frage des Geldbeutels ist.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielmehr wollen wir allen Kindern die Chance auf den bestmöglichen Start ins Leben bieten. Deswegen werden wir mit dem neuen Förderprogramm „Kita plus“ die Kindertagesstätten in unserem Land zu Familienzentren mit sozialpädagogischer Kompetenz ausbauen. Das gilt insbesondere in sozialen Brennpunkten.

Bundesweit gilt die Zielvorgabe, für 35 % aller Kinder unter drei Jahren einen Betreuungsplatz vorzuhalten. Wir wollen in Rheinland-Pfalz diese Zahl übertreffen. Die erforderlichen Krippenplätze richten wir ein, und an der Beitragsfreiheit des Kindergartens ab dem zweiten Lebensjahr halten wir fest.

Wir wissen, gute Bildung braucht besonders gut ausgebildetes Personal. Deshalb werden Erzieherinnen und Erzieher sowie Tagespflegepersonen verstärkt weiter qualifiziert. Der Beruf der Erzieherin oder des Erziehers ist anspruchsvoll. Er erfordert eine dauernde Weiterbildung der pädagogischen Kompetenz. Wir streben an, dass mehr Frauen und Männer mit akademischer Qualifizierung in den Kindertagesstätten tätig sind, wobei – dies unterstreiche ich ausdrücklich –, der bisherige Qualifikationsweg natürlich seine Bedeutung behält.

Der Rückgang der Schülerzahlen setzt Finanzmittel als sogenannte „demografische Rendite“ frei. Einen erheblichen Anteil im Umfang von 1.000 Lehrerstellen werden wir nutzen, um die Qualität an den Schulen noch einmal zu erhöhen und die pädagogischen Rahmenbedingungen weiter zu verbessern. Wir werden die Klassengrößen schrittweise verkleinern und damit in den Grundschulen beginnen. Ab dem kommenden Schuljahr wird die maximale Klassengröße im Einschulungsjahrgang 24 Schülerinnen und Schüler betragen. Auch die Klassenmesszahl in den Orientierungsstufen an den Integrierten Gesamtschulen und den Gymnasien wird auf 25 reduziert. Wir werden die pädagogischen Rahmenbedingungen an den Berufsschulen verbessern. Die Gleichwertigkeit von beruflicher und allgemeiner Bildung ist uns wichtig.

Zur guten Bildung gehört, gerade jüngere Schülerinnen und Schüler wohnortnah zu unterrichten. Unser Motto lautet: „Kurze Beine – kurze Wege“ Diese Regierung wird deshalb den Fortbestand der 400 kleinen Grundschulen in unserem Land, die nur eine Klasse pro Jahrgangsstufe haben, ermöglichen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ein großer Erfolg in Rheinland-Pfalz ist die Einführung und der Ausbau der Ganztagsschulen. Diese Erfolgsgeschichte schreiben wir fort. Gemeinsam sorgen wir dafür, dass bis zum Jahr 2016, also zum Ende dieser Legislaturperiode, jede zweite Schule ein Ganztagsangebot machen kann.

Die zwischen Ganztagsschulen und außerschulischen Partnern gelebte Kooperation werden wir weiter ausbauen. Eine noch engere Kooperation von Jugendhilfe und Schule soll erweiterte Angebote ermöglichen, auch in der Ferienzeit. Wir stärken auch den Willen der Eltern: Dort, wo es gewünscht wird, werden wir längeres gemeinsames Lernen möglich machen, indem wir die Er

richtung weiterer Integrierter Gesamtschulen erleichtern. Bei zukünftigen Neuerrichtungen soll bereits die reduzierte Klassenmesszahl von 25 für die Orientierungsstufe gelten.

Die Realschule plus ermutigen wir, verstärkt integrative Angebote zu machen. Wie gesagt, die wichtigste Voraussetzung für guten Unterricht sind gut ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer.

(Licht, CDU: Wenn sie da sind!)

Sie haben eine erfüllende, aber auch sehr fordernde Arbeit. Diese können sie nur leisten, wenn sie eine hervorragende Ausbildung genossen haben und ihnen ein breites Fortbildungsangebot zur Verfügung steht. Deshalb stellen wir auch in Zukunft die Ausbildungskapazitäten an den Universitäten und Studienseminaren zur Verfügung, die für die bestmögliche Ausbildung unserer Lehrerinnen und Lehrer benötigt werden.

Meine Damen und Herren, unsere Hochschulen sind offen. Das heißt, in Rheinland-Pfalz soll jede und jeder, der oder die die Eignung und die Motivation dazu mitbringen, ein Hochschulstudium aufnehmen zu können, dies auch ermöglicht bekommen. Für Menschen, die sich über eine Berufsausbildung anstatt über das Abitur qualifiziert haben, werden wir die Öffnung der Hochschulen weiter vorantreiben. Das mit dem novellierten Hochschulgesetz geschaffene Modellprojekt macht ein Studium direkt nach der Berufsausbildung möglich. Bei erfolgreichem Verlauf weiten wir es aus. Das Angebot an berufsbegleitenden und dualen Studiengängen werden wir erweitern.

Auch an den Hochschulen werden wir den Weg der Gebührenfreiheit konsequent weiter beschreiten. Aufgrund der bundesweiten Entwicklung – insbesondere im Zusammenhang mit der Abschaffung allgemeiner Studiengebühren in den benachbarten Ländern – werden wir das Studienkontenmodell abschaffen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Dies werden wir so umsetzen, dass es zum Beginn des Sommersemesters 2012 gilt.

Natürlich wissen wir, die Hochschulen stehen angesichts steigender Studierendenzahlen in den kommenden Jahren vor gewaltigen Herausforderungen. Um diese zu bewältigen, werden wir den Hochschulpakt von Bund und Ländern fortführen. Er muss – Sie wissen dies – zur Hälfte vom Land finanziert werden. Auch das Hochschulsonderprogramm „Wissen schafft Zukunft“ setzen wir fort. Wir unterstützen die rheinland-pfälzischen Universitäten darüber hinaus bei der Exzellenzinitiative. Die Universitäten Mainz und Kaiserslautern haben in der ersten Phase erfolgreich abgeschnitten, und wir werden sie auf dem Weg zum Vollantrag unterstützen.